Rofo 2024; 196(01): 92
DOI: 10.1055/a-2170-8723
DRG-Mitteilungen

Erste Kopie der Patientenakte kostenlos

 

    Nach einer aktuellen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat jede Patientin, jeder Patient das Recht eine erste Kopie seiner Patientendaten kostenlos zu erhalten. Das gilt auch für radiologische Bilddaten und Befunde.

    Anlass der Entscheidung war ein haftungsrechtlicher Streit im Zuge dessen der Patient seinen Zahnarzt auf kostenfreie Herausgabe einer Kopie seiner Patientenakte verklagte.

    In der Revisionsinstanz stellte der Bundesgerichtshof fest, dass der Patient nach nationalem Recht eine Kopie seiner Patientenakte erhalten könne, sofern er dem Behandelnden die sich daraus ergebenden Kosten erstatte (Patientenrechtegesetz §§ 630 g, 630 f\. BGB). Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt, so der BGH jedoch davon ab, wie die Bestimmungen der DSGVO auszulegen seien und leget die Rechtsfrage deshalb dem EuGH zur Entscheidung vor. Dieser hat nun dem Patienten Recht gegeben und dessen Anspruch auf eine kostenfreie erste Kopie bestätigt. Nur für „offenkundig unbegründete“ oder – insbesondere im Fall häufiger Wiederholung – „exzessive“ Herausgabeverlangen kann der Arzt die Herausgabe von einer Kostenerstattung abhängig machen oder verweigern. Aus der DSGVO selbst ergibt sich, dass der Arzt ein Entgelt dann verlangen kann, wenn die betroffene Person bereits eine erste Kopie ihrer Daten unentgeltlich erhalten hat und erneut einen Antrag auf diese stellt.

    Verfahrensrechtlich liegt mit dem Urteil des EuGH noch keine rechtskräftige Entscheidung in dem Verfahren vor, dies muss erst durch den BGH unter Berücksichtigung des Urteils ergehen. Praktische Auswirkungen hat das Judiz dennoch unmittelbar, da eine Herausgabe der Kopie einer Patientenakte nur gegen Kostenerstattung als rechtsmissbräuchlich angesehen werden dürfte.

    Der BGH hat seine Rechtsauffassung zunächst auf §§ 630 f\. und 630 g BGB gestützt, die ausdrücklich die auf die Patientenakte Bezug nehmen. Diese umfasst nach dem Wortlaut des § 630 f\. BGB „sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen.“ Radiologische Bilddaten für Röntgen, CT und MRT sind dabei nicht ausdrücklich aufgeführt. Dennoch geht die Kommentarliteratur einhellig davon aus, dass vom Begriff Patientenakte alles umfasst ist, was der Arzt im Rahmen seines Behandlungsvertrages dokumentieren und aufbewahren muss – das schließt auch die Bilddaten mit ein. Mit Blick auf die jetzt vom EuGH herangezogenen Normen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist dies noch eindeutiger: Das Einsichtsrecht des Patienten umfasst alle personenbezogenen Daten, insbesondere seine Gesundheitsdaten, also personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen.“ Daran, dass radiologische Bilddaten zu den Gesundheitsdaten zählen, kann es keine Zweifel geben.

    Ab jetzt müssen Radiologinnen und Radiologen Patienten auf Verlangen deshalb einmalig kostenfrei auch eine Kopie der Bilddaten überlassen.

    Das Urteil enthält keine Vorgaben zur Art der Datenüberlassung, sie muss aber eine originalgetreue Reproduktion und „für den Patienten verständlich“ sein. Dies dürfte bei radiologischen Bilddaten neben einer Kopie der DICOM-Daten auch die Überlassung eines geeigneten Viewers erfordern, da der Patient die Daten sonst nicht betrachten kann. Ob dies jedoch auf einer CD/DVD oder anderen mobilen Datenträgern erfolgt, oder durch die Überlassung eines Zugriffscodes auf einem Webportal wird als gleichwertig zu bewerten sein, zumindest, wenn der Patient die Daten – und den Viewer – herunterladen und für sich speichern kann. Dann gilt die Mitgabe des Speichermediums bzw. des Zugrifflinks nach unserer Auffassung als „erste Kopie“ und der Arzt kann für nachfolgende weitere Anforderungen Aufwendungsersatz verlangen. Das gilt – zukünftig – erst recht, wenn die Bilddaten über die ePA zugänglich gemacht werden können.

    (EuGH, Urteil vom 26.10.2023 AZ C-307/22, BGH AZ VI ZR 1352/20)


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    RA Markus Henkel, München

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    Publication History

    Article published online:
    01 January 2024

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