Z Orthop Unfall 2008; 146(4): 419-421
DOI: 10.1055/s-0028-1085029
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongressbericht - Spine Arthroplasty Society in Miami Beach USA vom 6.-9.5.2008

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Publication Date:
03 September 2008 (online)

 
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Über 1 800 Teilnehmer, davon 900 Ärzte aus über 20 Ländern, zeigten großes Interesse an den neuen Technologien zum Thema funktionserhaltender Operationsverfahren an der Wirbelsäule. Der lumbale Bandscheibenersatz stellte sich mit 5-Jahres Ergebnissen der US FDA-Studien überzeugend dar.

Von über 400 Anmeldungen wurden 104 Vorträge und 256 Poster gemäß den besten Scores aus der Bewertung durch das Programmkommitee akzeptiert. Über 28 Lunch Meetings sowie 70 Aussteller zeigten auch das ungebrochene und steigende Interesse der Industrie an diesem Bereich der Wirbelsäulenchirurgie.

Die deutliche U.S.-Lastigkeit der SAS wird aus deutscher Sicht mit Vorträgen und Postern aus Deutschland gut kompensiert. Zusätzlich stehen mit Frau Prof. Karin Büttner-Janz, Berlin als neue Präsidentin der SAS, Herrn Prof. Henry Halm, Neustadt als "overall program chair" und Herrn Prof. Hans-Joachim Wilke, Ulm als "basic science commitee chair" von SAS8 deutsche Ärzte in Schlüsselpositionen dieser Gesellschaft.

Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Studien und neuen Trends sowie herausragenden Arbeiten (Ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

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Art-Deco-Stil in South Beach

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Lumbaler Bandscheibenersatz

J. Zigler, Texas, USA berichtete über die 5 Jahres Ergebnisse der FDA Studie (n= 236, 1-Level, prospektiv randomisiert Pro Disc®-L zur 360° Fusion mit follow-up von 98,2 % der Patienten). Es zeigte sich im Vergleich zu den 2 Jahres Ergebnissen eine Verbesserung in der Patientenzufriedenheit (83 % vs. 50 % bei der Fusion), eine niedrigere Revisionsrate (4,2 % vs 12,5 %) sowie eine signifikant höhere Rate der Wiederaufnahme der Arbeitsfähigkeit (87,4 % zu 77,3 %). Bei der Prothesengruppe kam es zu keiner Fusion und keinem Höhenverlust.

K. Pettine, Colorado, USA verglich 3 verschiedene lumbale Prothesen bei insgesamt 91 Patienten: Alle 3 Prothesen (Maverick/A-MAV®, Kineflex®, CharitéTM) zeigten statistisch eine signifikante Verbesserung in Oswestry und VAS nach 2 Jahren, der nach den FDA Kriterien erzielte "clinical success" lag bei 90 % (M), 90,5 % (K) und 83,8 % (C).

Bei den CharitéTM Studien, die von R. Banco und F. Geisler, Illinois, USA vorgestellt wurden, erfolgte die Randomisierung zu einer ventralen Fusion mittels BAK-Cages. (5 Jahre, n=133, davon 90 mit BS-Ersatz). Die Re-Operationsraten betrugen 7,8 % (Charité) vs. 16 % (BAK), die Auswertung bezüglich Alter und Voroperationen zeigte keine signifikanten statistischen Unterschiede bei signifikanter Schmerzreduktion und Verbesserung des ODI in der Charité Gruppe vgl. zum Ausgangswert.

Die SAS (www.spinearthroplasty.org) erscheint weltweit weiterhin als die wichtigste Gesellschaft für "non-fusion technology" im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie. Deutschland hat auch mit dem früheren Präsidenten Dr. R. Bertagnoli, Straubing sowie der aktuellen Präsidentin, Frau Prof. Büttner-Janz, Berlin einen großen Anteil an dieser Entwicklung.

Der nächste SAS Kongress findet vom 28.4.-1.5.2009 in London statt.

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2-Segmentige Bandscheiben-prothese lumbal

R. Delamarter, Santa Monica, USA präsentierte die 2 Jahres Daten von 237 Patienten (prospektiv, randomisiert, Pro Disc® lumbal vs. 360° Fusion). In mehreren Kriterien (OP-Zeit, Blutverlust, "VAS patient satisfaction" und "improvement > 15 points Oswestry Disability Index") bestanden signifikant bessere Ergebnisse als in der Fusionsgruppe (Jedoch wechselnde Angaben zum Signifikanzniveau von p < 0,0001 bis p < 0,0523).

Anmerkung: Bei den U. S. food & drug administration (FDA) Studien herrschen sehr strenge Einschlusskriterien als auch eine überaus genaue Erfassung von Daten und Komplikationen. Es handelt sich jedoch um "non-inferior" Studien, d. h. das Ziel ist der Nachweis der "nicht schlechteren" Versorgung im Vergleich zum Zeitpunkt des Studienbeginns festgelegten Standardeingriffes. Dieser kann jedoch von Studie zu Studie anders definiert werden.

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Cervicaler Bandscheibenersatz

In klinischen, prospektiv randomisierten Studien ist die Wirksamkeit und Sicherheit des cervicalen Bandscheibenersatzes belegt. (M. Janssen, Denver; R. Sasso Indianapolis; P. McAfee, Towson u. a., USA ).

Der klinische Erfolg ist im Vergleich zur anterioren Fusion innerhalb von 2 Jahren in allen Studien etwa identisch oder in einzelnen Punkten besser (auch als non-Inferior angelegte Studien der FDA). Es zeigen sich bei den meisten Autoren in den ACDF Gruppen höhere Revisionsraten infolge Pseudarthrose oder Platten/Schraubenlockerungen. Janssen: Pro Disc®-C, Fa. Synthes: 1,8 % Revisionen vs. ACDF 8,5 % innerhalb 2 Jahren. Sasso: Bryan-Prothese Fa. Medtronic, n=463 Patienten, "serious adverse events" 1,7 % vs. 3,2 % in der Kontrollgruppe, besserer Neck Disability Index in der Prothesengruppe. In weiteren Studien (F. Phillips, Chicago, USA) wurde versucht, die unterschiedlichen Re-Operationsraten (3,1 %-12,1 %) bezüglich Lockerung, Pseudarthrose und Anschlussdegenerationen zu erklären. P. Anderson (Madison, USA) und R. Sasso Indianapolis, USA) konnten bei 463 Patienten nachweisen, dass mit cervicaler Bandscheibenprothese die Rate der Operationen durch Anschlussdegenerationen niedriger liegt als in der Vergleichsgruppe.

M. Gornet, Columbus, GA, USA untersuchte die Serumspiegel von Chrom und Nickel 12 Monate postoperativ nach cervicalem BS-Ersatz (Prestige®, Medtronic). Die Serumwerte lagen bei 0,085 vs. 0,18 ng/ml (Nickel) und 0,075 vs. 0,17 ng/ml (Chrom) und somit niedriger als bei CoCr Metallpaarungen nach Hüft-TEP.

R. Bertagnoli, Straubing berichtete über die Wertung von heterotopen Ossifikationen (HO) nach cervicalem BS Ersatz. Statt der bisherigen Einteilung nach McAfee (HO von 0 bis IV=Fusion) schlägt er vor, eine Einteilung nach der klinischen Relevanz vorzunehmen. In einer Serie von 117 Patienten über 2-5 Jahre retrospektiver Analyse zeigten sich 9,4 % der Patienten mit HO, es bestand jedoch keine Korrelation zum klinischen Ergebnis.

In weiteren Vorträgen wurde die Bedeutung der heterotopen Ossifikationen deutlich, die Rate schwankt zwischen 24 % (P. Bernard, Frankreich, 2 Jahre Mobi-C) und 60,6 % (Grad II-IV, M. Mayer, München, Pro Disc-C) sowie 70 % für Grad IV bei S. Sola, Rostock (5 Jahre nach Bryan-Prothese).

Die Ursache des gehäuften Auftretens in manchen Serien ist nicht geklärt, in der Diskussion scheint derzeit eine Mehrzahl der Experten die Gabe von NSAR postop. 10 Tage bis drei Wochen sowie die Vermeidung exzessiven Fräsens, ggf. Verwendung von Knochenwachs, zu favorisieren.

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Nukleus- Ersatz

J. Sherman, Edina, MN, USA stellte die Ergebnisse einer Multicenterstudie (Beteiligung M. Ahrens, H. Halm Neustadt, D) über einen Nukleusersatz aus Polyurethan (Dascor®) vor. In minimal-invasiver Technik wird ein Polyurethankern mittels Ballon injiziert. 67, 50 und 18 Patienten wurden 6, 12 und 24 Monate nach Behandlung untersucht: der VAS lumbal reduzierte sich von 7,6 zu 3,1, die ODI "scores" von 58 auf 19. Die Studie wurde mit dem "best overall paper award" prämiert.

Weitere, neue Implantate und Methoden wurden vorgestellt. Es ist jedoch auch kritisch anzumerken, das die Vortragsqualität und die Studienqualität stark variierten. Ein Kollege aus Mexiko hat z. B. die Patienten nach partiellem Bandscheibenersatz und Ligamentoplastik 6 Wochen in der rumpfumfassenden Kunststofforthese in Hyperlordose fixiert. Ein Vorgehen, welches den Zielen der Spine Arthroplasty Societey wohl nicht entspricht.

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Interspinöse Spreizer und Dynamische Stabilisierung

R. Davis, Baltimore, USA stellte die Ergebnisse der 2 Jahres Ergebnisse bzgl. Dynesis® vor (prospektiv, randomisiert, n=253. 1-2 Level, vgl. zu postero-lateraler Fusion n=114). Signifikante (p < 0,05) Unterschiede zeigten sich in der Bewertung der Beinschmerzen mit VAS Reduktion um 54,8 mm (D) vs. 45.8 mm (PLF) sowie im SF 12 Score. Die Revisionsraten betrugen 11,1 % (D) sowie 9,6 % (PLF), auffällig ist der Bericht von zusätzlichen 39 intra-operativen "adverse events" in der Dynesis Gruppe, hiervon lagen 34 Duralecks vor.

M. Maid, Louisville USA konnte bei 538 Schrauben des Dynesis Implantates 12 % Komplikationsrate feststellen, hiervon 40 % Schraubenlockerung. Als Empfehlung zur Vermeidung der Schraubenlockerung wurden folgende Vorschläge gemacht: beschichtete Schrauben zu verwenden sowie den thorakolumbalen Bereich, die fortgeschrittene BS Degeneration (mehr als 50 % Höhenminderung) und osteoporotische Patienten (T-score schlechter als -1) nicht mit diesem Implantat zu versorgen.

Die interspinösen Spreizer wurden sehr kontrovers diskutiert: In einigen Studien (K. Pettine, USA, Coflex®) zeigten sich gute Ergebnisse (80 % Schmerzlinderung vgl. zur Fusion 53 %). Andere Autoren berichteten über eine hohe Lockerungs- und Komplikationsrate (K. Cho, Korea) bei 110 Patienten, 65 % "spinous process failure rate" bei Patienten mit Osteoporose sowie K. Ryu, Korea 46,3 % Lockerungsrate. In der Diskussion wurde auch der anatomisch kleinere Dornfortsatz bei koreanisch/asiatischen Patienten für die schlechteren Ergebnisse vermutet.

A. Richter, Neustadt untersuchte prospektiv 60 Patienten nach Dekompression mit und ohne Einsatz eines Interspinösen Spreizers (Coflex®). 12 Monate nach OP konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen in Bezug auf die untersuchten Parameter gefunden werden, so dass der zusätzliche Nutzen eines inerspinösen Spreizers nach Dekompression weiter ungeklärt ist.

B. Strömquist, Schweden stellte eine prospektiv randomisierte Studie vor (X-Stop, n=100, 1:1 randomisiert zur Dekompression alleine, 6-24 Monate NU, Zwischenergebnisse). Revisionen waren höher beim interspinösen Implantat (13 vs. 4), ansonsten bestanden keine signifikanten Unterschiede in den Ergebnissen.

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Knochenersatzmeterial

H. Bae, Santa Monica, USA stellte eine sehr bemerkenswerte Arbeit vor: Es wurden handelsübliche DBM (demineralisierte Knochenmatrix) Präparate auf den Gehalt an BMP-2, BMP-7 und alk. Phosphatase mit einem in vivo und einem in vitro Test untersucht. In der Literatur sind sowohl inter- als auch intra- Produktabweichungen beschrieben. Bei jeweils gleichem Hersteller wurden hier bis zu 5-fach unterschiedliche Konzentrationen gemessen, die höchste Fusionsrate (L4/L5 an der Ratte) korrelierte mit der höchsten Konzentration an BMP.

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Was es sonst noch gab

Weitere Referenten aus Deutschland waren C. Siepe, München (Analyse der Probleme nach lumbalem Bandscheibenersatz), H. Meisel, Halle (Zelltransplantation) sowie H.-J. Wilke, Ulm (2 Vorträge: Degeneration und Instabilität sowie Facettengelenke - kombinierte Belastung).

Ein gesellschaftliches Highlight war sicher der lebhafte und faszinierende Gastvortrag des deutschen Astronauten Hans Schlegel der Europäischen Raumfahrtbehörde (Abb. [1]).

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Hans Schlegel, Prof. Dr. Karin Büttner-Janz

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Kritik

Kritisch zu sehen sind die hohen Kongressgebühren 800-1200 US $, die teilweise unangemessen hohen Kosten für das Begleitprogramm (z. B. 60 $ für eine 3-stündige Shopping Tour ohne Essen oder Getränke) sowie eine nicht mehr überschaubare Anzahl an Postern, bei denen leider keine Posterbegehung stattfindet.

Dr. Frank Pfeiffer,

1. Orthopädische Klinik (Direktor: Prof. Dr. A. T. Wild) Hessing Stiftung,

86199 Augsburg

Tel.: (08 21) 909-315 oder 244

Email: frank.pfeiffer@Hessing-Stiftung.de

Interessenskonflikt: Der Autor ist Trainer der Fa. Synthes für lumbalen Bandscheibenersatz, die Kongressreise und Teilnahme wurde nicht gesponsert.

 
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Hans Schlegel, Prof. Dr. Karin Büttner-Janz