Gastroenterologie up2date 2010; 6(4): 236-237
DOI: 10.1055/s-0030-1255854
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frühzeitige intensivierte immunsuppressive Therapie bei Morbus Crohn

Nicht die Regel, bei ausgewählten Patienten sollte sie aber durchgeführt werdenAndreas  Stallmach
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Publication Date:
16 December 2010 (online)

Kommentar zu: Infliximab, Azathioprin oder Kombinationstherapie bei Morbus Crohn

Infliximab, azathioprine, or combination therapy for Crohn’s disease

Colombel JF, Sandborn WJ, Reinisch W, Mantzaris GJ, Kornbluth A, Rachmilewitz D, Lichtiger S, D’Haens G, Diamond RH, Broussard DL, Tang KL, van der Woude CJ, Rutgeerts P; Hopital Claude Huriez and Centre d’Investigation Clinique, Centre Hospitalier Universitaire de Lille, Universite Lille Nord de France, Lille, France. Collective Name: SONIC Study Group.

Hintergrund: Wenn konventionelle Strategien bei der Behandlung des Morbus Crohn versagt haben, empfehlen die Leitlinien die anschließende Initiierung von Azathioprin- und Anti-TNF-Therapien. Der Frage, ob Patienten mit moderatem bis schwerem Morbus Crohn eher eine kortikosteroidfreie klinische Remission erreichen, wenn sie anstelle einer Azathioprin-Monotherapie Infliximab plus Azathioprin oder eine Infliximab-Monotherapie erhalten, ging eine Studie von J.F. Colombel et al. nach.

Methoden: An der randomisierten, doppelblinden Studie beteiligten sich 508 Erwachsene mit moderater bis schwerer Crohn-Krankheit ohne vorangegangene immunsuppressive oder Biologika-Therapien. Eine Studiengruppe (n = 169) erhielt nach Randomisierung intravenös 5 mg Infliximab/kg KG in Woche 0, 2, 6 und danach alle 8 Wochen plus 1-mal tgl. Plazebo zur oralen Einnahme; einer weiteren Gruppe (n = 170) verabreichten die Prüfärzte 2,5 mg Azathioprin/kg KG (oral) plus eine Plazeboinfusion nach Standardschema, und eine dritte Patientengruppe (n = 169) unterzog sich einer Infliximab-Azathioprin-Kombinationstherapie. Die Behandlungen erfolgten bis einschließlich Woche 30, es bestand die Möglichkeit zur Weiterführung der Therapie bis in die 50. Woche.

Ergebnisse: Von den 169 Patienten mit Kombinationstherapie erreichten in der 26. Woche 96 (56,8 %) eine kortikosteroidfreie klinische Remission gegenüber 75 von 169 Patienten (44,4 %) der Infliximab-Gruppe (p = 0,02) und 51 von 170 Patienten (30 %) der Azathioprin-Gruppe (p < 0,001 für den Vergleich mit der Kombinationstherapie; p = 0,006 für den Vergleich mit Infliximab). Dieser Ergebnistrend setzte sich auch in der 50. Woche fort. Eine Mukosaheilung stellten die Autoren in Woche 26 bei 47 von 107 Patienten (43,9 %), die sich der Kombinationstherapie unterzogen hatten, fest, bei 28 von 93 Patienten (30,1 %) der Infliximab-Gruppe (p = 0,06) und bei 18 von 109 Patienten (16,5 %) der Azathioprin-Gruppe (p < 0,001 für den Vergleich mit der Kombinationstherapie; p = 0,02 für den Vergleich mit Infliximab). 3,9 % der Patienten der Kombinationstherapie-Gruppe zogen sich schwerwiegende Infektionen zu, unter Infliximab und Azathioprin allein waren es jeweils 4,9 % und 5,6 %.

Folgerung: Innerhalb der Studie erwies sich die Infliximab-Azathioprin-Kombinationstherapie bei Patienten mit moderatem bis schwerem Morbus Crohn als die effektivste Behandlungsoption. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse war bei den drei Therapieformen vergleichbar. Dennoch muss das mit der Kombinationstherapie einhergehende erhöhte Risiko für seltene, aber ernste toxische Effekte berücksichtigt werden, so die Autoren.

N Engl J Med 2010; 362: 1383 – 1395

(zusammengefasst von Dr. Frank Lichert, Weilburg)

Verlaufsformen. Der Verlauf beim Morbus Crohn ist in der Regel durch den Wechsel zwischen Phasen mit hoher Krankheitsaktivität und Phasen der Remission gekennzeichnet. Ca. 25 – 50 % der Patienten müssen nie mit systemisch wirkenden Steroiden behandelt werden. Bei diesen Patienten ist der Krankheitsverlauf relativ „benigne” und es treten nur selten Rezidive auf [1]. Bei einer anderen Gruppe von Patienten, insbesondere bei jungen Patienten, die initial mit Steroiden behandelt werden müssen und einen perianalen Befall aufweisen, ist ein ungünstiger Verlauf zu erwarten. Dieser ist durch häufige Krankenhausaufenthalte und wiederholte Operationen mit negativen Folgen für das Privat- und Arbeitsleben geprägt.

„Top-down-Strategie”. Zurzeit wird kontrovers diskutiert, ob eine frühzeitige immunsuppressive Therapie, der „Top-down-Ansatz”, den „natürlichen Verlauf” verändert. Verschiedene Studien belegen, dass ein Abheilen Crohn-typischer Läsionen, das sog. „mucosal healing”, mit einer günstigen Prognose einhergeht. Wenn sich in der vorgestellten Studie die Infliximab-Azathioprin-Kombinationstherapie als effektivste Behandlungsform zum Erreichen einer steroidfreien Remission bzw. eines „mucosal healing” erweist, ist dies ein starkes Argument für eine frühzeitige „Top-down-Strategie”. Aus verschiedenen Gründen ist diese Studie jedoch kritisiert worden.

Azathioprin-Monotherapie als Vergleichsarm. Eine Monotherapie mit Azathioprin beim akuten Morbus Crohn entspricht nicht der täglichen Praxis oder den Empfehlungen der nationalen und internationalen Leitlinien. So kann in Kombination mit einer Steroidstoßtherapie durch Azathioprin in 76 % der behandelten Patienten nach 16 Wochen [2] bzw. in ca. 50 % nach 50 Wochen [3] eine Remission erhalten werden.

Patientenkollektive. Das in der SONIC-Studie behandelte Patientenkollektiv ist heterogen. So wurden ebenso wie „steroidrefraktäre” Patienten Personen eingeschlossen, die lediglich auf eine 4-wöchige 5-ASA-Therapie (2,4 g/d) bzw. Budesonid-Monotherapie nicht ansprachen. Ob dies als konventionelle Therapie des moderaten bis schweren Morbus Crohn zu verstehen ist, bleibt dem kritischen Leser überlassen. Auch konnten bei mehr als 20 % der Patienten endoskopisch gar keine Crohn-typischen Veränderungen nachgewiesen werden. Und so waren in diesem Subkollektiv auch alle drei Behandlungsarme gleich wirksam, zu hinterfragen ist aber, ob es sich hierbei um Patienten im akuten Schub handelt.

Nebenwirkungen. Die Schlussfolgerung der Autoren, dass unter der Kombinationstherapie langfristig schwere Nebenwirkungen auftreten können, ist nur zu unterstreichen. So ist u. a. auf die erhöhte Lymphomrate, insbesondere auf die Entwicklung des zwar sehr seltenen, aber meist letal verlaufenden hepatosplenischen T-Zell-Lymphoms, zu verweisen [4].

Fazit. Trotz aller Kritikpunkte liefert die Studie wertvolle Hinweise für eine frühzeitige intensivierte Therapie – auch für den Nutzen einer Kombinationstherapie – bei Patienten, die sich initial mit einer hohen Krankheitsaktivität präsentieren, nicht auf Steroide ansprechen und prognostisch ungünstige Faktoren aufweisen.

Literatur

  • 1 Faubion Jr. W A, Loftus Jr. E V, Harmsen W S. et al . The natural history of corticosteroid therapy for inflammatory bowel disease: a population-based study.  Gastroenterology. 2001;  121 255-260
  • 2 Ewe K, Press A G, Singe C C. et al . Azathioprine combined with prednisolone or monotherapy with prednisolone in active Crohn’s disease.  Gastroenterology. 1993;  105 367-372
  • 3 Candy S, Wright J, Gerber M. et al . A controlled double blind study of azathioprine in the management of Crohn’s disease.  Gut. 1995;  37 674-678
  • 4 Stallmach A, Hagel S, Bruns T. Adverse effects of biologics used for treating IBD.  Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2010;  24 167-182

Prof. Dr. Andreas Stallmach

Klinik für Innere Medizin II
Universitätsklinikum Jena

Erlanger Allee 101
07747 Jena

Email: andreas.stallmach@med.uni-jena.de