Pneumologie 2010; 64(2): 124-129
DOI: 10.1055/s-0029-1243862
Empfehlungen

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Management der Influenza A/H1N1 – Pandemie im Krankenhaus: Update Januar 2010

Eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und BeatmungsmedizinManagement of a New Influenza A/H1N1 Virus Pandemic Within the HospitalStatement of the German Society of PneumologyT.  Schaberg1 , T.  Bauer2 , K.  Dalhoff3 , S.  Ewig4 , D.  Köhler5 , J.  Lorenz6 , G.  Rohde7 , M.  W.  Pletz8 , S.  Rosseau9 , B.  Schaaf10 , N.  Suttorp11 , T.  Welte12 , W.  Haas13 , A.  Reuß13
  • 1Zentrum für Pneumologie, Diakoniekrankenhaus Rotenburg (Wümme) gGmbH, Rotenburg an der Wümme
  • 2Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring, Berlin
  • 3Medizinische Klinik III, Universitätsklinik Lübeck, Lübeck
  • 4Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Infektiologie, Augusta-Kranken-Anstalt, Bochum
  • 5Fachkrankenhaus für Pneumologie und Allergologie, Kloster Grafschaft GmbH, Schmallenberg
  • 6Abt. Innere II, Kreiskrankenhaus Lüdenscheid, Lüdenscheid
  • 7Medizinische Klinik III, Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin, Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinik Bergmannsheil GmbH, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • 8Zentrum Innere Medizin – Abt. Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 9Medizinische Klinik mit Schwerpunkt. Infektiologie und Pneumologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin
  • 10Medizinischen Klinik (Pneumologie/Infektiologie), Klinikum Dortmund gGmbH, Dortmund
  • 11Medizinische Klinik mit Schwerpunkt. Infektiologie und Pneumologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin
  • 12Zentrum Innere Medizin – Abt. Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 13Robert-Koch-Institut, Berlin
Further Information

Prof. Dr. Tom Schaberg

Diakoniekrankenhaus Rotenburg

Verdener Str. 200
27356 Rotenburg

Email: schaberg@diako-online.de

Publication History

Publication Date:
08 February 2010 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Dieses update trägt den Erfahrungen Rechnung, die sich aus der ersten Welle der neuen Influenza-Epidemie mit kontinuierlicher Mensch-zu-Mensch-Übertragung im Krankenhaus ergeben haben.

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Abstract

This update summarized the hospital experience from the first wave of the new influenza A/H1/N1 pandemic.

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Einleitung

Die erste Welle der Infektionen mit dem neuen Influenzavirus A/H1N1 mit Mensch-zu-Mensch-Übertragung zwischen September und Anfang Dezember 2009 hat zu einem rasanten Anstieg der Fallzahlen geführt. Obwohl die Infektion mit dem neuen A/H1N1-Influenzavirus nach den bisherigen Beobachtungen in den meisten Fällen klinisch milde verläuft, hat es auch in Deutschland schwerwiegende Infektionen und Todesfälle gegeben. Ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe, Krankenhauseinweisungen und Tod haben dabei Kinder, Jugendliche und Erwachsene < 65 Jahre aufzuweisen, die an einer Grunderkrankung leiden. Zu beachten ist darüber hinaus, dass bei Kindern und jüngeren Erwachsenen auch ohne Grunderkrankungen schwere Verläufe und Todesfälle aufgetreten sind. Menschen oberhalb des 65. Lebensjahres erkranken selten schwer (≤ 5 % aller schweren Fälle), haben aber bei einer Infektion ein hohes Komplikations- und Letalitätsrisiko, wenn schwerwiegende Grunderkrankungen vorliegen.

In den USA sind zwischen April und Mitte Dezember nach den Berechnungen des CDC zirka 50 Millionen Personen an der neuen Influenza erkrankt, 200 000 Erkrankte sind hospitalisiert worden und zirka 10 000 Patienten sind an der neuen Influenza verstorben (entsprechend 0,02 % der Erkrankten bzw. 5 % der Hospitalisierten), davon 85 % unterhalb des 65. Lebensjahres. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zur saisonalen Influenza, an der überwiegend Personen in einem Lebensalter von > 65 Jahre schwer erkranken oder versterben ( www.cdc.gov/h1n1flu/estimates_2009_h1n1.htm).

Die weitere Entwicklung der Pandemie bleibt schwer vorhersehbar, jedoch muss mit einer zweiten Welle in den ersten Monaten des Jahres 2010 gerechnet werden. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, dass sich in einer zweiten Welle die Pathogenität des A/H1N1-Influenzavirus bei gleichbleibender Transmissionsrate steigert. In einem solchen Fall muss auch in Deutschland mit einer deutlichen Exzess-Hospitalisierung und Exzess-Mortalität vor allem bei Kindern und Erwachsenen unterhalb des 65. Lebensjahres gerechnet werden. Es sollte daher ein vordringliches Ziel bleiben, die Durchimpfungsrate in Deutschland insbesondere in den Risikogruppen und dem medizinischen Personal deutlich zu steigern, um die mögliche Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

Dieses Update der Empfehlung für das Management einer Influenza-Pandemie im Krankenhaus ( www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1214982) soll aktuellen Erkenntnissen aus der ersten Welle der neuen Influenza-Pandemie Rechnung tragen.

Es handelt sich weiterhin um eine Experten-Empfehlung, da evidenzbasierte Empfehlungen wegen des Fehlens entsprechender Daten noch nicht gegeben werden können. Wie schon in der ersten Fassung beschränken wir uns daher auf die Angabe wichtiger Informationsseiten im World Wide Web.

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Bestimmung des Schweregrads und Indikationen zur Hospitalisation

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Erhebung des Schweregrades

Die Erhebung des Schweregrads einer Influenza-Infektion gehört zu den wichtigsten Maßnahmen der Versorgung entsprechend erkrankter Patienten. Der Schweregrad ist ausschlaggebend für Entscheidungen über den Behandlungsort, das Ausmaß der erforderlichen Überwachung sowie die Therapie.

Eine akute Influenza-Infektion kann aus folgenden Gründen schwer verlaufen ([Tab. 1]):

Tab. 1 Kriterien für einen schweren Influenza-Verlauf.
akute respiratorische Insuffizienz auf der Grundlage einer ausgeprägten viralen Bronchitis und Bronchiolitis, einer viralen Pneumonie oder einer bakteriellen Superinfektion bis hin zur bakteriellen Pneumonie
schwere Sepsis bzw. septischer Schock im Falle einer komplizierenden bakteriellen Pneumonie
hämodynamische Komplikationen bei Rhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz im Rahmen einer viralen Peri- bzw. Myokarditis
Meningo-Enzephalitis bei ZNS-Befall und andere neurologische Komplikationen
Dekompensation im Rahmen einer schweren Komorbidität
ungewöhnliche, klinisch relevante Folgen einer Influenza-Infektion, wie z. B. Rhabdomyolysen, Nierenversagen, Hepatopathien, gastrointestinale Symptome (Diarrhoen, Erbrechen)

Bei der Erfassung des Schweregrades einer akuten Influenza-Infektion ist daher nicht nur auf respiratorische Symptome und ihre Ausprägung zu achten, sondern auch auf kardiale, hepatische, renale und neurologische Symptome sowie Art und Schweregrad der Komorbidität bzw. der bereits eingetretenen Dekompensation von Begleiterkrankungen.

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Indikation zur stationären Aufnahme aufgrund des Schweregrades

Liegt eine der in [Tab. 1] genannten Situationen vor, besteht eine Indikation zur stationären Aufnahme. Die akute respiratorische Insuffizienz kann dabei über eine erhöhte Atemfrequenz (>30/min) und/oder eine Gasaustauschstörung in der Oxymetrie bzw. Blutgasanalyse objektiviert werden. Eine hospitalisationspflichtige akute respiratorische Insuffizienz bemisst sich nach der Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe bzw. einer (nicht invasiven oder invasiven) Beatmung. Diese ist gegeben bei einer Sauerstoffsättigung < 90 % bzw. einem paO2 < 60 mm Hg unter Raumluftatmung.

Bei allen anderen Patienten bleibt die sorgfältige Abwägung der aktuellen Gefährdung des individuellen Patienten die wichtigste primäre Aufgabe der aufnehmenden Ärzte.

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Indikationen zur stationären Aufnahme aufgrund schwerer Grunderkrankungen

Darüber hinaus ist aufgrund des Risikos einer vitalen Gefährdung eine stationäre Aufnahme auch dann zu erwägen, wenn eine der folgenden schweren Grunderkrankungen vorliegt ([Tab. 2]):

Tab. 2 Grunderkrankungen.
chronische pulmonale (inklusive Asthma)
kardio-vaskuläre (außer arterieller Hypertonie)
renale
hepatische
hämatologische (inklusive Sichelzellanämie)
neurologische
neuromuskuläre oder
metabolische (inklusive Diabetes mellitus) Erkrankungen
Immunsuppression (Chemo- oder Strahlentherapie, iatrogene Immunsuppression, Neutropenie, Transplantation, HIV-Infektion)
ein Alter < 19 Jahre und eine Langzeittherapie mit Acetylsalicylsäure (Risiko eines Reye-Syndroms)

Vorrangig gefährdet erscheinen auch Schwangere (und Wöchnerinnen bis 2 Wochen post partum), die in den USA eine 4-fach höhere Hospitalisierungsrate gezeigt haben (Vorgehen bei H1N1-Infektion während Schwangerschaft und Stillzeit (siehe: DGGG und AGMFM): www.dggg.de/startseite/nachrichten/stellungnahme-der-dggg-zum-h1n1-virus/4d12ec757a/?tx_ttnews%5bbackPid%5d=30).

Andere seltenere, hier nicht genannte schwere Erkrankungen sind in gleicher Weise zu bewerten.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Patienten sich in Krankenhausambulanzen und -notaufnahmen mit Grippesymptomen vorstellen, ohne eine Indikation für eine Krankenhausaufnahme zu erfüllen. In diesen Fällen sollten aus medizinischen und forensischen Gründen von Seiten des Arztes in der Ambulanz bzw. Notaufnahme mindestens folgende Parameter neben den Personalien des Patienten dokumentiert werden:

  1. Allgemeinzustand, Orientierung

  2. Atemfrequenz, Puls, Blutdruck, Temperatur

  3. Auskultationsbefund von Herz und Lunge

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Indikationen zur stationären Aufnahme aus präventiven Gründen

Die Strategie der aktiven Fallfindung sowie Isolation wurde aufgrund der hohen Inzidenz bereits fallengelassen. In einer pandemischen Ausbruchssituation bleibt eine massenhafte präventive Aufnahme weder sinnvoll noch durchführbar.

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Link

Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie – Update 2009: www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1215037

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Patientenmanagement im Krankenhaus

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Strukturelle präventive Vorkehrungen zur Vermeidung nosokomialer Übertragungen

Jedes Krankenhaus muss sicherstellen, dass die nosokomiale Virusübertragung auf Patienten, Besucher und Personal minimiert wird. Um dies zu erreichen, muss eine größtmögliche Distanz zwischen Infizierten und anderen Patienten und Besuchern sichergestellt werden. Hierzu gehört vordringlich die Auswahl eines geeigneten Aufnahmeraumes (Zielkriterien: kurze Wege, Schleusenfunktion), die Wahl des Patientenweges von dort zur Pflegestation jenseits der allgemeinen Verkehrswege und die Festlegung geeigneter Patientenzimmer (möglichst mit Schleusenfunktion) sowohl im Bereich der Regelpflege wie auch der Intensivpflege. Außerdem sollten Regelungen gegen eine Ansteckungsgefährdung bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und beim Leichentransport getroffen werden.

Ein besonderes Augenmerk ist auf die rasche Verbesserung der Influenzaimpfrate und auf die Schulung des Personals zu richten. Wichtig ist ebenso die Beschaffung ausreichender Mengen von Schutzmasken, Schutzkitteln, Einweghandschuhen und Arzneimitteln (z. B. Neuraminidaseinhibitoren, Antibiotika).

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Erstevaluation eines Verdachtsfalles im Aufnahmeraum

Besteht der Verdacht auf eine Influenzainfektion, werden die notwendigen Personalschutzmaßnahmen eingeleitet (Kapitel „Hygiene”) und der Patient wird, wenn es der Gesundheitszustand erlaubt, mit einem Mund-Nasen-Schutz („chirurgische Maske”) versorgt. Bei Erreichen des Krankenhauses wird der Patient zunächst ärztlich untersucht und es wird geprüft, ob die Falldefinition erfüllt ist (Falldefinition für Neue Influenza (A/H1N1) beim Menschen: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Falldefinition.html); danach wird die Indikation zur stationären Aufnahme geprüft und es erfolgt, falls indiziert, die Probenabnahme für die Influenza-in-vitro-Diagnostik (siehe „Diagnostik”).

Der Patient verbleibt so lange in der Obhut der Aufnahme-Institution, bis die Überprüfung der Falldefinition und Evaluation des Erkrankungsschweregrades erfolgt ist. Falls aufgrund der Untersuchungsergebnisse eine ambulante Weiterbehandlung angemessen ist, sollte der Patient (gegebenenfalls nach Therapieeinleitung) in die ambulante Betreuung entlassen werden.

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Grundregeln der Prävention nosokomialer Übertragungen im Rahmen der stationären Behandlung

Wenn eine stationäre Aufnahme eines Patienten mit klinisch wahrscheinlicher Erkrankung durch Influenza A/H1N1 notwendig ist, wird die vorgesehene Pflegestation darüber informiert. Transporte von infektiösen Patienten sind – soweit möglich – zu vermeiden. Dabei kann die Verwendung mobiler Geräte (z. B. Röntgen, Endoskopie) hilfreich sein. Ist ein Transport im Krankenhaus unvermeidbar, so ist der Zielbereich vorab zu informieren, damit dort ebenfalls die notwendigen Distanzierungs- und Hygienemaßnahmen eingeleitet werden können.

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Eskalationspläne

Stellt sich im Verlauf der Pandemie heraus, dass mit zahlreichen Erkrankten zu rechnen ist und/oder schwere Verläufe häufig vorkommen, ist es die Aufgabe des lokalen Managementteams, einen vorher festgelegten Eskalationsplan umzusetzen. Dazu gehören unter anderem die Ausweitung der räumlichen Ressourcen (Kohortenisolation, Umwidmung ganzer Stationen oder Stockwerke, Auslagerung in eigene Gebäude im Klinikbereich) ebenso wie die Rekrutierung medizinischen Personals (z. B. Studenten, Teilzeitkräfte, Ruheständler).

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Links

Robert-Koch-Institut: Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes zu Hygienemaßnahmen bei Patienten mit Verdacht auf bzw. nachgewiesener Influenza
www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Erreger__ausgewaehlt/Influenza/Influ__pdf.html
Robert-Koch-Institut: Empfohlene Maßnahmen zur Folgenminderung der Neuen Influenza A/H1N1 (13. 11. 2009)
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Folgenminderung.html
Robert-Koch-Institut: Hinweise für Ärzte zur Meldung des Todes an Neuer Influenza A/H1N1 und zu Maßnahmen bei Fällen mit Neuer Influenza A/H1N1
www.rki.de/cln_171/nn_200120/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Schweinegrippe__HinweiseArzt.html

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Hygiene-Maßnahmen

Wesentliche Änderungen zur ersten Version der Empfehlungen haben sich nicht ergeben ( www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1214982).

Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen sollten geimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorrangig in der Betreuung von Influenza-Patienten eingesetzt werden, da die Schutzrate der Impfung sehr hoch ist.

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Link

www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Erreger__ausgewaehlt/Influenza/Influ__pdf.html

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Diagnostik

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Indikation zur erregerspezifischen Diagnostik

Aufgrund der Erfahrungen mit der ersten Welle in Deutschland ist ein ressourcenschonender Einsatz der erregerspezifischen Diagnostik notwendig und medizinisch sinnvoll. Die im Folgenden dargestellten Indikationen zur erregerspezifischen Diagnostik bei hoher Infektionsprävalenz in der Bevölkerung haben eine individualmedizinische Grundlage, d. h. epidemiologische Indikationen sind hier nicht berücksichtigt.

Das Ziel der erregerspezifischen Diagnostik auf dieser Grundlage ist es daher, einerseits den Erreger bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Komplikationen zeitnah zu erkennen und andererseits bei schweren Krankheitsbildern die Möglichkeit einer spezifischen antiviralen Behandlung einschätzen zu können.

Eine Diagnostik zum Nachweis oder Ausschluss einer Infektion mit Influenza A/H1N1 ist bei Erwachsenen nur noch in den folgenden Fällen indiziert:

  • bei Personen mit hospitalpflichtiger, schwerer Influenza-Erkrankung,

  • bei Personen mit schwerer unterer Atemwegsinfektion oder Pneumonie,

  • bei Personen mit infektiöser Erkrankung und Myokarditis, Rhabdomyolyse, Hepatopathie, Enzephalitis oder akuter Niereninsuffizienz,

  • bei Schwangeren.

Bei Personen, die die Falldefinition erfüllen und eine schwere Grunderkrankung nach [Tab. 2] aufweisen, die ein besonderes Risiko für schwere Influenzaverläufe erwarten lässt, ist die Diagnostik ebenfalls indiziert.

Die Bedeutung des labordiagnostischen Nachweises nimmt allerdings bei einer rückläufigen oder niedrigen Positivenrate zu, um differenzialdiagnostische Erkrankungen, die einer spezifischen Therapie bedürfen, nachzuweisen.

Für die Diagnostik bei Kindern liegen aktualisierte Empfehlungen der DGPI auf der Website des RKI vor (Aktualisierte Empfehlung der DGPI zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe der Infektion mit dem Neuen Influenza A/H1N1-Virus bei Kindern und Jugendlichen: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/DGPI__AN1H1__Diagnostik.html)

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Erregerspezifische Diagnostik: PCR-Nachweis von A/H1N1

Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass die Virusausscheidung durch Erkrankte im Median bei 7 Tagen liegt (Inkubationszeit 1–3, maximal 5 Tage). In der jetzigen Situation wird der Virusnachweis nur noch mittels einer PCR empfohlen (Grundsätze zur Indikation von diagnostischen Testverfahren bei Neuer Influenza A/H1N1, Gesellschaft für Virologie (GfV), Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV): www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/Stellungnahme__Diagnostik.html).

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Influenza-Schnelltest

Der Test wird aufgrund seiner geringen Sensitivität (< 50 %) für die Neue Influenza nicht mehr empfohlen.

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Influenza-Serologie

Die serologischen Tests für saisonale Influenza können die Neue Influenza A/H1N1 nicht nachweisen und werden nicht empfohlen. Validierte kommerzielle Testverfahren stehen zurzeit nicht zur Verfügung.

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Differenzialdiagnose

Auch in einer pandemischen Ausbruchssituation bleibt die klinische Symptomatik der Influenzainfektion häufig unspezifisch und ist mit einer Vielzahl weiterer respiratorischer Erkrankungen vereinbar. Die diagnostische Abklärung muss daher insbesondere auch im Hinblick auf die Abgrenzung bakterieller Infektionen oder Koinfektionen durchgeführt werden. Am wichtigsten ist der Ausschluss oder Nachweis einer bakteriellen Pneumonie (Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie – Update 2009: www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1215037). Ebenso ist im weiteren Verlauf der Saison die Möglichkeit einer saisonalen Influenza zu bedenken.

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Diagnostisches Basisprogramm

Als Basisprogramm für hospitalisierte Influenza-Patienten wird empfohlen:

  • Laboruntersuchungen: Blutbild und Differenzialblutbild, C-reaktives Protein, Procalcitonin (zur Abgrenzung eines bakteriellen Infektes), ggf. Elektrolyte, Serumcreatinin, Creatinkinase und Leberenzyme

  • Blutgasanalyse oder zumindest Oximetrie

  • Elektrokardiogramm

  • Röntgenuntersuchung des Thorax

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Erweiterte Diagnostik

Zusätzliche Maßnahmen sind bei hospitalisierten Patienten und Personen mit definierten Risikofaktoren zu erwägen.

Folgende diagnostische Maßnahmen werden in bestimmten Situationen empfohlen:

  1. zwei Blutkulturen bei Verdacht auf Pneumonie vor Einleitung einer Antibiotikatherapie

  2. transthorakale Echokardiografie bei kardial instabilen Patienten

  3. Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage bei immundefizienten Patienten mit Nachweis von Lungeninfiltraten in der Röntgenuntersuchung, wenn die Influenzadiagnostik negativ ist.

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Antivirale Therapie der Influenza A/H1N1-Infektion

Die spezifische antivirale Therapie sollte begrenzt werden auf hospitalisierte Patienten mit bestätigter und wahrscheinlicher A/H1N1-Infektion mit schwerem Verlauf und/oder schwerer Komorbidität oder einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Komplikationen (siehe [Tab. 1] u. [2]).

Für Schwangere und Kinder liegen gesonderte Empfehlungen vor: Vorgehen bei H1N1-Infektion während Schwangerschaft und Stillzeit (DGGG und AGMFM): www.dggg.de/startseite/nachrichten/stellungnahme-der-dggg-zum-h1n1-virus/4d12ec757a/?tx_ttnews%5bbackPid%5d=30;

Aktualisierte Empfehlung der DGPI zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe der Infektion mit dem Neuen Influenza A/H1N1-Virus bei Kindern und Jugendlichen: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/IPV/DGPI__AN1H1__Diagnostik.html.

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Wirksame antivirale Medikamente

Aktuell sind die in Deutschland untersuchten A/H1N1-Viren gegenüber den Neuraminidasehemmern Zanamivir und Oseltamivir empfindlich und resistent gegen Adamantane (Amantadin, Rimantadin). Vereinzelte Oseltamivir-resistente H1N1-Stämme sind noch Zanamivir-sensibel.

Kürzlich ist jedoch eine Debatte über die Wirksamkeit von Oseltamivir entbrannt. Eine aktuelle Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass es Zweifel an der Wirksamkeit von Oseltamivir hinsichtlich der Reduktion von Komplikationen und des Antibiotikaverbrauches gibt und dringend neue, unabhängige klinische Prüfungen die Wirksamkeit des Präparates in dieser Hinsicht ermitteln müssen ( www.bmj.com/cgi/content/full/339/dec07_2/b5106).

Die Indikation zur antiviralen Therapie sollte daher weiterhin sehr streng gestellt werden.

Die aktuelle lokale Resistenzlage kann sich darüber hinaus weiterhin rasch ändern und sollte regelmäßig überprüft werden. Dies kann auf der CDC-Webseite ( www.cdc.gov/flu) oder der RKI-Webseite ( www.rki.de) geschehen.

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Behandlungsbeginn

Die Behandlung sollte möglichst unmittelbar (innerhalb von 48 h nach Symptombeginn) erfolgen. Eine Wirksamkeit nach diesem Zeitfenster ist nicht gesichert. Das Ergebnis der PCR-Untersuchung ist bei Patienten mit schwerer Erkrankung oder Risikopatienten ([Tab. 1] u. [2]) nicht abzuwarten.

Ein Therapiebeginn nach mehr als 48 Stunden hat zwar nach der bisherigen Datenlage weniger Aussicht auf Erfolg, ist jedoch als ultima ratio bei schweren Verläufen sicherlich gerechtfertigt.

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Dosierung, Therapiedauer und unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Die Dosierung entspricht der für die saisonale Influenza zugelassenen ([Tab. 3]). Die Therapiedauer beträgt fünf Tage.

Die wichtigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen bei Oseltamivir (beides ca. 10 %) und die mögliche akute Obstruktion der Atemwege bei Zanamivir (daher soll Zanamivir nicht bei Patienten mit Atemwegserkrankungen eingesetzt werden). Bei Jugendlichen ist über psychiatrische Nebenwirkungen (Suizidalität) berichtet worden, die entsprechende Aufmerksamkeit erfordern (siehe Produktinformation).

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Antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion

Die antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion sollte zurzeit nur in sehr eng definierten Ausnahmesituationen durchgeführt werden, um einer zu schnellen Resistenzentwicklung vorzubeugen. Wir empfehlen daher die Prophylaxe nur noch für ungeimpfte Personen mit einem stark erhöhten Risiko für Komplikationen, wenn ein Haushaltsmitglied an nachgewiesener A/H1N1-Influenza erkrankt ist und für ungeimpfte Haushaltsmitglieder in einem Haushalt, in dem Kindern < 6 Monaten leben, wenn im Haushalt eine Person an nachgewiesener A/H1N1-Influenza erkrankt ist.

Sowohl Oseltamivir als auch Zanamivir werden für die antivirale Chemoprophylaxe der Influenza A/H1N1-Infektion empfohlen ([Tab. 3]).

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Einsatz von Neuraminidasehemmern bei Schwangeren

Es existieren keine Daten klinischer Studien zur Sicherheit von Neuraminidasehemmern bei Schwangeren. Da Schwangere ein höheres Risiko für Komplikationen haben, sollte die Schwangerschaft aber keine Kontraindikation für eine antivirale Therapie darstellen.

Aufgrund der systemischen Wirksamkeit wird Oseltamivir für die Therapie empfohlen. Für die Prophylaxe könnte Zanamivir von Vorteil sein. (Vorgehen bei H1N1-Infektion während Schwangerschaft und Stillzeit (DGGG und AGMFM): www.dggg.de/startseite/nachrichten/stellungnahme-der-dggg-zum-h1n1-virus/4d12ec757a/?tx_ttnews%5bbackPid%5d=30).

Tab. 3 Dosierungsempfehlungen für die antivirale Therapie oder Chemoprophylaxe der neuen Influenza A/H1N1-Infektion.
Medikament Therapie Chemoprophylaxe
Oseltamivir
Erwachsene 75 mg Kapseln 2x täglich über 5 Tage 75 mg Kapsel 1x täglich mindestens 10 Tage
Zanamivir (*)
Erwachsene zwei 5 mg Inhalationen zweimal täglich zwei 5 mg Inhalationen einmal täglich mindestens 10 Tage
(*) Bei lebensbedrohlicher Infektion steht nach Rücksprache mit dem Hersteller unter Umständen auch parenterales Zanamivir im Rahmen eines Heilversuches (off-label-use) zur Verfügung, mit dem etwaige Resorptionsprobleme umgangen werden können.
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Impfung

In der Zwischenzeit sind effektive Impfstoffe für die Prävention vorhanden und ein nationales Impfprogramm ist in der Umsetzung.

Auch nach der ersten Welle der Influenza-Epidemie ist die Impfung weiterhin sehr sinnvoll, da frühere Influenzapandemien oft in mehreren Wellen aufgetreten sind und mit einer langanhaltenden Zirkulation von A/H1N1 gerechnet werden muss. Die aktuellen Impfziele sind die Reduktion von Morbidität und Mortalität.

Zudem besteht unverändert die Gefahr, dass sich höher-pathogene Driftvarianten entwickeln und/oder das neue Influenzavirus Resistenzen gegenüber den Neuraminidaseinhibitoren entwickelt. Zurzeit ist von einer fortbestehenden Wirksamkeit der adjuvantierten Impfstoffe auszugehen, wenn die sich entwickelnden Driftvarianten keine gravierenden Veränderungen gegenüber den jetzt zirkulierenden Viren aufweisen.

Die Impfung gegen die Neue Influenza A/H1N1 sollte nach den Empfehlungen der STIKO (Aktualisierte Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Neuen Influenza mit den Hinweisen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert-Koch-Instituts: www.rki.de/cln_171/nn_200120/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2009/50__09.html) in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Impfstoffe in folgender zeitlicher Reihenfolge und Abstufung erfolgen:

  1. Beschäftigte in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege mit Kontakt zu Patienten oder infektiösem Material.

  2. Personen ab einem Alter von 6 Monaten mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, wie zum Beispiel: chronische Krankheiten der Atmungsorgane, chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Malignome, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, neurologische und neuromuskuläre Grundkrankheiten, angeborene oder erworbene Immundefekte mit T- oder B-zellulärer Restfunktion, HIV-Infektion.

  3. Schwangere (vorzugsweise ab dem zweiten Trimenon) und Wöchnerinnen.

  4. Haushaltskontaktpersonen, die eine mögliche Infektionsquelle für ungeimpfte Risikopersonen (s. 2. und 3. und Säuglinge unter 6 Monaten) sein können.

  5. Alle übrigen Personen ab dem Alter von 6 Monaten.

Für Erwachsene und Kinder ab dem 10. Lebensjahr reicht eine einzige Impfung (ganze Dosis: 0,5 ml) mit dem Impfstoff Pandemrix. Kinder vom 6. Lebensmonat bis zum 9. Lebensjahr erhalten einmalig eine halbe Erwachsenendosis (0,25 ml).

Alle bisher zur Verfügung stehenden Daten belegen, dass die Verträglichkeit der adjuvantierten Impfung mit der nicht adjuvantierten Impfung gegen die saisonale Grippe bis auf eine deutlich verstärkte Lokalreaktion vergleichbar ist. Die Rate schwerwiegender unerwünschter Wirkungen ist sehr gering. Allerdings muss auf die Möglichkeit anaphylaktoider Reaktionen geachtet werden (Nachbeobachtung der Patienten mindestens 30 Minuten). Im Ganzen entsprechen die beobachteten UAWs von Pandemrix den Erfahrungen mit den adjuvantierten Impfstoffen gegen die saisonale Grippe (Paul-Ehrlich-Institut: www.pei.de/cln_092/nn_1509734/DE/infos/fachkreise/impf-fach/schweineinfluenza/sicherheit-pand-impfstoff/sicherheit-pand-impfstoff-node.html?__nnn=true).

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Influenza-assoziierte Pneumonie

Keine Änderung: Siehe Management der neuen Influenza A/H1N1-Virus--Pandemie im Krankenhaus: Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin:

www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1214982

Es liegt allerdings eine aktualisierte Fassung der folgenden Leitlinie vor: Epidemiologie, Diagnostik, antimikrobielle Therapie und Management von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbenen unteren Atemwegsinfektionen sowie ambulant erworbener Pneumonie – Update 2009:

www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-0029-1215037

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Behandlung respiratorischer Komplikationen: Sauerstoffinsufflation und Beatmungsformen

In seltenen Fällen kommt es zu schweren Verläufen mit respiratorischem Versagen. Neben den bekannten Risikofaktoren (Schwangere, stark übergewichtige Patienten, Asthma/COPD, Diabetes) erkranken aus unklaren Gründen auch völlig gesunde junge Erwachsene schwer.

Etwa die Hälfte der beatmungspflichtigen Patienten ist mit einer klassischen Beatmungstherapie nicht oxygenierbar. Mit der extrakorporalen Membranoxigenierung (ECMO) steht ein Verfahren zur Verfügung, dass gerade bei schwer kranken Patienten mit A/H1N1 und ausgereizter Beatmungssituation eine Überlebensrate von 50 % gezeigt hat. Im deutschen ARDS Netzwerk (www.ards.network.de) sind die deutschen Zentren, die ECMO durchführen, zusammengefasst.

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Links

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Interessenkonflikte

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Prof. Dr. Tom Schaberg

Diakoniekrankenhaus Rotenburg

Verdener Str. 200
27356 Rotenburg

Email: schaberg@diako-online.de

Prof. Dr. Tom Schaberg

Diakoniekrankenhaus Rotenburg

Verdener Str. 200
27356 Rotenburg

Email: schaberg@diako-online.de