Der Klinikarzt 2008; 37(9): 438-439
DOI: 10.1055/s-0028-1089977
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Effektive Antibiose schwerer Infektionen - Ältere Antibiotika stoßen immer öfter an ihre Grenzen

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01 October 2008 (online)

 
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Resistenzen grenzen die Behandlungsmöglichkeiten bei schweren bakteriellen Infektionen immer mehr ein. Allein in den vergangenen 2 Jahrzehnten sei die Prävalenz bakterieller Resistenzen gegenüber verschiedenen Antibiotika dramatisch angestiegen, betonte Prof. Tobias Welte, Hannover - und das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so bleiben. Dabei sehen Epidemiologen mit Sorge, dass die Verbreitung grampositiver Problemkeime, wie multiresistente Staphylococcus-aureus- oder S.-epidermidis-Stämme (MRSA, MRSE), methicillinresistente koagulasenegative Staphylokokken (CoNS) und vancomycinresistente Enterokokken (VRE), weltweit zunimmt.

Um eine rationale und wirksame Therapie zu gewährleisten, sind demzufolge zusätzliche antibakterielle Substanzen dringend nötig - Substanzen wie Daptomycin (Cubicin®), der erste Vertreter der zyklischen Lipopeptide, einer Antibiotikaklasse mit einem Wirkmechanismus, der sich von dem anderer Antibiotika unterscheidet. Daptomycin ist in Europa für die Behandlung von komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen (cSSTIs) sowie für die Indikationen rechtsseitige infektiöse Endokarditis (RIE) aufgrund von S. aureus und S.-aureus-Bakteriämie (SAB), assoziiert mit RIE oder cSSTI, zugelassen.

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Grampositive Infektionen: Die Landschaft in Europa hat sich verändert

Wie Dr. José M. Miró, Barcelona (Spanien), betonte, habe sich die Epidemiologie grampositiver Infektionen in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. "Verantwortlich hierfür ist die Interaktion zwischen den sich verändernden Eigenschaften der Bakterien, der Patientenpopulation und der medizinischen Praxis", sagte Miró. Vor allem die weite Verbreitung invasiver Verfahren, intravaskulärer Katheter und Implantate hat dazu geführt, dass sich der 'Spielraum' für opportunistische Infektionen drastisch erweitert habe.

Mittlerweile ist S. aureus der wichtigste Erreger von Bakteriämien und infektiösen Endokarditiden. Beide Erkrankungen sind durch ernsthafte Komplikationen und hohe Letalitätsraten von etwa 30 % gekennzeichnet.

Resistenzen bei grampositiven Erregern nehmen weltweit zu. Und multiresistente grampositive Problemerreger, wie methicillinresistente S. aureus oder S. epidermidis (MRSA, MRSE), vancomycinresistente Enterokokken (VRE) oder linezolidresistente Erreger, finden sich inzwischen nicht nur bei nosokomialen, sondern immer öfter auch bei ambulant erworbenen Infektionen. Vor diesem Hintergrund, so Miró, sei ein Paradigmenwechsel dringend erforderlich, um sich der geänderten Situation anzupassen.

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Bewährte Therapieoptionen stoßen an ihre Grenzen

In verschiedenen Bereichen stößt die Therapie bakterieller Infektionen mit den zur Verfügung stehenden Antibiotika nach Ansicht von Prof. Kate Gould, Newcastle (UK), längst an ihre Grenzen. Insbesondere gelte dies für den Wirkstoff Vancomycin, dessen Zulassung im Jahre 1958 zu Recht als bedeutende Innovation begrüßt wurde. "Der Wirkstoff wurde rasch das Mittel der Wahl bei der Behandlung methicillinresistenter Staphylokokken (MRSA)", sagte die Expertin.

Allerdings zeigten sich im Einsatz in der Klinik auch die negativen Eigenschaften von Vancomycin. Dies betrifft vor allem steigende Resistenzraten sowie Limitationen im praktischen Einsatz. Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften, die Dosis anzuheben, setze die Patienten der Gefahr erhöhter Toxizitäten aus, meinte Gould. Außerdem ergaben sich aus In-vivo- und In-vitro-Studien keinerlei Evidenzen für den Einsatz der Substanz im Rahmen einer Kombinationstherapie. Zu einem klinisch signifikanten Problem gehören mittlerweile auch glykopeptidresistente Enterokokken, fügte Gould hinzu.

Mittlerweile seien aber neue Wirkstoffe erhältlich, die dem Vancomycin zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sind. "Es ist daher für mich nur schwer verständlich, warum so viele Kollegen nach wie vor auf Vancomycin vertrauen", meinte Gould abschließend.

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Ineffektive Antibiose erhöht die Mortalität wesentlich

Im Rahmen der empirischen Therapie infektiöser Erkrankungen mit einem Antibiotikum ist die Wahl des Wirkstoffs essenziell, betonte Dr. Carlos Mestres, Barcelona (Spanien). Ist die initiale Entscheidung für ein Antibiotikum insbesondere im Falle von MRSA-Infektionen nicht adäquat, hat dies unweigerlich eine höhere Mortalität zur Folge, die sich im Vergleich zu einer adäquaten Behandlung sogar verdoppeln kann (Abb. [1]; [1]-[2]). Mittlerweile, so der Experte, stehe mit dem Wirkstoff Daptomycin eine Substanz zur Verfügung, welche grampositive Problemkeime, inklusive methicillinresistenter und methicillinsensibler Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA und MSSA), zuverlässig eradiziere.

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Abb. 1 Bakteriämiepatienten: Eine inadäquate Antibiotikatherapie kann die Mortalitätsrate ver doppeln. nach [1], [2]

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Empirische Therapie schwerer Infektionen

Daptomycin hat mehrere ideale Eigenschaften

  • deckt MSSA und MRSA ab

  • schnelle bakterizide Aktivität

  • nicht bakteriolytisch

  • keine klinisch relevanten Arzneimittelinteraktionen

  • gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil

  • ist auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz effektiv

    nach (Mestres, Vortrag am 28.06.2008, Berlin)

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Behandlungsherausforderung S.-aureus-Bakteriämie und -Endokarditis

Bei Bakteriämie und Endokarditis durch S. aureus hat Daptomycin im Rahmen einer randomisierten Phase-III-Studie sein Potenzial gezeigt [3]. Insgesamt 246 Patienten erhielten hier einmal täglich 6 mg/kg Daptomycin als Monotherapie (n = 124) oder eine Kombinationstherapie aus initial niedrig dosiertem Gentamicin über vier Tage plus Vancomycin (1 g i. v. zweimal täglich, n = 122) oder penicillinasefestes Penicillin (2 g i. v. alle 4 Stunden), berichtete Mestres.

"Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Therapie mit Daptomycin den Vergleichsregimen nicht unterlegen war", fasste er die Studienergebnisse zusammen. Die Erfolgsraten bei der Behandlung mit Daptomycin waren bei MSSA-Infektionen mit 44,6 und 44,4 % bei MRSA nahezu identisch (Abb. [2]). "Bei MRSA-Patienten zeichnete sich ein Trend zur Überlegenheit von Daptomycin gegenüber den Vergleichsregimen ab (44,4 versus 31,8 %)."

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Abb. 2 Klinischer Erfolg bei S.-aureus-Bakteriämie und -Endokarditis nach 6 Wochen. nach [3]

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Weitere Indikation: Haut- und Weichgewebeinfektionen

Dokumentiert ist die Wirksamkeit und Sicherheit von Daptomycin in 2 internationalen, randomisierten klinischen Phase-III-Studien, die ebenfalls auf Nichtunterlegenheit angelegt waren. Erwachsene Patienten mit komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen erhielten über einen Zeitraum von 7-14 Tagen entweder Daptomycin (4 mg pro kg Körpergewicht) einmal täglich als i. v.-Infusion über 30 Minuten oder eine herkömmliche Therapie mit Vancomycin oder einem semisynthetischen Penicillin.

An den beiden Studien [4] nahmen insgesamt 1 092 Patienten teil (n = 534 im Daptomycinkollektiv, n = 558 für das Kontrollkollektiv). 80 % der mit Daptomycin und 84 % der mit den Vergleichssubstanzen behandelten Patienten wiesen eine durch grampositive Erreger verursachte Infektion auf. Dabei war S. aureus in beiden Behandlungsgruppen der am häufigsten isolierte Erreger: Bei circa 70 % der gesamten Patienten wurde eine Infektion mit S. aureus bestätigt. Davon hatten wiederum 10 % eine MRSA-Infektion.

Hinsichtlich der Wirksamkeit belegen die Studien die hohe klinische Effektivität von Daptomycin: Mit 83,2 % war die klinische Erfolgsrate bei den Patienten, die Daptomycin erhalten hatten, vergleichbar hoch wie im Kontrollarm der Studie (84,2 %). Ein Ergebnis, das die Nichtunterlegenheit von Daptomycin bestätigt. Daptomycin erwies sich auch als mindestens ebenso wirksam wie die einzelnen Vergleichsantibiotika. Die Erfolgsrate lag mit Daptomycin bei 69 % und unter Vancomycin bei 67 %. War die zuvor zugeteilte Behandlung semisynthetisches Penicillin, betrugen die Erfolgsraten 84 % mit Daptomycin und 82 % mit semisynthetischem Penicillin.

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Kosteneffektiv

Eine hohe klinische Effektivität kann auch die Dauer des Krankenhausaufenthaltes erheblich beeinflussen, was für den klinischen Alltag nicht irrelevant ist. Denn bei der Behandlung schwerer Infektionen ist die Dauer des Klinikaufenthaltes ein wesentlicher Kostenfaktor. Größten Anteil daran hat die Dauer der intravenösen Antibiotikatherapie. Mit Daptomycin lässt sich die Krankenhausverweildauer senken: Signifikant mehr Patienten mit komplizierten Haut- und Gewebeinfektionen wurden hier innerhalb von 4-7 Tagen erfolgreich behandelt als in der Vergleichsgruppe (63 versus 33 %; p < 0,0001; [4]).

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Verträglich

Unerwünschte Wirkungen waren in beiden Therapiekollektiven ähnlich häufig. Allerdings ergab die Studie bei Bakteriämiepatienten mit oder ohne Endokarditis einen deutlichen Unterschied bei der Inzidenz einer herabgesetzten Nierenfunktion: In der Daptomycingruppe waren nur 11 % der Patienten betroffen, während sich die Nierenfunktion im Vergleichskollektiv immerhin bei 23,6 % der Patienten verschlechterte (Abb. [3]; [3]).

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Abb. 3 Nierenfunktionsverschlechterung unter der Antibiotikatherapie im Vergleich. nach [3]

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Fazit

Daptomycin wirkt, das stellten die Experten klar heraus, mit einer einmal täglichen Gabe gegen ein breites Spektrum grampositiver Problemkeime schnell bakterizid - auch gegen methicillinresistente Staphylokokken oder gegen vancomycinresistente Enterokokken (VRE). Bisher wurden mehr als 600 000 Patienten in Europa und USA mit Daptomycin behandelt. Insgesamt steht damit eine weitere wertvolle Therapieoption zur Behandlung von schweren Infektionen mit grampostiven Erregern zur Verfügung - ob im Rahmen einer Monotherapie oder in Kombination mit anderen Antibiotika, um synergistische Wirkungen zu nutzen.

Alexander Wehr, Hamburg

Quelle: Internationales Symposium "Advancing the management of serious gram-positive infections in Europe", veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Berlin, 28. Juni 2008

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

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Literatur

  • 01 Ibrahim EH . et al . Chest. 2000;  118 146-155
  • 02 Leibovici et al . J Intern Med. 1998;  244 379-386
  • 03 Fowler Jr VG. et al . N Engl J Med. 2006;  355 653-665
  • 04 Arbeit RD . et al . Clin Infect Dis. 2004;  38 1673-1681
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Literatur

  • 01 Ibrahim EH . et al . Chest. 2000;  118 146-155
  • 02 Leibovici et al . J Intern Med. 1998;  244 379-386
  • 03 Fowler Jr VG. et al . N Engl J Med. 2006;  355 653-665
  • 04 Arbeit RD . et al . Clin Infect Dis. 2004;  38 1673-1681
 
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Abb. 1 Bakteriämiepatienten: Eine inadäquate Antibiotikatherapie kann die Mortalitätsrate ver doppeln. nach [1], [2]

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Abb. 2 Klinischer Erfolg bei S.-aureus-Bakteriämie und -Endokarditis nach 6 Wochen. nach [3]

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Abb. 3 Nierenfunktionsverschlechterung unter der Antibiotikatherapie im Vergleich. nach [3]