Pneumologie 2010; 64(7): 447-448
DOI: 10.1055/s-0030-1255511
Workshop

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Obstruktion der oberen Atemwege beim Menschen und Tiermodelle

R.  Schulz1
  • 1Universitätsklinik Gießen und Marburg, Medizinische Klinik II, Schlafmedizinisches Labor
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Prof. Dr. Richard Schulz

Universitätsklinik Gießen und Marburg,
Medizinische Klinik II
Schlafmedizinisches Labor

Paul-Meimberg-Str. 5
35392 Gießen

Email: Richard.Schulz@innere.med.uni-giessen.de

Publication History

Publication Date:
14 July 2010 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die obstruktive Schlaf-Apnoe (OSA) wird durch den repetitiven Kollaps der oberen Atemwege im Schlaf verursacht, wobei Adipositas einen der Hauptrisikofaktoren darstellt. Die im Schlaf auftretenden Atempausen führen zunächst zum Abfall des Sauerstoff- und Anstieg des Kohlendioxidpartialdruckes, in der Folge zur Sympathikusaktivierung (Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz) sowie zu frustranen Atemanstrengungen und schließlich zur zentralnervösen Weckreaktion (= Arousal). Obwohl kaum ein Tiermodell in der Lage ist, diese Komplexität der pathophysiologischen Reaktionen widerzuspiegeln, wurde die Grundlagenforschung der OSA durch den Einsatz von Tiermodellen bzw. Tierexperimenten sehr bereichert. Das zukünftige Ziel muss es sein, die gewonnenen Erkenntnisse möglichst nutzbringend wieder auf OSA-Patienten zu übertragen. In diesem Zusammenhang ist z. B. an die Pharmakotherapie des pharyngealen Kollaps oder eine antioxidativ ausgerichtete Therapie der kardiovaskulären u./o. ZNS-Auswirkungen der OSA zu denken. Insbesondere OSA-Patienten, die eine CPAP-Therapie nicht tolerieren, könnten hiervon profitieren.

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Abstract

Obstructive sleep apnea (OSA) is caused by repetitive collapse of a narrow upper airway during sleep with the main risk factor being obesity. Apneas are followed by hypoxia, sympathetic activation, intrathoracic pressure swings and arousals. In most animal studies, only the cyclical pattern of hypoxia characteristic of OSA is simulated, however, more complex models have also been developed which additionally reflect the other pathophysiological changes associated with sleep-disordered breathing. These models have contributed to a deeper understanding of the cardiovascular and metabolic consequences of OSA. From other experiments the concept of the pharynx behaving like a collapsible tube, i. e. a Starling resistor, has emerged. Finally, the neurotransmitter modulation of upper airway muscle tone has been elucidated by using in vivo microdialysis of the caudal medulla of rats. It is hoped that findings from animal studies will in the future impact on the management of patients with OSA, in particular if they are non-compliant with CPAP therapy.

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Obstruktive Schlaf-Apnoe beim Menschen

Die obstruktive Schlaf-Apnoe (OSA) wird durch den repetitiven Kollaps der oberen Atemwege im Schlaf verursacht. Hauptrisikofaktor ist die Adipositas, die durch eine Vermehrung der lateralen Fettpolster zu einer Pharynx-Einengung führt [1]. Bei nicht-adipösen OSA-Patienten kann dies durch skelettale Faktoren wie z. B. eine Retrognathie bedingt sein [2]. Weiterhin spielt bei dieser Subgruppe offenbar ein „fluid shift” im Liegen von der unteren in die obere Körperhälfte eine Rolle [3]. Begünstigt wird der pharyngeale Kollaps schließlich durch einen Verlust der neuromuskulären Kompensation im Schlaf, d. h. durch eine Tonusabnahme der den Pharynx dilatierenden Muskeln, insbesondere des M. genioglossus [4].

Der Pharynx-Kollaps hat einen Abfall des Sauerstoffpartialdruckes und einen Anstieg des Kohlendioxidpartialdruckes zur Folge. Durch diese Blutgasveränderungen resultiert eine Sympathikusaktivierung, was wiederum einen Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz bewirkt.

Weiterhin finden sich bei der OSA während der Atempausen frustrane Atemanstrengungen, die zu einer Negativierung des intrathorakalen Drucks führen. Die genannten Veränderungen münden schließlich in eine zentralnervöse Weckreaktion (Arousal), welche die Atempause durch Wiedereröffnung des Pharynx terminiert. Während der sich anschließenden Hyperventilation erfahren die erwähnten physiologischen Parameter gegenläufige Veränderungen, z. B. Wiederanstieg der O2-Sättigung usw. Durch die wiederholte Abfolge von Apnoen und Hyperventilationsphasen sind bei der OSA letztendlich zyklische Schwankungen aller Messgrößen vorhanden, z. B. intermittierende Hypoxie.

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Tiermodelle

Es existieren verschiedene Tiermodelle der OSA, wobei im Wesentlichen eine Unterteilung in 3 Gruppen erfolgen kann. Natürlich vorkommende Modelle sind z. B. die englische Bulldoge und das adipöse Minischwein, die aber beide nur begrenzt in der tierexperimentellen Forschung zur OSA zum Einsatz kommen [5] [6]. Am weitesten verbreitet ist das Modell der chronisch-intermittierenden Hypoxie (CIH), in welchem die Tiere (meistens Ratten oder Mäuse) in Versuchskammern gehalten werden, in denen das Muster der OSA-assoziierten Hypoxie durch automatisiertes Ein- und Auspumpen definierter Gasgemische simuliert wird [7]. Nachteil dieses Modells ist, dass es andere pathophysiologische Veränderungen im Rahmen der OSA wie z. B. intrathorakale Druckschwankungen nicht abbildet. Dies wird erst im Rahmen komplexer, instrumentierter Modelle möglich, in denen der repetitive Kollaps der oberen Atemwege nachvollzogen wird. Hierzu kann z. B. ein wechselweises Schließen und Öffnen einer im Atemstrom befindlichen Klappe eingesetzt werden [8] [9].

Die genannten Tiermodelle haben zu einem besseren Verständnis der Pathophysiologie der Folgeerkrankungen der OSA beigetragen. Dies betrifft vor allem die Auswirkungen der OSA auf kardiovaskuläre und metabolische Parameter, aber auch das zentrale Nervensystem. Bezüglich tierexperimenteller Untersuchungen zu den kardiovaskulären Komplikationen der OSA sei an dieser Stelle auf eine frühere Übersichtsarbeit verwiesen [10]. Studien zu den metabolischen Auswirkungen der OSA haben gezeigt, dass es bei Ratten und Mäusen unter CIH zur Entwicklung von Insulinresistenz, Hyperlipidämie und Fettleber kommt [11]. Ob die hierbei identifizierten Pathomechanismen auch für Patienten mit OSA zutreffen, muss allerdings noch geklärt werden. Es konnte auch gezeigt werden, dass die CIH bei Versuchstieren zu neurokognitiver Dysfunktion und Müdigkeit führt.

In bestimmten Hirnarealen von Mäusen wurde eine Hochregulation des O2-Radikalen produzierenden Enzyms NADPH-Oxidase gefunden, so dass die ZNS-Funktionsveränderungen bei der OSA ähnlich wie bereits die kardiovaskulären Folgeerkrankungen in Verbindung mit einem erhöhten oxidativen Stress gebracht wurden [12].

Im weiteren Sinne haben Tierexperimente auch das Verständnis der Pathophysiologie der oberen Atemwege bei der OSA erweitert. So wurde das Konzept aufgestellt, dass die oberen Atemwege als Starling-Resistor aufzufassen sind, in dem es bei Unterschreitung des sogenannten kritischen Verschlussdrucks (= Pcrit) zum pharyngealen Kollaps kommt. Hierzu wurden die oberen Atemwege von Ratten u./o. Mäusen „isoliert”, d. h. es wurde ein trachealer Bypass angelegt und Druck - bzw. Flussmessungen ober - und unterhalb des kollapsiblen Pharynxsegmentes durchgeführt [13].

Weiterhin wurde die Neurotransmitter-Modulation der pharyngealen Muskulatur tierexperimentell aufgeklärt. Über einen in die kaudale Medulla oblongata von Ratten implantierten Mikrodialyse-Katheter wurden verschiedene chemische Substanzen appliziert und gleichzeitig die Muskelaktivität im Pharynx gemessen. Diese Studien ergaben, dass vor allem Serotonin den N. hypoglossus stimuliert und dann via Kontraktion des M. genioglossus eine Dilatation des Pharynx bewirkt [14]. Versuche, diese Erkenntnisse therapeutisch zu nutzen, sind bisher allerdings leider erfolglos gewesen [15].

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Literatur

  • 1 Schwab R J, Pasirstein M, Pierson R. et al . Identification of upper airway anatomic risk factors for obstructive sleep apnea with volumetric magnetic resonance imaging.  Am J Respir Crit Care Med. 2003;  168 522-530
  • 2 White D P. Pathogenesis of obstructive and central sleep apnea.  Am J Respir Crit Care Med. 2005;  172 1363-1370
  • 3 Redolfi S, Yumino D, Ruttanaumpawan P. et al . Relationship between overnight rostral fluid shift and obstructive sleep apnea in nonobese men.  Am J Respir Crit Care Med. 2009;  179 241-246
  • 4 Katz E S, White D P. Genioglossus activity during sleep in normal control subjects and children with obstructive sleep apnea.  Am J Respir Crit Care Med. 2004;  170 553-560
  • 5 Hendricks J C, Kline L R, Kovalski R J. et al . The English bulldog: a natural model of sleep-disordered breathing.  J Appl Physiol. 1987;  63 1344-1350
  • 6 Lonergan R P, Ware J C, Atkinson R L. et al . Sleep apnea in obese miniature pigs.  J Appl Physiol. 1998;  84 531-536
  • 7 Fletcher E C. Physiological consequences of intermittent hypoxia: systemic blood pressure.  J Appl Physiol. 2001;  90 1600-1605
  • 8 Brooks D, Horner R L, Kozar L F. et al . Obstructive sleep apnea as a cause of systemic hypertension. Evidence from a canine model.  J Clin Invest. 1997;  99 106-109
  • 9 Farré R, Nácher M, Serrano-Mollar A. et al . Rat model of chronic recurrent airway obstructions to study the sleep apnea syndrome.  Sleep. 2007;  30 930-933
  • 10 Schulz R, Eisele H J, Murzabekova G, Weissmann N. Schlaf-Apnoe und Herzkreislauf-Erkrankungen: Ergebnisse tierexperimenteller Untersuchungen.  Pneumologie. 2008;  62 18-22
  • 11 Jun J, Polotsky V Y. Sleep-disordered breathing and metabolic effects: evidence from animal models.  Sleep Med Clin. 2007;  2 263-277
  • 12 Zhan G, Serrano F, Fenik P. et al . NADPH oxidase mediates hypersomnolence and brain oxidative injury in a murine model of sleep apnea.  Am J Respir Crit Care Med. 2005;  172 921-929
  • 13 Liu A, Pichard L, Schneider H. et al . Neuromechanical control of the isolated upper airway of mice.  J Appl Physiol. 2008;  105 1237-1245
  • 14 Horner R L. Respiratory motor activity: influence of neuromodulators and implications for sleep-disordered breathing.  Can J Physiol Pharmacol. 2007;  85 155-165
  • 15 Veasey S C. Serotonin agonists and antagonists in obstructive sleep apnea: therapeutic potential.  Am J Respir Med. 2003;  2 21-29

Prof. Dr. Richard Schulz

Universitätsklinik Gießen und Marburg,
Medizinische Klinik II
Schlafmedizinisches Labor

Paul-Meimberg-Str. 5
35392 Gießen

Email: Richard.Schulz@innere.med.uni-giessen.de

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Literatur

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Prof. Dr. Richard Schulz

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