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DOI: 10.1055/s-0031-1271517
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Fertilitätserhalt beim Mammakarzinom
Prof. Dr. med. K. Diedrich
Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Email: klaus.diedrich@uk-sh.de
Dr. med. T. Cordes
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Email: tim.cordes@uk-sh.de
Publication History
Publication Date:
17 June 2011 (online)
Etwa 10 % der Patientinnen mit einer Brustkrebserkrankung sind 35 Jahre oder jünger und befinden sich damit zu Krankheitsbeginn noch in ihrer reproduktiven Phase. Viele dieser Frauen haben die Familienplanung noch nicht abgeschlossen, was unter anderem auf das ansteigende Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes zurückzuführen ist [1] [2] . In dieser Situation, die einerseits durch eine Konfrontation mit einer potenziell tödlichen Erkrankung gekennzeichnet ist, anderseits eine Änderung der zuvor gefassten Lebensplanung bedingt, sollte eine Aufklärung über fertilitätserhaltende Maßnahmen bzw. Risiken der adjuvanten Therapie verpflichtend sein. Bei latentem Kinderwunsch ist die Durchführung einer Aufklärung über die abschätzbaren Risiken mit späteren Folgen durch eine zytotoxische Therapie unerlässlich.
Hierbei sollte auf die verschiedenen Möglichkeiten des Fertilitätserhaltes mit Erläuterung des derzeitigen Standes der Forschung eingegangen werden, aber auch die möglichen Folgen des bewussten „Nichtstuns“ müssen erwähnt werden. Dieses ist auf die Charakteristika der geplanten Therapie abzustimmen. Individuelle Faktoren wie das Alter der Patientin, das Krankheitsstadium, die soziale Situation sowie bereits vorhandene Familie und vorhandene / nicht vorhandene Partnerschaft sind bei der Beratung und Therapieentscheidung von entscheidender Bedeutung.
#Adjuvante Therapie und weibliche Fertilität
In Hinblick auf die adjuvante Therapie sollten die gonadotoxische Wirkung einer Chemotherapie, aber auch Auswirkungen einer Antikörpertherapie oder antihormonellen Therapie bedacht werden. Chemotherapien werden in drei Gruppen der Gonadoxizität eingestuft (siehe [Tab. 1]). Bedacht werden sollte jedoch nicht nur die Zytotoxizität der einzelnen Substanz, sondern auch Kombinationen von Arzneimitteln und die Dauer der Therapie. Zum Beispiel lag in einer Studie bei 191 Brustkrebspatientinnen unter einer Chemotherapie mit Doxorubicin und Cyclophosphamid ± Kombination mit Taxanen die Amenorrhoerate nach einem Jahr bei 80 % ohne Taxane und 64 % mit Taxanen [3].
Risiko der Fertilitätsverlustes | ||
hoch | mittel | niedrig |
Cyclophosphamid | Cisplatin | Methotrexat |
Chlorambucil | Adriamycin | 5-Fluorouracil |
Melphalan | Taxane (?) | Vincristin |
Busulfan | Bleomycin | |
Nitrogen Mustard | Actinomycin D | |
Procarbazin |
Die Folgen einer zytotoxischen Therapie sind aber nicht nur aus der Amenorrhoerate nach Therapie ersichtlich, sondern auch bei erhaltenen bzw. wiedereinsetzenden ovulatorischen Zyklen in Form einer vorzeitigen ovariellen Insuffizienz zu sehen.
Nach Planung der Therapie und vorhandenem Kinderwunsch sollte eine Aufklärung in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum, idealerweise mit Anbindung an das FertiPROTEKT-Netzwerk, erfolgen. In diesen Zentren findet eine individualisierte Beratung statt. Zusätzlich werden die Ergebnisse und Erfahrungen der Beratungen und Therapien, insbesondere auch mit neuen Substanzen und Therapie-Regimes, prospektiv zentral erfasst und ausgewertet.
In der Aufklärung sollten auch die Folgen der Therapie mit der Möglichkeit einer chemotherapeutischen Amenorrhoe und Sterilität thematisiert werden. Weitere Punkte der Aufklärung sind die Aufzählung der Möglichkeiten reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zum Fertilitätserhalt mit Nennung des Aufwandes, Behandlungsablaufes und der Kosten. Die Behandlungskosten werden in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen, sodass zumindest die Stimulationskosten und ggf. Laborkosten für etwaige Maßnahmen von der Patientin getragen werden müssen. Die Techniken der Fertilitätsprotektion reichen von der präventiven GnRH-Analoga-Gabe bis zur assistierte Reproduktion mit Kryokonservierung von MII-Oozyten oder Eizellen im Pronukleus-Stadium. Weitere Optionen sind die In-vitro- Maturation und die Kryokonservierung von Ovargewebe. Diese sind derzeit aber als experimentelle Verfahren zu werten, nach denen nur wenige Lebendgeburten resultierten.
#Möglichkeiten des Fertilitätserhalts
#GnRH-Analoga
Ein Schutz des Ovars durch eine Medikation wäre die ideale Art, die Nebenwirkungen einer Chemotherapie am Ovar zu minimiren. Die Hypothese zur Anwendung von GnRH-Analoga besagt, dass eine Schädigung der Zellen am Ovar durch eine Inaktivierung geringer ausfallen könnte. Die Wirksamkeit dieser Methode ist letztlich jedoch noch nicht bewiesen, hier liegen kontroverse Ergebnisse vor. Sie sollte jedoch aber als Minimalvariante allen Patientinnen angeboten werden.
#Kryokonservierung von unbefruchteten oder befruchteten Oozyten
Entscheidend für die Wahl einer Methode ist der soziale Status der Patientin. Falls die Patientin nicht in einer festen Partnerschaft lebt, ist neben der Kryokonservierung von Ovarialgewebe die Kryokonservierung unfertilisierter MII-Oozyten die Methode der Wahl. Bei fester Partnerschaft ist die Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten die bessere Option, da diese einen stabileren Zustand für Gefriereinlagerung darstellen, das heißt eine bessere Überlebensrate nach dem Auftauen haben.
Ein Problem stellt jedoch die Indikationsstellung für eine Stimulationsbehandlung bei hormonrezeptorpositiven Tumoren dar. Diese ist im eigentlichen Sinne kontraindiziert, kann aber in Einzelfällen nach ausführlicher Aufklärung, ggf. in Kombination mit Letrozol vor einer Chemotherapie begonnen werden. Die benötigte Zeit liegt bei mindestens 12 Tagen; dies kann einen limitierenden Faktor darstellen.
#Entnahme von Ovargewebe mit späterer Replantation
Eine operative Entnahme ovariellem Gewebe mit Einlagerung mittels Kryokonservierung und möglicher Replantation stellt eine weitere Methode zum Fertilitätserhalt dar. Die erste Transplantation von kryokonserviertem Ovargewebe wurde im Jahre 2000 vorgenommen [4]. Es handelt sich hierbei jedoch um ein hochexperimentelles Verfahren, das bisher nur in Einzelfällen zu Schwangerschaften geführt hat.
Die Gewinnung von Ovargewebe ist im Vergleich zur hormonellen Stimulation durch einzelne Vorteile gekennzeichnet. Es kommt nicht zur zeitlichen Verzögerung der onkologischen Therapie, da sie zyklusunabhängig durchgeführt werden kann. Mögliche negative Einflüsse der hormonellen Stimulation können vermieden werden. Es müssen aber auch theoretische Risiken bedacht werden, wie zum Beispiel eine Replantation von Ovargewebe mit metastasiertem Tumorgewebe.
#Fazit
Bei einer gonadotoxischen adjuvanten Therapie, in welcher Form auch immer, sollte der Fertilitätserhalt bei möglichem Kinderwunsch bedacht werden. Eine Aufklärung der Patientin ist essentiell. Hierbei sind die erhöhten Amenorrhoeraten nach Therapie sowie die vorzeitige Ovarialinsuffizienz zu bedenken. Der Patientin sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum zur ausführlichen Beratung und gegebenenfalls Therapie vorzustellen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den behandelnden Gynäkoonkologen / Onkologen und Reproduktionsmedizinern ermöglicht eine zügige und vollständige Beratung und wahrt der Patientin die Möglichkeit nach erfolgreicher Krebstherapie ihren Kinderwunsch zu verwirklichen.
#Literatur
- 1 Lee S, Schover L, Partridge A et al. American Society of Clinical Oncology recommendations on fertility preservation in cancer patients. J Clin Oncol. 2006; 24 1-11
- 2 Petru E, Wildt L, Stummvoll W et al. Konsensus der österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe / Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie: Fertilität, Kontrazeption und Hormonersatz bei onkologischen Patientinnen unter besonderer Berücksichtigung des Mammakarzinoms. Geburtsh Frauenheilk. 2009; 69 1071-1077
- 3 Petrek J A, Naughton M J, Case L D et al. Incidence, time course, and determinants of menstrual bleeding after breast cancer treatment: A prospective study. J Clin Oncol. 2006; 24 1045-1051
- 4 Oktay K, Karlikaya G G, Aydin B A. Ovarian cryopreservation and transplantation: basic aspects. Mol Cell Endocrinol. 2000; 169 105-108
- 5 Popovici R, von Wolff M, Strowitzki T. Fertilitätserhalt bei Krebs. Der Onkologe. 2010; 16 423-430
- 6 Sonmezer M, Oktay K. Fertility preservation in female patients. Hum Reprod Update. 2004; 10 251-266
Prof. Dr. med. K. Diedrich
Ärztlicher Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Email: klaus.diedrich@uk-sh.de
Dr. med. T. Cordes
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe · Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
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23538 Lübeck
Email: tim.cordes@uk-sh.de
Literatur
- 1 Lee S, Schover L, Partridge A et al. American Society of Clinical Oncology recommendations on fertility preservation in cancer patients. J Clin Oncol. 2006; 24 1-11
- 2 Petru E, Wildt L, Stummvoll W et al. Konsensus der österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe / Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie: Fertilität, Kontrazeption und Hormonersatz bei onkologischen Patientinnen unter besonderer Berücksichtigung des Mammakarzinoms. Geburtsh Frauenheilk. 2009; 69 1071-1077
- 3 Petrek J A, Naughton M J, Case L D et al. Incidence, time course, and determinants of menstrual bleeding after breast cancer treatment: A prospective study. J Clin Oncol. 2006; 24 1045-1051
- 4 Oktay K, Karlikaya G G, Aydin B A. Ovarian cryopreservation and transplantation: basic aspects. Mol Cell Endocrinol. 2000; 169 105-108
- 5 Popovici R, von Wolff M, Strowitzki T. Fertilitätserhalt bei Krebs. Der Onkologe. 2010; 16 423-430
- 6 Sonmezer M, Oktay K. Fertility preservation in female patients. Hum Reprod Update. 2004; 10 251-266
Prof. Dr. med. K. Diedrich
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