Rofo 2010; 182(5): 441-443
DOI: 10.1055/s-0030-1254248
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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BGH verschärft Haftung in Ärztepartnerschaften

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Rechtsanwälte Wigge

RA Dr. Peter Wigge Fachanwalt für Medizinrecht
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Publication History

Publication Date:
30 April 2010 (online)

 
Table of Contents #

Einführung

Die Partnerschaftsgesellschaft steht den Ärzten seit dem 01.07.1995 als Rechtsform für eine Berufsausübungsgemeinschaft zur Verfügung. Ziel des Gesetzes war es, den Freiberuflern für die Vergesellschaftung ihrer beruflichen Tätigkeit eine Alternative zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) anzubieten. Im ärztlichen Bereich wird die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft zunehmend akzeptiert und speziell für überörtliche Kooperationen mit zunehmender Tendenz genutzt. Dies hat seinen Grund auch in der Haftungsregelung des § 8 Abs. 2 PartGG. Die Vorschrift beschränkt beispielsweise die Haftung für Behandlungsfehler auf die Partner, die mit der Sache befasst waren. Wird dagegen eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben, haften alle Gesellschafter für Behandlungsfehler neben dem Gesellschaftsvermögen gesamtschuldnerisch und uneingeschränkt auch mit ihrem Privatvermögen.

Der BGH hat das Haftungsprivileg in § 8 Abs. 2 PartGG nun mit Urteil vom 19.11.2009 (Az.: IX ZR 12/09) zum Nachteil der neu in eine Partnerschaftsgesellschaft eintretenden Partner konkretisiert. Der BGH führt in seiner Urteilsbegründung aus, gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG i.V.m. § 130 HGB hafte der neu eintretende Gesellschafter auch für die vor seinem Beitritt begründeten Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft. Ein Partner kann auch dann haften, wenn er erst nach Schadenseintritt Partner geworden ist und keinen eigenen Beitrag zum Schaden geleistet hat.

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Gegenstand des Urteils

In der Sache ging es um den Fehler eines Anwalts. Dieser ließ eine Forderung verjähren und verursachte damit einen Schaden bei seinem Mandanten. Nach Eintritt der Verjährung übernahm ein neu in die partnerschaftlich organisierte Kanzlei eingetretener Anwalt die Bearbeitung des Falles. Zu diesem Zeitpunkt war der Fall bereits verjährt; der Arbeitsbeitrag des Neueinsteigers konnte an dem Schaden nichts mehr ändern. Trotzdem war sein Bearbeitungsbeitrag - Vertretung der Angelegenheit vor Gericht und Erwiderung auf Schriftsätze - nach Ansicht des BGH nicht von untergeordneter Bedeutung. Maßgeblich war insofern die Auslegung des Merkmals "Beitrag von untergeordneter Bedeutung". Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Haftungsvoraussetzungen erheblich verschärft und damit das Haftungsprivileg deutlich entwertet. Dies dürfte auf die Attraktivität dieser Gesellschaftsform zukünftig nicht unerhebliche Auswirkungen haben.

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Haftungsgrundsätze der Partnerschaftsgesellschaft

Die Partnerschaftsgesellschaft ist eine Personengesellschaft. Sie baut systematisch auf der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf. Diese beiden Gesellschaften lassen sich schnell und kostengünstig einrichten und umstrukturieren. Sie bergen jedoch erhebliche Haftungsrisiken in sich. Gläubiger, wie z.B. Banken oder Geschädigte eines Behandlungsfehlers, können ihre Ansprüche nicht nur gegen das Gesellschaftsvermögen, sondern auch gegen die jeweiligen Gesellschafter richten. Sowohl für Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung als auch für allgemeine Verbindlichkeiten haften die Gesellschafter einer GbR neben der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen.

Die Haftung besteht auch in den Fällen, in denen es sich um Fehler eines Kollegen handelt, zu denen diese keinen Beitrag geleistet haben. Bei einer Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR erstreckt sich die gesamtschuldnerische Haftung über Verbindlichkeiten hinaus, die beispielsweise aus der gemeinsamen Anschaffung von Praxiseinrichtungen und aus der Anstellung gemeinsamen Personals entstehen, unter Umständen auch auf die aus der ärztlichen Tätigkeit entstehenden Verpflichtungen. Dies gilt z. B. auch für Schadensersatzansprüche, die aus der fehlerhaften Behandlung eines Patienten durch einen Praxispartner entstanden sind. Dem zur Zahlung herangezogenen Gesellschafter steht dann zwar ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch gegen seinen Kollegen und die Gesellschaft zu. Ob der Ausgleichsanspruch gegenüber den Gesellschaftern, die den Schaden verursacht haben, durchgesetzt werden kann, ist jedoch häufig unsicher.

Die Partnerschaftsgesellschaft wurde entwickelt, um die Attraktivität der Personengesellschaften durch günstigere Haftungsregelungen zu erhöhen. Der privilegierten Haftung stehen lediglich der größere Verwaltungsaufwand und geringfügig höhere Kosten entgegen, da Partnerschaft und Partner in das Partnerschaftsregister einzutragen sind. Dies gilt auch bei einem Partnerwechsel. Dafür sind die Partner in haftungsrechtlicher Hinsicht nach den gesetzlichen Vorgaben günstiger gestellt, insoweit es sich um berufliche Fehler handelt. Für allgemeine Verbindlichkeiten, etwa Bankkredite oder Ansprüche aus Leasing-oder Kaufverträgen, haften dagegen auch in der Partnerschaftsgesellschaft alle Partner neben der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen. Das unternehmerische Risiko einer Partnerschaftsgesellschaft wird also wie in einer GbR gemeinsam getragen. Für berufliche Fehler, insbesondere also Behandlungsfehler, haften jedoch nach § 8 Abs. 2 PartGG nur die Partner, die mit der Bearbeitung des jeweiligen Auftrages befasst waren.

Um dem Arbeitsalltag unter Kollegen Rechnung zu tragen, sind zudem die Partner von der Haftung ausgenommen, die zwar an der Behandlung beteiligt waren, deren Anteil an der Behandlung jedoch nur von untergeordneter Bedeutung war. Dies kann insbesondere für Ärzte von Bedeutung sein, denen in der Gesellschaft noch kein eigenständiger Aufgabenbereich übertragen wurde.

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Haftungsverschärfung durch den BGH

Der BGH hat sich in seinem Urteil für eine sogenannte verschuldensunabhängige Handelndenhaftung entschieden. Ob ein Partner haftet, bestimmt sich mithin ausschließlich nach dem Umfang seiner Befassung mit einer Sache. Ein Partner hat sich mit der Sache befasst, wenn er den Auftrag selbst bearbeitet hat. Eine Befassung liegt desweiteren vor, wenn er die Bearbeitung überwacht hat oder dies hätte tun müssen. Maßgeblich sei der Schutz der Geschädigten - welcher Partner den Fehler begangen hat, sei selbst innerhalb der Gesellschaft oft nicht mehr erkennbar. Deshalb komme es nur darauf an, wer mit der Sache befasst war. Dies lasse sich stets einfach feststellen. Auf diese Weise werde die vom Gesetzgeber angestrebte einfache und unbürokratische Regelung konsequent umgesetzt.

Obwohl sich die Entscheidung des BGH in das strenge Haftungsrecht der Personengesellschaften einfügt, läuft sie doch dem erklärten Normzweck des § 8 Abs. 2 PartGG zuwider. Der Gesetzgeber wollte die Haftungsrisiken in der Partnerschaft verringern. Die Anwendung des § 8 Abs. 2 PartGG wäre nicht wesentlich komplizierter geworden, wenn die Haftung ausgeschlossen bliebe, wenn der Bearbeiter evident keinen Beitrag zum Schaden geleistet haben kann.

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Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung

Die Gesetzesbegründung nennt hierzu beispielhaft Urlaubsvertretungen ohne inhaltliche Bearbeitung oder den konsiliarischen Rat eines Kollegen aus einem anderen Berufsfeld. Auch beiläufige Ratschläge ohne nähere Befassung mit der Sache sollen von untergeordneter Bedeutung sein. Die Einarbeitung in die Krankengeschichte eines übernommenen Patienten dürfte als bloße Vorbereitung der Behandlung noch keinen bedeutenden Bearbeitungsbeitrag darstellen. Ein Bearbeitungsbeitrag, der den Schaden verursacht hat, kann dagegen nicht von untergeordneter Bedeutung sein. Auf Ärztepartnerschaften bezogene Urteile sind bislang nicht ergangen. Es liegt indes nahe, Tätigkeiten des Kernbereichs der ärztlichen Arbeit nicht als untergeordnet anzusehen. Aufklärung, Behandlung, Diagnose und Auswertung sind daher nicht als untergeordnete Beiträge anzusehen.

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Auswirkungen auf die Praxis

Aufgrund der Aufweichung des Haftungsprivilegs für einen in eine Ärztepartnerschaft beitretenden Arzt ist dieser gehalten, sich intensiv darüber zu vergewissern, dass auch für die Zeit vor seinem Beitritt das Risiko aus beruflichen Fehlern ausreichend versichert ist. Hinzu kommen nun erhöhte Überprüfungspflichten, sofern in bereits begonnene Behandlungen eingetreten wird. Diesbezüglich sollte sich der eintretende Arzt von den übrigen Partnern zumindest im Innenverhältnis eine Haftungsfreistellung in schriftlicher Form aushändigen lassen.

Der einer ärztlichen Partnerschaftsgesellschaft beitretende Arzt muss sich auch darüber informieren, dass die besonders haftungsträchtige Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung nicht unter das Haftungsprivileg fällt mit der Folge, dass er möglicherweise persönlich für Rückforderungen in Anspruch genommen werden kann. Es ist insoweit ratsam, eine klare Abgrenzung der Aufgabenbereiche sicherzustellen.

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