Pneumologie 2009; 63(4): 219-221
DOI: 10.1055/s-0028-1100830
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Händehygiene und Kampagnen

Hand Hygiene and CampaignsI.  F.  Chaberny1 , I.  Möller2 , K.  Graf1
  • 1Institut für Med. Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Stabstelle Unternehmensentwicklung, Qualitätsmanagement, Medizinische Hochschule Hannover
Further Information

PD Dr. med. Iris F. Chaberny

Leiterin des Arbeitsbereich Krankenhaushygiene, Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Email: chaberny.iris@mh-hannover.de

Publication History

eingereicht 17.9.2008

akzeptiert nach Revision 21.10.2008

Publication Date:
02 March 2009 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Händedesinfektion ist eine anerkannte und sehr wichtige Maßnahme in der Infektionsprävention. Daher ist es sinnvoll, die Compliance im Krankenhausalltag zu fördern und für Nachhaltigkeit zu sorgen. Verschiedene Kampagnen haben sich der Verbesserung dieser Infektionspräventionsmaßnahme gewidmet. Methode: Vor Einführung der nationalen Händehygiene Kampagne „Aktion Saubere Hände” wurde das medizinische Personal auf den Intensiv- und Knochenmarktransplantationsstationen der Medizinischen Hochschule Hannover mithilfe eines standardisierten Fragebogens zur Thematik befragt. Ziel dieser Befragung war es, den Wissensstand zu eruieren und gegebenenfalls Defizite aufdecken. Ergebnisse: An 838 Personen auf 12 Stationen wurde der Fragebogen verteilt, von denen konnten 346 (41,2 %) ausgewertet werden. Am häufigsten wurde Zeitmangel (43,1 %) für eine nicht adäquate Händedesinfektion genannt, gefolgt von „es gibt keine Gründe” (37,3 %). Zur Verbesserung der Händehygiene sollte das Händedesinfektionsmittel besser verfügbar sein (50,3 %) und Schulungen (42,8 %) angeboten werden. Schlussfolgerungen: Die Befragung zeigte die klassischen Risikofaktoren für die Non-Compliance auf. Hier setzt die Kampagne mit den zur Verfügung gestellten Fortbildungsunterlagen an, die von den Teilnehmern auf Stationen eingesetzt werden, um das medizinische Personal persönlich zu schulen.

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Abstract

Background: Hand disinfection is a well-known and appropriate practise for infection prevention. Hence, it is logical to encourage its compliance and to provide its sustainability in the daily routine of a hospital. Several campaigns address an improvement of this important prevention measure. Methods: In the Hannover Medical School the health staffs on the intensive care units and bone marrow transplantation wards were examined for this topic by a standardised questionnaire. The aim was to detect deficiencies and the level of knowledge. Results: The forms were handed out to 838 health-care workers on 12 wards. 346 (41.2 %) were analysed. Inadequate hand disinfection due to a lack of time was the most common answer (43.1 %), followed by “there is no reason” (37.3 %). The alcoholic hand rub should be better available (50.3 %) and a continuing education programme should be provided (42.8 %) for improving hand hygiene practise. Conclusion: The survey revealed the known risk factors for non-compliance. At this point, the national hand campaign “Aktion Saubere Hände” supports training courses by providing instruction materials for all participants. These materials are used for training health-care workers individually.

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Hintergrund

Schon Ignaz P. Semmelweis sah sich 1847 der Herausforderung von Krankenhausinfektionen gegenüber gestellt. Durch ihn begründet ist die Händedesinfektion eine anerkannte und wichtige Präventionsmaßnahme im Krankenhaus zur Verhinderung von Transmissionen geworden. Dennoch ist die Herausforderung mit den nosokomialen Infektionen im Klinikalltag geblieben. Eine wesentliche Ursache hierzu liegt in der nicht vollständigen Umsetzung dieser simplen und effektiven Maßnahme der Händedesinfektion [1]. Daher sind viele Anstrengungen bei der Umsetzung von Infektionskontrollmaßnahmen auf eine Verbesserung der Händehygiene fokussiert. Für eine langfristige nachhaltige verbesserte Compliance wurden in einigen Ländern Kampagnen durchgeführt [2] [3] [4] [5]. Seit Beginn dieses Jahres wurde auch in Deutschland die Kampagne „Aktion Saubere Hände” unter der Schirmherrschaft der Bundesgesundheitsministerin gestartet [6].

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Methode

Neben den 384 Krankenhäusern (Stand: 24. 9. 2008), die sich bundesweit an der Kampagne beteiligen, setzt auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) diese Aktion innerhalb ihrer Klinik um. Zusätzlich zu den entsprechenden Empfehlungen dieser Aktion wurde ein standardisierter Fragebogen entwickelt, der ein Überblick über den aktuellen Stand der Händehygiene beim Personal verschaffen sollte, bevor die Händehygiene Kampagne starten soll.

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Ergebnisse

Dieser anonymisierte Fragebogen wurde im April 2008 auf 12 Stationen (10 Intensiv- und 2 hämatologisch/onkologische Stationen) an 838 Personen verteilt. Mit 346 auswertbaren Bögen betrug die Rücklaufquote 41,2 %. Bei Betrachtung der Berufserfahrung zeigte sich, dass vor allen Dingen das Personal mit mehr als 10 Jahren Berufserfahrung (60,2 %), gefolgt vom Personal mit 4 – 10-jähriger Berufserfahrung (26,9 %) und Personal mit weniger als 4 Jahren Berufserfahrung (12,9 %), sich durch den Fragebogen angesprochen fühlte und ihn ausfüllte. Das weibliche Geschlecht überwog mit 71,4 % wie auch die Berufsgruppe der Krankenpflege mit 70,9 %, gefolgt vom Ärztlichen Dienst mit 20,3 % und 8,8 % Sonstige (z. B. Physiotherapeuten u. a.). Der Stellenwert der Händedesinfektion zur Vermeidung von Infektionen wird von 81 % der Befragten als sehr hoch und von 17,2 % als hoch eingestuft und nur 1,7 % sehen den Stellenwert als nur mäßig an. Bei der Frage, wie häufig sie als medizinisches Personal die Händedesinfektion umsetzen, schätzten 56,5 % der Befragten dies als genau richtig häufig durchzuführen ein und 16,8 % waren sogar der Meinung, dass sie die Händedesinfektion zu oft durchführten; während 26,7 % die Hände zu selten desinfizieren. Bei der Nachfrage, wie es um die Qualität bestellt ist, wurde dies von 55,3 % als insgesamt korrekt eingeschätzt, allerdings gaben 44,7 % an, die Desinfektion zu kurz oder unvollständig umzusetzen.

Bei der Frage, welche Gründe zu einer eingeschränkten Durchführung der Händedesinfektion führen, wurde der Faktor Zeitmangel mit 43,1 % am häufigsten angekreuzt, gefolgt von „es gibt keine Gründe dafür” mit 37,3 % und 27,5 % begründeten Hautreizungen oder Allergien sowie 19,1 % nannten, Desinfektionsmittel seien nicht sofort verfügbar, als Hinderungsgrund. Bei der Frage, welche Maßnahmen die Bereitschaft zur häufigeren Händedesinfektion erhöhen bzw. verbessern könnten, zeigten sich geringe Abstufungen zwischen den vorgeschlagenen Maßnahmen (siehe [Tab. 1]).

Tab. 1 Verteilung der Antworten zur Frage: Durch welche Maßnahme könnte die Bereitschaft zur häufigeren Händedesinfektion erhöht werden? (n = 343).
Maßnahmen Anzahl
Desinfektionsmittel in erreichbarer Nähe 50,3 %
Schulungen/Fortbildungen 42,8 %
Rückmeldung über Desinfektionsmittelverbrauch und Infektionszahlen 29,8 %
Informationsblätter/Poster auf den Stationen 27,5 %
es sind keine Maßnahmen notwendig 12,7 %
sonstiges 9,2 %

Bei Betrachtung der Ergebnisse unserer Fragebogenanalyse zeichnet sich klar ab, dass der Stellenwert der Händedesinfektion beim medizinischen Personal schon als sehr hoch und wichtig angesehen wird, aber bei der Umsetzung noch Handlungsbedarf ist. Strukturparameter wie z. B. die erreichbare Nähe zum Desinfektionsmittel als auch Schulungen und Fortbildungen werden für notwendig angesehen, um eine Verbesserung der Compliance zu erzielen. Rückmeldungen über den Desinfektionsmittelverbrauch und von Infektionszahlen sowie der Einsatz von Informationsblättern und Postern vor Ort werden ebenfalls vom medizinischen Personal als wichtige Verbesserungsmaßnahme eingestuft. Genau bei diesen Punkten setzt die deutschlandweite Kampagne „Aktion Saubere Hände” an. Eine Bestandsaufnahme für die Anzahl der Händedesinfektionsmittelspender ist hierbei zu erfassen und muss gegebenenfalls aufgestockt werden oder in Form von Kitteltaschenflaschen zugänglicher gemacht werden. Bei unserer ersten Analyse zeigte sich, dass nicht allein die Anzahl pro Zimmer ausschlaggebend ist, sondern auch die teilweise schlechte Zugänglichkeit, so dass es im Arbeitsalltag bei der Versorgung der Patienten schwierig ist im Arbeitsablauf zwischen dem Patienten und dem weit entfernten Spendern innerhalb eines Zimmers immer hin- und herzulaufen. Hier helfen mobile Spender in jeglicher Form (Betthalterungen, Standflaschen mit Dosierpumpe, Kitteltaschenflaschen) [7].

Knapp ein Viertel der Befragten nannten Allergien und Unverträglichkeiten des Desinfektionsmittels als Hinderungsgrund. In Deutschland gibt es inzwischen die Möglichkeit, auf parfümfreie und farbstofffreie Produkte zurückzugreifen, um eine Allergisierung vorbeugen zu können [8]. Durch die Einführung der Kampagne nutzen wir auch bei uns in der MHH die Chance, diese Produkte einzuführen.

Bei der Selbsteinschätzung der Befragten zeigte sich, wie schon einige Autoren zuvor beschrieben haben, dass hier meist eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung vorliegt [9]. Um verlässliche Zahlen und Daten zu generieren, ist es unumgänglich Compliance-Beobachtungen vor Ort durchzuführen, wie es auch die Kampagne empfiehlt und entsprechende standardisierte Beobachtungsbögen vorhält.

Zeitmangel und Stress werden immer wieder für die Non-Compliance als Risikofaktor gesehen [10]. Für die 43,1 % der Befragten, die dies als Hinderungsgrund angegeben haben, sind die persönlich durchgeführten Informations- und Fortbildungsveranstaltungen auf der Station wichtig, um hier den Prozess einer Verhaltensänderung anzustoßen. Für diese Schulungen werden Fortbildungsunterlagen und Poster ebenfalls von der Kampagne zur Verfügung gestellt und können jederzeit im Internet herunter geladen werden [6]. Bei den inzwischen schon begonnenen Schulungen auf unseren Intensivstationen hat sich gezeigt, dass wir gerade durch den persönlichen Kontakt und die Darstellung der Fragebogenergebnisse auf gute Akzeptanz beim medizinischen Personal treffen. Im nächsten Schritt werden die Compliance-Beobachtungen durchgeführt und dann die Ergebnisse als Feedback dem Personal gezeigt.

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Schlussfolgerungen

Insgesamt lässt sich sagen, dass eine nachhaltige Verbesserung der Compliance bei der Händehygiene nur im multimodalen Ansatz erfolgreich sein kann, wie sie in den bisherigen Kampagnen und auch in der hier beschriebenen umgesetzt wird [11] [12]. Wie erfolgreich unsere Umsetzung der „Aktion Saubere Hände” in der MHH sein wird, lässt sich erst am Ende der Kampagne im Jahr 2010 sehen. Auf alle Fälle sind die Anfänge sehr viel versprechend und wir freuen uns auf den bundesweiten Aktionstag am 22. Oktober in diesem Jahr, den wir in unserer Klinik interdisziplinär gestalten werden.

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Literatur

PD Dr. med. Iris F. Chaberny

Leiterin des Arbeitsbereich Krankenhaushygiene, Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Email: chaberny.iris@mh-hannover.de

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Literatur

PD Dr. med. Iris F. Chaberny

Leiterin des Arbeitsbereich Krankenhaushygiene, Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1

30625 Hannover

Email: chaberny.iris@mh-hannover.de