Osteologie 2024; 33(02): 93-99
DOI: 10.1055/a-2221-3482
Originalarbeit

Akzeptanz digitaler Gesundheitsanwendungen bei Osteoporose – eine Patientenbefragung

Willingness to Use Digital Health Applications by Osteoporosis – A Patient Survey
Sara Kabus
1   Priv. Forschungsinstitut für Gesundheits- und Systemgestaltung, Figus GmbH , Köln, Germany
,
Judith Mollenhauer
1   Priv. Forschungsinstitut für Gesundheits- und Systemgestaltung, Figus GmbH , Köln, Germany
,
Clarissa Kurscheid
1   Priv. Forschungsinstitut für Gesundheits- und Systemgestaltung, Figus GmbH , Köln, Germany
,
Uwe Maus
2   Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
,
Christopher Niedhart
3   Osteologisches Schwerpunktzentrum, Heinsberg, Germany
› Author Affiliations
Fundref Information Orthopädische Gesellschaft für Osteologie e.V.
 

Zusammenfassung

Hintergrund Im Hinblick auf die Entwicklung des Disease-Management-Programms (DMP) Osteoporose und die digitale Transformation des Gesundheitswesens wurde untersucht, inwieweit Osteoporose-Patient:innen im Alltag digitale Hilfsmittel nutzen und wie hoch die Bereitschaft zur Nutzung einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) bei Osteoporose ist.

Methode Im Zeitraum von Juni 2021 bis Februar 2022 wurde eine Paper-Pencil-Fragebogenbefragung mit an Osteoporose erkrankten Selbsthilfegruppe-Mitgliedern über den Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V. durchgeführt. Es wurden 13.700 Fragebögen über die Mitgliederzeitschrift „Osteoporose“ versendet. Die Rücklaufquote betrug 9,1% (1.248 Fragebögen). 1.241 Fragebögen sind in die Auswertung eingeflossen.

Ergebnis 93,9% (n=1.156) der Befragten sind zwischen 60 und 89 Jahren alt, die Gruppe der 70-79-Jährigen war mit 42,2% (n=519) die größte Altersgruppe. 64,8% (n=776) der Befragten gaben an, ein Smartphone zu besitzen. Davon nutzten 83,5% (n=628) es täglich vor allem zum Telefonieren sowie Surfen im Internet. 57,1% der Befragten können sich vorstellen, eine Osteoporose-App zu nutzen, die vor allem über Osteoporose informieren (91%), Daten messen (74%) sowie Motivationsbotschaften senden soll (68%).

Schlussfolgerung Es scheint eine generelle Bereitschaft zur Nutzung digitaler Anwendungen bei der älteren Klientel zu bestehen, auch bezüglich eines Gesundheitsmonitorings. Es ist davon auszugehen, dass die bereits vorhandene Nutzungsbereitschaft weiter steigen wird, da Folgegenerationen Digital Natives sein werden. Digitale Angebote könnten über Selbsthilfemöglichkeiten informieren und Daten messen. Mehr als 1/3 der Antwortenden gab an, eine DiGA zur Mitbehandlung der Osteoporose nutzen zu wollen. Mit Blick auf das DMP Osteoporose können DiGAs als unterstützende Therapiebegleitung eingesetzt werden.


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Abstract

Background With regard to the development of the disease management program (DMP) osteoporosis and the digital transformation of the health care system, we investigated the extent to which osteoporosis patients already use digital tools in their daily lives and how willing they are to use a digital health application (DiGA) for osteoporosis.

Method Between June 2021 and February 2022, paper pencil questionnaires were conducted within a sample of osteoporosis self-help group members, utilizing the reach of the Federal Self-Help Association for Osteoporosis e.V. 13.700 questionnaires were sent out with a response-rate of 9,1% (1.248 questionnaires). 1.241 questionnaires were included in the statistical analysis.

Results 93.9% (n=1,156) of the respondents were between 60 and 89 years of age, with the 70-79 age group constituting the largest age group with 42.2% (n=519). 64,8% (n=776) of the respondents reported owning a smartphone. 83,5% of them (n=628) stated to use it daily, primarily to make calls and browse the internet. 57,1% of respondents could imagine using an Osteoporosis-App, primarily to provide information about osteoporosis (91%), measure data (74%), and send motivational messages (68%).

Conclusion There seems to be a general willingness to use digital applications among the older clientele, also regarding health monitoring. It can be assumed that the already existing willingness to use will continue to increase, as subsequent generations will be digital natives. Digital offerings could inform about self-help options and measure data. In summary, more than 1/3 of respondents indicated they would use a DiGA to co-manage osteoporosis.


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Einleitung

Die Osteoporose zählt zu den bedeutendsten chronischen Erkrankungen. Sie ist definiert als eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine Verminderung der Knochenmasse sowie eine Veränderung der Knochenmikroarchitektur charakterisiert ist. Daraus resultiert eine reduzierte Bruchfestigkeit des Knochens, die wiederum zu einer erhöhten Frakturneigung prädisponiert [1]. Eine Hochrechnung von Hadji et al. lässt auf eine Osteoporose-Prävalenz von sechs bis acht Millionen betroffenen Menschen schließen; die Inzidenz liegt schätzungsweise bei mindestens 885.000 Neuerkrankungen pro Jahr [2]. Mehr als jeder zehnte Versicherte mit Osteoporose erleidet innerhalb eines Jahres eine Fraktur, dabei sind Alter und Geschlecht Risikofaktoren. Insgesamt erhielten lediglich 36,88% eine Osteoporose-Therapie [2] [3].

Mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ – Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) am 19.12.2019 wurde der Weg für die digitalen Gesundheitsanwendungen geebnet. Unter anderem sieht das Gesetz vor, dass Ärzt:innen aller Fachrichtungen und Psychotherapeut:innen Patient:innen zugelassene Gesundheitsapplikationen verschreiben dürfen, die von Krankenkassen vergütet werden. Wie gesetzlich verankert, müssen Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) einen Nachweis von positiven Versorgungseffekten in Form von medizinischem Nutzen oder patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen erbringen, bevor sie in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und vergütet werden. Dieser Nachweis kann dadurch erbracht werden, indem eine Evaluation der DiGA Erkenntnis über die Effekte liefert [4]. Derzeit sind im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 17 DiGA dauerhaft und 28 DiGA vorläufig (stand: 28.04.2023) zu verschiedenen Erkrankungsbildern wie Adipositas, psychosomatische Erkrankungen, Diabetes mellitus, chronischer Schmerz usw. gelistet [5].

Die Leitlinie Osteoporose wurde in 2023 aktualisiert. Daneben wird das Disease-Management-Programm Osteoporose erarbeitet. Expert:innen prüfen, ob und inwiefern DiGA und digitale Hilfsmittel in der Therapie der Osteoporosepatient:innen sinnvoll miteingebunden werden können. DiGA sollen die aktive Einbindung der Patienten in den Behandlungsprozess fördern und die Effektivität der Behandlung steigern. Insbesondere über Erinnerungsmodule können Patienten an ihre regelmäßige Medikamenteneinnahme erinnert oder zu körperlicher Aktivität aufgefordert werden.

Für die Indikation Osteoporose gibt es bisher keine DiGA. Während bei jüngeren Patienten eine ausreichende Affinität sowie Akzeptanz für DiGAs vorausgesetzt wird, ist dies bei älteren Patienten nicht gesichert [6].

Ziel der vorliegenden Arbeit war, die technischen Voraussetzungen und Akzeptanz in einer betroffenen Patientengruppe zu evaluieren.


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Methode

Im Zeitraum von Juni 2021 bis Februar 2022 wurde eine Paper-Pencil-Fragebogenbefragung mit an Osteoporose erkrankten Selbsthilfegruppe-Mitgliedern durchgeführt. Insgesamt wurden 13.700 Fragebögen über die Zeitschrift Osteoporose und 1.368 Erinnerungen an einzelne Mitglieder der Selbsthilfegruppen versendet. Die Rücklaufquote betrug 9,1% (1.248 Fragebögen). Insgesamt sind 1.241 Fragebögen in die Datenanalyse eingeflossen. Unvollständige Fragebögen (n=7) wurden vorab von der Auswertung ausgeschlossen.

Die Fragen des Fragebogens wurden aufgrund der spezifischen Fragestellung überwiegend selbst entwickelt. Der Fragebogen bestand aus einem ersten personen- und krankheitsbezogenen Teil sowie einem zweiten Teil zur Technikaffinität. Die validierten Subskalen des SF 36 zur Lebensqualitätsabfrage der körperlichen Funktionsfähigkeit und körperlichen Schmerzen [7] sowie die ZAP-Subskala „Information“ zur Erhebung der Zufriedenheit mit in der Arztpraxis erhaltenen Informationen [8] sind im Fragebogen enthalten. Der Fragebogen bestand aus 36 geschlossenen und 2 offenen Fragen.

Die Fragebögen wurden mittels der Software FormPro 3.0 eingelesen und mit dem Statistik-Programm IBM SPSS Statistics 28 ausgewertet. Es erfolgte zunächst eine deskriptive und anschließend eine inferenzstatistische Auswertung. Es wurden nicht-parametrische Verfahren, namentlich der Mann-Whitney-U-Test und der Kruskal-Wallis-Test, zur Auswertung herangezogen. Als Zusammenhangsmaß wurde aufgrund der Ordinal-Skalierung der Daten die Spearman-Korrelation gewählt.


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Ergebnisse

Der Altersmedian liegt bei der Gruppe der 70–79-Jährigen, 93,9% waren zwischen 60 und 89 Jahren alt (20,6% 60-69 Jahre, 42,2% 70–79 Jahre, 31,1% 80–89 Jahre). 95,8% der Antwortenden waren weiblich (4% männlich, 0,2% divers).

63,2% (n=773) der Befragten haben einen Schulabschluss der mittleren Reife oder höher erreicht. Im Vergleich zur deutschen Bevölkerung (Altersgruppe 65 und älter) liegt der Anteil mit entsprechenden Abschlüssen um 20,7% höher [9].

Osteoporose und Multimorbidität

Von den Befragten gaben 76,1% (n=878) an, seit mindestens 5 Jahren über ihre Osteoporose-Erkrankung Bescheid zu wissen. Der Mittelwert (3,19 KI±0,05) fällt in die Zeitspanne von 5-10 Jahren (vgl. [Abb. 1])

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Abb. 1  Verteilung der Dauer der Kenntnis über die eigene Osteoporoseerkrankung in %. Antwortoptionen in Einfachnennung (n = 1.153).
Fig. 1 Distribution of length of knowledge about own osteoporosis illness in%. Answer option in simple choice (n=1,153).

Insgesamt gaben 87% (n=1.141) der Teilnehmenden im Rahmen des SF36 an, in ihrem Alltag in irgendeiner Form durch Schmerzen beeinträchtigt zu sein. 22,5% (n=269) gaben an, sehr stark beeinträchtigt zu sein. Der Mittelwert lag bei 2,73 (KI±0,06), Tendenz zu mäßiger Beeinträchtigung.

Ihren allgemeinen Gesundheitszustand bewerteten die Proband:innen in 55,9% (n=665) der Fälle als „gut“ bis „ausgezeichnet“. Der Mittelwert lag bei 2,57 (KI±0,04) und somit zwischen „weniger gut“ und „gut“ (vgl. [Tab. 1]).

Tab. 1 Verteilung der Antworten auf die Fragen nach dem allgemeinen Gesundheitszustand (links) und der Beeinträchtigung im Alltag durch Schmerzen (rechts).
Table 1 Distribution of answers to the question about the general health condition (left) and impairment in daily life (right).

Allgemeiner Gesundheitszustand n=1.191

Beeinträchtigung des Alltags durch Schmerzen n=1.196

1

Schlecht

4,3%

Gar nicht

13%

2

Weniger gut

39,9%

Ein bisschen

27,6%

3

Gut

50,4%

Mäßig

37%

4

Sehr gut

5,2%

Ziemlich

18,3%

5

Ausgezeichnet

0,3%

Sehr

4,2%

Bezüglich Komorbidität gaben 76,8% (n=982) der Befragten an, neben Osteoporose zudem an mindestens einer weiteren Krankheit erkrankt zu sein. Die häufigsten Krankheitskombinationen waren dabei Osteoporose und Gelenkverschleiß oder -entzündungen mit 15,9% (n=192) und Osteoporose, Gelenkverschleiß oder -entzündungen und Bluthochdruck mit 12,6% (n=152; vgl. [Abb. 2]).

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Abb. 2  Fig. 2 Six most frequent chronic diseases in%, based on the entity of incoming questionnaires (n=1,241, multiple choice).

Die meisten der Befragten haben in den letzten drei Jahre einen Bruch am Wirbelkörper erlitten (49,8%). Danach folgen, der Häufigkeit nach angeordnet, Brüche der Hand (15,3%), des Unterarms (9,3%), der Hüfte (6,9%), des Oberschenkels (3,4%) und der Wirbelsäule/Hand (3,4%) (vgl. [Abb. 3]).

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Abb. 3 Die häufigsten Brüche der letzten drei Jahre in%; bezogen auf die 25,9% die angaben, sich in den letzten drei Jahren eins der genannten Körperteile gebrochen zu haben (n=321, Mehrfachnennung); 19,4% (n=241) gaben zudem Brüche anderer Körperteile an.▶Fig. 3 Fracture types and their occurrence rate in the last three years in%, based on 25.9% of responders with fractures in the past three years of listed body parts (n=321, multiple choice); 19.4% (n=241) had fractures of other body parts.

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Medizinische Betreuung

64,3% (n=613) der Befragten gaben an, erstmals von niedergelassenen Orthopäd:innen über ihre Osteoporose-Erkrankung informiert worden zu sein. Auch bei der weiteren Betreuung der Patient:innen bildeten die Orthopäd:innen mit 46,9% (n=494) die größte Gruppe, gefolgt von Hausärzt:innen mit 25,5% (n=269) und Hausärzt:innen und Orthopäd:innen gemeinsam mit 23,1% (n=243). Gynäkolog:innen waren, auch in Kombination mit anderen Ärzt:innen, selten an der Betreuung beteiligt (4,6%, n=48) (vgl. [Tab. 2]).

Tab. 2 Häufigkeit der Beteiligung nach ärztlicher Profession an der Erstinformation (links, Einfachnennung) und der weiteren Betreuung (rechts, Mehrfachnennung); Nennung anderer Quellen bezogen auf alle eingegangenen Fragebögen (n=1.241).
Table 2 Frequency of involvement regarding primary information based on physicians professional opinion (left, simple choice, n=954 without further source) and further treatment (right, multiple choice, n=1,054 without further source); stating other source based on all incoming questionnaires (n=1,241).

Erstinformation durch n=954 Einfachnennung

Behandlung durch n=1.054 Mehrfachnennung

Orthopäd:in

64,3%

Orthopäd:in

73,3%

Hausärzt:in

20,4%

Hausärzt:in

51,1%

Krankenhausärzt:in

15,3%

Gynäkolog:in

4,6%

Andere Quelle

19,5%

Andere Quelle

18,7%

Die Zufriedenheit mit den behandelnden Ärzt:innen wurde mittels der ZAP-Informationsskala erhoben und lag mit 61,16 (KI±1,6858, n=778) unterhalb der Referenzwerte der Autor:innen für die Zufriedenheit von Patient:innen über 60 Jahre sowohl mit Hausärzt:innen (86,97±1,9878, n=278) als auch mit Fachärzt:innen (84,52±3,7025, n=91) [8]. Ein Welch-Test untermauert die deskriptive Beobachtung (thausärztlich=–19,41<tkrit=1,969, df=700, p=0,049; tfachärztlich=–11,25<tkrit=1,983, df=131, p=0,049). Die Osteoporose-Patient:innen scheinen mit der Information durch ihre Ärzt:innen tendenziell unzufriedener zu sein als eine nicht nach der Krankheit selektierte, für das Alter gematchte Vergleichsgruppe.

Drei Subskalen weichen signifikant von der ZAP-Gesamtskala ab (tZAP-e=–11,156, df=1.224, p<0,001; tZAP-f=7,311, d=910, p<0,001; tZAP-g=–6.582, df=883, p<0,001; αDunn–Šidák=0,017). Die abweichenden Subskalen („Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem behandelnden „Osteoporose“-Arzt in Bezug auf die Informationen darüber, was Sie selbst auch zur Heilung beitragen können (z. B. Hinweis auf Selbsthilfegruppen, Ernährungstipps)? Beachtung von Nebenwirkungen bei der Verordnung von Medikamenten? Beachtung von Nebenwirkungen bei der Verordnung von Medikamenten?) legen nahe, dass vor allem das Gefühl mangelnder Selbstwirksamkeit und fehlende Berücksichtigung von Nebenwirkungen der Medikamente die Unzufriedenheit mit der ärztlichen Betreuung bedingen, während das Verstehen von Informationen für die Befragten unproblematisch erscheint.


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Medikation und Therapie zur Osteoporosebehandlung

Insgesamt gaben 85,9% (n=1.065) der Befragten an, aufgrund einer Osteoporose Medikamente zu nehmen. 44,1% (n=470) der Befragten gaben an, sowohl eine spezifische Therapie als auch eine Basismedikation einzunehmen, 43,7% (n=465) gaben lediglich eine Basismedikation an. Eine frühere Einnahme spezifischer Medikamente wurde dabei nicht abgefragt. Am häufigsten nahmen Osteoporose-Patient:innen unspezifische Supplemente, wie Vitamin D (73,9%, n=917) und Calcium (36,4%, n=452) ein. Von den spezifischen Medikamenten waren Denosumab (17,1%, n=212) und Alendronat (15,5%, n=192) am häufigsten verschrieben (vgl. [Tab. 3], [4]).

Tab. 3  Häufigkeit der Behandlung mit spezifischen Medikamenten, Basismedikation/Supplemente oder beiden Behandlungsformen.
Table 3 Frequency of treatment with specific drugs, basic medication/supplements or both forms of treatment.

Medikamente (n=1.065)

Spezifisch

12,2%

Basismedikation

43,7%

Spezifisch und Basismedikation

44,1%

Tab. 4 Häufigkeit der Einnahme spezifischer Medikamenten sowie Basismedikationen/Supplemente, zzgl. Freitextangaben; bezogen auf alle eingegangenen Fragebögen (n=1.241; Mehrfachnennung).
Table 4 Frequency of specific drug intake and basic medications/supplements, plus free text, based on all incoming questionnaires (n=1,241; multiple choice).

Medikament

Häufigkeit% (n)

Spezifische Medikamente

Denosumab

17,1 (212)

Alendronat

15,5 (192)

Ibandronat

7,4 (91)

Risedronat

4,4 (55)

Östrogene, Gestagen

2,3 (28)

Raloxifen

1,5 (19)

Zoledronat

1,9 (24)

Teriparatid

1,9 (23)

Romosozumab

0,5 (6)

Basistherapie

Vitamin D

73,9 (917)

Calcium

36,4 (452)

Andere

1,4 (17)

Weiß nicht

1,5 (18)

Unbekannte Spritze/Infusion

0,6 (7)

Die Zufriedenheit mit den behandelnden Ärzt:innen wird nicht signifikant von der Art der Medikation beeinflusst (H=1,631, df=3, p=0,652, Kruskal-Wallis-Test).

18,4% (n=207) von den medikamentös behandelten Patient:innen gaben an, ihre Medikamente nicht regelmäßig einzunehmen. Gründe dafür waren primär die Einnahme vieler anderer Medikamente (59,48%, n=91) und Unverträglichkeit der verschriebenen Medikamente (35,29%, n=54). Das Vergessen der regelmäßigen Einnahme (15,03%, n=23) und Schwierigkeiten bei der Einnahme (2,61%, n=4) beeinflussen weniger häufig die Nicht-Einnahme.

Neben der medikamentösen Behandlung gaben 94,5% (n=1.127) an, mindestens wöchentlich gezielt Sport gegen ihre Osteoporose zu betreiben (Spazierengehen explizit eingeschlossen). Der Mittelwert lag mit 2,71 (KI±0,05) näher an „3–6 mal wöchentlich“ als an „1–2 mal wöchentlich“.


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Digitale Kompetenzen und Osteoporose-DiGA

64,8% (n=776) der Befragten gaben an, ein Smartphone zu besitzen. Davon nutzten 83,5% (n=628) ihr Smartphone täglich.

Bezüglich der Frage, ob das Alter die Häufigkeit der Smartphone-Nutzung beeinflusst, zeigte sich ein schwacher Effekt von ρ=−0.171, der die Hypothese bestätigt (p<0.001, n=746).

Die Hauptfunktion des Smartphones ist das Telefonieren (82,2%, n=622). 62,9% (n=476) der Befragten nutzen das Smartphone zudem, um zu surfen oder im Internet zu recherchieren. Digitale Gesundheitsanwendungen wurden von 12,1% (n=90) der Smartphone-Nutzer:innen verwendet. Am häufigsten werden diverse Schrittzähler, YouTube-Videos zur sportlichen Betätigung und die „Health-„ und „7Mind“-App genutzt.

Die Bereitschaft, eine Osteoporose-App ergänzend zur ärztlichen Behandlung zu nutzen, lag bei den Smartphone-Nutzer:innen bei 57,1% (n=427). Davon waren 13,2% (n=99) ganz sicher, eine Osteoporose-App nutzen zu wollen. 42,9% (n=321) gaben an, die App eher nicht zu nutzen. Davon äußerten 6% (n=45), die App keinesfalls nutzen zu wollen.

Die Smartphone-Nutzer:innen wurden gefragt, was eine Osteoporose-App ihrer Meinung erfüllen sollte. Das Informieren ist für die Befragten von großer Bedeutung (MW=3,39±0,08), gefolgt von der Erwartung, die App solle Daten messen (MW=2,85±0,09). Die übrigen Anwendungen, dokumentieren, Daten auswerten und Motivationsbotschaften und Tipps zusenden, fanden bei über 60% der Befragten Zustimmung. Uneinigkeit bestand bei der Frage, ob die App Erinnerungen (bspw. zur Medikamenteneinnahme) verschicken soll (MW=2,46±0,09). Eher negativ wurde die „Daten teilen“-Funktion gesehen (MW=2,23±0,09) (vgl. [Tab. 5]).

Tab. 5 Erwartungen an eine Osteoporose-App; codiert nach „Stimme voll zu“=4 bis „Stimme nicht zu“=1.
Table 5 Expectations on osteoporosis-application; coded from “totally agree”=4 to “totally disagree”=1.

Die Osteoporose-App sollte…

Stimme voll und ganz zu

Stimme zu

Stimme eher nicht zu

Stimme nicht zu

n

Informieren

56,6%

34,6%

4%

4,7%

595

Daten messen

31,2%

43,1%

14,1%

11,5%

538

Dokumentieren

22,8%

38,9%

21,6%

16,7%

522

Daten auswerten

29,7%

37,7%

18,4%

14,1%

538

Erinnern

18%

36,6%

24,7%

20,7%

522

Daten teilen

13,7%

27,4%

31,9%

27%

518

Motivationsbotschaften und Tipps senden

26,9%

41,2%

17,4%

14,5%

551

Es zeigte sich ein schwacher Effekt darin, dass Unzufriedenheit mit den behandelnden Osteoporose-Ärzt:innen mit Offenheit für App-Nutzung einhergeht (ρ=−0.124, p=0.002, n=544).

Bei der Frage nach der präferierten Schulungsform bezüglich Aufklärung über ihre Krankheit gab eine deutliche Mehrheit von 72,2% (n=813) den Wunsch nach vor Ort-Präsenzschulungen an. 34,9% (n=393) der Befragten gaben mitunter Interesse an Erklärvideos an. An Online-Präsenzschulungen äußerten 14% (n=157) Interesse. 12,5% (n=141) gaben an, kein Interesse an Schulungen zu haben.

Allgemein standen die Befragten der Digitalisierung des Gesundheitswesens eher neutral gegenüber (37,4%, n=416). 20,4% (n=227) der Patient:innen sehen darin eine Chance, 27,7% (n=308) empfinden eher Unbehagen (MW=1,91±0,05). 14,6% (n=162) sind ambivalent.

Post-hoc Untersuchungen der Daten zeigten, dass jüngere Osteoporose-Patient:innen (<60 Jahren) der Digitalisierung positiver gegenüberstehen als ältere (ρ=−0.101, p<0.001, N=946).

Da die Gruppen der unter 40-Jährigen (n=1), 40–49-Jährigen (n=3) und 50–59-Jährigen (n=59) kleiner sind und damit die Aussagekraft der vorherigen Korrelation beeinträchtigen, wurde zur Überprüfung der Befunde ein Kruskal-Wallis-Test für die Altersgruppen der 60–69-Jährigen (n=254), der 70–79-Jährigen (n=519) und der 80–89-Jährigen (n=383) durchgeführt mit der Alternativhypothese, mindestens eine der Stichproben hat nicht die gleiche zentrale Tendenz wie die anderen. Dabei zeigte sich eine klare Tendenz in den mittleren Rängen der Gruppen, die jedoch nicht signifikant wurde (H=5,76, df=2, p=0,056).


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Diskussion

Neben der Frage, wie offen die befragte Klientel digitalen Osteoporose-Angeboten gegenübersteht, wurden weitere Bereiche wie Komorbidität, Medikation und Aspekte der ärztlichen Betreuung abgefragt. Ziel dieser weiterführenden Fragen ist, einen ersten Überblick über relevante Faktoren für die Nutzungsbereitschaft einer Osteoporose-DiGA zu erhalten und den Bedarf der Klientel sowie deren Offenheit gegenüber entsprechenden Anwendungen einschätzen zu können.

Im Allgemeinen scheint unter den Smartphone-Nutzer:innen Interesse an einer unterstützenden Osteoporose-App zu bestehen (57,1%, n=427 äußerten Interesse). Da tendenziell eher jüngere Patient:innen angaben, ein Smartphone zu besitzen und regelmäßig zu nutzen (ρ=−0.171, p<0.001, n=746), kann die Entwicklung einer Osteoporose-App neben heutigem Bedarf nach digitalen Anwendungen auch als Investition in die Zukunft angesehen werden, da davon auszugehen ist, dass die jüngeren Generationen ausgeprägtere digitale Kompetenzen besitzen. Befragungen von statista 2020 haben gezeigt, dass das Interesse an Apps auf Rezept einer Stichprobe ab 16 Jahren sehr ähnlich zu dieser Befragung war. 59% der statista-Befragten konnten sich vorstellen eine App auf Rezept zu nutzen [10].

Die Befragten wünschten sich als zukünftige App-Nutzer:innen die Bereitstellung ergänzender und erweiternder Informationen über die Erkrankung Osteoporose und die Funktion des Gesundheitsmonitorings.

Etwa ein Viertel der Befragten gaben an, in den letzten drei Jahren eine Fraktur erlitten zu haben. Alle Befragten sind Mitglieder in einer Selbsthilfegruppe für Osteoporose. Es zeigt sich selbst in dieser Gruppe, die wahrscheinlich im Vergleich mit der allgemeinen Bevölkerung über ein höheres Wissen über das Krankheitsbild Osteoporose verfügt, eine ausgesprochen unbefriedigende Versorgung mit spezifischen Medikamenten. 44% der Befragten nahmen lediglich eine Basistherapie zur Therapie der Osteoporose ein. 10,5% waren mit einer rein spezifischen Therapie versorgt und 37,9% wurden sowohl spezifisch als auch mit einem Basispräparat therapiert. Zudem nehmen knapp ein Fünftel der Befragten ihre Medikamente nicht regelmäßig ein. Die Steigerung der Gesundheitskompetenz durch den Einsatz einer Osteoporose-DiGA und die Verbesserung der Adhärenz wären wünschenswert.

DiGA sollen die aktive Einbindung der Patienten in den Behandlungsprozess fördern und die Effektivität der Behandlung steigern.

Trotz Interesse an digitalen Anwendungen bevorzugen Patient:innen vor Ort-Präsenzschulungen (72,2%; n=813). Dies unterstreicht aus unserer Sicht, daß eine DiGa die ärztliche Behandlung zwar unterstützen, in keinem Fall jedoch ersetzen kann. An Erklärvideos (34,9%, n=393) und online Präsenzschulungen (14%, n=157) besteht zwar Interesse, es scheint jedoch sinnvoll zu sein, auch aufgrund des Wunsches nach zusätzlicher Information, die digitalen Anwendungen ergänzend zu Vor-Ort-Veranstaltungen anzubieten. Außerdem ist in der aktuellen Situation (Pandemie und Fachkräftemangel in ländlichen Regionen) das Potenzial solcher Apps hervorzuheben. Auf dem Land gibt es weniger und schlechter erreichbare ärztliche/therapeutische Versorgungs- und Selbsthilfeangebote. Obgleich das Versorgungsnetz in diesen Gebieten ausgebaut werden muss und nicht durch digitale Angebote ersetzt werden kann, können Apps eine Übergangslösung darstellen bzw. Vor-Ort-Versorgung ergänzen.

Insbesondere die Corona-Pandemie hat das Potenzial digitaler Anwendungen gezeigt, Betroffene bei der Auseinandersetzung mit ihrer Osteoporose-Erkrankung zu unterstützen. Informationen und Sportangebote bieten eine kontaktarme Basis, gesunde Routinen aufzubauen und bei Bedarf Kontakte zu anderen Betroffenen digital zu pflegen oder zu knüpfen.


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Limitationen

Die Befunde der Studie folgen den Limitationen, dass verschiedene Untergruppen, die in die Berechnungen eingeflossen sind, teils klein waren (z. B. Alter<40 mit n=1, Alter=40 – 49 n=3). Um den Einfluss zu relativieren, wurden Folgeuntersuchungen teilweise nur mit den größeren Untergruppen durchgeführt.

Limitierend muss diskutiert werden, dass die hier befragte Gruppe sich bereits in einer Selbsthilfegruppe für Osteoporose organisiert hat und damit dem Krankheitsbild Osteoporose prinzipiell aufgeschlossen gegenübersteht. Dies kann zu einer positiven Verzerrung der Daten führen.

Trotz Vorselektion der Befragten durch die Erhebung in Osteoporose-Selbsthilfegruppen und via einer Osteoporose-Fachzeitschrift gaben 5,64% (n=70) weder Auskunft über die Dauer ihrer Osteoporose-Erkrankung, noch gaben sie Osteoporose als Krankheitsbild an. Daher ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der Befragten nicht von Osteoporose betroffen ist.

Da die Untersuchung primär mit älteren Menschen durchgeführt wurde, ist es möglich, dass nicht alle Fragen im intendierten Sinne beantwortet und dennoch in die Auswertung eingeschlossen wurden. Entsprechendes zeigte sich vereinzelt durch handschriftliche Notizen im Fragebogen. Insgesamt ist dennoch davon auszugehen, dass das maschinelle Auslesen eine höhere Reliabilität aufweist als eine händische Übertragung der gesamten Daten.

Fazit

Sowohl die körperliche Aktivität als auch die Einnahmetreue der Basistherapie und spezifischen Medikation können durch ein regelmäßiges Erinnerungsprogramm verbessert und hierdurch Krankenhauseinweisungen vermindert werden [11]. Bei gleichzeitiger Zunahme der Anzahl an Osteoporose Erkrankter [12] und knappen Ressourcen der Versorgenden können DiGAs helfen, die Therapietreue der Betroffenen zu verbessern.

Voraussetzung für die Effektivität einer DiGA ist die Nutzungsbereitschaft. Die hier vorgestellten Daten zeigen, dass auch in einer älteren, von Osteoporose betroffenen Population eine prinzipielle Aufgeschlossenheit für DiGAs besteht.

Zusammenfassend gab mehr als ein Drittel der Antwortenden an, eine DiGA zur Mitbehandlung der Osteoporose nutzen zu wollen. Gerade mit Blick auf das verabschiedete DMP Osteoporose können DiGAs als unterstützende Therapiebegleitung eingesetzt werden.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Christopher Niedhart
Osteologisches Schwerpunktzentrum, 1
Liecker Str. 23
52525 Heinsberg
Germany   
Phone: +492452900010   

Publication History

Received: 19 June 2023

Accepted after revision: 20 October 2023

Article published online:
22 January 2024

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Abb. 1  Verteilung der Dauer der Kenntnis über die eigene Osteoporoseerkrankung in %. Antwortoptionen in Einfachnennung (n = 1.153).
Fig. 1 Distribution of length of knowledge about own osteoporosis illness in%. Answer option in simple choice (n=1,153).
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Abb. 2  Fig. 2 Six most frequent chronic diseases in%, based on the entity of incoming questionnaires (n=1,241, multiple choice).
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Abb. 3 Die häufigsten Brüche der letzten drei Jahre in%; bezogen auf die 25,9% die angaben, sich in den letzten drei Jahren eins der genannten Körperteile gebrochen zu haben (n=321, Mehrfachnennung); 19,4% (n=241) gaben zudem Brüche anderer Körperteile an.▶Fig. 3 Fracture types and their occurrence rate in the last three years in%, based on 25.9% of responders with fractures in the past three years of listed body parts (n=321, multiple choice); 19.4% (n=241) had fractures of other body parts.