physiopraxis 2010; 8(2): 20
DOI: 10.1055/s-0030-1248927
physiowissenschaft

Wissenschaft nachgefragt – Schlaganfallreha – so geht’s

Eva Trompetter
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Publication Date:
12 February 2010 (online)

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Nach einem Schlaganfall bleiben bei den Patienten oftmals Veränderungen des Gangbilds bestehen. Die Physiotherapeutinnen Christina Scheide, Corinna Stockhausen und Carina Bell haben in ihrer Bachelorarbeit evidenzbasierte Übungen zum Gangtraining in einem übersichtlichen Leitfaden zusammengestellt. Er steht für Sie zum Download bereit.

Interview

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Christina Scheide, Corinna Stockhausen und Carina Bell schlossen 2009 den Bachelorstudiengang Physiotherapie an der Hogeschool Zuyd in Heerlen (NL) ab. Corinna Stockhausen bildet sich zurzeit in Kanada weiter, Christina Scheide und Carina Bell arbeiten in Rehakliniken mit dem Schwerpunkt Neurologie bzw. Onkologie. Fragen zu ihrer Bachelorarbeit beantworten sie gerne unter christinascheide@gmx.de.

In ihrem Praxisleitfaden berücksichtigen die drei Physiotherapeutinnen verschiedene Behandlungsansätze. Dazu zählen das Training von Balance, Kraft und Ausdauer, aufgabenspezifisches und mentales Training, Gangtraining, Rhythmusvorgabe, Laufbandtherapie mit und ohne elektromechanische Unterstützung sowie die Spiegeltherapie. Bei jeder Therapieform gehen sie darauf ein, inwieweit diese wissenschaftlich evident ist und welche Dosierung für die Therapie empfehlenswert ist. Es folgen Übungen, die die Autorinnen als leicht, mittel oder schwer kategorisiert und mit den Ampelfarben Grün, Gelb und Rot gekennzeichnet haben. Bei der Einteilung der verschiedenen Schweregrade orientierten sich die Therapeutinnen an den motorischen Grundeigenschaften des Rivermead-Mobilitätsindex. Für leichte Übungen muss der Patient zum Beispiel im Bett von der Rückenin die Bauchlage wechseln können, vom Liegen in den Sitz und vom Sitz in den Stand. Er sollte außerdem in der Lage sein, mindestens zehn Sekunden ohne Hilfe zu stehen. Für jede Übung beschreiben die Therapeutinnen das Ziel, die erforderlichen Materialien sowie die Ausführung mit Empfehlungen für Wiederholungszahlen und Steigerungsmöglichkeiten. Ausgangs- und Endstellung der Übungen kann sich der Leser auf Fotos ansehen. Am Ende der Broschüre führen die Autorinnen die Behandlungsmethoden auf, die sie aufgrund mangelnder Evidenz im Hinblick auf eine Verbesserung des Gangbilds nicht in ihren Leitfaden aufnahmen. Dazu zählen das Bobath-Konzept, PNF, Biofeedback, Elektrostimulation und die Versorgung mit Hilfsmitteln und Orthesen.

  • Scheide C, Stockhausen C, Bell C. Evidenzbasierter Praxisleitfaden für Physiotherapeuten zur Behandlung von Schlaganfallpatienten mit Hemiparese in der subakuten Phase zur Verbesserung des Gehens. Bachelorarbeit an der Hogeschool Zuyd; 2009.

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Wie ist die Idee für das Thema Ihrer Abschlussarbeit entstanden?

Während unserer Praktika in neurologischen Rehakliniken haben wir festgestellt, dass uns dieses Fachgebiet besonders interessiert. Außerdem fiel uns dort auf, dass die Patienten in der Therapie sehr motiviert sind. Uns fehlte aber ein praxisnaher Leitfaden mit evidenzbasierten Therapieansätzen, an dem wir uns orientieren konnten.

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Gibt es Einrichtungen, die den Leitfaden schon nutzen?

Ja, in den Einrichtungen, in denen wir vorher gearbeitet haben, und an unserem aktuellen Arbeitsplatz liegt der Leitfaden aus und wird auch von den Angestellten genutzt. Um ein Feedback zu unserer Arbeit zu bekommen, legten wir Bewertungsbögen in die Broschüre. Bisher waren die Rückmeldungen dazu sehr positiv.

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Was haben Sie durch das Erstellen Ihrer Bachelorarbeit gelernt?

Wir haben gelernt, wie man sich kritisch mit Studien auseinandersetzt. Unsere Recherchen zeigten, dass die wissenschaftliche Evidenz für einige Therapieansätze fehlt. Das betrifft zum Beispiel das Bobath-Konzept. In der Praxis zeigt sich, dass es wirksam ist. Wissenschaftliche Untersuchungen können diese Effekte bisher jedoch nicht eindeutig belegen.

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Haben Sie vor, den Leitfaden weiterzuentwickeln?

Wir würden den Leitfaden gerne veröffentlichen, müssen ihn aber noch überarbeiten. Er ist sicherlich noch ausbaufähig. Dieses Jahr werden übrigens einige Studenten der Hogeschool Zuyd voraussichtlich einen Praxisleitfaden für die Behandlung der oberen Extremität erstellen.

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