Pneumologie 2009; 63(3): 123
DOI: 10.1055/s-0029-1214220
Pneumo-Fokus

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Chronische Berylliose - Doch neue Fälle durch Umweltverschmutzung?

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Publication Date:
11 March 2009 (online)

 
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Zwischen 1948 und 1969 wurden 21 Fälle chronischer Berylliose rund um Beryllium-Fabriken in den USA diagnostiziert. Die betroffenen Personen hatten weder in der Fabrik gearbeitet, noch Kontakt mit Arbeitern gehabt. Da aber seit 1969 kein Langzeit-Screening der Bevölkerung mehr durchgeführt wurde und die Latenzzeit bis zur Krankheitsmanifestation einer chronischen Berylliose Jahre dauern kann, untersuchten L. A. Maier et al., ob nach 1969 tatsächlich keine derartigen Fälle mehr aufgetreten sind. Am J Respir Crit Care Med 2008; 177: 1012–1017

An chronischer Berylliose erkranken einerseits Arbeiter, die in Beryllium-Fabriken arbeiten (Occupational CBD), andererseits sind auch Fälle beschrieben, in denen Angehörige von Fabriksarbeitern erkrankt sind, da sie beispielsweise mit der Berufskleidung der Fabriksarbeiter in Berührung kamen (Paraoccupational CBD). Eine 3. Erkrankungsgruppe stellen Anwohner um Beryllium-Fabriken dar (Community Aquired CBD = CA-CBD). Im Rahmen einer Fallserie konnten in Reading, USA, wo sich eine Beryllium-Fabrik befindet, 16 potenzielle CA-CBD-Fälle identifiziert werden. Alle lebten in unmittelbarer Nähe zur Fabrik. Von den 16 potenziellen Fällen konnten 5 Fälle mit definitiver CA-CBD identifiziert werden. Interessanterweise handelt es sich bei allen Fällen um Frauen. Eine Patientin war als an Sarkoidose erkrankt fehldiagnostiziert, eine weitere als an Silikose erkrankt. Es bestand kein offensichtlicher direkter Zusammenhang zwischen der Aufenthaltszeit/Exposition in der Nähe der Beryllium-Fabrik und dem Auftreten der chronischen Berylliose, da die chronischen Berylliose-Patienten zwischen 5 und 45 Jahren in der Nähe der Fabrik lebten. Die Latenzeit von der ersten Beryllium-Exposition bis zur Diagnosestellung betrug zwischen 19 und 52 Jahren.

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Langfristiger Kontakt mit dem Element Beryllium kann zu einer chronischen Berylliose führen – bei Arbeitern in der Beryllium-verarbeitenden Industrie, ihren Angehörigen, aber auch bei Menschen, die in der Nähe einer Beryllium-Fabrik wohnen (Bild: PhotoDisc).

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Bewertung

Die Studie zeigt, dass durch die industrielle Produktion von Beryllium nicht nur Arbeiter und ihre Angehörigen an chronischer Berylliose erkranken können, sondern auch Bewohner, die in der Umgebung der Fabrik leben. Die meisten dieser CA-CBD-Fälle werden erst Jahre später diagnostiziert, nach Beendigung der Beryllium-Exposition. Die Schlüsselkomponente liegt in der Prävention. Da die chronische Berylliose eine Hypersensitivitätsreaktion ist, ist es schwierig, den Beryllium-Grenzwert in der Außenluft festzulegen, der zur Auslösung der Erkrankung führt. Das Geiche gilt für die Dauer der Exposition.

Viele Patienten werden mit der Diagnose Silikose oder Sarkoidose fehldiagnostiziert, da diese Erkrankungen phänotypisch nur sehr schwierig zu unterscheiden sind. Wichtig scheint es daher, als Arzt differenzialdiagnostisch an die chronische Berylliose zu denken – zumindest wenn sich in der näheren Umgebung ein Beryllium-verarbeitendes Gewerbe befindet. Wichtig wäre ein konsequent durchgeführtes Screening der Bevölkerung in der näheren Umgebung von Fabriken.

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Hintergrund

Deutschland gehört zu den weltgrößten Beryllium-Importeuren. Beryllium wird bei uns nicht produziert, sondern nur verarbeitet. Derzeit gibt es keine international gültigen Grenzwerte für die Beryllium-Konzentration in der Luft. In den 1940er-Jahren wurde die chronische Berylliose (Chronic Beryllium Disease = CBD) erstmals als Krankheitsbild beschrieben. Sie entsteht durch eine Hypersensitivitätsreaktion und führt zu einer granulomatösen Entzündung innerhalb der betroffenen Organe. Am häufigsten zeigen sich eine Lungen- und Hautbeteiligung. Die Lungenbeteiligung äußert sich klinisch u. a. mit Belastungsdyspnoe, Husten und Thoraxschmerzen.

Referiert und bewertet von Dr. B. Koller und Dr. D. Hartl, München

 
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Langfristiger Kontakt mit dem Element Beryllium kann zu einer chronischen Berylliose führen – bei Arbeitern in der Beryllium-verarbeitenden Industrie, ihren Angehörigen, aber auch bei Menschen, die in der Nähe einer Beryllium-Fabrik wohnen (Bild: PhotoDisc).