Pneumologie
DOI: 10.1055/a-2282-9908
Positionspapier

Medizinische Fachgesellschaften fordern ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten

Ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP)Medical societies in Germany call for a ban on flavors in e-cigarettesA Position Paper of the German Respiratory Society (DGP) in cooperation with other professional associations and organizations
Alexander Rupp
 1   Pneumologische Praxis im Zentrum, Stuttgart, Mitglied der Arbeitsgruppe Tabakprävention und -entwöhnung der DGP, Leiter der Arbeitsgruppe Tabak im Bundesverband der Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin, Stuttgart, Deutschland
,
Natascha Sommer
 2   Medizinische Klinik II, Excellence Cluster Cardio-Pulmonary Institute (CPI), Universities of Giessen and Marburg Lung Center (UGMLC), Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland
,
Stefan Andreas
 3   Lungenfachklinik Immenhausen, Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutsches Zentrum für Lungenforschung, Göttingen, Deutschland
,
Wulf Pankow
 4   Vivantes-Institut für Tabakentwöhnung und Raucherprävention, Berlin, Deutschland
,
Reiner Hanewinkel
 5   IFT-Nord gGmbH, Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, Kiel, Deutschland
,
Harm Wienbergen
 6   Bremer Institut für Herz- und Kreislaufforschung, Klinikum Links der Weser Bremen, Universität zu Lübeck für die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), Bremen, Deutschland
,
Anil Batra
 7   Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Tübingen für die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Tübingen, Deutschland
,
Tilman Sauerbruch
 8   Universität Bonn für die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Bonn, Deutschland
,
Peter Kardos
 9   Lungenzentrum Maingau, Frankfurt a. M. für die Deutsche Atemwegsliga, Frankfurt, Deutschland
,
Sabina Ulbricht
10   Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Universitätsmedizin Greifswald für das Aktionsbündnis Nichtrauchen, Greifswald, Deutschland
,
Folke Brinkmann
11   Sektion Kinderpneumologie und Allergologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck für die Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (GPP), Lübeck, Deutschland
,
Robert Scheubel
12   Klinik für Thoraxchirurgie, Fachkliniken Wangen für die Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie, Wangen, Deutschland
,
Claus Vogelmeier
13   Abteilung Pneumologie im Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg für die Deutsche Lungenstiftung, Marburg, Deutschland
,
Wolfram Windisch
14   Lungenklinik, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Lehrstuhl für Pneumologie Universität Witten/Herdecke für die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Köln, Deutschland
,
in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachgesellschaften und Organisationen: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK), Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e. V. (DGHO), Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e. V. (DGA), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie e. V. (DGT), Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie e. V. (GPP), Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner e. V. (BdP), Deutsche Atemwegsliga e. V., Deutsche Lungenstiftung e. V., Aktionsbündnis Nichtrauchen e. V. (ABNR) › Author Affiliations
 

Zusammenfassung

E-Zigaretten werden v. a. von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konsumiert. Aromen in E-Zigaretten erhöhen deren Attraktivität und fördern den Einstieg von Jugendlichen und Erwachsenen in den Konsum. Dadurch werden insbesondere junge Menschen dem Risiko einer Nikotinabhängigkeit und vielfältigen toxischen Substanzen aus dem Aerosol der E-Zigaretten ausgesetzt. Es gibt Hinweise, dass verschiedene Aromen in E-Zigaretten gesundheitsschädlich sind, wobei für die Mehrheit der Aromen bislang toxikologische Untersuchungen noch fehlen. Hier besteht ein Bedarf für unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen. Die beteiligten wissenschaftlichen Fachgesellschaften fordern ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten, ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten, eine wirksame Regulierung des Verkaufs von E-Zigaretten und eine wirksame Kontrolle und Umsetzung der Bestimmungen des Jugendschutzes.


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Abstract

E-cigarettes are primarily used by teenagers and young adults. Flavors in e-cigarettes increase their attractiveness and encourage young people and adults to start using them. This exposes young people in particular to the risk of nicotine addiction and various toxic substances from the aerosol of e-cigarettes. There are indications that various flavors in e-cigarettes are harmful to health, although toxicological studies are still lacking for the majority of flavors. There is a need for independent scientific investigations in this area. The scientific societies involved are calling for a ban on flavors in e-cigarettes, a ban on disposable e-cigarettes, effective regulation of the sale of e-cigarettes and effective control and implementation of the provisions for the protection of minors.


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Einleitung

Die unterzeichnenden Medizinischen Fachgesellschaften unterstützen die Forderung des Bundesdrogenbeauftragten, Burkhard Blienert [1], nach einem Verbot von Aromastoffen in E-Zigaretten. Ein derartiges Verbot existiert schon für Tabakerhitzer. Bereits in 39 Ländern ist der freie Verkauf von E-Zigaretten mit und ohne Aromastoffe verboten [2].

E-Zigaretten mit mindestens 16 000 verschiedenen Geschmacksbezeichnungen [3] werden über soziale Medien und Influencer besonders bei Jugendlichen beworben. Aromatisierte Einweg-E-Zigaretten überschwemmen den Markt. Sie sind in vielerlei Hinsicht problematisch. Die Aromatisierung von Liquids trägt zu einer hohen Attraktivität bei und fördert den Konsumbeginn [4] [5] [7]. Insbesondere fruchtige und süße Aromen erfreuen sich großer Beliebtheit [8]. Gleichzeitig erleichtern Aromen die Inhalation und damit die Aufnahme von Nikotin und Schadstoffen über die Lunge in den Körper. Nikotin hat bei jungen Menschen einen negativen Einfluss auf die Hirnentwicklung und kann zu Nikotinabhängigkeit führen. E-Zigarettengebrauch erhöht die Wahrscheinlichkeit für den späteren Konsum konventioneller Tabakzigaretten um mehr als den Faktor 3 [9] [10].

Für das von der Industrie verbreitete Narrativ, dass Aromen in E-Zigaretten bei der Entwöhnung von Zigaretten helfen, gibt es bisher keine belastbaren Untersuchungsergebnisse [8] [11].


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Steigender Konsum bei Jugendlichen

Aktuell zeigt der Konsum von E-Zigaretten besonders bei Kindern (9–13 Jahre) und Jugendlichen (14–17 Jahre) einen ansteigenden Verlauf mit Monatsprävalenzen 2020/2021 von 1,7 % und 7,7 %, 2021/2022 von 1,7 % und 7,4 % und 2022/2023 von 3,2 % und 11,8 % [11]. Auch bei den über 25-Jährigen wird ein zunehmender Konsum beobachtet [12]. Bei E-Zigaretten-Nutzenden zeigte sich in der DEBRA-Befragung, dass 62 % der Jugendlichen und 79 % der Erwachsenen zusammen mit E-Zigaretten auch Tabakzigaretten konsumieren (sog. „dual use“) [13].


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E-Zigaretten sind schädlich

Es gibt wissenschaftlich begründete Hinweise für eine schädigende Wirkung von E-Zigaretten auf die Atemorgane und auf das Herz-Kreislauf-System [14] [15] [16] [17]. Untersuchungen zeigen zellschädigende Prozesse, Beeinträchtigung von Zellfunktionen oder krankheitsförderliche Prozesse [8]. Auch werden in Liquids von E-Zigaretten krebserzeugende Substanzen gefunden [15], für die es keine Unbedenklichkeitsschwelle gibt.


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Aromen in E-Zigaretten sind schädlich

Aromazusatzstoffe sind in der Lebensmittelindustrie weit verbreitet und gelten dort als unbedenklich. Wie sich diese Aromen jedoch beim Erhitzen verhalten, welche Reaktionen sie mit anderen Bestandteilen der Liquids und deren Erhitzungsprodukten eingehen und wie die Inhaltsstoffe des E-Zigaretten-Dampfes auf die Lunge, die Blutgefäße, das Herz und andere Organe des Körpers wirken, ist bislang noch weitgehend unerforscht [8]. Allein die enorme Zahl an Aromen, die E-Zigaretten-Liquids zugesetzt werden, verdeutlicht die Problematik. Die Wirkung der Aromen allein lässt sich nur schwer von der Wirkung der anderen Inhaltsstoffe isolieren. Für einzelne Aromen wurden jedoch bereits gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen [8].

Sucht- und konsumfördernde Wirkung der Aromen

Einzelne Aromen wie Menthol oder Farnesol [18], Farnesen, Hexylacetat, Ethylacetat, Methylbutylacetat [19] besitzen verschiedene nikotinunabhängig verstärkende Wirkungen am Belohnungssystem (z. B. Erhöhung der Zahl hochsensitiver Nikotinrezeptoren und Stimulation dopaminerger Neurone im ventralen Tegument [VTA]) und können so zur Ausbildung und Aufrechterhaltung einer Abhängigkeit beitragen. Andere Aromen, wie z. B. Erdbeeraroma, scheinen das sensorische Profil zu verbessern und dadurch eine erhöhte Nikotinaufnahme zu begünstigen [20]. Auch der kühlende Effekt von Menthol und anderer, den Liquids von E-Zigaretten hinzugefügten TRPM8-(cold transient receptor potential melastatin 8)-Rezeptor-Agonisten wirken der Reizung der Atemwege (z. B. Husten) durch fruchtige/süße Aromastoffe entgegen und erleichtern damit die Inhalation [21] [22] [23]. Sog. Ice Hybrid Flavors und Non-Menthol Synthetic Cooling Agents, die diese Eigenschaften besitzen, sind in E-Zigaretten weit verbreitet. Zigarettenrauchende nahmen bei Verwendung aromatisierter E-Zigaretten doppelt so viele Züge wie bei nicht aromatisierten E-Zigaretten [24].


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Organschädigende Effekte der Aromen

Für einzelne Aromen liegen Studien vor, die gesundheitsschädigende Wirkungen belegen. Menthol führt in Tierversuchen zu einer Vergrößerung von Leber und Milz und zu zystischen Veränderungen im Kleinhirn [25]. Vanille und Zimtaldehyd unterdrücken natürliche Abwehrvorgänge im Körper [26] [27]. Zimt- und Tabakaroma führen zu einer Überempfindlichkeit der Atemwege [28] [29], Vanille zu einer Veränderung der Lungenfunktion [30]. Verschiedene Aromen wie Butter, Vanille oder Zimt setzen Entzündungsreaktionen und DNA-Schäden in Gang [27] [31] [32] [33] [34] [35] [36] [37] [38]. Zimt löst Stressreaktionen in Zellen aus, die als Marker für ein kardiovaskuläres Risiko gewertet werden [39]. Für die meisten Aromen gibt es bisher keine toxikologischen Untersuchungen, sodass hier ein unkalkulierbares Risiko vorliegt.


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Zusammenfassung

Aromen in E-Zigaretten sind gesundheitsschädlich. Sie fördern den Einstieg von Jugendlichen und Erwachsenen in den Konsum von E-Zigaretten und setzen sie der Nikotinabhängigkeit und vielfältigen toxischen Substanzen aus dem Aerosol der E-Zigaretten aus. E-Zigaretten werden häufig als weniger schädliche Alternative zu Tabakzigaretten beworben. Bislang konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass die Kommerzialisierung von E-Zigaretten als Konsumgüter einen Nettonutzen für die öffentliche Gesundheit hat. Stattdessen häufen sich die Hinweise für die negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Die WHO fordert daher ein Verbot von Aromen und anderen Inhaltsstoffen, die das Inhalieren erleichtern [40] [41].

Für die meisten Aromen fehlen bisher toxikologische Bewertungen. Es bestehen erste Hinweise auf organschädigende Auswirkungen. Hier besteht ein Bedarf für unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen.

Gemäß dem Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzG vom 04.04.2016, zuletzt geändert am 19.07.2023) und der EU-Richtlinie für Tabakerzeugnisse (2014/40/EU vom 03.04.2014) dürfen in Tabakprodukten wie auch in E-Zigaretten und Nachfüllbehältern nur Inhaltsstoffe verwendet werden, die in erhitzter oder nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen. Dies muss bereits mit dem diskutierten heutigen Wissen für die auf dem Markt befindlichen Produkte als nicht gegeben angesehen werden.


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Forderungen

Die beteiligten Fachgesellschaften fordern:

  • Ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten.

  • Eine Einheitsverpackung für Tabakprodukte, E-Zigaretten und verwandte Produkte.

  • Ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten.

  • Eine wirksame Regulierung des Verkaufs von E-Zigaretten, auch über das Internet.

  • Eine wirksame Kontrolle und Umsetzung der Bestimmungen des Jugendschutzes (Abgabe- und Konsumverbot unter 18 Jahre).


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Alexander Rupp
Pneumologische Praxis im Zentrum
Königstr. 10 c
70173 Stuttgart
Deutschland   

Publication History

Article published online:
19 March 2024

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