Rehabilitation (Stuttg)
DOI: 10.1055/a-2157-2368
Originalarbeit

Versicherte mit Erwerbsminderungsrisiko: Identifikation, Analyse der Inanspruchnahme eines Beratungsangebots und Darstellung der gesundheitlichen und beruflichen Situation – Eine Querschnittstudie

Insured Persons with High and Moderate Risk of Reduced Earning Capacity – Identification, Analysis of the Use of a Counselling Service and Illustration of their Health and Occupational Situation
Ines Passier
1   Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Hildesheim
2   Dr. Fontheim Mentale Gesundheit, Liebenburg
,
Christoph Kröger
1   Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Hildesheim
,
Axel Kobelt-Pönicke
1   Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Hildesheim
3   Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Abteilung Rehastrategie, Laatzen
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Ziel der Studie Die vorliegende Studie untersucht vergleichend Versicherte mit moderatem und hohem Erwerbsminderungsrisiko der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig - Hannover (DRV BS-H), die mittels des Risikoindex Erwerbsminderungsrente (RI-EMR) identifiziert wurden. Die Versichertengruppen werden hinsichtlich ihrer Inanspruchnahme eines telefonischen Beratungsangebots beschrieben. Die Auswertung der an der gleichen Stichprobe erfolgten Fragebogenerhebung beschreibt die gesundheitliche und berufliche Lebenssituation der Versichertengruppen, zeigt Bedarfe hinsichtlich Rehabilitationsmaßnahmen auf und gibt Implikationen für die Praxis.

Methode Es handelt sich um eine Querschnittstudie. Die Teilnehmer generierten sich aus einer Zufallsstichprobe der Gesamtversicherten der DRV BS-H. 1778 Versicherte wurden mit dem Angebot zur Inanspruchnahme eines telefonischen Beratungsgesprächs und zwecks Teilnahme an der Fragebogenerhebung angeschrieben. Der Fragebogen erfasste u. a. Beschwerden und Beeinträchtigungen der Versicherten durch Kontextfaktoren nach ICF. Erwerbstätige wurden zu ihren Belastungen am Arbeitsplatz befragt, nicht-Erwerbstätige zu ihrer Motivation zur Rückkehr in die Erwerbstätigkeit (RTW). 157 (9,8%) der erreichten Versicherten antworteten auf das Angebot des Beratungsgesprächs, 391 (24,5%) nahmen an der Fragebogenerhebung teil. Die durchgeführten Beratungen wurden deskriptiv ausgewertet. Die Fragebogendaten wurden vergleichend analysiert (ANOVA, χ2-Test).

Ergebnisse Das Angebot des telefonischen Beratungsgesprächs konnte weniger zielführend umgesetzt werden als erwartet. Versicherte mit hohem RI-EMR zeigten vergleichsweise deutliche psychische Beschwerden sowie Belastungen und Beeinträchtigungen durch Kontextfaktoren. Nicht-erwerbstätige Versicherte beider Risikogruppen zeigten sich bezüglich einer möglichen Rückkehr in die Erwerbstätigkeit mehrheitlich im motivationalen Stadium der Absichtsbildung.

Schlussfolgerung Dem grundsätzlichen Ziel des frühzeitigen Einsatzes von Hilfsangeboten für prognostisch teilhabeeingeschränkte Versicherte steht das Problem gegenüber, dass bei der Anwendung der Routinedaten der DRV und somit des RI-EMR Verzögerungen entstehen. Es gilt zu diskutieren, inwiefern Sozialleistungsträger zukünftig besser zusammenarbeiten können, um ihre Versicherten frühzeitiger zu erreichen. Die Passung bestehender Angebote zur Verbesserung der Teilhabe unter den gegebenen teils komplexen Problemlagen der Versicherten aber auch mit Blick auf die bestehende Motivationslage sollte differenziert betrachtet werden.

Abstract

Purpose The aim of this study was to investigate the life situation, and analyse the need for rehabilitative interventions as well as the use of counselling service offered to persons insured by the German Pension Insurance Braunschweig - Hannover (DRV BS-H), using the moderate and high risk index for temporary disability penson (RI-EMR).

Method This is a cross-sectional study. The participants were generated from a random sample of the total insured persons of the DRV BS-H. 1778 persons were contacted offering telephone consultation and a request for participation in a questionnaire survey that recorded, among others, symptoms, burdens and impairments. Employed persons were asked about their stress at work, non-employed persons about their motivation to return to work. 391 (24.5%) participated in the questionnaire survey and 157 (9.8%) of those contacted responded to the offer of counselling service. The contents of the counselling sessions were evaluated descriptively. The questionnaire data were analysed comparatively (ANOVA, χ2-test).

Results The offer of the telephone counselling was not used as expected in advance. Insured persons with a high RI-EMR showed more clearly complaints as well as burdens and impairments due to contextual factors than persons with a moderate RI-EMR. The majority of non-employed persons in both groups showed up in the motivational stage of forming intentions with regard to a possible return to employment.

Conclusion The question arises as to how insured persons with prognostically limited participation can be better reached with offers of assistance. The goal of early offer of support services is confronted with the problem that delays occur in the application of the routine data of the DRV and thus of the RI-EMR. Future studies should investigate how to improve insured persons’ participation in counselling services and also their motivation to return to work.

Zusatzmaterial



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Article published online:
03 November 2023

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