Z Orthop Unfall 2009; 147(3): 284
DOI: 10.1055/s-0029-1225964
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Distale Radiusfraktur - Operativ oder konservativ bei über 70jährigen?

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Publication Date:
23 June 2009 (online)

 
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Die vorliegende Studie vergleicht die radiologischen und funktionellen Ergebnisse instabiler distaler Radiusfrakturen von über 70-Jährigen nach geschlossener Reposition und Gipsbehandlung mit der volaren winkelstabilen Plattenosteosynthese. A comparative study of clinical and radiologic outcomes of unstable Colles type distal radius fractures in patients older than 70 years: Nonoperative treatment versus volar locking plating. J Orthop Trauma 2009;23:237-242

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Material und Methoden

In die Studie wurden 114 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 79 Jahren (70 - 97 Jahre) eingeschlossen, bei denen es innerhalb von 14 Tagen nach geschlossener Reposition einer distalen Radiusfraktur vom Colles-Typ und Ruhigstellung in einer Gipsschiene zu einem sekundären Repositionsverlust gekommen war (dorsale Abkippung > 20 °, radiale Verkürzung > 3mm, Gelenkstufen > 2mm). Allen Patienten wurde eine operative Therapie mit einer volaren winkelstabilen Plattenosteosynthese angeboten.

53 Patienten entschieden sich dafür und wurden operiert. Postoperativ erfolgte für ca. 14 Tage eine Ruhigstellung in einer Gipsschiene und anschließend eine physiotherapeutische Beübung.

Die übrigen 61 Patienten wurden auf eigenen Wunsch konservativ behandelt. Dazu wurde die initial angelegte Gipsschiene in einen zirkulären Cast umgewandelt und das verletzte Handgelenk darin für insgesamt 6 Wochen ruhiggestellt. Daran schloss sich ebenfalls eine physiotherapeutische Behandlung an.

Zwischen den Gruppen bestanden keine Unterschiede hinsichtlich der Verteilung der Frakturklassifikationen, der betroffenen Hand, der Geschlechterverteilung oder des Unfallherganges. Die Patienten der konservativen Behandlungsgruppe waren mit durchschnittlich 81 Jahren allerdings etwas älter als die der operativen Gruppe (76 Jahre). Nach einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 4 Jahren und 7 Monaten wurden die funktionellen Ergebnisse anhand der Bewegungsausmaße des Handgelenkes, der Greifkraft der betroffenen Hand sowie mittels verschiedener relevanter Scores (DASH-Score, PRWE-Score, modifizierter Green-o'Brien-Score) ermittelt. Röntgenkontrollen erfolgten nach 2, 6 und 12 Wochen sowie zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung.

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Ergebnisse

Erwartungsgemäß fand sich bei den operativ behandelten Patienten eine signifikant bessere Handgelenksstellung nach Ausheilung. Hier betrug die dorsale Verkippung bei den intraartikulären Frakturen - 1,4° und bei den extraartikulären Frakturen 1,3 °. In der Cast-Gruppe waren die Ergebnisse mit - 24,9 ° und - 23,9 ° respektive deutlich schlechter. Die Handgelenksbeweglichkeit bei der letzten Nachuntersuchung unterschied sich zwischen den Gruppen jedoch nicht. Auch in den funktionellen Scores ließen sich keine signifikanten Unterschiede nachweisen. Interessanterweise zeigten die konservativ behandelten Patienten trotz einer deutlich vermehrten Dorsalabkippung der radialen Gelenkfläche von mehr als 20 ° sogar eine tendenziell bessere Handgelenksflexion als die operierten Patienten (49,6 ° vs. 44,6 °, p = 0,06). Den verbliebenen Schmerz im betroffenen Handgelenk bewerteten die Cast-Patienten auf einer analogen Skala von 0 bis 10 mit durchschnittlich 0,7, die operativ behandelten Patienten mit 1,7 (p < 0,05).

In der Subgruppe der intraartikulären Frakturen zeigten sich bei 70 % der Patienten in der konservativen Behandlungsgruppe leichte bis mäßige radiologische Anzeichen einer Handgelenksarthrose, in der operativen Gruppe war dies nur bei 36 % der Patienten der Fall.

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Kommentar

Die volare winkelstabile Plattenosteosynthese hat sich bei den distalen Radiusfrakturen in letzter Zeit vermehrt zur Standardtherapie entwickelt. Die nicht zu vernachlässigende Rate operativ bedingter Komplikationen wird dabei mit einer Wiederherstellung der anatomischen Verhältnisse am Handgelenk gerechtfertigt. Die vorgestellte Arbeit wie auch andere vorangegangene Studien an verschiedenen Kollektiven zeigt jedoch, dass das funktionelle Spätergebnis hierdurch nicht verbessert wird.

Kritisch anzumerken bleibt, dass die Patienten sich in der vorliegenden Studie selbst den Versuchsgruppen zugeordnet haben, wodurch in der konservativen Gruppe die vermeintlich genügsameren Patienten versammelt sein könnten, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse der subjektiven Scores in Frage stellt.

Dennoch geben allein die objektiven Daten der vorgestellten Arbeit Anlass, die Operationsindikation bei distalen Radiusfrakturen des alten Menschen kritisch zu hinterfragen.

Dr. med. Kay Helms

Jedoch ließen sich auch hier keine signifikanten Unterschiede im funktionellen Outcome oder beim Handgelenksschmerz nachweisen.

In der operativen Gruppe traten bei 7 Patienten (13 %) Komplikationen auf, die in 6 Fällen (11 %) einen sekundären Eingriff nach sich zogen. Fünf der konservativ behandelten Patienten (8 %) entwickelten ein CRPS Typ I, das unter Physiotherapie und oraler Schmerzmedikation rückläufig war.

Dr. med. Kay Helms

Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

Email: kay_helms@web.de