Pneumologie 2009; 63(4): 228-230
DOI: 10.1055/s-0028-1119572
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

200 Jahre Bronchitis – 1808 bis 2008[1]

200 Years of Bronchitis – From 1808 to 2008H.  J.  Klippe1 , D.  Kirsten1
  • 1Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Krankenhaus Großhansdorf (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. H. Magnussen)
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Dr. med. Heinz Klippe

Anästhesist/Pneumologe

Hinter den Höfen 7
22885 Stellau

Publication History

eingereicht 1. 12. 2008

akzeptiert 18. 12. 2008

Publication Date:
02 April 2009 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Bedeutung der COPD verdient es daran zu erinnern, dass der Begriff Bronchitis von Charles Badham im Jahre 1808 erstmals verwendet wurde. In zwei Auflagen seines Werkes gibt er einen Überblick über historische Termini und Konzepte tracheo-bronchialer Affektionen, die vorwiegend als Katarrh bezeichnet wurden. Mit seiner neuen Benennung Bronchitis unterscheidet er drei Formen der Bronchitis (B. acuta, asthenica, chronica). Die zentralen Abschnitte seines Werkes betreffen klinische Symptome, Fallberichte und therapeutische Aspekte. Seine beiden ersten Bronchitisformen sind aus heutiger Sicht mehrdeutig. Der Terminus „chronische Bronchitis” korreliert hingegen mit heutigen Befunden. Frühe deutsche Rezensionen und Publikationen bewerteten Badhams Ansichten durchweg positiv. Eine tabellarische Übersicht skizziert wichtige Daten seines Lebens und Werks.

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Abstract

Because of the still growing importance of airway diseases, it should be worthwhile to remember Charles Badham's coining of the term bronchitis 200 years ago – in 1808. In the two editions of his book he reviewed historical names and concepts of tracheobronchial affections according to humoralism mainly under the topic of catarrh. Using his new term „bronchitis” he classified three forms (Br. acuta, asthenica and chronica). Analyses of clinical symptoms, case histories and therapeutic aspects form the central chapters of his work, always in relation to former ideas and authors. According to modern authors his characterization of chronic bronchitis conforms best with today's definitions, whereas the first two forms remain unclear even today. Early German medical reviews and comments uniformly concur with both editions of his book (1808 and 1814). Finally we present some important dates of his life and work.

Die WHO (1961) definiert die chronische Bronchitis als Erkrankung, die durch übermäßige Schleimproduktion im Bronchialbaum gekennzeichnet ist. Sie manifestiert sich mit permanentem oder immer wieder auftretendem Husten mit und ohne Auswurf an den meisten Tagen während 3 aufeinanderfolgenden Monaten in mindestens 2 aufeinanderfolgenden Jahren.

Die American Thoracic Society definiert in Analogie die chronische Bronchitis durch chronisch-produktiven Husten für 3 Monate in 2 aufeinanderfolgenden Jahren, wenn andere Hustenursachen ausgeschlossen worden sind (ATS 1962 und 1975).

Man geht davon aus, dass etwa 20 % aller Patienten mit chronischer Bronchitis im Verlauf ihrer Erkrankung eine obstruktive Ventilationsstörung entwickeln.

In unterschiedlichem Ausmaß kommt es zur Emphysembildung, abhängig von der individuellen Disposition und dem Ausmaß der schädigenden Exposition.

In den letzten Jahrzehnten haben sich Begriffe wie chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) eingebürgert. Dieser Terminus ist eine eigentlich unzulässige Verknüpfung von obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem.

Durch das inhalative Zigarettenrauchen ist die chronische Bronchitis seit etwa 80 Jahren eine Volkskrankheit geworden, die zumindest in Mitteleuropa die früheren Seuchen wie die Tuberkulose in ihrer Auswirkung auf die individuelle Gesundheit wie auch auf die gesundheitspolitischen Dimensionen längst überholt hat.

So sind Bronchitiden aus dem pneumologischen Arbeitsalltag in Praxis und Klinik nicht wegzudenken. Besonders die chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) stellt weiterhin sowohl wissenschaftlich wie auch klinisch therapeutisch eine große Herausforderung für die Pneumologen dar.

Vor diesem Hintergrund ist es daher von Interesse, dass der Terminus „Bronchitis” vor genau 200 Jahren erstmals in der medizinischen Literatur benannt wurde.

Vor diesem Datum war es gängige Praxis, Erkrankungen der Schleimhäute, insbesondere auch der schon immer häufigen Affektionen der Atemwege als Katarrh zu bezeichnen.

Der Terminus entstammte der Säftelehre Galens und fand bis weit in das 19. Jahrhundert hinein Anwendung [1].

Der Katarrh der Atemwege, catarrhus ad pulmones, war durch eine vermehrte Schleimproduktion unterschiedlichster Beschaffenheit gekennzeichnet. Dass dieses Bronchialsekret den entzündlich veränderten lokalen Schleimhäuten selbst entstammt und nicht – wie bis dato gelehrt – einem Herabfließen aus dem Kopf, legte erstmals Conrad Victor Schneider in seinem Werk „de catarrhis” 1660 nieder [2]. Damit leitete er eine moderne Sichtweise lokal entzündlicher Schleimhautprozesse ein. Den alten Terminus Katarrh sowohl für die oberen wie für die tiefen Luftwege behielt er jedoch weiter bei.

Im Jahre 1808 veröffentlichte der englische Arzt Charles Badham (1780 – 1845) eine Schrift, in der er erstmals den Begriff „ Bronchitis” verwendete und von anderen Krankheitsentitäten der Brustorgane einer früheren Arbeit abgrenzte ([Abb. 1]) [3]. Der Monographie gab er den Titel „ Observations on the Inflammatory affections of the Mucous Membrane of the Bronchiae” [2]. Die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage erschien bereits 1814, nun unter dem Titel „An Essay on Bronchitis” [4] ([Abb. 2] [Tab. 1]).

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Abb. 1 Portrait von Charles Badham (1780 – 1845). Quelle: Nat. Library of Australia mit freundlicher Genehmigung.

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Abb. 2 Titelblatt der 2. Auflage von Ch. Badhams's Buch „An Essay on Bronchitis” London 1814. Quelle: Archiv Dr. Klippe.

Tab. 1 Charles Badham (1780 – 1845): Leben und Werk [11] [12].
1802 MD Edingburgh
1805 Arzt am Westminster General Dispensary
1808 erste pneumologische Arbeit
1814 Publikation zur Bronchitis 1. Auflage
1810 – 1827 An Essay on Bronchitis, 2. Auflage
1818 Reisetätigkeit als Leibarzt diverser Adliger, literarische Tätigkeiten
1827 – 1845 FRS, FRCP
Professor of Physics, Glasgow

Im Vorwort beider Ausgaben stellt Badham fest: „… the genus of diseases to which these remarks are directed is very imperfectly understood…. not a little confirmed by the promiscous names under which they have been confounded”.

Weiter führt er aus: „… an acute inflammation of the air-passages, attended with fever, cough and shortness of breathing is the princial subject of the following pages.”

Die terminologische Kernaussage seiner Schrift lautet: „A consideration of these varities (of bronchial affections) may perhaps supply a nomenclature sufficiently appropriate, by which to distinguish the several species. If the term Bronchitis be appropriated to the genus we may distiguish three principal species by the epithets of acuta, asthenica and chronica.”

Diese von ihm differenzierten Formen setzt er zu alten bisherigen Nomenklaturen in Beziehung.

Die beiden ersten Formen „are uncertain from his description”, konstatiert Thurlbeck [5].

Badham beschreibt den Beginn der chronischen Bronchitis im höheren Lebensalter mit Verschlechterung des immer vorhandenen Hustens im Winter. Fast alle diese Patienten, so Badham, weisen Husten mit zunehmender Frequenz und Heftigkeit für ein bis zwei Stunden am Morgen auf, und sie erfahren keine Erleichterung, bis sie das Sekret abgehustet haben, das sich während der Nacht in den Atemwegen angesammelt hat.

Nach Badham ist die chronische Bronchitis gekennzeichnet durch „irritability” and „chronic sub-inflammatory state”.

Die unter Bronchitis chronica eingereihten Formen entsprachen ca. 150 Jahre später nach Thurlbeck auch am ehesten unserer heutigen Auffassung von der chronischen Bronchitis [5].

Zur Therapie bleibt Badham konservativ, ganz den Pharmaka seiner Zeit verhaftet [6]. Er warnt jedoch (wie modern!), dass Expektorantien in vielen Fällen die Kräfte des chronischen Dauerhusters eher schwächen. Opium oder Auszüge von Papaver in individueller Dosierung speziell zur Nacht hält er für „almost inavoidable”.

Mit der aktuellen Inhalationstherapie seiner Zeit (Pneumatic Institute, Bristol; [7]) für bronchopulmonale Leiden hatte er keine eigene Erfahrung, hielt den theoretischen Ansatz der direkten Einwirkung auf die Atemwege per inhalationem aber für bedenkenswert [8].

Die ersten deutschen Reaktionen auf Badhams Publikation zeigten bereits 1810 eine eingehende Rezension der ersten Auflage [9]. 1815 wird die zweite Auflage übersetzt [10]. Im Vorwort plädiert Dr. J. A. Albers dafür, „dass dieser die Natur der Krankheit und das leidende Organ bezeichnende Ausdruck künftig von allen Ärzten beibehalten zu werden verdiene”. Seine Aussage von 1815, „die Bronchitis ist weder eine seltene noch eine neue Krankheit”, bleibt bis heute unverändert aktuell.

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Literatur

  • 1 Capel L H. A History of the Pulmonary Catarrhs and Airways Obstruction.  Brit J Dis Chest. 1966;  60 113-119
  • 2 Badham C. Observations on the inflammatory Affections of the mucous Membrane of the Bronchiae. London; J. Callow 1808: 133pp
  • 3 Badham C. Practical Observations on the Pneumonic Diseases of the Poor.  Edinburgh Med Surg J. 1805;  1 166-170
  • 4 Badham C. An Essay on Bronchitis. London; J. Callow 1814: 168pp
  • 5 Thurlbeck W M. Chronic Airflow Obstruction in Lung Disease. Chapter 1 Historical. Philadelphia; Saunders 1976
  • 6 Ziment J. History of the Treatment of Chronic Bronchitis.  Respiration. 1991;  58 (Suppl 1) 37-42
  • 7 Beddoes T, Watt J. Considerations on the medical use and on the production of Factitious Airs. 2nd ed. Bristol; Bullgin & Roser 1795
  • 8 Cartwright F F. Pneumatic medicine.  Pharm Historian. 1970;  1 4-6
  • 9 Stieglitz (Hofmedicus). Rezension zu Ch. Badham's 1. Auflage. Hallische Allgemeine Literaturzeitung
  • 10 Kraus L A. Carl Badhams Versuch über die Bronchitis, übersetzt und erweitert von CA Kraus, Anmerkungen und Vorrede von JA Albers. Bremen; JG Heyse 1815
  • 11 Finlayson J. Dr. Charles Badham.  Glasgow Med.J. 1900;  53 321-331
  • 12 Richards R L. Charles Badham, MD, FRS.  J Hist Med. 1956;  11 54-65
  • 13 Schneider C V. De catarrhis lib IV. Wittenberg; Merid Schumacher 1660

1 Herrn Prof. Dr. N. Konietzko zum 70. Geburtstag gewidmet.

Dr. med. Heinz Klippe

Anästhesist/Pneumologe

Hinter den Höfen 7
22885 Stellau

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Literatur

  • 1 Capel L H. A History of the Pulmonary Catarrhs and Airways Obstruction.  Brit J Dis Chest. 1966;  60 113-119
  • 2 Badham C. Observations on the inflammatory Affections of the mucous Membrane of the Bronchiae. London; J. Callow 1808: 133pp
  • 3 Badham C. Practical Observations on the Pneumonic Diseases of the Poor.  Edinburgh Med Surg J. 1805;  1 166-170
  • 4 Badham C. An Essay on Bronchitis. London; J. Callow 1814: 168pp
  • 5 Thurlbeck W M. Chronic Airflow Obstruction in Lung Disease. Chapter 1 Historical. Philadelphia; Saunders 1976
  • 6 Ziment J. History of the Treatment of Chronic Bronchitis.  Respiration. 1991;  58 (Suppl 1) 37-42
  • 7 Beddoes T, Watt J. Considerations on the medical use and on the production of Factitious Airs. 2nd ed. Bristol; Bullgin & Roser 1795
  • 8 Cartwright F F. Pneumatic medicine.  Pharm Historian. 1970;  1 4-6
  • 9 Stieglitz (Hofmedicus). Rezension zu Ch. Badham's 1. Auflage. Hallische Allgemeine Literaturzeitung
  • 10 Kraus L A. Carl Badhams Versuch über die Bronchitis, übersetzt und erweitert von CA Kraus, Anmerkungen und Vorrede von JA Albers. Bremen; JG Heyse 1815
  • 11 Finlayson J. Dr. Charles Badham.  Glasgow Med.J. 1900;  53 321-331
  • 12 Richards R L. Charles Badham, MD, FRS.  J Hist Med. 1956;  11 54-65
  • 13 Schneider C V. De catarrhis lib IV. Wittenberg; Merid Schumacher 1660

1 Herrn Prof. Dr. N. Konietzko zum 70. Geburtstag gewidmet.

Dr. med. Heinz Klippe

Anästhesist/Pneumologe

Hinter den Höfen 7
22885 Stellau

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Abb. 1 Portrait von Charles Badham (1780 – 1845). Quelle: Nat. Library of Australia mit freundlicher Genehmigung.

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Abb. 2 Titelblatt der 2. Auflage von Ch. Badhams's Buch „An Essay on Bronchitis” London 1814. Quelle: Archiv Dr. Klippe.