Pneumologie 2010; 64(4): 204
DOI: 10.1055/s-0030-1253276
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HIV-Patienten mit NSCLC ‐ HAART vermindert das Mortalitätsrisiko

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Publication Date:
07 April 2010 (online)

 
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Nach Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) ist die Mortalität durch AIDS in den Industrieländern deutlich gesunken. Gleichzeitig nahm aber der Anteil von Todesfällen durch nicht AIDS-bedingte bösartige Tumore, einschließlich Lungenkrebs, zu. A. Lavolé haben sich mit den prognostischen Faktoren für das Überleben von HIV-Patienten mit Non-Small-Cell-Lungenkarzinomen (NSCLC) befasst. Lung Cancer 2009; 65: 345–350

Das Risiko von Lungenkarzinomen (LC)liegt bei HIV-Infizierten 2- bis 6-mal höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Dazu könnte die hohe Prävalenz des Rauchens in diesem Personenkreis beitragen. Bisher ist aber unsicher, welche Faktoren in die Ätiologie von NSCLC bei HIV-Patienten involviert sind. A. Lavolé von der Universität Paris und Kollegen untersuchten die Auswirkungen einer HAART auf das Überleben von HIV-Patienten mit NSCLC.

Dazu nahmen sie zwischen 1996 und 2007 alle aufeinanderfolgenden HIV-Patienten mit NSCLC von 2 Universitätskliniken in Paris in ihre Studie auf und beobachteten sie prospektiv bis zu ihrem Tod. Sie analysierten die Assoziationen zwischen Überleben und klinischen und biologischen Faktoren mittels uni- und multivariater Modelle. Die Überlebensanalyse erfolgte mittels Kaplan-Meier-Schätzungen und anhand des Cox-proportional-Hazards-Regressionsmodells.

Die Forscher diagnostizierten NSCLC während des gesamten Studienzeitraums bei 49 HIV-Patienten im medianen Alter von 46 Jahren. Bei 41 (84 %) der Patienten lag eine fortgeschrittene Erkrankung in den Stadien III–IV vor und bei 8 (16 %) in den Stadien I–II. Alle Patienten waren Raucher, durchschnittlich seit 29 Jahren. Das mediane Intervall zwischen HIV- und LC-Diagnose betrug 103 Monate, die mediane Überlebenszeit 8,1 Monate. 71 % der Patienten wiesen einen ECOG-Leistungsstatus (Eastern Cooperative Oncology Group) ≤ 1 auf. Die mediane CD4-Lymphozytenzahl betrug 350/µl, wobei 52 % der Patienten mehr als 350/µl aufwiesen. Die mediane HIV-Virusbelastung im Plasma belief sich auf 1000. Von den Patienten erhielten 36 (73 %) zum Zeitpunkt der NSCLC-Diagnose eine HAART.

Wie die univariate Analyse ergab, hatten folgende Basisparameter deutliche positive Auswirkungen auf das Überleben: ein ECOG-Leistungsstatus ≤ 1 auf einer Skala von 1–5, ein Krankheitsstadium von I–II, der Einsatz einer HAART sowie ein Gewichtsverlust von < 10 %. Keinen Einfluss auf das Überleben hatten Geschlecht, Alter bei der LC-Diagnose, histologischer Subtyp, CD4-Lymphozytenzahl, HIV-Virusbelastung, Ausbruch von AIDS und Dauer der Immunsuppression. In der multivariaten Analyse wirkten sich nur eine HAART, ein ECOG-Leistungsstatus ≤ 1 und ein Krankheitsstadium von I–II positiv auf das Überleben aus. Eine HAART war mit einer 60 %igen Reduktion des Gesamtmortalitätsrisikos im Vergleich zu keiner derartigen Therapie assoziiert. Die mittlere Überlebenszeit betrug mit HAART 9 Monate, ohne HAART 4,5 Monate.

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Fazit

Diese Studie zeigte zum ersten Mal, dass der Einsatz einer HAART ein guter prognostischer Faktor für das Überleben von HIV-infizierten Patienten mit NSCLC ist. Nach Ansicht der Autoren ist es bei Beginn einer Therapie gegen NSCLC wichtig, dass Infektiologen und Onkologen die Wahl der Therapie miteinander abstimmen. Sie halten zukünftige prospektive Studien über mögliche Arzneimittelinteraktionen zwischen antineoplastischen und antiretroviralen Therapeutika für äußerst wichtig.

Dr. Volker Kriegeskorte, Martinsried