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DOI: 10.1055/a-2511-4087
Akzeptanz von innovativen Perimetriemethoden in Deutschland: Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie und Tablet-basierte Perimetrie bei Glaukompatienten
Article in several languages: deutsch | EnglishZusammenfassung
Hintergrund Ziel dieser Studie war es, erstmalig in Deutschland die Akzeptanz von innovativen Perimetriemethoden, wie die Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie (VRP) und die Tablet-basierte Perimetrie (TBP) im Vergleich zur konventionellen Halbkugelperimetrie (HKP) bei Glaukompatienten zu untersuchen.
Patienten und Methoden 204 Glaukompatienten wurden mit dem Programm 30 – 2 TOP (Octopus, Haag-Streit) untersucht und anschließend mit einer der beiden neuen Methoden: Gruppe 1 (VRP; n = 101) und Gruppe 2 (TBP mittels der Melbourne Rapid Fields Glaucoma App; n = 103). Anschließend wurde einfragebogen über die Erfahrung mit der neuen Untersuchung im Vergleich zur konventionellen Untersuchung ausgefüllt.
Ergebnisse 77% der Patienten aus Gruppe 1 (VRP) und 89,9% der Patienten aus Gruppe 2 (TBP) beurteilten die Untersuchung mit der jeweiligen neuen Untersuchungsmethode als „einfacher“ oder „viel einfacher“ im Vergleich zur konventionellen HKP. Hinsichtlich der Bequemlichkeit gaben 86% bzw. 90,9% der Patienten der Gruppe 1 bzw. Gruppe 2 an, die jeweils neue Methode zu bevorzugen. Die Dauer der Untersuchung betrug mit der HKP 2,67 ± 0,98 min (Mittelwert ± Standardabweichung), mit der VR-Brille 6,26 ± 1,88 min (Mittelwert ± Standardabweichung) und mit dem Tablet bei 4 ± 0,71 min (Mittelwert ± Standardabweichung). Bezogen auf diesem Aspekt fand die Mehrheit der Patienten beide Untersuchungen (HKP und VRP) zu 51% gleich und beim Vergleich zum Tablet bevorzugte die Mehrheit zu 54% das Tablet gegenüber der HKP. 80% bzw. 81,8% der Patienten aus Gruppe 1 bzw. 2 konnten sich vorstellen, jeweils die neue Perimetriemethode regelmäßig als Verlaufskontrolle zu verwenden.
Schlussfolgerung Die Mehrheit der befragten Glaukompatienten empfand die Untersuchung mit der Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie und der Tablet-basierten Perimetrie durchweg als positiv und bevorzugte diese gegenüber der konventionellen Halbkugelperimetrie.
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Schlüsselwörter
Perimetrie - Glaukom - Virtual-Reality-Perimetrie - Melbourne Rapid Field - Tablet-PerimetrieEinleitung
Die Gesichtsfelduntersuchung stellt eine essenzielle diagnostische Säule bei Glaukomerkrankungen dar, die den funktionellen Glaukomschaden quantifiziert und ist somit eine wichtige Untersuchung der Glaukomdiagnostik. Die klassische Gesichtsfelduntersuchung besteht in der statischen automatisierten Halbkugelperimetrie, findet an einem Halbkugelperimeter in einem verdunkelten Raum statt, stellt eine subjektive Untersuchung dar und bereitet vielen Patienten Schwierigkeiten. Sie erfordert Konzentration, Zeit und hat eine gewisse Lernkurve. Eine Studie, die sich mit der Patientenpräferenz im Rahmen von Verlaufskontrollen der Glaukomerkrankung beschäftigt hat, konnte zeigen, dass die Gesichtsfelduntersuchung die am wenigsten beliebte Untersuchung aus allen Untersuchungen inkl. Augeninnendruckmessung und apparativer Diagnostik war [1]. Es konnte auch gezeigt werden, dass die Gesichtsfelduntersuchung mehr als andere Glaukomuntersuchungen Ängstlichkeit des Patienten auslöst, die wieder zu einer Abnahme der Zuverlässigkeit der Ergebnisse führt [2], [3].
Gerade in Pandemiezeiten wurde die Notwendigkeit der Halbkugelperimetrie hinterfragt. Neue innovative Perimetriemethoden, wie die Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie oder die Tablet-basierte Perimetrie, bieten viele Vorteile gegenüber der konventionellen Methode und könnten zukünftig eine wichtige Rolle in der Glaukomversorgung spielen [4].
Ziel dieser Studie war es, die Akzeptanz portabler neuer Systeme bei Glaukompatienten herauszufinden.
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Methodik
Stichprobe
Die Untersuchungsstichprobe bestand aus 204 Glaukompatienten im Alter von 19 bis 93 Jahren (Durchschnittsalter 67,5 ± 12,6 Jahre), die jeweils zunächst mit der herkömmlichen Halbkugelperimetrie (HKP) und anschließend mit einer der beiden neuen Perimetriemethoden (Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie oder Tablet-basierter Perimetrie) am Zentrum für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, Deutschland, untersucht wurden. Die Erhebung der Daten und Untersuchung der Patienten der beiden Gruppen erfolgte konsekutiv und unabhängig voneinander von 2 unterschiedlichen Untersuchern. Die verwendeten Geräte waren: 1. Octopus 900 (Haag-Streit Deutschland) für die HKP, 2. PalmScan VF 2000 (MicroMedicalDevice, USA) für die Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie (VRP) in Gruppe 1 und 3. die Applikation Melbourne Rapid Fields (MRF) Glaucoma App (Version 5.0, Glance Optical Pty.Ltd., Melbourne, Australien) in Gruppe 2, die auf einem iPad Pro (Apple Inc., USA) abgespielt wurde für die Tablet-basierte Perimetrie (TBP). Sowohl das PalmScan-VF200-Gerät als auch die MRF-App verfügen über eine CE-Zertifizierung in Europa und eine FDA-Zulassung in den USA.
Weiterhin wurde das Glaukomstadium für jede Gruppe nach der modifizierten Hodapp-Klassifikation basierend auf den Referenzwerten der Halbkugelperimetrie angegeben: Mean Deviation 0 bis − 6 dB beginnendes, − 6 bis − 12 dB mittelgradiges und unter − 12 dB fortgeschrittenes Stadium.
Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Köln genehmigt (Zeichen: 21 – 1502_2), und alle Patienten haben eine Einverständniserklärung unterschrieben.
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Untersuchungsablauf
Zu Beginn der Untersuchungen wurden die Patienten über den Untersuchungsablauf instruiert und eine schriftliche Einverständniserklärung wurde eingeholt. Alle Patienten waren mit der Halbkugelperimetrie (HKP) vertraut und haben diese in der Vergangenheit mehr als einmal durchgeführt. Anschließend wurden die Besonderheiten zu der Untersuchung bez. der beiden neuen Methoden erklärt. Jeder Patient wurde mit der klassischen Halbkugelperimetrie untersucht ([Abb. 1]). Hierbei wurde das Standardprogramm in unserer Klinik TOP 30 – 2 (Tendency-orientated Perimetry) gewählt. Bei der Tendenzorientierten Perimetrie handelt es sich um eine Optimierung der Schnellschwellentests, indem die Untersuchungszeit um fast 80% reduziert wird auf nur 2 – 4 min im Vergleich zu 6 – 8 min (dynamische Strategie) oder 10 – 12 min (normale Strategie) [5], [6]. Der TOP-Algorithmus ist eine systematische Methode, die die Korrelation der Schwellenwerte an benachbarten Stellen berücksichtigt. Da die ersten Testpunkte auf einem überschwelligen Niveau dargestellt werden, verstehen auch unerfahrene Patienten schnell die Art des Tests.


Anschließend erfolgte die Untersuchung mit einer der beiden neuen Methoden (Virtual-Reality- oder Tablet-basierte Perimetrie). Im Anschluss an die beiden Gesichtsfelduntersuchungen füllte der Patient einen Fragebogen aus ([Abb. 2] und [3]).




Virtual-Reality-Perimetrie
Die Virtual-Reality-Brille besteht aus 3 Komponenten: Brille, Drücker und Tablet. Der Ablauf der Untersuchung ist ähnlich wie bei der klassischen Halbkugelperimetrie. Der Patient setzt das Brillengehäuse auf und dieses wird mit Kopfbändern fixiert. Durch eine gute Anpassung mittels Kopfbändern wird das Gewicht des Brillengehäuses ausgeglichen, denn innerhalb des Brillengehäuses befindet sich ein Smartphone, auf dessen Oberfläche sich die Untersuchung abspielt. Die Brille ist gepolstert und die Oberfläche zum Gesicht kann desinfiziert werden oder es kann ein ausgeschnittenes Einmaltuch benutzt werden. Der Auslöser in der Hand des Patienten dient als Antwortsignal und wird vom Patienten betätigt, wenn er die Lichtreize, die während der Untersuchung erscheinen, gesehen hat. Die Untersuchung kann in einer bequemen Körperhaltung stattfinden ([Abb. 4]). Der Auslöser ist mittels Bluetooth mit dem Tablet verbunden. Mit dem Tablet steuert der Untersucher die Untersuchung. Es wurde das vom Hersteller empfohlene Glaukom-Standardprogramm „Central 24 – 2 Threshold“ ausgewählt. Diese Teststrategie wurde vom Hersteller als eine der am häufigsten verwendeten Teststrategien für Glaukomerkrankungen gekennzeichnet und für die Untersuchung von Glaukompatienten empfohlen. Zu erwähnen ist ebenfalls, dass diese Teststrategie, im Vergleich zur TOP-Strategie der HKP, mehrere Testpunkte für die Lokalisation des blinden Flecks und als Fixationskontrolle verwendet. Daraus resultiert die hohe Anzahl der erfragten Testlokalisationen und die längere Testdauer. Das Tablet benötigt eine WLAN-Verbindung. Am Ende der Untersuchung erscheint das Untersuchungsergebnis auf dem Tablet und kann als pdf-Datei exportiert und ausgedruckt werden.


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Tablet-basierte Perimetrie
Die Tablet-basierte Perimetrie (TBP) benötigt ein Tablet und eine Applikation (App). Die MRF ist für das iOS-Betriebssystem konzipiert und funktioniert mit iOS-Versionen 8 oder neuer. Die Belichtung des Bildschirms erfolgt automatisch. Der Patient hält das Tablet in ca. 33 cm Abstand, und man muss sicherstellen, dass der Raum abgedunkelt ist, dass es keine Spiegelung durch externe Lichtquellen auf der Oberfläche des Tablets gibt und dass das nicht untersuchte Auge abgedeckt ist. Der Patient muss dann ein rotes Kreuz (Fixierkreuz) fixieren, das anfangs mittig auf dem Bildschirm erscheint. Somit wird zunächst die Lage des blinden Flecks bestimmt und das zentrale Gesichtsfeld getestet. Später wandert das Fixierkreuz in die 4 Ecken des Tablets, der Reihe nach. Durch die Bestimmung der Lage des blinden Flecks wird auch die Fixation kontrolliert. Wenn der Patient den Lichtreiz sieht, muss er mittels Daumen oder Zeigefinder beliebig auf der Tablet-Oberfläche oder im unteren rechten Bereich des Bildschirms in der sog. „Touch Zone“ tippen ([Abb. 5]). Somit gibt der Untersuchte die Antwort auf die Lichtreize direkt auf dem Tablet-Bildschirm an. Die App ist mit einer optionalen mehrsprachigen akustischen Hilfsfunktion ausgestattet, die den Patienten regelmäßig zu Aufmerksamkeit motiviert; die Funktion kann aber auch ausgeschaltet werden. Die Untersuchung fand in Untersuchungsräumen der Klinik tagsüber bei normalen Lichtverhältnissen statt.


Das in unserer Studie benutzte Programm war das sog. „Central 24 – 2 Full Grid Threshold Test“. Hierbei handelt es sich um ein modifiziertes 24-2-Programm, das 24° × 21° des Gesichtsfelds testet. Dabei werden fixe 56 Lokalisationen geprüft und der Test dauert ca. 4 min pro Auge. Diese Teststrategie wird vom Hersteller für die Untersuchung von Glaukompatienten empfohlen.
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Ergebnisse
Es wurden insgesamt 204 Patienten untersucht. Gruppe 1 (VRP) beinhaltete n = 101 Patienten und 202 Augen. In Gruppe 2 (TBP) wurden 103 Patienten mit 206 Augen eingeschlossen.
Der Altersdurchschnitt der Patienten aus Gruppe 1 (n = 101) betrug 69,1 ± 11,9 Jahre (Mittelwert ± Standardabweichung) und aus Gruppe 2 (n = 103) 66,0 ± 13,2 Jahre (Mittelwert ± Standardabweichung).
Die Geschlechterverteilung lag bei 52% (männlich) in Gruppe 1 und 40,4% (männlich) in Gruppe 2.
Die Glaukomstadien nach der modifizierten Hodapp-Klassifikation waren in Gruppe 1 bzw. Gruppe 2: 37,9% bzw. 44,5% beginnend; 27,6% und 26% mittelgradig und 34,5% und 29,5% fortgeschritten.
Die Fragebogenantworten der Patienten der beiden Gruppen sind in [Tab. 1] und [Tab. 2] zusammengefasst.
Fragen |
Gruppe 1 (VRP) |
Gruppe 2 (Tablet) |
||||
---|---|---|---|---|---|---|
ja |
nein |
ich weiß es nicht |
ja |
nein |
ich weiß es nicht |
|
Sind Sie den Umgang mit der Virtual-Reality-Brille bzw. mit dem Tablet gewohnt? |
6% |
94% |
0% |
58,4% |
41,6% |
0% |
Hatten Sie Schwierigkeiten, den Signalknopf bei der Virtual-Reality-Brille zu betätigen? |
3% |
96% |
1% |
|||
Hatten Sie das Gefühl, dass Sie bei der Durchführung der Untersuchung mit dem Tablet mehr abgelenkt waren im Vergleich zu der Halbkugelperimetrie? |
26,3% |
68,7% |
5,1% |
|||
Hatten Sie Schwierigkeiten, eine Antwort abzugeben beim Tippen der Tablet-Oberfläche? |
11,1% |
85,9% |
3% |
|||
Hatten Sie den Eindruck, die Lichtmarken bei der Virtual-Reality-Brille bzw. auf dem Tablet im Vergleich zur Halbkugelperimetrie weniger gut zu sehen? |
19% |
77% |
4% |
0% |
99% |
1% |
Hatten Sie mehr Schwierigkeiten, den Fixationspunkt auf dem Tablet zu fixieren als bei der Halbkugelperimetrie? |
9,1% |
90,9% |
0% |
|||
Fanden Sie Untersuchung mit der Virtual-Reality-Brille bzw. mit dem Tablet anstrengender im Vergleich zur Halbkugelperimetrie? |
8% |
91% |
1% |
5,1% |
84,8% |
10,1% |
Gruppe 1 (VRP) |
Gruppe 2 (Tablet) |
|||||
---|---|---|---|---|---|---|
VRP |
HKP |
beide gleich |
Tablet |
HKP |
beide gleich |
|
VRP: Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie; HKP: Halbkugelperimetrie |
||||||
Welches Verfahren könnten Sie sich vorstellen, regelmäßig für die Verlaufskontrolle Ihrer Erkrankung zu benutzen? |
80% |
7% |
13% |
81,8% |
3% |
15,2% |
Welches Verfahren bevorzugen Sie hinsichtlich Dauer der Untersuchung? |
35% |
14% |
51% |
54% |
11,1% |
34,8% |
Welches Verfahren bevorzugen Sie hinsichtlich Konzentrationsbedarf der Untersuchung? |
54% |
6% |
40% |
62,1% |
10,1% |
27,8% |
Welches Verfahren bevorzugen Sie in Bezug auf Bequemlichkeit (Kopf- und Körperhaltung)? |
86% |
7% |
7% |
90,9% |
6,1% |
3% |
In Gruppe 1 beurteilten 58% der Patienten die Durchführbarkeit der Untersuchung mit der VR-Brille im Vergleich zur herkömmlichen Methode als „einfacher“, 19% als „viel einfacher“, 19% „gleich“ und 4% „schwerer.“
In Gruppe 2 beurteilten 53,5% der Patienten die Durchführbarkeit der Untersuchung mit dem Tablet im Vergleich zur herkömmlichen Methode als „einfacher“, 36,4% als „viel einfacher“, 8,1% „gleich“ und 2% „schwerer.“
Hinsichtlich der Dauer und des Konzentrationsbedarfs der Untersuchung bevorzugten die Patienten der Gruppe 1 zu 51% bzw. 40% beide Untersuchungsmethoden gleich, gefolgt von einer 35%igen bzw. 54%igen Präferenz für die VR-Brille. In Gruppe 2 bevorzugten bez. Dauer und Konzentrationsbedarf 54% bzw. 62,1% das Tablet, gefolgt von einer äquivalenten Bevorzugung beider Methoden bei 34,8% bzw. 27,8% der Patienten („beide gleich“). Hierbei ergab sich der einzig statistisch signifikante Unterschied in den beiden Gruppen (VRP und TBP) bez. Dauer und Konzentrationsbedarf, nämlich p < 0,001 und p = 0,022 (Chi-Quadrat-Test). Bezüglich Wahl und Bequemlichkeit der neuen Methoden ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
Die Dauer der Gesichtsfelduntersuchung mit der VR-Brille lag bei 6,26 ± 1,88 min (Mittelwert ± Standardabweichung; Min. 2,11 und Max.15,15 min) und die mit dem Tablet bei 4 ± 0,71 min (Mittelwert ± Standardabweichung; Min. 2 und Max. 6,03 min). Im Vergleich lag die Dauer der Untersuchung mit der HKP bei 2,67 ± 0,98 min (Mittelwert ± Standardabweichung; Min. 1,66 und Max. 9,88 min).
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Diskussion
Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse lässt sich festhalten, dass die Mehrheit der „erfahrenen“ Glaukompatienten die Perimetrieuntersuchung mit beiden innovativen Perimetriemethoden (VRP und TBP) im Vergleich zur Halbkugelperimetrie (HKP) als weniger anstrengend empfand. Die hohe Zufriedenheit bez. der Bequemlichkeit während der Untersuchung ist durch den portablen Charakter der beiden Geräte zu erklären. Während die Körperhaltung bei der HKP fest vorgegeben ist, kann man diese bei den beiden neuen Perimetriegeräten flexibel gestalten. Dieser Aspekt ermöglicht eine große Flexibilität in Bezug auf die Untersuchungsumstände; bspw. kann eine Gesichtsfelduntersuchung mit den neuen Methoden am Patientenbett stattfinden, bei Kindern oder körperlich behinderten Patienten (z. B. auf einen Rollstuhl Angewiesene), die Schwierigkeiten haben, sich an das Halbkugelperimeter zu positionieren.
Finanziell gesehen sind portable Systeme, verglichen zu der konventionellen HKP, günstiger und können zu Hause zur Selbstkontrolle oder in Gegenden mit eingeschränkter ophthalmologischer Versorgung, z. B. im ländlichen Raum, verwendet werden [7], [8]. Weiterhin sind innovative Methoden auch für die Gesichtsfelduntersuchung von Kindern geeignet. Groth et al. untersuchten 50 gesunde Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren mit einer VR-Brille (anderes Modell als hier) und konnten eine hohe Patientenzufriedenheit zeigen, was die Methode zu einer neuen Möglichkeit für die Prüfung des Gesichtsfeldes für dieses Alterskollektiv qualifizierte [9]. Auch das Tablet wird mittlerweile viel im Schulunterricht benutzt, sodass Kinder mit diesem Medium zunehmend vertraut sind.
Hinsichtlich Untersuchungsdauer und Konzentrationsbedarf war der Zuspruch für die neuen Methoden, anders als die anderen Aspekte, nicht eindeutig und es wurde eine gemischte Befürwortung für beide Methoden (neu und konventionell) abgegeben. Hierbei muss erläutert werden, dass die Dauer der Untersuchung sowohl mit der VRP als auch mit der TBP im Durchschnitt etwa 2- bis 3-fach länger als mit der HKP war. Zumindest bei der VRP liegt dies daran, dass das durchgeführte Gesichtsfeldprogramm viel mehr Testlokalisationen als bei der HKP testet. Hierbei wurde das vom Hersteller empfohlene Standardprogramm für Glaukompatienten ausgewählt. Eine mögliche Erklärung für die längere Untersuchungsdauer ist, dass viele der untersuchten Patienten eine fortgeschrittene Glaukomerkrankung hatten: Je mehr Defekte vorhanden waren, desto länger dauerte die Untersuchung. Auch andere Autoren kamen zu einem ähnlichen Ergebnis hinsichtlich der Dauer [10], [11].
Ein weiterer Vorteil der portablen Systeme ist, dass die Compliance und Adhärenz der Patienten durch den naheliegenden telemedizinischen Ansatz gesteigert werden können. Vor allem bei der TBP gibt es viel Potenzial, da das Tablet mittlerweile in der Bevölkerung sehr verbreitet ist. Mehr als die Hälfte der von uns untersuchten Patienten (58,4%) gaben an, bereits Erfahrung im Umgang mit einem Tablet zu haben. Prea et al. konnten in 2 telemedizinischen Studien zeigen, dass in einer mittelgroßen bis großen Kohorte von Glaukompatienten sowohl über einen kurzen Zeitraum von 6 Wochen als auch über einen längeren Zeitraum von 12 Monaten die Compliance der Patienten bei einer wöchentlichen Selbsttestung zu Hause sehr hoch war [12], [13]. Die TBP würde sich also für eine telemedizinische Versorgung sehr gut eignen, bei der Patienten bei der Kontrolluntersuchung „In-Office“ Gesichtsfelduntersuchungen zur Beurteilung mitbringt, die er zuvor „In-Home“ mittels des Tablets durchgeführt hat.
Hinsichtlich Validierung wurde die diagnostische Genauigkeit von portablen Systemen in der Literatur in kleinen Patientenkohorten getestet. Shetty et al. konnten anhand von 166 Augen zeigen, dass die VRP (mittels PalmScan 2000; gleiches von uns benutztes Gerät) eine sehr gute Erkennung von Glaukom besitzt [14]. Harris et al. konnten bspw. an 40 gesunden Patienten zeigen, dass die MRF-App eine gute Vergleichbarkeit zu dem Halbkugelperimeter hatte [15]. Auch Kong et al. konnten eine starke Korrelation der Ergebnisse des TBP mit der MRF-Applikation gegenüber der HKP nachweisen, ebenso wie eine vergleichbare Test-Retest-Zuverlässigkeit [16]. Weitere Studien zur Validierung fehlen noch, um die Nichtunterlegenheit der neuen Methode gegenüber der HKP zu beweisen. Auch muss berücksichtigt werden, dass sich aktuell eine Reihe von verschiedenen Herstellern von VR-Brillen und Tablet-basierten Perimetrieapplikationen auf dem Markt befinden und somit eine große Heterogenität der Produkte herrscht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt vor allem bei der TBP ist die Patientenselektion für die Untersuchung mit den neuen Methoden. In der untersuchten Patientenkohorte gaben die Patienten aus Gruppe 2 (Tablet) an, zu 68,7% bei der Untersuchung mit dem Tablet nicht mehr abgelenkt zu sein im Vergleich zur HKP. Umgekehrt bejahten 26,3% der Patienten diese Frage, d. h. rund jeder 4. Patient schien bei der TBP mehr abgelenkt zu sein. Dieser Aspekt muss bei der Patientenselektion berücksichtigt werden. Auch gaben 99% der Patienten von Gruppe 2 an, keine Probleme mit der Wahrnehmung der Lichtmarken auf dem Tablet zu haben. Dies ist eine überraschend eindeutige Antwort, entgegen der einer möglichen Erwartung, dass die Sichtbarkeit auf der reflektierenden Tablet-Oberfläche ein mögliches Problem darstellen könnte. Manche Studien zu dem Thema TBP beschrieben sogar eigens Strategien über die optimale Haltung des Tablets, weg von Fenstern oder schlugen Konstruktionen von Schirmwänden vor, um Reflexionen auf der Tablet-Oberfläche zu vermeiden [17]. In unserer Studie wurden keine Maßnahmen getroffen, um solche Nebeneffekte zu vermeiden, und doch gaben die Patienten an, keine Probleme bei der Sichtbarkeit der Lichtmarken zu haben, da höchstwahrscheinlich intuitiv eine korrekte Haltung des Tablets eingenommen wurde.
Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass bei fortgeschrittener Glaukomerkrankung die Vergleichbarkeit der TBP geringer ist als mit der HKP. Prince et al. konnten in einer westafrikanischen Kohorte von 103 Patienten zeigen, dass die TBP signifikante Abweichungen bei der diagnostischen Genauigkeit beim mittleren bis fortgeschrittenen Glaukom zeigte, jedoch Potenzial für das Screening in einem ressourcenarmen Umfeld hatte [18].
Eine ähnliche Studie von Freeman et al. untersuchte 81 Patienten mit der TBP (MRF-Applikation) mit dem Ziel, die Akzeptanz herauszufinden, und verwendeten hierfür einen Fragebogen. In dieser Patientenkohorte gaben 90,1% der Patienten an, eine „sehr gute“ Erfahrung mit dem Tablet gehabt zu haben und 75% gaben an, dass sie sich wöchentliche Untersuchungen mit dem Tablet vorstellen könnten [19].
Das Ziel unserer Studie war, die Untersuchungserfahrung der Patienten mit den neuen Systemen zu evaluieren und die potenzielle Akzeptanz von Glaukompatienten in Deutschland zu eruieren. Es konnte eine eindeutig positive Resonanz hinsichtlich der Akzeptanz der neuen Methoden festgehalten werden. Dies ist eine vielversprechende Tendenz, die einen möglichen Türöffner für portable Perimetriemethoden und Telemedizin darstellt, insbesondere hinsichtlich Patientenadhärenz.
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Schlussfolgerung
Portable Perimetriegeräte sind eine vielversprechende Entwicklung und haben das Potenzial, einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Glaukomversorgung in Deutschland zu induzieren. Dies ist die erste Studie in Deutschland, die ein Meinungsbild über das subjektive Empfinden der Gesichtsfelduntersuchung mit der Virtual-Reality-Brille und mit einer Tablet-basierten Applikation bei Glaukompatienten erhebt. Die Befragungsergebnisse machen deutlich, dass Glaukompatienten gegenüber neuen und innovativen Gesichtsfelduntersuchungsmöglichkeiten aufgeschlossen sind. Eine hohe Akzeptanz bei den Patienten kann zu einer hohen Adhärenz der Patienten führen. Die innovativen Perimetriemethoden ermöglichen ebenfalls eine Gesichtsfelduntersuchung zu Hause und sind für telemedizinische Versorgungssettings geeignet. Zukünftige Studien zur Übereinstimmung der beiden Geräte mit der konventionellen Halbkugelperimetrie sind nötig, um solche neuen Methoden langfristig in Deutschland implementieren zu können.
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Interessenkonflikt
S. Schrittenlocher, V. Lüke, H. Irle, J. Weliwitage, J. N. Lüke, A. Lappas, T. Dietlein und C. Cursiefen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. G. Kong und A. J. Vingrys sind Gründer (Founding Director) und CSO beim Glance Optical Pty., Ltd. und besitzen Anteile an dem Melbourne Rapid Fields Applikation.
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References/Literatur
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Korrespondenzadresse/Correspondence
Publication History
Received: 04 September 2024
Accepted: 24 December 2024
Accepted Manuscript online:
07 January 2025
Article published online:
24 March 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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