Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: S154
DOI: 10.1055/s-0028-1085598
Zusammenfassung | Abstract
Qualitätsmanagement
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Definition von Qualitätsindikatoren aus Routinedaten: Erfahrungen, Möglichkeiten und Grenzen

Definition of quality indicators based on administrative data: Experiences, limitations and options for improvementT. Mansky1
  • 1HELIOS Kliniken GmbH, Berlin
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PD Dr. Thomas Mansky

Abteilungsleiter Medizinische Entwicklung, HELIOS Kliniken GmbH

Friedrichstr. 136

10117 Berlin

Phone: +49 (30) 531 321-140

Email: thomas.mansky@helios-kliniken.de

Publication History

Publication Date:
04 September 2008 (online)

Table of Contents

    Aus den Routinedaten der Krankenhäuser (Daten nach § 301 SGB V und § 21 KHEntgG), die sowohl medizinische (Diagnosen kodiert über die ICD-10, Prozeduren kodiert über den OPS 301) als auch demographische Informationen enthalten, lassen sich medizinische Qualitäts- und Leistungsindikatoren ableiten. EDV-technisch lassen sich solche Indikatoren über beliebige logische Kombinationen von Hauptdiagnose, Nebendiagnose(n), Prozeduren und Demographiemerkmalen im Sinne eines „Qualitätsgroupers” aus den vorhandenen Daten definieren, d. h. technische Begrenzungen gibt es nicht. Die Grenzen bei diesem Vorgehen sind vielmehr vor allem auf die Erfassungsqualität und den Detaillierungsgrad der medizinischen Daten zurückzuführen. Diese Grenzen sind nicht prinzipbedingt, d. h. sie sind nicht auf die Methode als solche zurückzuführen, sondern beruhen auf dem Detaillierungsgrad der eingesetzten Klassifikationen und der Kodierungsgenauigkeit in der Alltagsanwendung. Damit sind die Limitationen prinzipiell nicht von anderer Art als etwa bei einer separaten Erfassung von Qualitätsdaten (wie z. B. im BQS-Verfahren), da diese genauso vom Detaillierungsgrad der Erfassungsbögen und der Ausfüllgenauigkeit im Alltagseinsatz bestimmt sind.

    Dabei gilt in beiden Fällen, dass bei Inkaufnahme eines höheren (Kodierungs-)Aufwandes viele Grenzen überwindbar wären. In beiden Fällen ist aber abzuwägen, inwieweit der Informationszugewinn den Aufwand rechtfertigt. Hier gilt: Weniger ist mehr. Die genauere Erfassung wichtiger Parameter führt im Ergebnis weiter als die Schaffung scheinbar detaillierter Datenbestände, deren Erfassungsgenauigkeit gelegentlich ebenso fraglich ist wie der Anwendungsnutzen.

    In der Praxis zeigen sich verschiedene Limitationen, aber auch Möglichkeiten, diese – sofern unter Aufwandsgesichtspunkten sinnvoll – zu überwinden:

    • Der Detaillierungsgrad des deutschen Prozedurenschlüssels ist im internationalen Vergleich sehr gut (deutlich besser als beispielsweise der Prozedurenteil der amerikanischen ICD-9-CM oder der Schweizer CHOP). Erfassungsprobleme gibt es, wenn überhaupt, dann vor allem bei manchen nichtoperativen Prozeduren. Dies ist ggf. bei der Auswertung zu berücksichtigen.

    • Vor allem im Diagnoseschlüssel fehlen einige der für die Qualitätssicherung wichtigen Details. Wünschenswert wäre hier vor allem der Einschluss von tumorspezifischen Informationen (TNM-Klassifikation und Residual-(R-)Klassifikation). Deren Abbildung in der ICD ist technisch möglich und würde die Möglichkeiten der Bildung von Qualitätsindikatoren sowohl im konservativen als auch im operativen Bereich ganz erheblich verbessern. Auch im Bereich der Aufschlüsselung von Komplikationen wären erhebliche Verbesserungen möglich. Dies gilt auch bei der Differenzierung nosokomialer vs. vorbestehender Erkrankungen (z. B. beim Dekubitus oder bei MRSA), für die in den USA jüngst der „present on admission” (POA) Indikator eingeführt wurde.

    • Die Erfassung von Diagnosen ist oft ungenau, da häufig zu unspezifisch kodiert wird. So ist beispielsweise die Differenzierung des ischämischen Insults (ICD I63) und der intrazerebralen Blutung (ICD I61) praktisch erschwert, weil zu häufig der unspezifische Code I64 (n. n. bez. Schlaganfall) verwendet wird, obwohl die breite Anwendung der bildgebenden Diagnostik eine höhere Genauigkeit ermöglichen würde. Die Helios Kliniken haben daher für einige Bereiche Parameter zur Kodiergenauigkeit gleichwertig in die Qualitätsziele aufgenommen. Auch bei der Spezifizierung des Diabetes oder der Herzinsuffizienz gibt es beispielsweise vergleichbare Ungenauigkeiten in der Praxis. Diese sind bei der Bildung von Indikatoren zu beachten. Es ist nicht sinnvoll, scheingenaue Indikatoren oder Risikoadjustierungen zu definieren, wenn diese durch die Kodierpraxis (gegenwärtig noch) nicht gedeckt sind.

    Die Beispiele zeigen, dass Limitationen bei der Nutzung von Routinedaten nicht prinzipbedingt sind. Sie sind durch die angedeuteten und weitere mögliche Maßnahmen überwindbar. Dabei ist aber unbedingt das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen zu beachten. Für die Definition von Qualitätsindikatoren wäre eine stärkere Beschränkung auf das Wichtige sowohl hinsichtlich des Erfassungsaufwandes als auch hinsichtlich der Wirksamkeit im Sinne einer Verbesserungswirkung sehr sinnvoll. Auch bei einer Steigerung der Erfassungsdichte wird die Routinedatenmethodik einer Separaterfassung hinsichtlich des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses überlegen sein, da die Daten stets gleichzeitig für die Abrechnung und die Qualitätsmessung eingesetzt werden können und da auch eine Doppelvorhaltung von EDV-Programmen entfällt.

    Autorenerklärung: Der Autor ist bei den HELIOS Kliniken für das Qualitätsmanagement zuständig.

    PD Dr. Thomas Mansky

    Abteilungsleiter Medizinische Entwicklung, HELIOS Kliniken GmbH

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    10117 Berlin

    Phone: +49 (30) 531 321-140

    Email: thomas.mansky@helios-kliniken.de

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