Z Orthop Unfall 2009; 147(6): 656
DOI: 10.1055/s-0029-1245009
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Konservativ-symptomatische Therapie - NSAIDs: Schutz oder Schädigung des Knorpels?

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Publication Date:
16 December 2009 (online)

 
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Wie wirken sich die verschiedenen NSAIDs (nonsteroidal anti-inflammatory drugs) auf den Karnakheitsverlauf der Gonarthrose aus? Gibt es einen Unterschied zwischen den konventionellen NSAIDs und den neueren selektiven COX-2-Inhibitoren? Fragen, denen die vorliegende Studie nachgehen wollte. Do NSAIDs Affect Longitudinal Changes in Knee Cartilage Volume and Knee Cartilage Defects in Older Adults? Am J Med. 2009 Sep;122(9):836–842

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Einleitung

Die Gonarthrose als häufigste Ursache von Schmerz, Funktionsverlust und Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes im fortgeschrittenen Lebensalter bedarf verschiedenster Therapieoptionen. Im Bereich der konservativ-symptomatischen Therapie besitzen die NSAIDs einen hohen Stellenwert und finden breite Anwendung. Der Einfluss dieser Medikamente auf den Krankheitsverlauf der Gonarthrose ist hingegen noch unzureichend erforscht. Die vorliegende Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen der Einnahme von NSAIDs und dem Fortschreiten von Gelenkknorpelschäden. Differenziert wurde dabei die Einnahme konventioneller NSAIDs, wie Diclofenac, Ibuprofen oder Naproxen, von den neueren selektiven COX-2-Inhibitoren wie Celecoxib.

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Studiendesign

Untersucht wurde eine Kohorte von 395 randomisiert ausgewählten Patienten (Durchschnittsalter 62 Jahre) zu Beginn der Studie und 2,9 Jahre später. Medizinische Daten wie Vorerkrankungsprofil, Medikation, Körpergröße, Gewicht, Raucherstatus, NSAID-Einnahme, etc., sowie bestehende Knieschmerzen und Muskulaturstatus wurden erhoben, eine Röntgenuntersuchung gab Aufschluss über Arthrosezeichen. Mittels T1-gewichteter Kernspintomographie wurden Änderungen des Volumens und des Schädigungsgrades des Gelenkknorpels des rechten Kniegelenks über den Untersuchungszeitraum bestimmt und statistisch ausgewertet. Als unabhängige Variable wurde die Art der Analgetikaeinnahme im Monat vor dem ersten Untersuchungszeitpunkt gewählt und unterteilt in Einnahme von COX-2-Inhibitoren, von konventionellen NSAIDs und nicht erfolgte NSAID-Einnahme. Die Analyse erfolgte nach Berücksichtigung aller potentiellen Störvariablen, wie beispielsweise Knieschmerz, BMI oder röntgenologischer Arthrosezeichen.

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Ergebnisse

Im Vergleich zu Patienten ohne vorherige NSAID-Einnahme konnte nach erfolgter Einnahme von COX-2-Hemmern ein signifkant vermindertes Fortschreiten von Knorpelschäden im medialen Gelenkkompartiment gezeigt werden (odds ratio [OR] 0,4), während es nach Einnahme konventioneller NSAIDs in beiden Kompartimenten zu einem verstärkten Fortschreiten des Knorpelschädigungsgrades kam (OR 3,1 [medial] bzw. 2,6 [lateral]). Die jährliche Abnahme des Knorpelvolumens lag nach Einnahme von selektiven COX-2-Hemmern im medialen Kompartiment bei 3,1% und im lateralen Kompartiment bei 1,1% und war damit signifikant (p<0,05) geringer als nach Einnahme von konventionellen NSAIDs (medial 5,3%, lateral 3,6%).

Stefan Budde

Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Email: stefan.budde@annastift.de

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Kommentar

Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass nicht-selektive NSAIDs das Fortschreiten der Gonarthrose in Hinblick auf Knorpelschäden und Knorpelvolumenabnahme begünstigen könnten, während selektive COX-2-Inhibitoren sogar einen chondroprotektiven Effekt zu besitzen scheinen. Angesichts der breiten und selbstverständlichen Anwendung dieser Medikamente kommt diesen Ergebnissen eine nicht zu unterschätzende Relevanz zu. Um jedoch auch im klinischen Alltag Berücksichtigung finden zu können, bedarf es einer feineren Differenzierung zwischen den verschiedenen Wirkstoffen, zumal verschiedene Autoren bereits die unterschiedliche Ausprägung knorpelschädigender Effekte verschiedener nichtselektiver NSAIDs beschrieben haben.

Neben der etwas unpräzisen Definition der Gruppenzugehörigkeit (berücksichtigt wurde die Analgetikaeinnahme im Monat vor der Erstuntersuchung, nicht jedoch während des Untersuchungszeitraumes), birgt auch der geringe Stichprobenumfang bei der COX-2-Hemmer-Einnahme (n=40) und der nichtselektiven-NSAID-Einnahme (n=21) die Gefahr von Fehlinterpretationen, so dass die Ergebnisse zunächst durch eine randomisierte Kontrollstudie bestätigt werden sollten. Diese Studie ist die erste, in der Effekte von NSAIDs mittels kernspintomographischer Diagnostik untersucht wurden. Die hohe Reproduzierbarkeit und die hohe Korrelation des MRT mit histologischen und arthroskopischen Befunden sprechen für ein sinnvolles Studiendesign, das als gute Grundlage für weiterführende Untersuchungen genutzt werden sollte.

Stefan Budde