Z Orthop Unfall 2009; 147(1): 3-4
DOI: 10.1055/s-0029-1202233
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview - OSG-Endoprothetik

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Publication Date:
23 February 2009 (online)

 
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Dr. Markus Preis ist seit 2003 Leitender Arzt der Aukammklinik Wiesbaden. Der Schwerpunkt der Klinik ist die Fußchirurgie und speziell die Endoprothetik des oberen Sprunggelenks.

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Einer der Schwerpunkte Ihrer Klinik ist die Implantation von Endoprothesen im oberen Sprunggelenk. Für welche Patienten kommt eine solche Operation in Frage?

Die Anzahl der zerstörten therapiebedürftigen Sprunggelenke nimmt weiter zu. In den letzten Jahren ist die Entwicklung der OSG Prothesen stetig voran geschritten, was auch zu einer Ausweitung der Indikation geführt hat.

Wir indizieren die Endoprothese bei der Arthrose des oberen Sprunggelenks. Bei der endoprothetischen Versorgung des oberen Sprunggelenkes und dem Verbleib einer Beweglichkeit kommt es zu einer geringeren Störung des Abrollvorgangs; die Korrekturmöglichkeiten durch das untere Sprunggelenk bleiben erhalten.

Wir müssen aber den gesamten Fuß berücksichtigen, da der prothetische Oberfllächenersatz nur ein Bestandteil einer rekonstruktiven Rückfußchirurgie ist, wie es Prof. Dr. Hintermann postuliert.

Wir wissen heute, dass es bei einer Versteifung des OSG im weiteren mittelfristigen Verlauf zu sog. Anschlussarthrosen kommt, welche dann bei klinischer Relevanz auch wiederum nur durch eine Arthrodese zu therapieren sind. Leider sehen wir nur in max. 20 % der Fälle eine isolierte OSG-Destruktion, so dass zur Rekonstruktion oft ein- oder zweizeitige Zusatzeingriffe indiziert sind.

Absolute Kontraindikationen einer OSG-Endoprothese sind: offene Ulzera, schwere Durchblutungsstörungen, nicht beherrschbare ligamentäre Instabilität des Rück- und Mittelfußes, florider Infekt oder eine substantielle Talusnekrose > 50 %.

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Wieviele OSG - Endoprothesen implantieren Sie jährlich?

Die Anzahl steigt jährlich an. Von 2005 bis Juli 2008 haben wir über 140 OSG-Protheseneingriffe durchgeführt, z. B. 2007 waren dies 51 Primärimplantationen und 10 Revisionseingriffe, bzw. Wechseloperationen. Des Weiteren führten wir in diesem Zeitraum auch 3 Desarthrodisierungen durch, bei schmerzhaften OSG Fusionen mit ausgeprägten Rückfußfehlstellungen.

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Um welches Modell handelt es sich?

Die Aukamm-Klinik ist ein Referenzzentrum für Implantationen der Sprunggelenksprothese vom Typ HINTEGRA®. Nach der Charité in Berlin ist die Aukamm-Klinik das Haus mit den meisten Implantationen einer Hintegra-Sprunggelenksprothese in Deutschland. Diese Prothese wurde maßgeblich von Prof. Dr. Beat Hintermann aus Liestal (Schweiz) entwickelt.

Sie besteht aus drei Komponenten: die beiden anatomisch geformten und aus Cobalt-Chrom geschaffenen Tibia- und Taluskomponenten zum Ersatz der Oberflächen sowie einem zentralen Gleitkern aus High-Density-Polyethylen. Der dreiteilige Aufbau und das Design der einzelnen Komponenten lassen 4 Freiheitsgrade zu, das heißt freie Bewegung bezüglich antero-posteriorer Translation, medio-lateraler Translation, tibialer Rotation und Flexion-Extension.

Hinzu kommt dass dem Anwender eine Revisionsprothese zur Verfügung steht und er somit dem Leitsatz der Rheumaorthopädie die sog. "second line of defense" zu berücksichtigen Rechnung trägt. Die Prothese kommt gelegentlich auch als Primärimplantat bei nicht rekonstruierenden zystischen Defekten zum Einsatz, wie wir es gehäuft bei Rheumatikern finden.

Entscheidend für den langfristigen Erfolg eines solchen Systems ist, dass eine permanente Weiterentwicklung und ein internationaler Erfahrungsaustausch der Anwender erfolgt. Hierzu findet u. a. jährlich ein Anwendertreffen bei Prof. Dr. Beat Hintermann in Liestal (Schweiz) statt.

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Wie sind Ihre Ergebnisse?

Die letzte Auswertung unser Ergebnisse von 85 Primärimplantationen bei 122 Operationen zeigte bei einem kurzfristigen Nachuntersuchungszeitraum von 3 - 48 Monaten (follow up 11,16 Monate) in 87,72 % der Fälle eine gutes und sehr gutes Ergebnis bezüglich der Patientenzufriedenheit bei allen 3 Patientengruppen Osteoarthrose, posttraumatische Arthrose und Rheumatoide Arthritis. Die Patienten mit RA profitierten durch die Prothese am stärksten.

Bei 9 Patienten (11,84 %) waren Revisionsoperationen notwendig, diese waren jedoch nicht durch das Prothesendesign indiziert.

Insgesamt steigerte sich der AOFAS SCORE von 23,40 auf 77,04 Punkte. Hier ist auch graphisch zu sehen, dass im zeitlichen Verlauf es zu einer deutlichen Verbesserung kommt (Abb. [1]). Dies ist ein wichtiger Punkt, welchen wir unseren Patienten vermitteln, dass auch nach Ablauf eines Jahres es zu einer weiteren Verbesserung kommen kann.

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Abb. 1 AOFAS Score nach Implantation.

Somit ist die endoprothetische Versorgung des destruierten OSG bei entsprechender Anatomie für uns das Mittel der Wahl. Der Patient mit rheumatoider Arthritis profitiert am stärksten durch eine OSG Prothese (Anstieg Aofas-Sore von 18,38 auf 76,33) weist aber auch ein mit dem Faktor 3 erhöhtes Risiko bzgl. Komplikationen auf.

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Team Aukammklinik: Dr. Alexander Mayer, Dr. Andreas Kiekenbeck, Dr. Markus Preis, PD Dr. Henrik Schroeder – Boersch (v. l. n. r.)

Die Arthrodese ist ein von dem Fußchirurgen zu beherrschendes Verfahren nach fehlgeschlagener OSG-Endoprothese. Es ist bei der Wahl des primären Implantates auf eine Knochen sparende Resektion zu achten, um im worst-case ggf. nicht auf aufwendige Knochenspantransplantationen angewiesen zu sein.

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Welche Gründe führten zu den Revisionsoperationen?

Wir mussten in 2 Fällen einen Ausbau durchführen und in eine Arthrodese umwandeln. Zum einen wegen einer nicht zu beherrschenden medialen Instabilität bei schwerer RA und zum anderen bei ungeklärten rezidivierenden Frakturen der distalen Tibia. Beide Arthrodesen wurden mit einem retrograden Nagel versorgt und sind ausgeheilt.

Wir hatten bis dato eine Lockerung eines Tibiaplateaus, welche jedoch als posttraumatisch zu werten ist, da die Patientin einen schweren PKW Unfall hatte, bei dem sie eine schwere Fußdistorsion erlitt. Der Wechsel gestaltete sich problemlos und die Patientin ist wieder voll mobil.

Bei den weiteren Revisions-Operationen wurden periartikuläre Eingriffe wie Achillessehenverlängerungen, Kalkaneusumstellungsosteotomien, Mittelfußarthrodesen oder ligamentäre Rekonstruktionen durchgeführt um die aufgetretenen therapiebedürftigen Begleitpathologien zu beseitigen.

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Gibt es ein OSG-Endoprothesenregister?

Im Rahmen einer Promotionsarbeit meines Mitarbeiters Herrn Christoph Thier und mit Unterstützung von Dr. Chris Röder vom Maurice-Müller Institut in Bern entwickelten wir einen IDES-Bogen zur Initialisierung eines OSG-Prothesen Registers. Ziel ist es, auch bei den geringen Stückzahlen im Bereich der OSG Prothetik mittel- und langfristig valide Daten zu erheben um eine gute und sinnvolle OP-Technik weiter zu untermauern. Die Teilnahme ist unabhängig vom Prothesentyp und freiwillig. Jeder Operateur kann jederzeit seine Daten aufrufen und diese mit dem Gesamttool vergleichen. Wünschenswert ist hier, dass die Industrie uns Anwender in der Erhebung dieser Daten unterstützt und dieses Modul allen Prothesen-Operateuren zur Verfügung stellt, da diese Datenerhebung auch in ihrem Interesse ist.

Das Interview führte: Dr. Rita Engelhardt

 
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Abb. 1 AOFAS Score nach Implantation.

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Team Aukammklinik: Dr. Alexander Mayer, Dr. Andreas Kiekenbeck, Dr. Markus Preis, PD Dr. Henrik Schroeder – Boersch (v. l. n. r.)