Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(4): 161-162
DOI: 10.1055/s-0030-1263043
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Australien – Hirnhautentzündung durch Rattenlungenwurminfektion

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Publication Date:
16 August 2010 (online)

 
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Im australischen New South Wales erkrankte Mitte Mai ein junger Mann an einer seltenen eosinophilen Meningoenzephalitis. Er hatte im Rahmen einer Mutprobe eine lebende Nacktschnecke verzehrt und sich dabei mit den Larven des sogenannten Rattenlungewurms Angiostrongylus cantonensis infiziert. Derzeit schwebt der 21-Jährige in Lebensgefahr. Der erste Fall einer Angiostrongyliasis in Australien wurde im Jahr 1971 in Brisbane nachgewiesen. Sporadische Fälle traten in Queensland, im nördlichen New South Wales und in Victoria auf. Viele der australischen Ureinwohner sind seropositiv.

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Sporadische Infektionen auch in Nord-, Mittel- und Südamerika

Der zu den Nematoden gehörende Rattenlungenwurm hat sein natürliches Verbreitungsgebiet in Südostasien und auf den pazifischen Inseln, wo er heute auch noch am häufigsten vorkommt. Die meisten Infektionen beim Menschen treten in China, Taiwan, Vietnam und anderen südostasiatischen Ländern auf. Ratten sind das natürliche Reservoir, was aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung auch dazu führte, dass mittlerweile der Parasit selbst und auch humane Infektionen in verschiedenen Regionen der Erde außerhalb Südostasiens und der pazifischen Inseln vorgekommen sind. Sporadische Infektionen beim Menschen und Nachweise bei Ratten gab es beispielsweise in den USA, auf Hawaii, in Australien, Ecuador, Brasilien, Kuba, Puerto Rico, der Dominikanischen Republik und auf Jamaika.

Die komplizierte Entwicklung von Angiostrongylus cantonensis beginnt im Hauptwirt, der durch verschiedene Rattenarten repräsentiert wird, in deren Lungen die adulten Weibchen leben. Die Eier entwickeln sich über verschiedene Zwischenschritte zum 2. Larvenstadium, welches die Ratten mit dem Kot ausscheiden. Zwischenwirte können verschiedene Landschnecken und Krabben sein, die den Rattenkot mit der Nahrung aufnehmen. Hier entwickelt sich das 3. Larvenstadium. Als Nebenwirte dienende Frösche oder Fische können nun durch Fressen des Zwischenwirtes die Larven ebenfalls aufnehmen, wobei jedoch keine weitere Entwicklung mehr stattfindet. Die Ratten, also die Hauptwirte, infizieren sich mit dem 3. Larvenstadium, indem sie den Zwischenwirt oder den Nebenwirt fressen. Allerdings dringt die Larve in der Schnecke auch aktiv nach außen, sodass in der Schleimspur infektiöse Larven vorhanden sind, die von der Ratte (dem Hauptwirt) aufgenommen werden können. Hier entwickeln sich dann wieder über verschieden Stadien die adulten Tiere.

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Mensch infiziert sich über das 3. Larvenstadium

Der Mensch kann sich durch die Aufnahme des 3. Larvenstadiums (Zwischenwirt, Nebenwirt) mit Angiostrongylus cantonensis infizieren (Abb. [1]). Die Aufnahme des 3. Larvenstadiums, also die eigentliche Infektion, kann dementsprechend durch den Verzehr von rohen Fröschen, Schnecken, Krabben und durch mit dem 3. Larvenstadium verunreinigtem Obst und Gemüse erfolgen. Fische als Infektionsquelle und eine Übertragung von Mensch zu Mensch sind bisher nicht bekannt. Die häufigsten Infektionsquellen, besonders in Südostasien, sind die Riesenapfelschnecke (Pomacea canaliculata) und die Große Achatschnecke (Achatina fulica), die in vielen südostasiatischen Ländern als Delikatesse verzehrt werden (Abb. [2]). Weiterhin wies man die Parasiten auch in Hunden, in Flughunden (Pteropus poliocephalus), in Bennett-Wallabys (Macropus rufogriseus), in Roten Rattenkängurus (Aepyprymnus rufescens) und in Tamarinen (Sanguinus spp.) nach. Inwieweit diese Tiere potenzielle Infektionsquellen für den Menschen sind, ist jedoch nicht belegt.

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Abb. 1 Das infektiöse dritte Larvenstadium von Angiostrongylus cantonensis, das aus einer Nacktschnecke isoliert wurde. Quelle: CDC DPDx Parasite Image Library

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Abb. 2 Die Große Achatschnecke Achatina fulica ist eine der häufigsten Quellen für Infektionen mit dem Rattenlungewurm Angiostrongylus cantonensis. Quelle: Wikipedia, Bild: Ahoerstemeier

Hat sich der Mensch infiziert, kommt es in der Regel zu einer Wanderung der Larve ins Gehirn und es kann in einigen Fällen eine eosinophile Meningoenzephalitis auftreten. In vielen Fällen kann die Infektion auch symptomlos und selbstlimitierend verlaufen. In sehr seltenen Fällen kann die Infektion auch zu einer okularen Angiostrongyliasis führen. Die Behandlung der Infektion erfolgt symptomatisch, wirksame Antibiotika sind bisher nicht bekannt.

Dr. Raymund Lösch und Dr. rer. nat. Mirko Dreßler, Bad Doberan

Quellen: promed; Li H et al. Am J Trop Med Hyg 2008; 79: 568-570; Weir. Can Med Assoc J 2002; 166: 1184

 
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Abb. 1 Das infektiöse dritte Larvenstadium von Angiostrongylus cantonensis, das aus einer Nacktschnecke isoliert wurde. Quelle: CDC DPDx Parasite Image Library

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Abb. 2 Die Große Achatschnecke Achatina fulica ist eine der häufigsten Quellen für Infektionen mit dem Rattenlungewurm Angiostrongylus cantonensis. Quelle: Wikipedia, Bild: Ahoerstemeier