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DOI: 10.1055/s-0030-1248748
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Ungeplanter Dialysestart – Die Peritonealdialyse ist eine echte Alternative
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
10. Februar 2010 (online)
- Gute Ergebnisse zur PD bei ungeplantem Start
- Ungeplanter Dialysestart in der Praxis
- Jeder Patient sollte sich entscheiden dürfen
- Literatur
Über 78 % der Patienten sind aus medizinischen und psychosozialen Gründen für die Peritonealdialyse (PD) geeignet [1], doch nur 5 % und somit ein Bruchteil werden in Deutschland mit diesem Verfahren therapiert. Dies gilt umso mehr bei ungeplantem Dialysestart. Vielfältige Studien haben die Gleichwertigkeit der Peritonealdialyse gegenüber der Hämodialyse (HD) nachgewiesen: Die Überlebensraten sind vergleichbar, wobei bestimmte Patientengruppen wie Patienten über 60 Jahre ohne Komorbiditäten vor allem in den ersten 2 Jahren einen deutlichen Überlebensvorteil haben [2], [3]. Die PD bietet die Chance auf einen längeren Erhalt der Nierenrestfunktion und eine insgesamt bessere Lebensqualität und Therapiezufriedenheit [4], [5].
#Gute Ergebnisse zur PD bei ungeplantem Start
Für den PD-Einstieg bei Patienten ohne Dialysezugang liegen bislang wenige Daten vor [6], [7]. Povlsen und Ivarsen [8] haben retrospektiv die Erfahrungen mit einem ungeplanten Start der automatisierten PD (APD) unmittelbar nach Implantierung des Katheters untersucht und mit denen bei geplantem PD-Beginn verglichen. Hinsichtlich der Überlebensraten stellten sie keinen Unterschied fest - 86,7 % bei ungeplantem versus 90 % bei geplantem Start. Auch Anzahl und Art der Infektionen waren vergleichbar, wohingegen die Zahl der mechanischen Komplikationen bei einem ungeplanten Start höher war. Insgesamt halten sie die PD auch bei ungeplantem Dialysebeginn für eine echte Alternative zur HD.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Gabriel et al. [9] in ihrem Vergleich der PD mit der täglichen HD (dHD) bei Patienten mit akutem Nierenversagen: Beide Verfahren erzielten vergleichbare Resultate hinsichtlich der Überlebensraten (58 % bei APD versus 53 % bei dHD) und der Wiedererlangung der Nierenfunktion (28 % bei APD versus 26 % bei dHD). Bedenken wegen einer möglicherweise insuffizienten Urämiekontrolle [10] bestätigten sich nicht. Eine kontinuierliche APD mit Volumina über 36-44 l (mit Cycler, 18-22 Wechsel über 24 h) lieferte vergleichbare Ergebnisse wie eine 4-stündige HD und ermöglichte eine adäquate metabolische und pH-Kontrolle, Dialysedosis und Flüssigkeitsentzug. Zudem zeigten APD-Patienten keinerlei unkontrollierte Hypoglykämien. Auch die Infektionsraten waren vergleichbar.
#Ungeplanter Dialysestart in der Praxis
Trotz vergleichbar guter Ergebnisse mit der PD sieht die Praxis anders aus. Prof. Marianne Haag-Weber, Straubing, die das Prinzip "PD first" verfolgt, sieht dafür mehrere Gründe: "Bei einem ungeplanten Dialysestart muss schnell dialysiert werden. Der Patient ist meist in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und nicht aufklärungsfähig. Dies kann leicht dazu führen, dass weder der Arzt dem Patienten noch der Patient sich selbst eine Peritonealdialyse zutraut." Daher findet fast durchweg die HD Anwendung, um den Patienten schnell aus der Urämie zu holen. Vielfach ist damit die weitere Dialyseform manifestiert - eine bewusste Entscheidung für oder gegen ein Dialyseverfahren entfällt.
#Jeder Patient sollte sich entscheiden dürfen
Patienten, die ohne eine vorherige Therapiebegleitung durch den Nephrologen dialysepflichtig werden, befinden sich auch in einer emotionalen Ausnahmesituation. Nach den Erfahrungen von Haag-Weber spielen die Ärzte eine entscheidende Rolle, damit ein Patient, der mit einem plötzlichen Dialysebeginn konfrontiert ist, sich nicht von einer Heimtherapie überfordert fühlt. "Der Haus- und vor allem der Facharzt müssen von der PD überzeugt sein. Nur sie können dem Patienten die Angst vor dem Heimdialyseverfahren nehmen." Echte Kontraindikationen für eine PD bestehen selten und die Patienten müssen nur wenige Voraussetzungen mitbringen. Auch ältere und vor allem herzinsuffiziente Patienten profitieren von der schonenden und von der Gefäßsituation unabhängigen PD. Außerdem benötigen über 20 % der älteren HD-Patienten einen Vorhofkatheter [11], was mit einem höheren Infektionsrisiko verbunden ist.
"Wir sollten jedem Dialysepatienten die Chance geben, selbst über das Dialyseverfahren zu bestimmen", so Haag-Webers Plädoyer. "Das heißt konkret: 4-6 Wochen nach dem Dialysestart sollte bei ungeplanter Dialyse ein grundlegendes Aufklärungsgespräch stattfinden, um die endgültige Entscheidung für ein Dialyseverfahren zu treffen." In Zukunft kommt es verstärkt darauf an, vor allem Patienten mit Nierenerkrankungen und anderen Risikofaktoren, etwa Diabetes, Bluthochdruck oder chronischen Herzerkrankungen, frühzeitig über die Therapieoptionen aufzuklären. Es liegt in der Verantwortung von Hausärzten, Risiken rechtzeitig zu erkennen und die Weichen zu stellen.
Hierzu gehört auch die Überweisung an einen Nephrologen, um das weitere therapeutische Vorgehen abzustimmen. Somit können die Patienten und ihre Angehörigen gemeinsam mit den betreuenden Ärzten die für sie optimale Therapie auswählen. Für die Ärzte wiederum bedeutet dies, eine im Akutfall getroffene Entscheidung gegebenenfalls zu verändern, nachdem ein echtes Aufklärungsgespräch über die Therapieoptionen stattfand.
Prof. Marianne Haag-Weber, Straubing
#Literatur
-
01
Mendelsson D C, et al .
Nephrol Dial Transplant.
2009;
24
555-561
-
02
Fenton S S, et al .
Am J Kidney Dis.
1997;
30
334-342
-
03
Heaf J G, et al .
Nephrol Dial Transplant.
2002;
17
112-117
-
04
Juergensen E , et al .
Clin J Am Soc Nephrol.
2006;
1
1191-1196
-
05
Kutner N G, et al .
Nephrol Dial Transplant.
2005;
20
2159-2167
-
06
Stegmayr B G.
Semin Dialysis.
2003;
16
346-348
-
07
Berglund J , et al .
Perit Dial Int.
2001;
21 (Suppl. 2)
76
-
08
Povlsen J V, Ivarsen P .
Nephrol Dial Transplant.
2006;
21 (Suppl. 2)
ii56-ii59
-
09
Gabriel D P, et al .
Perit Dial Int.
2009;
29 (Suppl. 2)
S62-S71
- 10 Mehta R L, Letteri J M. Am J Nephrol. 1999; 19 377-382
- 11 eigene Berechnungen basierend auf Registerdaten.
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- 10 Mehta R L, Letteri J M. Am J Nephrol. 1999; 19 377-382
- 11 eigene Berechnungen basierend auf Registerdaten.