Dialyse aktuell 2010; 14(10): 558-560
DOI: 10.1055/s-0030-1270261
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Fernreise und Dialyse – Kein Widerspruch

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Publication Date:
15 December 2010 (online)

 
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Viele Dialysepatienten verschieben ihren Wunsch nach Fernreisen auf die Zeit nach der Transplantation. Aber warum warten? Spezialisierte Reisebüros vermitteln Dialyseplätze in aller Welt. Wer in kurzer Zeit besonders viele Highlights erleben möchte, sollte eine Kreuzfahrt ins Auge fassen. Schiffspassagiere mit Niereninsuffizienz buchen kurzerhand das Dialysepaket statt der Wellnessangebote - und genießen ansonsten die Seereise wie jeder andere Gast auch. Was sich so einfach anhört, scheitert im Alltag nur allzu oft. "Die Krankengeschichte, die Klimaumstellung und die Kosten" heißt es etwa, wenn man Dialysepatienten nach den Gründen für ihren Verzicht fragt.

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Dialyse im Ausland ist machbar

Doch wie sieht das Reiseangebot tatsächlich aus? In Deutschland leben über 90 000 Patienten mit chronischer Nierenerkrankung oder terminaler Niereninsuffizienz. Etwa 1 Viertel von ihnen ist nierentransplantiert, die übrigen brauchen regelmäßig eine Dialysebehandlung. Bei der Hämodialyse (HD) wird meist 3-mal pro Woche für jeweils mehrere Stunden das Blut gewaschen, entweder im Rahmen der Heimdialyse oder in einer nephrologischen Praxis bzw. einem Dialysezentrum. Im Prinzip lassen sich die (Fern)reisewünsche dieser Patienten gut realisieren, denn in vielen Dialysestationen sind Feriengäste willkommen. Die beiden vom Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V. (KfH) und dem Verband Deutsche Nierenzentren e. V. (DN) herausgegebenen Feriendialyseführer listen Hunderte von Einrichtungen im In- und Ausland, bei denen nach vorheriger Anmeldung und Übermittlung der Dialysedaten eine qualitativ hochwertige Dialyse möglich ist.

Wer seine Reise nicht selbst organisieren möchte, kann sich an spezialisierte Reiseveranstalter wenden. Sie vermitteln weltweit Plätze für die Feriendialyse und haben auch Ziele in Mauritius, Mexiko und Thailand im Angebot. Da Dialysepatienten grundsätzlich Anspruch auf Urlaub haben, werden die Kosten für eine Feriendialyse von den Kassen ganz oder zumindest anteilig in Höhe des heimischen Kostensatzes übernommen. Während sich also die Hämodialyse außerhalb der Heimat recht gut organisieren lässt, ist bei Patienten mit Peritonealdialyse (PD) Eigeninitiative gefragt. Sie müssen sich die erforderliche Zahl an PD-Beuteln, Schlauchsystemen und Verschlusskappen vorweg an ihren Urlaubsort schicken lassen und das Material fachgerecht einlagern. Das ist etwas mühsam, aber durchaus machbar, wie zahlreiche Erfahrungsberichte von reisefreudigen PD-Patienten belegen. Für die PD wie auch für die HD gilt: Außerhalb Europas übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die (anteiligen) Dialysekosten für bis zu 6 Wochen.

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Dialysepatienten sind selten unterwegs

Die etwa 63 000 deutschen Hämodialysepatienten gehen selten auf Reisen, wie eine Pilotstudie der Hochschule Niederrhein gezeigt hat. Von den 207 befragten Patienten aus Praxen und Kliniken reisten die meisten entweder gar nicht oder nur zu nahe gelegenen Zielen. Fast alle Befragten fühlten sich nicht ausreichend informiert und wussten nur wenig über die Möglichkeit zur Feriendialyse. Der Hauptgrund für den Verzicht auf Urlaubsreisen waren freilich gesundheitliche Bedenken, was die Notwendigkeit einer sorgfältigen reisemedizinischen Beratung dieser Patienten unterstreicht. Aus der Studie heraus sind Empfehlungen entstanden, wie sich die Reisewünsche dieser speziellen Gruppe von Patienten besser umsetzen lassen.

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Warum nicht mal aufs Schiff?

Kreuzfahrten haben sich für Dialysepatienten mit Fernweh zu einer beliebten Alternative entwickelt, zumal ihnen etliche Anbieter bei den Reisepreisen entgegenkommen und damit die komfortablen Schiffsreisen durchaus erschwinglich machen. Die ersten Dialysepatienten gingen 1981 an Bord der MS Astor, dem damaligen Traumschiff. Mit der technischen Weiterentwicklung wurde auch die Dialyse an Bord sicherer und präziser. Von den Schiffen unter deutscher Leitung sind derzeit 6 mit einer Dialysestation ausgestattet (MS Astor, MS Deutschland, MS Delphin, MS Delphin Voyager, MS Europa und MS Mozart). Sie bieten von der Flusskreuzfahrt auf der Donau bis zum Inselhopping in der Südsee für jeden Geschmack die richtige Reise.

Die Dialysezeiten werden in der Regel so gelegt, dass alle Gäste an den Landausflügen teilnehmen können - schließlich soll das Reiseerlebnis im Mittelpunkt stehen und nicht die Dialyse. Alle Schiffe verfügen über moderne Dialysegeräte, Notstromaggregrate und eine separate Wasseraufbereitung. Betreut werden die Dialysepatienten von einem spezialisierten Arzt und ausgebildeten, deutschsprachigen Pflegekräften. Ergänzend gibt es Reiseangebote von Kreuzfahrtschiffen mit englischsprachigem Dialysepersonal und abweichenden Dialysestandards.

Ist die Wahl getroffen, lässt sich eine Dialysekreuzfahrt ähnlich wie andere Urlaubsdialysen abwickeln: Die medizinischen Unterlagen mit den Angaben zu Art und Dauer der Dialysebehandlung gehen vorab auf die Reise. Die Medikamente für unterwegs sind vorbestellt oder kommen mit in den Koffer und die Reiseversicherung ist abgeschlossen - diese sollte bei Fernzielen auch den Rücktransport im medizinischen Notfall garantieren. Mitunter kommt unterwegs das Angebot zur Transplantation. Wer das nicht möchte, meldet sich vorübergehend von der Warteliste ab - schließlich ist Urlaub.

Dr. Beate Grübler, Hannover

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Interview

Der Arzt Dr. Peter Rittich, Hamburg, betreut mit seinem Team seit vielen Jahren Dialysepatienten auf Kreuzfahrten.

? Herr Dr. Rittich, für welche Patienten mit Dialysepflicht kommt eine Schiffreise infrage?

Dr. Peter Rittich: Salopp gesagt: Wer sich selbst versorgen kann, wird auch eine Kreuzfahrt bewältigen. Reiseziel und -dauer sollten allerdings mit dem betreuenden Facharzt abgesprochen sein. Die Dialysepflichtigkeit an sich bereitet keine Schwierigkeiten, aber mitunter können Begleiterkrankungen die Reisefähigkeit einschränken. Was jedoch Gehprobleme betrifft - auch ein Rollator darf mit aufs Schiff!

? Wie gestaltet sich die Dialysebehandlung bei den von Ihnen bzw. Ihrem Team betreuten Reisen?

Rittich: Wir haben auf den Schiffen zwischen 3 und 8 Dialyseplätzen (plus Reservegeräte), die umschichtig genutzt werden können und sich in 2 separaten Räumen befinden. Alle Geräte sind vom Typ Fresenius 4008 B und 4008 S. Betreut werden unsere Patienten von einem Dialysearzt und 2 Dialyseschwestern, bei Bedarf gibt es auch technische Unterstützung.

? Was sind die logistischen Anforderungen an eine Schiffsdialyse?

Rittich: Tatsächlich ist die Logistik eine Herausforderung. Wir holen vorzugsweise das komplette Verbrauchsmaterial vor Reiseantritt an Bord, das sind bei einer Weltreise beträchtliche Mengen. Müssen wir wegen großer Nachfrage nachrüsten, gehen die Paletten mit Dialysematerial zusammen mit den Lebensmitteln in Containern an Bord. Sehr selten kaufen wir auch im Ausland.

? Was ist aus ärztlicher Sicht vor dem Antritt der Reise zu beachten?

Rittich: Prinzipiell nehmen alle Patienten ihre Medikamente in ausreichender Menge selbst mit an Bord, denn Nachschub ist im Ausland schwer zu bekommen. Oft muss das gewünschte Präparat erst bestellt werden - das funktioniert nicht, wenn das Schiff in wenigen Stunden den Hafen verlässt. Das Angebot in unserer Bordapotheke ist zwangsläufig begrenzt und konzentriert sich auf den Bedarf für Notfälle. Zu kühlende Medikamente werden von Zeit zu Zeit in einer entsprechenden Box an Bord geliefert. Das gilt auch für Erythropoetinpräparate, sofern uns das Rezept vorliegt. Patienten mit Hepatitis können wir nur dann zur Dialyse aufnehmen, wenn eine maschinelle, personelle und räumliche Trennung gewährleistet ist. Am ehesten ist eine solche Regelung auf den Schiffen MS Deutschland, MS Delphin und MS Delphin Voyager möglich, weil es dort Einzel- bzw. Zweibettzimmer gibt.

Ein Wort zu Reiseimpfungen: Diese sind für unsere Patienten kritisch zu beurteilen, insbesondere in Bezug auf Lebendimpfstoffe. Deshalb akzeptieren die Behörden beim Verzicht auf eine Gelbfieberimpfung den Impfpasseintrag "aus medizinischen Gründen nicht geimpft". Bei der Prophylaxe zum Schutz vor Malaria, Cholera und Typhus/Parathyphus ist gemäß der zu erwartenden Infektionsrisiken zu entscheiden. Uneingeschränkt zu empfehlen ist der Schutz vor Hepatitis A.

Das Interview führte Dr. Beate Grübler, Hannover.

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Hintergrundinformationen

Feriendialyseführer:

  • Dialyse auf Reisen: 550 Dialysestationen in Deutschland und international, kann kostenlos unter Beifügung von Briefmarken im Wert von 1,45 Euro beim Verband Deutsche Nierenzentren e. V. (DN), Immermannstraße 65 A, 40210 Düsseldorf, angefordert werden.

  • KfH-Urlaubsdialyse: Dialysestationen in 37 deutschen Urlaubsregionen, kann kostenlos per Email: info@kfh-urlaubsdialyse.de oder über http://www.kfh-urlaubsdialyse.de angefordert werden.

Reiseportale:

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Literatur

  • 01 Weidenfeld C. Reisen trotz Dialysepflicht: Pilotstudie - Analyse des Reiseverhaltens deutscher Hämodialyse-Patienten und Schlussfolgerungen für den Tourismus. Saarbrücken: VDM; 2009
  • 02 CRM-Handbuch 2011 - Reisen mit Vorerkrankungen. Düsseldorf: CRM; 2010 2010
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Literatur

  • 01 Weidenfeld C. Reisen trotz Dialysepflicht: Pilotstudie - Analyse des Reiseverhaltens deutscher Hämodialyse-Patienten und Schlussfolgerungen für den Tourismus. Saarbrücken: VDM; 2009
  • 02 CRM-Handbuch 2011 - Reisen mit Vorerkrankungen. Düsseldorf: CRM; 2010 2010