Rehabilitation (Stuttg) 2010; 49(6): 396-399
DOI: 10.1055/s-0030-1262845
Diskussion

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Was ist Basale Stimulation? Ein Vorschlag zur Begriffsklärung

What is Basic Stimulation? A Suggestion for Disambiguation[1] L. Mohr1
  • 1Arbeitsbereich Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung, Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH), Zürich, Schweiz
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Publication Date:
07 December 2010 (online)

Der Begriff Basale Stimulation® [2] ist in der Pflege (-wissenschaft), bestimmten therapeutischen Ansätzen und in der Sonderpädagogik bereits seit vielen Jahren bekannt. Dennoch (oder gerade deshalb) kann es bei seinem Gebrauch immer wieder zu Missverständnissen kommen, wenn nicht berücksichtigt wird, dass die Bezeichnung im Laufe der Zeit eine nicht unwesentliche Bedeutungsänderung erfahren hat: Basale Stimulation heute ist nicht deckungsgleich mit Basaler Stimulation vor einem Vierteljahrhundert (wenngleich natürlich Gemeinsamkeiten noch bestehen): Der Ansatz wurde nach und nach „von einer zunächst nur als Technik präsenten Methode zu einem umfassenden Konzept für schwerst mehrfachbehinderte Menschen weiterentwickelt” ([1], S. 161). Davon ausgehend erfüllt eine Begriffsklärung, welche die heutige Idee und Prägung Basaler Stimulation knapp auf den Punkt bringt, (zumindest) zwei Funktionen:

Sie vermag Erläuterungen zum Begriff, die in der Literatur über verschiedene Stellen verteilt sind (z. B. bei 2, S. 10, 178–180 oder 3), definitorisch zu bündeln und folglich auf einen Blick darzubieten. Sie weist damit – in Verdichtung – die Charakteristika des Konzeptes aus, die man nicht (mehr) ignorieren darf, wenn man sachlich korrekt und in Gegenwartsform von Basaler Stimulation redet oder mit ihr arbeitet.3

Als Begriffsbestimmung Basaler Stimulation sei vor diesem Hintergrund vorgeschlagen:

Basale Stimulation ist ein Konzept menschlicher Begegnung, welches individuelle – ggf. voraussetzungslose – Möglichkeiten und Anregungen bietet, in dialogisch-kommunikativen Prozessen schwer beeinträchtigten oder von schwerer Beeinträchtigung bedrohten Menschen Entwicklungsbedingungen zu gestalten, die dazu geeignet sind,

Gesundheit und Wohlbefinden, Bildung und gemeinschaftliche Teilhabe sowie die Selbstbestimmung

der angesprochenen Personen zu fördern, zu erhalten oder zu unterstützen.

Bezüglich dieser Begriffsbestimmung ist vor allem Weiteren zweierlei zu betonen:

Obige Formulierung stammt nicht nur aus meiner eigenen Feder, sondern geht auf gemeinsame Arbeit im Beirat des Internationalen Fördervereins zurück. Den Kolleginnen und Kollegen gebühren darum ausdrückliche Erwähnung und ein herzlicher Dank: M. W. Schnell, U. Reisenberger, M. Hatz-Casparis, H. Hockauf, A. Schürenberg. In der Mitgliederversammlung des Internationalen Fördervereins Basale Stimulation vom 16. Mai 2008 in Hamburg hat das Präsidium des Vereins den versammelten Mitgliedern vorgeschlagen, die wiedergegebene Formulierung als Begriffsklärung Basaler Stimulation der Vereinssatzung voranzustellen. Diesem Antrag hat die Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit zugestimmt.

Im weiteren Text wird als Entfaltung und Kommentar auf die einzelnen Elemente der Begriffsklärung etwas genauer eingegangen.

1 Die englische Fassung kann beim Autor angefordert werden.

Literatur

  • 1 Ackermann K-E. Sonderpädagogische Erfindungskraft als Medium der Wiederentdeckung der Bildsamkeit. Zum physiologischen Ansatz einer „Pädagogik bei schwerster Behinderung”. In: Mietzner U, Tenorth H-E, Welter N, Hrsg. Pädagogische Anthropologie – Mechanismus einer Praxis. Zeitschrift für Pädagogik 2007. Beiheft 52 155-170
  • 2 Fröhlich A. Basale Stimulation. Das Konzept. 4. Aufl. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben; 2003
  • 3 Fröhlich A, Nydahl P. Basale Stimulation. In:, Schewior-Popp S, Sitzmann F, Ulrich L, Hrsg. Thiemes Pflege. Das Lehrbuch für Pflegende in Ausbildung. 11. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme; 2009: 244-254
  • 4 Schnell MW. Ethik und Anthropologie der Basalen Stimulation. In: Schnell MW Hrsg. Leib. Körper. Maschine. Interdisziplinäre Studien über den bedürftigen Menschen. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben; 2004: 105-114
  • 5 Fröhlich A. Basale Förderung. In:, Antor G, Bleidick U Hrsg. Handlexikon der Behindertenpädagogik.Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer; 2006: 402-404
  • 6 Mall W. Kommunikation – Basis der Förderung. In:, Frei EX, Merz H-P Hrsg. Menschen mit schwerer geistiger Behinderung. Alltagswirklichkeit und Zukunft. 2. Aufl. Luzern: Edition SZH/SPC; 1993: 135-151
  • 7 Mall W. Kommunikation ohne Voraussetzungen mit Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen. Ein Werkheft. 6. Aufl. Edition S. Heidelberg: Winter; 2008
  • 8 Fröhlich A, Simon A. Gemeinsamkeiten entdecken. Mit schwerstbehinderten Kindern kommunizieren. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben; 2004
  • 9 Bienstein C, Fröhlich A. Basale Stimulation in der Pflege.. Die Grundlagen. 4. Aufl. Seelze-Velber: Kallmeyer; 2007
  • 10 Fröhlich A. Ansätze zur ganzheitlichen Frühförderung schwer geistig Behinderter unter sensumotorischem Aspekt. In:, Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte, Hrsg. Hilfen für schwer geistig Behinderte. Eingliederung statt Isolation. Marburg: Lebenshilfe; 1978: 42-57
  • 11 Haupt U, Fröhlich A. Personenkreis. In:, Haupt U, Fröhlich A. Entwicklungsförderung schwerstbehinderter Kinder. Bericht über einen Schulversuch. Teil I. Mainz: v. Hase & Koehler; 1982: 20-24
  • 12 Theunissen G. Lebensbereich Freizeit – ein vergessenes Thema für Menschen, die als geistig schwer- und mehrfachbehindert gelten. In:, Cloerkes G, Markowetz R Hrsg. Freizeit im Leben behinderter Menschen. Theoretische Grundlagen und sozialintegrative Praxis. Edition S. Heidelberg: Winter; 2000: 137-149
  • 13 Haupt U. Entwickeln kann man sich nur selbst.  Zusammen. 2000;  20 (2) 4-7
  • 14 Fröhlich A. Basale Stimulation. In: Greving H, Hrsg. Kompendium der Heilpädagogik. Band 1. Troisdorf: Bildungsverlag Eins; 2007: 88-96
  • 15 Praschak W. Sensumotorische Kooperation mit Schwerstbehinderten als Herausforderung für eine allgemeine Pädagogik. Theorie und Praxis, 31. Hannover: Universität Hannover, Fachbereich Erziehungswissenschaften I; 1990
  • 16 Frevel C. Altes Testament. In: Frevel C, Wischmeyer O. Menschsein. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments. Die Neue Echter Bibel – Themen, 11 Würzburg: Echter; 2003:: 7-60
  • 17 Nocke F-J. Eschatologie. Leitfaden Theologie, 6. 6. Aufl Düsseldorf: Patmos; 1999

1 Die englische Fassung kann beim Autor angefordert werden.

2 Das Konzept Basale Stimulation wurde erarbeitet und weiterentwickelt von Prof. Dr. Andreas Fröhlich (vgl. [2]). Der Begriff Basale Stimulation ist markenrechtlich europaweit geschützt. Inhaberin der Wortbildmarke ist der Internationale Förderverein Basale Stimulation e. V. Leserfreundlich wird im Text auf das verzichtet.

3 Der Hinweis darauf erfolgt durchaus aus gegebenem Anlass.

Korrespondenzadresse

Lars Mohr

Interkantonale Hochschule für

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