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DOI: 10.1055/a-2477-3639
Ein Vergleich von Direktaufnahmen mit Verlegungen von psychiatrischen Stationen im Rahmen von Stationsäquivalenter Behandlung (StäB)
A comparison of direct admissions to inpatient-equivalent home treatment with transfers from psychiatric wardsZusammenfassung
Ziel Verschiedene Zugangswege zu stationsäquivalenter Behandlung sowie Unterschiede zwischen direkt in StäB aufgenommenen und verlegten Patient:innen, im Hinblick auf Baselineunterschiede und Behandlungsergebnisse, wurden untersucht.
Methodik Baselineunterschiede wurden mithilfe explorativer Gruppenvergleiche untersucht, Behandlungseffekte nach Zugangsarten mithilfe einer Regressionsanalyse.
Ergebnisse Von 200 StäB Nutzenden wurden 144 (72%) direkt in StäB aufgenommen, während 56 (28%) Personen nach einer stationären Behandlung zuverlegt wurden. Signifikante Unterschiede zwischen den Standorten wurden bezüglich des Anteils direkter StäB Aufnahmen identifiziert (p=0,04). Direktaufnahmen wiesen eine höhere Prävalenz von affektiven Störungen auf (51%), während Verlegungen relativ häufiger mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis (34%) assoziiert waren. Bezüglich der Behandlungseffekte zeigten sich keine relevanten Unterschiede.
Schlussfolgerung Der Zugang zur StäB-Behandlung wird für verschiedene Patient:innengruppen flexibel genutzt, Behandlungsergebnisse unterscheiden sich nicht wesentlich. Aufsuchende Angebote sollten noch flexibler gestaltet werden, als das starre Gerüst von StäB derzeit erlaubt.
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Abstract
Aim Different access routes to inpatient-equivalent home treatment (IEHT) were examined.
Methods Baseline differences were examined using exploratory group comparisons, treatment effects by type of admission using regression analysis.
Results Of 200 StäB users, 144 (72%) were admitted directly to IEHT, while 56 (28%) were transferred. Direct admissions showed a higher prevalence of affective disorders, while transfers more often had schizophrenia. There were no relevant differences in terms of treatment effects.
Conclusion Access to IEHT treatment is used flexibly, treatment outcomes do not differ significantly. Outreach services should be designed even more flexible.
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Einleitung
Die stationsäquivalente Behandlung (StäB) nach §115 d SGB V stellt eine besondere Variante des international bereits gut etablierten „Home Treatment“-Modells, einer Form von aufsuchender akutpsychiatrischer Versorgung dar [1]. Seit 2018 ist diese als Alternative zur konventionellen Krankenhausbehandlung in der deutschen Regelversorgung verankert und wird von der S3-Leitlinie (Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen) der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit dem höchsten Evidenzgrad empfohlen [2] [3]. StäB bietet prinzipiell allen Personen mit akut (stationär) behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen eine intensive multiprofessionelle Behandlung zuhause an. Dabei sind die Nähe zum Alltag und der Einbezug des Umfeldes in die Behandlung als Vorteile zu nennen [4]. Internationale Studien und Pilotstudien im deutschsprachigen Raum zeigen, dass diese Behandlungsform Behandlungszeiten, aber auch die Anzahl an Wiederaufnahmen reduzieren kann [5]. Zudem deuten Ergebnisse auf eine höhere Zufriedenheit bei Patient:innen und Angehörigen hin [6] [7] [8].
StäB wurde als Alternative zur stationär psychiatrischen Behandlung konzipiert, vor allem auch, um stationäre Aufenthalte zu vermeiden. Dennoch zeigt sich, dass für einen Teil der Patient:innen diese Behandlungsform als Anschluss nach einer stationären Behandlung und nicht als Direktaufnahme als Alternative zur stationären Behandlung genutzt wird [9] . Klocke et al. (2021) untersuchten bereits an einer Münchner StäB-Stichprobe Unterschiede zwischen Patient:innen, die direkt in StäB aufgenommen worden waren im Vergleich zu zunächst stationär aufgenommenen und erst anschließend in StäB verlegten Patient:innen [10]. In ihrer Untersuchung zeigte sich, dass ein Großteil (66%) der später in StäB übergeleiteten Patient:innen bei Aufnahme auf Station Ausschlusskriterien für StäB gezeigt hatten (z. B. akute Suizidalität). Darüber hinaus litten in StäB übergeleitete Patient:innen häufiger unter einer schizophrenen Erkrankung, zeigten bei Aufnahme in StäB eine höhere Krankheitsschwere und hatten mehr stationäre Voraufenthalte.
Ziel der gegenwärtigen Publikation war es, weitere Erkenntnisse zu den verschiedenen Zugangswegen zu StäB (Direktaufnahme vs. ausleitende Aufnahme im Anschluss an einen stationären Aufenthalt) anhand einer größeren Stichprobe aus verschiedenen Zentren zu gewinnen und zusätzlich Informationen zum therapeutischen Erfolg der verschiedenen Zugangsarten zu erhalten. Hierfür wurden Daten der quasi-experimentellen und multizentrischen AKtiV-Studie (Aufsuchende Krisenbehandlung mit teambasierter und integrierter Versorgung: Evaluation der stationsäquivalenten Behandlung), welche die Umsetzung, Behandlungsprozesse und die klinische Wirksamkeit von StäB evaluiert [11], genutzt.
Folgende Fragen sollten beantwortet werden:
-
Unterscheiden sich die einzelnen in der AKtiV-Studie teilnehmenden Zentren hinsichtlich der Zugangswege zu StäB (d. h. Direktaufnahmen bzw. Verlegungen)?
-
Unterscheiden sich die Patient:innen mit Direktaufnahmen von denen, die in StäB verlegt wurden, zum Zeitpunkt der Aufnahme in StäB (Baseline)?
-
Zeigen sich im weiteren Verlauf differenzierte Behandlungseffekte nach Zugangsarten?
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Methoden
Teilnehmende der Studie wurden über einen Zeitraum von 12 Monaten deutschlandweit an den insgesamt 10 an der AKtiV-Studie teilnehmenden Zentren konsekutiv rekrutiert [11]. Im Rahmen der vorliegenden Analyse wurden ausschließlich die N=200 Patient:innen der Interventionsgruppe (d. h. mit StäB-Behandlung) untersucht. Befragungen fanden zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses (Baseline-Erhebung) sowie nach 6 und nach 12 Monaten statt [11].
Aus der umfangreichen Datenerhebung im Rahmen der AKtiV-Studie [11] wurden die folgenden Parameter/Instrumente im Rahmen der vorliegenden Analyse genutzt:
Baseline-Parameter: Soziodemographische Daten wurden mittels Fragen zur Basisdokumentation und der deutschen Version des Client Sociodemographic and Service Receipt Inventory (CSSRI-D) erhoben [12]. Für die gegenwärtige Publikation waren die Baseline-Variablen Geschlecht, Alter, Hauptdiagnose, Familienstand, Suizidalität, Medikamenteneinnahme, Alter bei Ersterkrankung und Voraufenthalte innerhalb von zwei Jahren relevant.
Zur Erhebung der Wiederaufnahmerate wurden Patient:innen nach 6 und 12 Monaten hinsichtlich weiterer Behandlungen befragt. Darüber hinaus wurde das Krankenhausinformationssystem genutzt, um Daten zu erheben. Mögliche Abbrüche der Indexbehandlung in der StäB wurden Behandler:innenseits dokumentiert.
Die Symptomschwere wurde mittels der deutschen Version von Health of Nation Outcome Scale (HoNOS_D) erhoben [13]. Das psychosoziale Funktionsniveau wurde mittels der deutschen Version der Personal and Social Performance Scale (PSP) erhoben [14].
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mittels der deutschen Version des European Quality of Life Dimension 5 Level Version (EQ-5D-5L) erhoben, die den EQ5D-Index und EQ5D-VAS beinhaltet [15].
Zudem wurden für jedes der teilnehmenden 10 Zentren die Zugangswege der Patient:innen, d. h. die Anzahl der Direktaufnahmen/Übernahmen von Station in StäB dokumentiert. Um nachvollziehen zu können, wie schnell eine Direktaufnahme für akut Kranke erfolgen kann, wurde weiterhin die Variable „Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme“ gebildet. Hierfür wurden Telefoninterviews mit den für die Patient:innenaufnahme in den 10 Zentren jeweils verantwortlichen Person durchgeführt und Details zu Aufnahmesteuerung und -organisation erhoben. Aus den Antworten der Befragten wurde durch Kategorienbildung die Variable mit den möglichen Ausprägungen „Aufnahme in StäB erfolgt i.d.R. innerhalb von 24 h“, „Aufnahme in StäB erfolgt i.d.R. innerhalb von einer Woche“, “Wartezeit für eine Aufnahme in StäB i.d.R.>1 Woche“, abgeleitet.
Auswertung/Statistik
Es handelt sich um eine ergänzende Analyse des StäB Kollektivs der AKtiV-Studie [11]. Insofern erfolgten deskriptive Analysen und (nur) explorative Tests (mit alpha=5%). In einem ersten Schritt wurde deskriptiv und mit einem Fisher Test untersucht, ob sich der Anteil direkter StäB Aufnahmen in den verschiedenen Zentren unterschied. Der Zusammenhang zwischen der „Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme“ und dem Behandlungszugang wurde ebenfalls mittels eines Fisher-Tests analysiert.
Anschließend wurde geprüft, ob zwischen direkt in StäB aufgenommen Patient:innen und im Anschluss an eine stationäre Behandlung in StäB übergeleiteten Patient:innen bereits bei Baseline Unterschiede vorlagen. Hierfür wurden explorative Gruppenvergleiche (Chi2-, Fisher-, Welch- und Mann-Whitney U-Tests) zum Niveau α=0,05 (zweiseitig) durchgeführt.
Hinsichtlich der Behandlungseffekte (Wiederaufnahmerate, Abbruch des Indexaufenthalts, Symptomschwere, soziales Funktionsniveau) nach Zugangsarten wurden zweiarmige Analysen mittels logistischen bzw. linearen Regressionen durchgeführt. Dabei wurde für die zuvor gefundenen Baseline-Unterschiede kontrolliert.
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Ergebnisse
An den 10 Standorten wurden insgesamt 200 StäB Nutzende in die Studie eingeschlossen. Davon wurden 144 (72%) Personen direkt in StäB aufgenommen und 56 (28%) Personen nach einer stationären Behandlung in die StäB verlegt. Insgesamt nahmen 136 weibliche (68%) und 64 männliche (32%) StäB Nutzende teil.
Der prozentuale Anteil der StäB-Aufnahmen an allen Aufnahmen der jeweiligen Zentren lag zwischen einem und zehn Prozent (Mittelwert 5,5%). Die Zentren unterschieden sich signifikant (p=0,04) hinsichtlich des Anteils direkter StäB Aufnahmen, wobei der Anteil zwischen 50% und 95% lag (s. [Tab. 1]). Die „Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme“ (in 24 h, in einer Woche,>1 Woche, s. [Tab.1]) hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Direktaufnahmen und Verlegungen (p=0,41).
Zentrum |
Direktaufnahmen |
Verlegungen |
Gesamt |
Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme (innerhalb von 24 h/einer Woche/>1Woche) |
||
---|---|---|---|---|---|---|
N |
(%) |
N |
(%) |
N |
||
Zentrum 1 |
18 |
95 |
1 |
5 |
19 |
24 h |
Zentrum 2 |
21 |
84 |
4 |
16 |
25 |
Eine Woche |
Zentrum 3 |
17 |
77 |
5 |
23 |
22 |
Eine Woche |
Zentrum 4 |
10 |
77 |
3 |
23 |
13 |
24 h |
Zentrum 5 |
19 |
76 |
6 |
24 |
25 |
>1Woche |
Zentrum 6 |
19 |
76 |
6 |
24 |
25 |
24 h |
Zentrum 7 |
11 |
61 |
7 |
39 |
18 |
24 h |
Zentrum 8 |
12 |
60 |
8 |
40 |
20 |
>1Woche |
Zentrum 9 |
15 |
52 |
14 |
48 |
29 |
Eine Woche |
Zentrum 10 |
2 |
50 |
2 |
50 |
4 |
>1Woche |
Gesamt |
144 |
72 |
56 |
28 |
200 |
Bezüglich der Baseline-Daten zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen Direktaufnahmen und Verlegungen hinsichtlich der Diagnosegruppe ([Tab. 2]). So war die Gruppe affektiv Erkrankter bei direkt in StäB aufgenommenen Patient:innen größer als bei der Gruppe der in StäB verlegten Patient:innen, wohingegen sich bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis das gegenteilige Muster zeigte. Darüber hinaus unterschieden sich die Gruppen signifikant hinsichtlich der Lebensqualität. Die Verlegungen zeigten eine höhere Lebensqualität (MW=0,7) als die Direktaufnahmen (MW=0,6). Die Analyse der Voraufenthalte der letzten zwei Jahre ergab, dass die Verlegungen signifikant mehr stationäre Aufenthalte hatten (MW=3) als die Direktaufnahmen (MW=1).
Variable |
Direktaufnahmen |
Verlegungen |
Teststatistik |
|
---|---|---|---|---|
Anzahl |
N=144 |
N=56 |
||
Basisdaten bei Aufnahme in die StäB |
||||
Geschlecht (N=200) (weiblich) |
96 (67%) |
40 (71%) |
χ²(1)=0,42, p=0,52 |
|
Alter (N=200) |
MW=47 SD=16 |
MW=42 SD=14 |
U=3391.5, p=0,08 |
|
Hauptdiagnose (N=200) |
F0–F09 |
1 (1%) |
0 (0%) |
Fisher Test p=0,01 |
F10–F19 |
6 (4%) |
7 (13%) |
||
F20–F29 |
24 (17%) |
19 (34%) |
||
F30–F39 |
74 (51%) |
20 (36%) |
||
F40–F49 |
27 (19%) |
4 (7%) |
||
F50–F59 |
1 (1%) |
1 (2%) |
||
F60–F69 |
11 (8%) |
5 (9%) |
||
F70–F79 |
0 (0%) |
0 (0%) |
||
Familienstand (N=198) |
Alleinstehend |
76 (53%) |
31 (55%) |
χ²(2)=0,84, p=0,66 |
In einer Partnerschaft |
19 (13%) |
9 (16%) |
||
verheiratet |
48 (33%) |
15 (27%) |
||
Suizidalität (N=200) |
Überhaupt nicht |
66 (46%) |
30 (54%) |
Fisher Test, p=0,34 |
An einzelnen Tagen |
43 (30%) |
19 (34%) |
||
An mehr als der Hälfte der Tage |
17 (12%) |
4 (7%) |
||
Beinahe jeden Tag |
18 (13%) |
3 (5%) |
||
Medikamenteneinnahme (N=200) (ja) |
124 (86%) |
50 (89%) |
χ²(1)=0,36, p=0,55 |
|
Alter bei Ersterkrankung (N=199) |
MW=34 SD=17 |
MW=29 SD=11 |
U=3502.5p=0,17 |
|
Voraufenthalte innerhalb von 2 Jahren (N=200) |
MW=1 SD=1 |
MW=3 SD=5 |
U=5050.5, p=0,00 |
|
Psychopathologie (HoNOS Score, N=200) |
MW=15 SD=5 |
MW=15 SD=5 |
Welch Test F=0,20, p=0,84 |
|
Soziales Funktionsniveau (PSP, N=200) |
MW=55 SD=13 |
MW=58 SD=11 |
U=4478.5, p=0,22 |
|
Lebensqualität (EQ5D-Index, N=200) |
MW=0,6 SD=0,3 |
MW=0,7 SD=0,3 |
U=4979.5, p=0,01 |
|
Lebensqualität (EQ5D-VAS, N=198) |
MW=45 SD=22 |
MW=56 SD=23 |
U=U=5041.5, p=0,003 |
MW=Mittelwert; SD=Standardabweichung; N=Häufigkeit; HoNOS-D=deutsche Version der Health of the Nation Outcome Scale; PSP=deutsche Version des Fragebogens Personal and Social Performance; EQ5D-Vas und EQ5D-INDEX=deutsche Version des Fragebogens European Quality of Life
„Verlegte“ StäB Nutzende wiesen eine höhere Wiederaufnahmerate (39%) auf als direkt in StäB aufgenommene (25%). Unter Berücksichtigung der Unterschiede bei Baseline (Diagnose, Lebensqualität, Anzahl der stationären Voraufenthalte innerhalb von zwei Jahren) war dieser Effekt allerdings nicht signifikant (p=0,56). Bei den weiteren Outcome-Variablen (Abbruch der Indexbehandlung, Symptomschwere und soziales Funktionsniveau) konnten keine Unterschiede nach Zugangsart nachgewiesen werden ([Tab. 3]).
Direktaufnahmen |
Verlegungen |
Teststatistik |
|
---|---|---|---|
Wiederaufnahmerate |
N=134 |
N=52 |
OR=0,13, p=0,56* |
Abbruch der Indexbehandlung |
N=144 |
N=56 |
OR=0,22, p=0,12* |
HONOS 6 Monate |
N=129 |
N=44 |
B=0,02, p=0,98+ |
HONOS 12 Monate |
N=131 |
N=48 |
B=-0,18, p=0,85+ |
PSP 12 Monate |
N=130 |
N=48 |
B=0,09, p=0,82* |
* (ordinale) logistische Regression mit Korrektur für Baselineunterschiede (Hauptdiagnose, Voraufenthalte, EQ5D-Index). ** Für logistische Regressionen wurde das Cox-Snell R2 berechnet.+lineare Regression mit Korrektur für Baselineunterschiede (Hauptdiagnose, Voraufenthalte, EQ5D-Index)
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Diskussion
Die untersuchten StäB Zentren unterscheiden sich signifikant in Bezug auf den Anteil direkter Aufnahmen. Direktaufnahmen weisen häufiger affektive Störungen auf, während bei Verlegungen Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis häufiger sind. Nach Korrektur von Baseline-Unterschieden zeigen sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Therapieerfolgs.
Die Möglichkeiten, Patient:innen sowohl direkt als auch ausleitend in StäB aufzunehmen, werden also von den verschiedenen teilnehmenden Einrichtungen auf unterschiedliche Art und Weise genutzt. Da hierzu bisher keine Daten vorlagen, kann nur über die möglichen Hintergründe spekuliert werden. Auf jeden Fall sind die untersuchten StäB-Teams in sehr verschiedenen Settings angesiedelt und zudem organisatorisch verschieden verortet (urban vs. ländlich, Fachklinik vs. Abteilungspsychiatrie, aus einer Station heraus organisiert vs. an ein generelles Aufnahmemanagement angegliedert etc.), so dass die Unterschiede in der Häufigkeit von Direktaufnahmen in diesen Unterschieden begründet sein könnten [16]. Weiterhin kann die vorgegebene Zielrichtung der jeweiligen StäB Organisation (d. h. StäB als spezialisiertes Angebot für bestimmte Patient:innengruppen vs. generelles Angebot für praktisch alle möglichen Aufnahmen) einen Teil der Unterschiede erklären. Schließlich gibt auch die verschiedene Zusammensetzung z. B. hinsichtlich der Diagnosen der Direktaufnahmen bzw. der ausleitenden Aufnahmen einen Hinweis darauf, dass möglicherweise StäB-Anbieter sich auch nach den Bedürfnissen ihres jeweils hilfebedürftigen Klientels richten.
Wie bereits die Ergebnisse einer Münchner Stichprobe zeigten [10], deuten auch die aktuellen Ergebnisse der größeren und deutschlandweiten Stichprobe darauf hin, dass Direktaufnahmen und Verlegungen in StäB verschiedene Patient:innengruppen repräsentieren könnten. Offenbar sehen die Behandler:innen für manche Betroffene mit schizophrenen Erkrankungen und mehreren Voraufenthalten StäB eher im Anschluss an eine stationäre Behandlung als sinnvoll an, eventuell auch, weil erst nach einem stationären Aufenthalt die Einschlusskriterien für StäB erfüllt sind.
Die höhere Lebensqualität der in StäB verlegten Patient:innen ist vermutlich auf den bereits erfolgten stationären Aufenthalt und seine Wirkung zurückzuführen.
Die Analyse der Wiederaufnahmerate nach Zugangsart zeigte anfängliche signifikante Unterschiede, die jedoch nach Berücksichtigung der Baseline-Unterschiede (Diagnose u. a.) nicht mehr signifikant waren. Dies deutet darauf hin, dass die Wiederaufnahmerate eben nicht auf die Zugangsart zu StäB (und damit die Art des Einsatzes des StäB-Angebotes) zurückzuführen ist, sondern von anderen Faktoren beeinflusst wird. Es ist wahrscheinlich, dass etwa an einer Schizophrenie erkrankte Patient:innen ein höheres Risiko für eine Wiederaufnahme aufweisen und dies nicht kausal mit der Zuweisungsart (direkt vs. verlegt) in Zusammenhang steht.
Limitationen
Bereits bei den zehn teilnehmenden Zentren zeigte sich eine große Heterogenität in den Behandlungsmustern. Es ist zu erwarten, dass sich in dieser Studie nicht abgebildete StäB-Zentren ggf. noch einmal deutlich davon unterscheiden.
Konsequenzen für Klinik und Praxis
-
Dass StäB-Behandlung für verschiedene Patient:innengruppen flexibel genutzt wird und die Effektivität dabei keine größeren Unterschiede zeigt, kann vor dem Hintergrund einer patient:innenzentrierten Psychiatrie nur positiv gesehen werden.
-
Offenbar versuchen die Behandler:innen den Patient:innen die jeweils für diese am besten passende Versorgungsform anzubieten. Damit variieren die angebotenen Behandlungsformen konsequenterweise zwischen verschiedenen Patient:innengruppen.
-
Zudem hat sich mit StäB eine Behandlungsform etabliert, die sich je nach Umgebung verschieden einsetzen lässt, d. h. die Unterschiede in der Anwendung von StäB zwischen den beobachteten Zentren resultieren wahrscheinlich aus den vor Ort jeweils unterschiedlichen sonstigen Versorgungsangeboten.
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Zusammenfassend deutet die flexible Nutzung von StäB darauf hin, dass aufsuchende Angebote noch flexibler gestaltet werden sollten, als das starre Gerüst von StäB derzeit erlaubt. Somit wird auch dem wichtigen Ruf nach Flexibilisierung und Ambulantisierung der Krankenauspsychiatrie entsprochen [17].
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Fördermittel
Das Projekt „AKtiV-Studie – Aufsuchende Krisenbehandlung mit teambasierter und integrierter Versorgung (AKtiVStudie): Evaluation der stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung (StäB nach § 115d SGB V) – eine Proof-of-Concept-Studie“ wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert (Förderkennzeichen 01VSF19048).
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Interessenkonflikt
Andreas Bechdolf erhielt persönliche Honorare von Janssen-Cilag, Lundbeck, Otsuka und Recordati Pharma. Johannes Hamann erhielt persönliche Honorare von Johnson & Johnson. Die anderen Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
Literatur
- 1 Berhe T, Puschner B, Kilian R. et al. “Home treatment” for mental illness. Concept definition and effectiveness. Nervenarzt 2005; 76: 822-830
- 2 Brieger P, Menzel S, Ernst-Geyer C. et al. Stationsäquivalente Behandlung (StäB). Recht & Psychiatrie 2021; 39: 80-84
- 3 DGPPN. S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. Heidelberg: Springer; 2019
- 4 Klocke L, Brieger P, Menzel S. et al. Stationsäquivalente Behandlung: Ein Überblick zum Status quo. Nervenarzt 2022; 93: 520-528
- 5 Bechdolf A, Bühling-Schindowski F, Nikolaidis K. et al. Evidenz zu aufsuchender Behandlung bei Menschen mit psychischen Störungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – eine systematische Übersichtsarbeit. Nervenarzt 2022; 93: 488-498
- 6 Arbeitsgruppe ärztlicher und psychologischer Verbände sowie Verbände im Bereich der Pflege und Gemeindepsychiatrie. Eckpunkte zur stationsäquivalenten Behandlung (stäB). Psychiat Prax 2018; 45: 443-446
- 7 Raschmann S, Götz E, Hirschek D. et al. StäB – Wie bewerten Patientinnen und Patient:innen die neue Behandlungsform?. Psychiat Prax 2022; 49: 46-50
- 8 Weinmann S, Nikolaidis K, Längle G. et al. Premature termination, satisfaction with care, and shared decision-making during home treatment compared to inpatient treatment: A quasi-experimental trial. Eur Psychiatry 2023; 66: e71
- 9 Boyens J, Hamann J, Ketisch E. et al. Vom Reißbrett in die Praxis –Wie funktioniert stationsäquivalente Behandlung in München?. Psychiat Prax 2021; 48: 269-272
- 10 Klocke L, Brieger P, Ketisch E. et al. Stationsäquivalente Behandlung – Vergleich von Direktaufnahmen mit Überweisungen von psychiatrischen Stationen. Psychiat Prax 2022; 49: 99-102
- 11 Baumgardt J, Schwarz J, Bechdolf A. et al. Implementation, efficacy, costs and processes of inpatient equivalent home-treatment in German mental health care (AKtiV): protocol of a mixed-method, participatory, quasi-experimental trial. BMC Psychiatry 2021; 21: 1-13
- 12 Roick C, Kilian R, Matschinger H. et al. Die deutsche Version des Client Sociodemographic and Service Receipt Inventory. Psychiat Prax 2001; 28: 84-90
- 13 Andreas S, Harfst T, Dirmaier J. et al. A psychometric evaluation of the German version of the ‘health of the nation outcome scales, HoNOS-D’: on the feasibility and reliability of clinician-performed measurements of severity in patients with mental disorders. Psychopathology 2007; 40: 116-125
- 14 Schaub D, Juckel G.. PSP-Skala – Deutsche Version der Personal and Social Performance Scale. Nervenarzt 2011; 82: 1178-1184
- 15 Ludwig K, Graf von der Schulenburg J-M, Greiner W. German value set for the EQ-5D-5L. Pharmacoeconomics 2018; 36: 663-674
- 16 Gottlob M, Holzke M, Raschmann S. et al. Stationsäquivalente Behandlung – Wie geht das? Umsetzungsstrategien aus acht psychiatrischen Fachkliniken und -abteilungen in Deutschland. Psychiat Prax 2022; 49: 188-197
- 17 Driessen M. Ambulantisierung der Krankenhauspsychiatrie – es ist an der Zeit. Psychiat Prax 2024; 51: 175-177
Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 15 July 2024
Accepted: 04 November 2024
Article published online:
20 December 2024
© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
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