CC BY 4.0 · NOTARZT
DOI: 10.1055/a-2384-9363
Originalarbeit

Welchen Einfluss hat die Entfernung zwischen dem Notfallort und dem ECLS-Zentrum auf die Low-Flow-Zeit von ECPR-Patienten?

What Influence Does the Distance Between the Emergency Site and the ECLS Center Have on the Low-flow Time of ECPR Patients?
Jens Nee
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Daniel Zickler
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Roland Körner
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Julius Valentin Kunz
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Margarethe Przewoznik
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Uwe Hoff
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Kai-Uwe Eckardt
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Jan Matthias Kruse
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Abakar Magomedov
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
,
Tim Schröder
1   Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland (Ringgold ID: RIN14903)
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund

Die extrakorporale kardiopulmonale Reanimation (ECPR) als Bridging-Verfahren bei refraktärem Kreislaufstillstand ist eine herausfordernde Strategie. Umfassende evidenzbasierte Einschlusskriterien im Hinblick auf das neurologische Outcome liegen nicht vor, die Dauer der konventionellen Reanimation ist wahrscheinlich ein Faktor. Gegenstand dieser Untersuchung ist, ob die Entfernung des Notfallortes vom ECPR-Zentrum eine entscheidende Bedeutung für die Zeit bis zum ECPR-Start ist.

Methodik

Retrospektive Datenanalyse von 143 Patienten, die einen Kreislaufstillstand erlitten haben und in ein ECLS-Zentrum transportiert wurden.

Ergebnisse

Die Dauer der CPR bis Aufnahme lag bei 63 min (50–80 min), die Gesamtdauer der CPR bei Start ECPR (Gesamt-Low-Flow-Zeit) lag bei 100 min (80–115 min) – beide Zeitangaben korrelierten nicht signifikant mit der Entfernung vom Notfallort zum ECPR-Zentrum.

Diskussion

Wir fanden keine signifikante Korrelation zwischen der Entfernung des Notfallortes zum ECLS-Zentrum und der Dauer vom Beginn der CPR bis zum Eintreffen im Zentrum. Möglicherweise sind also andere logistische Faktoren entscheidend für die Dauer bis zum Eintreffen im Zentrum. Die vorliegenden Daten erlauben diesbezüglich keine weiteren Rückschlüsse. Damit scheint aber die These untermauert, dass eine Erhöhung der Anzahl der ECLS-Zentren mit konsekutiver Verkürzung der Anfahrtsstrecke keine geeignete Maßnahme ist, um die Dauer der mechanischen Reanimation und damit die Low-Flow-Zeit zu minimieren. Der präklinische ECMO-Einsatz könnte einen Lösungsansatz bieten.


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Abstract

Background

Extracorporeal cardiopulmonary resuscitation (ECPR) as a bridging procedure for refractory circulatory arrest is a challenging strategy. Comprehensive evidence-based inclusion criteria with regard to neurological outcome are not available, and the duration of conventional resuscitation is probably a factor. The aim of this study is to determine whether the distance of the emergency scene from the ECPR centre is a determining factor in the time to ECPR initiation.

Methods

Retrospective data analysis of 143 patients who suffered a cardiac arrest and were transported to an ECLS centre.

Results

The duration of CPR to admission was 63 min (50-80 min), the total duration of CPR at the start of ECPR (total low-flow time) was 100 min (80-115 min) - both times did not correlate significantly with the distance from the emergency scene to the ECPR centre.

Discussion

We found no significant correlation between the distance from the emergency scene to the ECLS centre and the time from the start of CPR to arrival at the centre. It is therefore possible that other logistical factors are decisive for the duration until arrival at the centre. The available data do not allow any further conclusions to be drawn in this regard. However, this seems to support the thesis that an increase in the number of ECLS centres with a consecutive shortening of the journey to the centre is not a suitable measure to minimise the duration of mechanical resuscitation and thus the low-flow time. The pre-hospital use of ECMO could offer a solution.


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Einleitung

Auch in Ländern mit etabliertem Rettungsdienst bleibt die Prognose nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand noch immer schlecht. In Europa überleben lediglich durchschnittlich 8% der Patienten nach Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des Krankenhauses, in Deutschland sind es 13,2% [1] [2]. Ein Teil dieser Patienten könnten von einer extrakorporalen Reanimation (ECPR) durch Anlage einer venoarteriellen extrakorporalen Membranoxygenierung (VA-ECMO-Therapie) als Bridging-Verfahren profitieren.

Ouweneel et al. zeigten 2016 in einer Metaanalyse einen signifikanten Vorteil der ECLS-Verwendung (ECLS: Extracorporeal Life Support) in Bezug auf das 30-Tages-Überleben sowie günstiges neurologisches Outcome [3]. 2020 konnten Yannopoulos et al. in der ARREST-Studie (randomisiert kontrollierte Studie) ein signifikant verbessertes Überleben bis zur Entlassung in der ECPR-Gruppe (VA-ECMO) versus konventionelle CPR (cCPR) bei Patienten mit OHCA (Out of Hospital Cardiac Arrest) und refraktärem Kammerflimmern zeigen [4]. Zu berücksichtigen in der Aussagekraft dieser Studie ist allerdings die geringe Patientenzahl. Bekräftigen können die Aussagekraft dann allerdings wiederum Metaanalysen von Miraglia et al. [5], Alfalasi et al. [6] und Downing et al. [7], die ebenso ein signifikant verbessertes Überleben und neurologisches Outcome jeweils in der ECPR-Gruppe nachweisen konnten. In der Prague-OHCA-Studie von Belohlavek und Kollegen konnte im randomisierten Vergleich ECPR vs. cCPR vor Ort kein signifikanter Unterschied, aber ein nicht signifikanter positiver Trend bezüglich 180-Tages-Überleben mit gutem neurologischem Outcome zugunsten der ECPR-Gruppe (31,5% vs. 22%, Belohlavek J et al. 2022) [8] gezeigt werden. Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass hier ein Maßnahmenbündel, wie frühzeitiger Transport, Temperaturmanagement, verglichen wurde und nicht nur die singulären Maßnahmen ECPR versus konventioneller Reanimation.

Suverein et al. konnten jüngst in ihrer randomisiert kontrollierten Studie ebenfalls keinen signifikanten Unterschied zwischen der ECPR-Gruppe und der konventionellen CPR feststellen [9].

Die ECPR wird als individuelle Rescue Therapy im Sinne eines Bridgings (beispielsweise Bridging to Diagnosis, Therapy oder Recovery sowie auch als kurzfristiges Therapieziel als Bridging to Decision) eingesetzt [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17].

Derzeit wird die ECPR auch in den Guidelines des European Resuscitation Council (ERC) 2021 bei therapierefraktärem Herz-Kreislauf-Stillstand als Einzelfallentscheidung unter bestimmten Umständen empfohlen [2].

Maßgeblich für den Therapieerfolg und das Outcome ist neben der Ursache des Kreislaufstillstandes eine unmittelbar begonnene und qualitativ hochwertige mechanische Reanimation. Hasselquist-Ax et al. konnten nachweisen, dass höhere Raten der cCPR durch Laien mit einer verbesserten 30-Tage-Überlebensrate bei OHCA assoziiert ist [18].

Auch das Alter des Patienten scheint einen deutlichen Einfluss auf das Patientenoutcome zu haben [19] [20] [21].

Die Dauer der cCPR bis zum Start der VA-ECMO hat sich in den meisten Untersuchungen ebenfalls als ein Parameter erwiesen, der insbesondere eng mit dem neurologischen Outcome der Patienten verbunden ist [22] [23]. Die Dauer einer cCPR entspricht der Low-Flow-Zeit [24]. Verschiedene Studien konnten einen signifikanten Zusammenhang zwischen Low-Flow-Zeit (Zeit Herz-Kreislauf-Stillstand bis ECPR) und dem Überleben bzw. einem guten neurologischen Outcome herstellen [19] [25] [26].

Im Gegensatz zu den vorher genannten Faktoren erscheint eine Verkürzung des Intervalls zwischen Kreislaufstillstand und Etablierung der ECPR einer Intervention zugänglich.

Eine Option wäre eine Erhöhung der Anzahl der Zentren, die eine ECPR-Therapie anbieten, um die Anfahrtswege für den Rettungsdienst zu verringern und über diesen Ansatz eine Verkürzung der Low-Flow-Zeit zu erreichen.

Um diese Hypothese zu überprüfen, führten wir eine retrospektive Analyse in unserer Patientenkohorte von ECPR-Patienten durch mit der Frage, inwieweit die Entfernung des Notfallortes von unserem Zentrum Einfluss auf die Eintreffzeit des Rettungsdienstes im Schockraum oder die Zeit bis zum Anschluss an die VA-ECMO hatte.


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Methoden

Analysiert wurden die klinischen Daten von 143 Patienten, die mittels ECPR in unserem Zentrum zwischen 2014–2018 behandelt wurden. Die Analyse wurde durch die Ethikkommission der Charité – Universitätsmedizin Berlin genehmigt. Analysiert wurden klinische Daten aus Einsatzprotokollen und dem Patientendatenmanagementsystem (COPRA). Entfernungen der Notfallorte zum ECPR-Zentrum wurden mittels Google Maps (kürzester Fahrtweg) berechnet. Hierzu musste daher eine eindeutige Adresse (Straße und Hausnummer, Bezirk) zur Bestimmung des Notfallortes vorliegen.

Die statistische Analyse erfolgte mittels SPSS (IBM SPSS Statistics Version 25). Die Ergebnisse werden abhängig von ihrer Skala in Anteilen (%), Median mit 25–75%-Quartilen (Interquartilbereich [IQR]) oder arithmetischem Mittel mit 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) angegeben. Die statistische Signifikanz wurde gegebenenfalls mit dem Wilcoxon-Mann-Whitney-Test getestet. Ein p-Wert von weniger als 0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen. Zur Analyse der Stärke einer linearen Korrelation wurde jeweils der Korrelationskoeffizient nach Pearson bestimmt.


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Ergebnisse

Studienpopulation

Analysiert wurden Daten von insgesamt 143 Patienten, welche die entsprechenden Einschlusskriterien (= ECPR-Therapie) erfüllten und für die die Entfernung des Notfallortes von unserem Zentrum ermittelt werden konnte. Die Baseline-Charakteristika der analysierten Population sind der nachfolgenden Tabelle ([Tab. 1]) zu entnehmen.

Tab. 1 Patientencharakteristika; die Daten werden als Median (25. und 75. Perzentile) oder als absolute Zahl angegeben. OHCA (Out of Hospital Cardiac Arrest – außerklinischer Herz-Kreislauf-Stillstand), EMS (Emergency Medical Service – Rettungsdienst).

Variabel

Anteil

* Zeitraum von Kollaps mit sofortiger Laienreanimation bis Ankunft ECPR-Zentrum.

Geschlecht (männlich)

112 (78,3%)

Alter (Jahre)

53,5 (40,75–65)

Primärrhythmus EMS (schockbar)

68 (47,6 %)

Rhythmus bei Aufnahme (schockbar)

38 (26,6 %)

Zeit CPR bis Aufnahme (Minuten)*

63 (50–80)

Zeit CPR bis Start ECPR (Minuten)

100 (80–115)

In 49 Fällen konnte eine eindeutige Diagnose und damit ein Grund für den Herz-Kreislauf-Stillstand diagnostiziert werden. Dabei stellte der Myokardinfarkt in 34 Fällen den Hauptgrund für den Herz-Kreislauf-Stillstand dar. Der nachfolgenden Tabelle ([Tab. 2]) können die festgestellten Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstandes entnommen werden.

Tab. 2 Festgestellte Gründe für den Herz-Kreislauf-Stillstand in 49 Fällen (= 34,3%). Angabe als absolute Zahl, % bezieht sich auf Gesamtzahl der geklärten Diagnosen.

Ursache

Anteil

Lungenartenembolie

1 (0,7%)

Perikardtamponade

2 (1,4%)

Badeunfall

3 (2,1%)

Hirnblutung

2 (1,4%)

Sepsis

1 (0,7%)

Myokardinfarkt

34 (23,8 %)

Herzrhythmusstörung

2 (1,4 %)

Aortendissektion

4 (2,8 %)

Von den Patienten dieser Kohorte konnten 9,8% lebend entlassen werden.


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Entfernung vom Notfallort

In 119 Fällen konnten gültige Daten zur Bestimmung der Entfernung zwischen Notfallort und ECPR-Zentrum eindeutig ermittelt werden. Im Median betrug diese Entfernung 6,87 km (4,55–10,22 km, 25. und 75. Perzentile).


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Korrelation zwischen der Entfernung und Dauer der CPR bis Aufnahme

Es wurde die Korrelation der Entfernung (Notfallort bis ECPR-Zentrum) mit der Dauer der Reanimation (Zeitdauer CPR bis Aufnahme) berechnet. Hier zeigte sich eine schwache Korrelation, die statistisch nicht signifikant ist ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Keine signifikante Korrelation zwischen der Dauer der CPR bis Aufnahme und der Entfernung. Korrelationskoeffizient nach Pearson 0,15 (schwache Korrelation); p = 0,12 (nicht signifikant).

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Korrelation zwischen der Entfernung und Dauer der CPR bis zum Start der ECPR

Ebenso wurde die Korrelation zwischen der Entfernung (Notfallort und ECPR-Zentrum) und der Dauer der CPR bis zum Start der ECPR berechnet. Es zeigt sich eine schwache und nicht signifikante Korrelation ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Keine signifikante Korrelation zwischen der Dauer der CPR bis zum Beginn der ECPR sowie Entfernung. Korrelationskoeffizient nach Pearson 0,05 (schwache Korrelation); p = 0,73 (nicht signifikant).

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Diskussion

Unsere Untersuchung konnte keine signifikante Korrelation zwischen der Entfernung vom Notfallort zum weiterbehandelnden Zentrum und der Dauer der Low-Flow-Zeit nachweisen. Weder die Dauer bis zur Aufnahme im ECPR-Zentrum (= Dauer der Maßnahmen vor Ort PLUS Transportzeit ins ECPR-Zentrum), noch die Dauer bis zum Start der VA-ECMO zeigten eine signifikante Korrelation.

Verschiedene Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Zeitspanne zwischen dem Kreislaufstillstand und dem Beginn der ECPR, die Low-Flow-Phase-Zeit, ein unabhängiger Faktor für das Überleben ist.

So konnten dies Kagawa et al. bereits 2010 mit ihrer Studie, die das Überleben von ECPR-Patienten bei In- und Out of Hospital Cardiac Arrest verglich, zeigen [27].

Zu ähnlichem Ergebnis kamen Wengenmaier et al. [28] in ihrer Studie: Die Low-Flow-Zeit war bei IHCA-Patienten signifikant kürzer und es bestand auch ein signifikanter Unterschied bezüglich des Überlebens zwischen den Gruppen. Wenngleich nicht auszuschließen ist, dass auch andere Faktoren diesen Unterschied bedingen könnten, kamen die Autoren zu dem Schluss, dass am ehesten die Dauer der mechanischen Reanimation für den beobachteten Unterschied verantwortlich sei.

Andere Fallserien und retrospektive Studien zeigten auch einen Überlebensvorteil der ECPR im Vergleich zur cCPR bei kürzerem Zeitintervall zwischen Herzstillstand und ECPR (z. B. Chen et al. 2008 [29], Blumenstein et al. 2016 [30]).

Auch in unserer eigenen Berliner Beobachtungsstudie konnte dies gezeigt werden [31].

Für die Beurteilung der Qualität des Minimalkreislaufes unter Herzdruckmassage gibt es derzeit keinen validierten Parameter. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass durch eine mechanische Reanimation nur maximal 25% des normalen Herzzeitvolumen erreicht werden können [32] [33]. Dies kann den Zusammenhang zwischen neurologischem Outcome und der Länge der Low-Flow-Phase erklären.

Grunau et al. kamen in ihrer retrospektiven Analyse einer großen Kohorte von Patienten mit OHCA zu dem Ergebnis, dass unter konventioneller Reanimation die Chance auf eine Spontanzirkulation mit nachfolgend zufriedenstellendem neurologischem Ergebnis nach etwa 20 min rapide abnimmt und nach dieser Zeit der Einsatz einer extrakorporalen Zirkulation unter Abwägung von Nutzen und Risiko gerechtfertigt erscheint [34].

In einer Studie von Poppe et al. [35] betrug die mittlere Zeit zwischen CA und ECPR nur bei 50% der Patienten etwa 60 min. Sowohl die Leitlinie des European Resuscitation Council (ERC) [36] als auch ein deutsches Konsensuspapier von Michels und Kollegen [37] betonen daher die Notwendigkeit, die Low-Flow-Zeit zu minimieren, und definieren eine Dauer von > 60 min seit dem Kollaps als Ausschlusskriterium für einen sinnhaften Einsatz der extrakorporalen Reanimation.

Wenn die Dauer des Low-Flows ein Schlüsselfaktor für die Überlebensrate ist [38], gilt es, diese kurz zu halten und auch ECPR-Teams in das Rettungsdienstsystem einzubinden [39]. Hier bieten sich als mögliche Strategien einerseits der möglichst zeitnahe Transport unter laufender mechanischer Reanimation in ein Zentrum mit der Möglichkeit zur Durchführung einer ECPR-Therapie an oder alternativ der zügige Transport eines ECMO-Teams an den Notfallort, um die Behandlung bereits vor Ort zu beginnen.

Welche Strategie geeignet ist, die Prognose der Patienten zu verbessern, wird kontrovers diskutiert. Die technischen und personellen Voraussetzungen für eine sichere Etablierung der extrakorporalen Zirkulation in der Klinik sind sicher in den meisten Fällen günstiger. Die sichere Anwendung einer komplexen Therapie, wie es die ECPR-Behandlung sicherlich darstellt, ist jedoch auch von der Häufigkeit der Anwendung durch das entsprechende Team abhängig.

Barbaro et al. konnten 2015 [40] in einer Analyse des ELSO-Registers zudem zeigen, dass eine höhere Fallzahl (ECMO-Behandlungen) mit einer niedrigeren Sterblichkeit assoziiert ist: Erwachsene Patienten, die in Krankenhäusern mit mehr als 30 jährlichen ECMO-Fällen eine ECMO erhielten, hatten eine signifikant niedrigere Sterblichkeitsrate (Adjusted Odds Ratio, 0,61; 95% Konfidenzintervall, 0,46–0,80) im Vergleich zu Erwachsenen, die in Krankenhäusern mit weniger als 6 jährlichen Fällen eine ECMO erhielten [41].

Die These, dass durch eine Verkürzung des Anfahrtsweges durch Erhöhung der Anzahl der ECPR-Zentren die Dauer der konventionellen Reanimation und damit die Low-Flow-Phase signifikant verkürzt werden kann, wird durch unsere Daten auch nicht gestützt.

Der Transport eines Patienten unter laufender mechanischer Reanimation bleibt immer eine logistische Herausforderung für das Notfallteam vor Ort.

Lokale Beschaffenheiten des Einsatzortes, wie enge Wohnungen und Treppenhäuser oder auch die Verkehrssituation, können einen schnellen Abtransport des Patienten erschweren, wie bereits Lamhaut et al. 2012 berichteten [42].

Auch eine möglicherweise eingeschränkte Qualität der Herzdruckmassage während des Transports, selbst unter Einsatz einer mechanischen Reanimationshilfe, muss in die Überlegungen einbezogen werden.

Einen alternativen Ansatz zur Verkürzung der Low-Flow-Phase stellt der Transport eines Implantationsteams zum Notfallort dar, um besagte logistische Hindernisse zu umgehen. Die Machbarkeit dieser Strategie konnten u. a. Lamhaut et al. in Paris nachweisen. Sie verglichen zudem in ihrer Studie 2 ECPR-Management-Strategien [43]. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Gruppe, die präklinisch durch ein ECPR-Implantationsteam mittels ECPR behandelt wurde, eine signifikante kürzere Low-Flow-Zeit und ein signifikant verbessertes Outcome (Überleben 29% gegenüber 8% [p < 0,001]) aufwiesen.

Song et al. haben in einem Modell für das Stadtgebiet von Sydney, Australien, für verschiedene ECPR-Strategien berechnet, wie viele Patienten innerhalb von 60 min an eine VA-ECMO zur ECPR angeschlossen werden könnten [44]. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Zahl der innerhalb der vorgegebenen Zeit erfolgreich an eine VA-ECMO zu bringenden Patienten deutlich erhöht werden könnte, wenn eine sogenannte Rendezvous-Strategie zur Anwendung käme. Die Patienten würden hierbei durch den Rettungsdienst in das nächstgelegene Krankenhaus verbracht und treffen hier auf das alarmierte ECMO-Team, das hier die weitere Versorgung des Patienten übernimmt. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass dennoch mehr Patienten direkt am Notfallort mittels ECPR durch mobile ECPR-Implantationsteams behandelt werden könnten. Nach Schätzungen der Autoren kann nur bei Patienten mit einem 10-min-Transportzeit-Radius zum ECPR-Zentrum eine ECPR innerhalb von 60 min etabliert werden, da bereits im Durchschnitt 27 min für die Behandlung am Notfallort vor dem Transport benötigt werden. Die Behandlungszeiten am Notfallort vor Transport führt laut den Autoren auch dazu, dass die Rendezvous-Strategie einen ähnlich limitierten Radius um die Notaufnahmen hat.

Spigner et al. berechneten ein ähnliches Modell für Albuquerque (New Mexico) [45]. Ein beschleunigter Transport wurde in diesem Modell mit einer präklinischen ECPR verglichen. Auch hier zeigte sich eine durchschnittlich geringere Dauer der Low-Flow-Zeit beim Einsatz von präklinischer ECPR im Vergleich zur Implantation nach Transport ins ECPR-Zentrum.

Unsere Daten resultieren aus einer retrospektiven Analyse, sind daher lediglich hypothesengenerierend und können keine Kausalität aufzeigen. [Tab. 1] zeigt sowohl lange Zeitspannen (Kollaps) bis zur Aufnahme im ECPR-Zentrum sowie bei der Implantation/Start der VA-ECMO. Letztendlich handelt es sich um eine retrospektive Analyse von Real-Life-Daten. Unser ECPR-Zentrum wurde 2014 gegründet, Abläufe vor Ort wurden initial simuliert und trainiert. Die Indikationen zur ECPR waren zum Teil eher weit gefasst (z. B. Zeit bis Start VA-ECMO) [46]. Abläufe wurden über die Zeit stets analysiert und angepasst, sodass im Laufe der Zeit eine deutliche Verbesserung erzielt werden konnte.

Gleichzeitig benötigt die Implementation eines ECPR-Systems in einem Rettungsdienstbereich wie in Berlin Zeit, bis dieses fest integriert ist – heute mittels entsprechenden Handlungsanweisungen der Berliner Feuerwehr [47]. Dies hat zwischenzeitlich präklinische Abläufe deutlich verbessert, standardisiert und Zeiten deutlich verkürzt. So ist heute in den Berliner Handlungsanweisungen die Prüfung der ECPR-Kriterien durch den Rettungsdienst nach dem 3. Reanimationszyklus vorgesehen. Nicht zuletzt ist in unseren Daten die präklinische Gesamtdauer erfasst; es wird also nicht unterschieden zwischen reiner Transportzeit und der Zeitdauer der Vor-Ort-Maßnahmen.

Neben den erwähnten Punkten der kleinen Fallzahl und unterschiedlichen Zusammensetzung der prä- und innerklinischen Teams gehört dies auch zu den Limitationen unserer Single-Center-Studie und ist in Summe auch ein Grund für das geringe Überleben in dieser Kohorte.

Welche Faktoren am Notfallort die Transportzeiten ins Zentrum beeinflusst haben, kann den vorliegenden Daten nicht entnommen werden.

Inwieweit regional spezifische Faktoren das Ergebnis beeinflussen, kann nur spekuliert werden. Ob die im großstädtischen Raum von Berlin erhobenen Daten auf andere Regionen übertragbar sind, bleibt ebenfalls offen.


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Interessenkonflikt

J. Nee received honorarium and travel costs for presentations from BD BARD and Xenios AG.


Korrespondenzadresse

Dr. Jens Nee
Medizinische Klinik m. S. Nephrologie und Internistische Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin
Philippstraße 10
10115 Berlin
Deutschland   

Publication History

Received: 13 February 2024

Accepted after revision: 15 June 2024

Article published online:
02 September 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution License, permitting unrestricted use, distribution, and reproduction so long as the original work is properly cited. (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Keine signifikante Korrelation zwischen der Dauer der CPR bis Aufnahme und der Entfernung. Korrelationskoeffizient nach Pearson 0,15 (schwache Korrelation); p = 0,12 (nicht signifikant).
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Abb. 2 Keine signifikante Korrelation zwischen der Dauer der CPR bis zum Beginn der ECPR sowie Entfernung. Korrelationskoeffizient nach Pearson 0,05 (schwache Korrelation); p = 0,73 (nicht signifikant).