Z Orthop Unfall 2009; 147(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-0029-1202231
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachwuchsproblem - Lebensqualität von Chirurginnen und Chirurgen in Deutschland

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Publication Date:
23 February 2009 (online)

 
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In Deutschland ist ein ernstes Nachwuchsproblem in der Chirurgie entstanden. Um die Ursachen zu beleuchten, erfolgt eine Studie zur Lebensqualität in diesem Beruf. Die erste Befragung fand auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) vom 22. - 25. Oktober 2008 in Berlin statt.

Der Status von Chirurgen und Orthopäden wird in unserer Gesellschaft als sehr hoch eingeschätzt. Stehen sie erst einmal im Arbeitsleben, so haben sie die höchste Arbeitsbelastung aller Klinikärzte (Schikora, 2007) und tragen eine große Verantwortung für ihre risikoreiche ärztliche Tätigkeit (Carter, 2003).

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Schattenseiten des Berufs

In den letzten Jahren hat sich ihr Arbeitsalltag dramatisch und zu ihren Ungunsten verändert: Neben der als positiv erlebten praktisch-operativen Tätigkeit sind zunehmend administrative und patientenferne Tätigkeiten wie die Codierung von Diagnosen und Eingriffen zu erledigen. Überstunden fallen sehr häufig an und schränken in hohem Maße ein geregeltes Privat- und Familienleben ein (Jurkat und Reimer, 2001). Erschwerend kommt hinzu, dass die hohe Arbeitsbelastung und der Verlust an Privatleben in einem Ungleichgewicht zur mäßigen Bezahlung stehen; vor allem im Vergleich zu der Entlohnung in anderen europäischen Ländern, fühlen sich viele Klinikärzte in Deutschland unterbezahlt. Mögliche Folgen dieser Belastungen in der Ausbildung und im Arbeitsalltag sind - sofern sich Chirurgen und Orthopäden nicht zur Abwanderungen ins Ausland entschließen - Substanzabhängigkeit, Disruptive Behaviour (rüpelhaftes Benehmen in Führungspositionen als Persönlichkeitsstörung) und Burn out.

Die Schattenseiten des Berufs haben inzwischen dazu geführt, dass in Deutschland ein ernstes Nachwuchsproblem in der Chirurgie entstanden ist. Es stellt sich deswegen die Frage, warum sich Akademiker diesen Stress selbst zumuten. Worin besteht unter diesen Umständen die Motivation als Chirurg tätig zu sein?

Die beschriebenen Belastungen der chirurgischen Ausbildung und Tätigkeit einerseits und das große praktische und wissenschaftliche Engagement der Chirurgen für die Lebensqualität ihrer Patienten (Troidl et al., 1987) andererseits führen konsequenterweise zu folgender Frage: Wie ist es um die Lebensqualität von Chirurgen und Orthopäden in Deutschland bestellt? Zu dieser Frage existieren bis dato keine zuverlässigen Daten. Zwar wurde in der Literatur gelegentlich über die Lebensqualität anderer ärztlicher Berufsgruppen berichtet (Berberich & Brähler, 2006; Jurkat & Reimer, 2001), aber eine systematische Analyse der beruflichen Situation, der Karriereperspektive, der familiären Einbindung und der resultierenden Lebensqualität von Chirurgen ist im deutschsprachigen Raum noch nie durchgeführt worden. Diesem Themenkomplex widmet sich unsere Studie, die im Auftrag und mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie durchgeführt wird.

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Befragung von Kongressbesuchern

Bei der Studienpopulation handelt es sich um Chirurgen aller Fachrichtungen (inklusive Orthopäden und Unfallchirurgen), die einen der acht großen Kongresse der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaften für Chirurgie und Viszeralchirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Kinderchirurgie, Thoraxchirurgie, Neurochirurgie, und Plastische Chirurgie) in den Jahren 2008 bis 2009 besuchen.

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Ergebnisse im Herbst 2009 erwartet

Die erste Befragung fand nun mit großem Erfolg auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) vom 22. - 25. Oktober in Berlin statt [siehe Abb.].

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Prof. Dr. Grifka, Dr. Renkawitz und Studienteam der Universität Würzburg am Kongressstand der Jahrestagung der DGOOC und DGU in Berlin 22. – 25. 0.2008 bei der Preisverlosung (von links nach rechts: Dr. T. Renkawitz, PD Dr. med. T. Bohrer, Dr. H. Krannich, B. Kögel [Doktorandin des Projektes], Prof. Dr. Grifka)

Die hohe Beteiligung - 1 069 Kongressbesucher haben den Fragebogen ausgefüllt - unterstreicht die Aktualität und Wichtigkeit des Themas. Es scheint an der Zeit, dass sich Chirurgen und Orthopäden über ihre eigene Lebensqualität Gedanken machen, nachdem sie sowohl in ihrem täglichen ärztlichen Handeln als auch in der wissenschaftlichen Arbeit die Lebensqualität ihrer Patienten als zentrales Ziel verfolgen.

Es ist geplant, die Studienergebnisse auf der kommenden Jahrestagung der DGOOC und DGU 2009 zu präsentieren und so empirische Grundlagen für berufspolitische Diskussionen zu schaffen.

T. Bohrer [1], M. Koller [2], B. Kögel [1], H. Krannich [1], T. Börgens [1], T. Renkawitz [3], K. Neukam [1], J. Grifka [3], H. Bauer [4]

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Literatur

  • 01 Berberich HJ . Brähler E . Lebenszufriedenheit, gesundheitliches Befinden und Berufszufriedenheit bei niedergelassenen Urologinnen und Urologen.  Urologe A. 2006;  45 (8) 933-934-936-938
  • 02 Carter D . The surgeon as a risk factor.  BMJ. 2003;  326 832-833
  • 03 Jurkat H . Reimer C . Arbeitsbelastung und Lebenszufriedenheit bei berufstätigen Medizinern in Abhängigkeit von der Fachrichtung.  Schweizer Ärztez. 2001;  82 1745-1750
  • 04 Schilkora S . Klinikärzte - mehr Arbeit in kürzerer Zeit! - Chirurgen haben die höchste Arbeitsbelastung.  Klinikarzt. 2007;  36 678
  • 05 Troidl H . Kusche J . Vestweber KH . Eypasch E . Koeppen I . Bouillon B . Quality of life: an important endpoint both in surgical practice and research.  J Chron Dis. 1987;  40 523-528

01 Zentrum Operative Medizin, Klinik für Thorax-, Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie der Julius-Maximilians Universität Würzburg, Oberdürrbacherstr. 6, 97080 Würzburg. Tel.: 09 31 / 2 01-0, Email: bohrer_t.htc@klinik.uni-wuerzburg.de

02 Zentrum für Klinische Studien, Universitätsklinikum Regensburg, Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg. Tel.: 09 41 / 9 44-56 30; Email: Michael.Koller@klinik.uni-regensburg.de

03 Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Klinik und Poliklinik für Orthopädie. Asklepios Klinikum Bad Abbach, Kaiser-Karl V.-Allee 3, 93077 Bad Abbach. Tel.: 0 94 05 / 1 80, Email: j.grifka@asklepios.com

04 Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Luisenstr. 58/59, 10117 Berlin. Tel.: 0 30 / 28 87 62 90, Email: DGChirurgie@t-online.de

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Literatur

  • 01 Berberich HJ . Brähler E . Lebenszufriedenheit, gesundheitliches Befinden und Berufszufriedenheit bei niedergelassenen Urologinnen und Urologen.  Urologe A. 2006;  45 (8) 933-934-936-938
  • 02 Carter D . The surgeon as a risk factor.  BMJ. 2003;  326 832-833
  • 03 Jurkat H . Reimer C . Arbeitsbelastung und Lebenszufriedenheit bei berufstätigen Medizinern in Abhängigkeit von der Fachrichtung.  Schweizer Ärztez. 2001;  82 1745-1750
  • 04 Schilkora S . Klinikärzte - mehr Arbeit in kürzerer Zeit! - Chirurgen haben die höchste Arbeitsbelastung.  Klinikarzt. 2007;  36 678
  • 05 Troidl H . Kusche J . Vestweber KH . Eypasch E . Koeppen I . Bouillon B . Quality of life: an important endpoint both in surgical practice and research.  J Chron Dis. 1987;  40 523-528

01 Zentrum Operative Medizin, Klinik für Thorax-, Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie der Julius-Maximilians Universität Würzburg, Oberdürrbacherstr. 6, 97080 Würzburg. Tel.: 09 31 / 2 01-0, Email: bohrer_t.htc@klinik.uni-wuerzburg.de

02 Zentrum für Klinische Studien, Universitätsklinikum Regensburg, Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg. Tel.: 09 41 / 9 44-56 30; Email: Michael.Koller@klinik.uni-regensburg.de

03 Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Klinik und Poliklinik für Orthopädie. Asklepios Klinikum Bad Abbach, Kaiser-Karl V.-Allee 3, 93077 Bad Abbach. Tel.: 0 94 05 / 1 80, Email: j.grifka@asklepios.com

04 Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Luisenstr. 58/59, 10117 Berlin. Tel.: 0 30 / 28 87 62 90, Email: DGChirurgie@t-online.de

 
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Prof. Dr. Grifka, Dr. Renkawitz und Studienteam der Universität Würzburg am Kongressstand der Jahrestagung der DGOOC und DGU in Berlin 22. – 25. 0.2008 bei der Preisverlosung (von links nach rechts: Dr. T. Renkawitz, PD Dr. med. T. Bohrer, Dr. H. Krannich, B. Kögel [Doktorandin des Projektes], Prof. Dr. Grifka)