Dialyse aktuell 2009; 13(10): 570
DOI: 10.1055/s-0029-1245021
Forum der Industrie

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Wo stehen wir in der Therapie chronisch Nierenkranker? - Die Grenzen des Fortschritts sind noch nicht erreicht

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Publication Date:
05 January 2010 (online)

 
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Die chronische Niereninsuffizienz ist eine komplexe Erkrankung. Auf der Suche nach der optimalen Therapie gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Viel diskutiert wurde in den letzten Jahren die Anämietherapie und die neuen Leitlinien zu den Mineralstoff- und Knochenerkrankungen.

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Auf der Suche nach der optimalen Anämietherapie

"Als vor 20 Jahren die ersten ESF-Präparate (ESF: Erythropoese stimulierende Faktoren) zur Verfügung standen, war das Ziel, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Zahl der benötigten Transfusionen zu verringern", beschrieb Prof. Kai-Uwe Eckardt, Berlin, die Situation in der Anämietherapie vor 2 Jahrzehnten, "über die Zeit hinweg sind jedoch unsere Erwartungen gestiegen".

Wie man in verschiedenen Studien beobachtet hatte, steht der Hämoglobinwert in umgekehrtem Verhältnis zu zahlreichen Komorbiditäten und zur Progression der Nierenerkrankung [1], [2], [3], [4]. Da lag die Vermutung nahe, die Anhebung des Hämoglobinwertes sei mit der besten Patientenprognose verbunden. Überprüft werden konnte diese Hypothese aufgrund der dünnen Datenbasis nicht, konstatierte Eckardt. Mit der TREAT[1]-Studie hat sich das nun endlich geändert.

Die plazebokontrollierte Doppelblindstudie hat den Nutzen einer Anämiekorrektur (Ziel-Hb im Verumarm 13 g/dl vs. Plazebogruppe) mit Darbepoetin alfa bei über 4 000 Prädialysepatienten mit Typ-II-Diabetes untersucht und liefert wichtige Erkenntnisse zur ESF-Therapie. Im August wurde diese bislang größte nephrologische Studie abgeschlossen [5]. Wie sich zeigte, gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen der Darbepoetin-alfa- und der Plazebogruppe was die beiden primären Endpunkte betrifft - Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Morbidität einerseits und Gesamtmortalität und Erreichen der Dialysepflicht andererseits.

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Ein Hb-Wert für alle - das funktioniert nicht

Auch wenn bislang also kein Morbiditäts- und Mortalitäts-Benefit nachgewiesen werden konnte, hat die Anhebung des Hämoglobinwerts möglicherweise Auswirkungen auf die Lebensqualität. Hinweise hierauf geben verschiedene prospektive Studien [6], [7]. Gesicherte Daten zum Effekt auf die Lebensqualität werden aber erst weitere Auswertungen der TREAT-Studie liefern können.

Die Frage nach der optimalen Höhe des Hämoglobinwerts bleibt also ein Abwägungsprozess. Der Erfolg einer Anämietherapie hängt nicht allein von der Anhebung des Hämoglobinwerts ab, sondern von vielen unterschiedlichen patientenspezifischen Faktoren. Und so muss es Eckardt zufolge zukünftig verstärkt darum gehen, die ESF-Therapie zu individualisieren. So ist neben der Höhe des Hb-Werts beispielsweise auch das Ansprechen auf Erythropoese stimulierende Faktoren für die Prognose der Patienten von Bedeutung.

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Entgleisung des Mineralstoffhaushalts mit erhöhter Mortalität assoziiert

Im Fokus der Nephrologen steht seit Jahren auch der gestörte Mineralstoffhaushalt bei Nierenkranken, der sich in schweren Knochen- und Gefäßschäden niederschlägt und in der Bezeichnung "Chronic Kidney Disease - Mineral Bone Disease" (CKD-MBD) Ausdruck findet.

Prof. Jürgen Floege, Aachen, stellte die ARO-Datenbankanalyse (ARO: "Analysing Data Recognising Excellence Optimising Outcomes in ESRD") vor [8]. Hier wurde erstmals auf europäischer Ebene untersucht, welche Auswirkungen stark veränderte Phopshat-, Kalzium- und Parathormonwerte auf die Prognose von Dialysepatienten haben.

Wie sich bei genauerer Betrachtung der Mortalitätsfälle zeigte, ist das Mortalitätsrisiko sowohl bei deutlich nach oben als auch - und das ist für das Parathormon (PTH) neu - nach unten abweichenden Werten erhöht [9], [10]. So sind nicht nur exzessiv hohe, sondern auch PTH-Werte unter 100 pg/ml mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Diese Extremrisikobereiche gelte es daher unbedingt zu vermeiden, urteilte Floege.

Ein Ergebnis, das sich gut mit den neuen KDIGO-Leitlinien (KDIGO: "Kidney Disease: Improving Global Outcomes") deckt, die sich im Gegensatz zu den KDOQI-Leitlinien (KDOQI: "Kidney Disease Outcomes Quality Initiative") dafür aussprechen, das Augenmerk weniger auf Absolutwerte zu setzen, sondern vielmehr die dynamischen Prozesse im Blick zu behalten. Zeichnet sich ein negativer Trend ab, steigen etwa die PTH-Werte eines Patienten an, besteht Handlunsgbedarf. Auch hier geht der Trend hin zur Individualisierung der Therapie, statt einen festen Zielbereich strikt einzuhalten.

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Wie können wir die Prognose von Dialysepatienten verbessern?

Neue Daten gibt es zum Einfluss von Phopshatbindern auf das Mortalitätsrisiko von Dialysepatienten. Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie an mehr als 10 000 Patienten herausfand, profitieren Patienten, die neu an die Dialyse kommen, generell von einer Phosphatbindertherapie [13]. In der Patientengruppe, die innerhalb der ersten 90 Tage einen Phosphatbinder erhalten hatte, verbesserte sich das 1-Jahres-Überleben, unabhängig davon, wie hoch die Serumphosphatwerte im Einzelnen waren.

Einen ersten Hinweis auf einen positiven Einfluss von Cinacalcet auf die Prognose von Dialysepatienten gab eine Untersuchung von Block et al. [11]. In der Analyse von über 45 000 Patientendaten sank unter Cinacalcet die Mortalitätsrate um 30 %. Wir dürfen also auf die Ergebnisse der Endpunktstudie EVOLVE[2] mit fast 4000 Patienten gespannt sein, die diesen Zusammenhang prospektiv und randomisiert untersucht [12]. Bleibt zu hoffen, dass nicht noch mehr Patienten von Placebo auf Cinacalcet umgestellt werden, da dies den Erfolg der Studie gefährden könnte, warnte Floege.

Birgit Kleinlein, Stuttgart

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Amgen GmbH, München.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Sind Grenzen des Fortschritts der Therapie chronisch Nierenkranker erreicht?", veranstaltet von der Amgen GmbH, München, im Rahmen des Kongresses der Gesellschaft für Nephrologie in Göttingen.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Georg Thieme Verlags, Stuttgart.

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Literatur

  • 01 Portoles J . Torralbo A . Martin P . et al . Am J Kidney Dis. 1997;  29 541-548
  • 02 Robinson BM . Joffe MM . Berns JS . et al . Kidney Int. 2005;  68 2323-2330
  • 03 Ofshun NJ . et al . Nephrol Dial Transplant. 2005;  20 (Suppl 5) v266-v277
  • 04 Rossert J . Froissart M . Semin Nephrol. 2006;  26 283-289
  • 05 Pfeffer MA . Burdmann EA . Chen CY . et al . Am J Kidney Dis. 2009;  54 59-69
  • 06 Drueke TB . Locatelli F . Clyne N . et al . N Engl J Med. 2006;  355 2071-2084
  • 07 Ritz E . Laville M . Bilous RW . et al . Am J Kidney Dis. 2007;  49 194-207
  • 08 Floege J . et al . Abstract ASN 2008: F-PO1746. 
  • 09 National Kidney Foundation . Am J Kidney Dis. 2003;  42 (Suppl 3) S1-S201
  • 10 Gauci C . Moranne O . Fouqueray B . et al . J Am Soc Nephrol. 2008;  19 1592-1598
  • 11 Block GA . et al . Abstract ASN 2008: F-FC329. 
  • 12 Chertow GM . Pupim LB . Block GA . et al . Clin J Am Soc Nephrol. 2007;  2 898-905
  • 13 Isakova T . Gutiérrez OM . Chang Y . et al . J Am Soc Nephrol. 2009;  20 388-396

01 Trial to Reduce cardiovascular Events with Aranesp® Therapy

02 Evaluation of Cinacalcet Therapy to Lower Cardiovascular Events

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Literatur

  • 01 Portoles J . Torralbo A . Martin P . et al . Am J Kidney Dis. 1997;  29 541-548
  • 02 Robinson BM . Joffe MM . Berns JS . et al . Kidney Int. 2005;  68 2323-2330
  • 03 Ofshun NJ . et al . Nephrol Dial Transplant. 2005;  20 (Suppl 5) v266-v277
  • 04 Rossert J . Froissart M . Semin Nephrol. 2006;  26 283-289
  • 05 Pfeffer MA . Burdmann EA . Chen CY . et al . Am J Kidney Dis. 2009;  54 59-69
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  • 08 Floege J . et al . Abstract ASN 2008: F-PO1746. 
  • 09 National Kidney Foundation . Am J Kidney Dis. 2003;  42 (Suppl 3) S1-S201
  • 10 Gauci C . Moranne O . Fouqueray B . et al . J Am Soc Nephrol. 2008;  19 1592-1598
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  • 12 Chertow GM . Pupim LB . Block GA . et al . Clin J Am Soc Nephrol. 2007;  2 898-905
  • 13 Isakova T . Gutiérrez OM . Chang Y . et al . J Am Soc Nephrol. 2009;  20 388-396

01 Trial to Reduce cardiovascular Events with Aranesp® Therapy

02 Evaluation of Cinacalcet Therapy to Lower Cardiovascular Events