Z Orthop Unfall 2009; 147(1): 6
DOI: 10.1055/s-0029-1202238
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tibiaschaftfraktur - Aufbohren oder nicht aufbohren bei der Marknagelung?

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Publication Date:
23 February 2009 (online)

 
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Die vorliegende Multizenterstudie vergleicht die unaufgebohrte gegen die aufgebohrte Marknagelosteosynthese bei Tibiaschaftfrakturen in Hinblick auf Komplikations- und Reoperationsrate. Beide Verfahren sind weit verbreitet und es gibt jeweils überzeugende Gründe für die unaufgebohrte und aufgebohrte Marknagelosteosynthese. Randomized Trial of Reamed and Unreamed Intramedullary Nailing of Tibial Shaft Fractures. J Bone Joint Surg Am. 2008; 90: 2567 - 2578

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Material und Methoden

Es handelt sich um eine prospektive, randomisierte und einfach blinde Multizenterstudie, in die 1 319 Patienten mit einer offenen (32,5 %) oder geschlossenen (67,5 %) Tibiaschaftfraktur eingeschlossen werden konnten. Die Frakturen wurden entweder mit einer unaufgebohrten oder einer aufgebohrten Marknagelosteosynthese versorgt. Die perioperative Behandlung erfolgte unter standardisierten Bedingungen für alle teilnehmenden Kliniken. Reoperationen wegen ausbleibender knöcherner Durchbaung wurden erst nach 6 Monaten zugelassen. Nach 12 Monaten postoperativ erfolgte schließlich die Evaluation im Hinblick auf die Komplikations- und Reoperationsrate.

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Ergebnisse

Nach 12 Monaten postoperativ konnten 1 226 (93 %) Patienten untersucht werden. 622 Patienten erhielten einen aufgebohrten und 604 Patienten einen unaufgebohrten Tibiamarknagel. 4,6 % (57) aller Patienten erhielten einen Implantatwechsel oder einen Knochenersatz. In der Gruppe der mit einem aufgebohrten Tibiamarknagel versorgten Frakturen fanden sich 105 Patienten mit einer Pseudarthrose, einem Kompartmentsyndrom oder einer postoperativen Infektion, welche einen Implantatwechsel, einen Knochenersatz, eine Faszienspaltung oder eine Dynamisierung erforderlich machten. Dem stehen 114 Patienten aus der Gruppe der unaufgebohrt versorgten Frakturen gegenüber. Betrachtet man nur die Patienten mit einer geschlossenen Fraktur und einer aufgebohrten Marknagelosteosynthese erlitten 45 (11 %) Patienten Komplikationen bzw. mussten sich einer erneuten Operation unterziehen. Im Vergleich dazu fanden sich in der Gruppe, die mit einem unaufgebohrten Tibiamarknagel versorgt wurde, 68 (17 %) Patienten mit Komplikationen bzw. einer erneuten Operation. Die deutlich höhere Komplikations- und Reoperationsrate in der Gruppe der unaufgebohrt versorgten geschlossenen Frakturen entstand hauptsächlich durch die hohe Anzahl von erforderlichen Dynamisierungen. In der Gruppe der offenen Frakturen ließen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen.

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Fazit

Die Studie zeigt einen möglichen Vorteil für einen aufgebohrten Tibiamarknagel bei geschlossenen Tibiaschaftfrakturen. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die teilnehmenden Chirurgen überwiegend weniger Erfahrung mit einem unaufgebohrten Tibiamarknagel hatten und dementsprechend einen aufgebohrten Tibiamarknagel als überlegen ansahen. Eine eindeutige Empfehlung für das eine oder andere Verfahren kann auch diese Studie nicht geben.

Dr. med. Jörn Scherler

Dr. med. Jörn Scherler

Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

Email: joern.scherler@gmx.de