Pneumologie 2023; 77(11): 901-906
DOI: 10.1055/a-2145-4726
Übersicht

Medikamentöse Therapie der pulmonalarteriellen Hypertonie mit Komorbiditäten – Welche Phänotypen gibt es, was gibt es zu beachten?

Medication treatment in pulmonary arterial hypertension with comorbidities – Which phenotypes and points to consider
Ekkehard Grünig
 1   Thoraxklinik Heidelberg gGmbH am Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
,
Michael Halank
 2   Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Medizinische Klinik und Poliklinik I – Bereich Pneumologie –, Dresden, Deutschland
,
Claus Neurohr
 3   Abteilung Pneumologie und Beatmungsmedizin, RBK Lungenzentrum Stuttgart am Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart, Deutschland
,
Jürgen Behr
 4   Medizinische Klinik und Poliklinik V, LMU Klinikum, LMU München, Comprehensive Pneumology Center, Member of the German Center for Lung Research (DZL), München, Deutschland
,
Katrin Milger-Kneidinger
 4   Medizinische Klinik und Poliklinik V, LMU Klinikum, LMU München, Comprehensive Pneumology Center, Member of the German Center for Lung Research (DZL), München, Deutschland
,
Julia Ronczka
 2   Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Medizinische Klinik und Poliklinik I – Bereich Pneumologie –, Dresden, Deutschland
,
Mona Lichtblau
 5   Universitätsspital Zürich, Klinik für Pneumologie und Zentrum für Schlafmedizin, Zürich
,
Nicola Benjamin
 1   Thoraxklinik Heidelberg gGmbH am Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
,
Tobias J. Lange
 6   Abteilung Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Pneumologie und Beatmungsmedizin, Kreisklinik Bad Reichenhall, Bad Reichenhall, Deutschland
 7   Fakultät für Medizin, Universitätsklinik Regensburg, Regensburg, Deutschland
,
Silvia Ulrich
 8   Department of Pulmonology, University Hospital Zurich, Zurich, Switzerland
,
Heinrike Wilkens
 9   Klinik für Innere Medizin V, Pneumologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, Deutschland
,
Christian Grohé
10   Klinik für Pneumologie, ELK, Berlin, Deutschland
,
Dirk Skowasch
11   Universitätsklinikum Bonn, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Innere Medizin – Kardiologie/Pneumologie, Bonn, Deutschland
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Im letzten Jahrzehnt hat sich aufgrund zunehmenden Alters bei Erstdiagnose eine Veränderung des klinischen Phänotyps mit einem vermehrten Vorkommen von Komorbiditäten bei der pulmonalarteriellen Hypertonie herausgebildet. Durch Clusteranalysen von Registerdaten wurden insbesondere ein kardialer, kardiopulmonaler und klassischer Phänotyp identifiziert.

Daten aus Subgruppenanalysen randomisierter, kontrollierter Studien und Registerdaten konnten bereits darauf hinweisen, dass auch bei Patient*innen mit pulmonalarterieller Hypertonie und kardialen Komorbiditäten, v. a. vom Linksherzphänotyp, ein Kombinationstherapieversuch unter engmaschiger Kontrolle des Therapieerfolgs und der unerwünschten Wirkungen erwogen werden kann. Das 4-Strata-Modell kann für das Monitoring und die Risikostratifizierung verwendet werden.

Die individuelle Therapieentscheidung sollte im Zentrum für pulmonale Hypertonie getroffen werden. Dabei sollten Faktoren wie Hämodynamik, Alter, Phänotyp, Anzahl und Schwere der Komorbiditäten, Therapieansprechen, Nebenwirkungen und Patient*innenwunsch berücksichtigt werden. Prospektive, randomisierte Studien zur Einschätzung der Wirksamkeit und des Nebenwirkungsprofils bei pulmonalarterieller Hypertonie mit Komorbiditäten wären wünschenswert.

Patient*innen mit einem überwiegend pulmonalen Phänotyp (Rauchen, DLCO < 45 % und/oder Lungengerüstveränderungen im CT) sprechen nach den bestehenden Daten möglicherweise weniger gut auf orale Medikamente an.


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Abstract

Within the last decade, the age at diagnosis of patients with pulmonary arterial hypertension has increased, which led to a change of the clinical phenoype being associated with more comorbidities. Cluster analyses of registry data have identified cardiac, cardio-pulmonary and classical phenotypes of pulmonary arterial hypertension.

Subgroup analyses of randomised controlled trials and registry data indicate, that in patients with pulmonary arterial hypertension and cardiac comorbidities, especially the left-heart phenotype, a closely supervised combination treatment may be considered. The 4-strata model may be used for monitoring and risk stratification in these patients. Individual treatment decisions should be made in the pulmonary hypertension centre. Factors such as hemodynamics, age, phenotype, number and severity of comorbidities, therapy response, adverse reactions and the wish of the patient should be considered.

Prospective, randomized studies to assess the efficacy and safety profile of pulmonary arterial hypertension treatments are desirable. Patients with a mainly pulmonary phenotype (smoking, diffusion capacity of the lung < 45 % and/or lung parenchymal changes) may have less benefit of oral medication.


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Zusammenfassung der ESC/ERS-Leitlinien 2022

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Epidemiologie der idiopathischen pulmonalarteriellen Hypertonie (IPAH) geändert [1]. In verschiedenen Registerdaten zeigte sich, dass die Erkrankung immer häufiger bei älteren Patient*innen (≥ 60 Jahre) [1] [2] [3] [4], die häufig kardiovaskuläre Komorbiditäten aufweisen [5], mit einer ähnlichen Geschlechtsverteilung diagnostiziert wird.

Bei älteren IPAH-Patient*innen mit kardiopulmonalen Komorbiditäten kann die Abgrenzung zur pulmonalen Hypertonie (PH) bei Linksherz- oder Lungenerkrankung manchmal schwierig sein. Obwohl es keine einheitliche Definition der unterschiedlichen Phänotypen gibt und diese auch durch das Vorhandensein nur eines Merkmals verändert werden können [6], bilden sich insbesondere 2 Cluster der IPAH mit Komorbiditäten heraus. Die Clusteranalyse von 841 neu diagnostizierten IPAH-Patient*innen zeigte, dass diese am häufigsten (51,6 %) einen sog. kardiopulmonalen Phänotyp aufwiesen [6]. Dieser Cluster umfasste zumeist männliche Patienten mit häufig niedriger Diffusionskapazität (DLCO < 45 % Soll bei 53 % der Patient*innen), die Risikofaktoren für eine Linksherzerkrankung, eine Raucheranamnese und häufiger eine Hypoxämie hatten. Der zweithäufigste Cluster war der sog. Linksherztyp (35,8 %) [6], bei dem zumeist ältere (im Mittel 72 Jahre), fast ausschließlich weibliche Patientinnen (98 %) mit Risikofaktoren für die diastolische Linksherzdysfunktion (Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF) erfasst wurden [6] [7] [8]. Die HFpEF-Risikofaktoren umfassen dabei die systemische arterielle Hypertonie, Adipositas, Diabetes mellitus und die koronare Herzkrankheit. In etwa 30 % der Fälle war ein Vorhofflimmern in der Vorgeschichte festzustellen. Demgegenüber war die „klassische“ IPAH (Cluster 1) bei zumeist jüngeren Frauen ohne Komorbiditäten nur noch bei 12,6 % der Patient*innen diagnostiziert worden [6].

Im Vergleich zu Patient*innen ohne kardiopulmonale Komorbiditäten weisen Patient*innen mit Komorbiditäten ein schlechteres Therapieansprechen auf PAH-Medikamente auf, setzen diese häufiger wegen mangelnder Wirksamkeit oder Unverträglichkeit ab, erreichen seltener einen Niedrigrisikostatus und haben insbesondere beim kardiopulmonalen Phänotyp mit niedriger DLCO ein höheres Mortalitätsrisiko [6] [7] [9] [10] [11].

Da die IPAH-Patient*innen mit kardiopulmonalen Komorbiditäten bei den Therapiestudien unterrepräsentiert oder ausgeschlossen waren, können für diese Population keine evidenzbasierten Therapieempfehlungen ausgesprochen werden. Eine Abgrenzung zur PH der Gruppe 2 und Gruppe 3 ist insbesondere für die Therapie, aber auch für die Prognose der Patient*innen entscheidend. Registerdaten lassen vermuten, dass in der klinischen Praxis meist Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE5-I) zur Therapie dieser Patient*innen eingesetzt werden ([Abb. 1], [Abb. 2]). Seltener wurden Endothelinrezeptorantagonisten (ERA) alleine oder in Kombination mit einem PDE5-I verordnet ([Abb. 1], [Abb. 2]). Die Subgruppenanalyse der AMBITION-Studie bei IPAH-Patient*innen mit Linksherzphänotyp (≥ 3 Risikofaktoren für HFpEF) ergab, dass diese Patient*innen im Vergleich zur „klassischen“ IPAH (mit max. 2 Risikofaktoren für HFpEF) die Mono- bzw. Kombitherapie häufiger aufgrund mangelnder Wirksamkeit oder Unverträglichkeit beendet hatten [8]. Auch Daten des ASPIRE-Registers (Großbritannien) zeigten eine geringere Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit bei IPAH-Patient*innen mit kardiopulmonalen Komorbiditäten gegenüber der klassischen IPAH [11].

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Abb. 1 Therapiealgorithmus für Patienten mit idiopathischer, hereditärer, medikamentenassoziierter pulmonalarterieller Hypertonie (PAH) und Patienten mit assoziierter PAH bei Bindegewebserkrankungen. Die Abbildung zeigt den Therapiealgorithmus für PAH-Patienten modifiziert nach der 2022 publizierten PH-Leitlinie. Bei PAH-Patient*innen mit Komorbiditäten wird eine initiale orale Monotherapie mit einem PDE5-I oder ERA und regelmäßige Verlaufskontrollen empfohlen. Die Indikation zur gezielten Therapie ist individuell in einem PH-Zentrum zu stellen und anzupassen. Kardiopulmonale Komorbiditäten sind mit einem erhöhten Risiko für linksventrikuläre diastolische Dysfunktion assoziiert und beinhalten: Obesitas, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und koronare Herzerkrankung. Pulmonale Komorbiditäten äußern sich z. B. durch Zeichen milder Lungenparenchymerkrankung und sind oft vergesellschaftet mit einer eingeschränkten Diffusionskapazität (< 45 % des Sollwerts). CTD: Connective tissue disease – Kollagenose; ERA: Endothelin-Rezeptor-Antagonist; i. v.: intravenös; PAH: pulmonalarterielle Hypertonie; PCA: Prostazyklin-Analogon; PDE5i: Phosphodiesterase-5-Inhibitor; s. c.: subkutan; sGCs: löslicher Guanylatzyklase-Stimulator; *beinhaltet kardiale und pulmonale Komorbiditäten. Reproduced with permission of the © European Society of Cardiology & European Respiratory Society 2023: European Respiratory Journal 61 (1) 2200879; DOI: 10.1183/13993003.00879-2022 Published 6 January 2023 [rerif]
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Abb. 2 Empfehlungen für die Behandlung von nicht vasoreagiblen Patient*innen mit idiopathischer, hereditärer oder medikamentenassoziierter pulmonalarterieller Hypertonie, die kardiopulmonale Komorbiditäten aufweisena. Reproduced with permission of the © European Society of Cardiology & European Respiratory Society 2023: European Respiratory Journal 61 (1) 2200879; DOI: 10.1183/13993003.00879-2022 Published 6 January 2023 [rerif]

Die Risikostratifizierung ist bei fehlender Evidenz für IPAH-Patient*innen mit Komorbiditäten nur eingeschränkt sinnvoll. Eine initiale Monotherapie wird in den Leitlinien bei den meisten Patient*innen empfohlen ([ Abb. 1 ] und [Abb. 2]). Therapieentscheidungen sollten individuell im Expertenzentrum unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen getroffen werden.


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Kommentar zu den Leitlinien

Ergänzende Daten zu den Phänotypen der IPAH ([Tab. 1])

Tab. 1

Vorschlag Phänotypen der IPAH.

Phänotypen

Charakteristika

klassisch [6]

  • meist jünger

  • meist Frauen

  • keine relevanten Komorbiditäten

Linksherz [6]

  • meist älter

  • meist Frauen

  • Risikofaktoren für HFpEF[*] (RR↑, BMI↑, Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankung)

  • Vorhofflimmern in der Vorgeschichte (ca. 30 %)

kardiopulmonal [6]

  • meist älter

  • meist Männer

  • häufig DLCO < 45 % Soll

  • meist paO2

  • Risikofaktoren für Linksherzerkrankung

  • oft (Ex-)Raucherstatus

Lungenphänotyp [13]

  • (Ex-)Raucherstatus (100 %)

  • DLCO < 45 % Soll

* heart failure with preserved ejection fraction


In den Empfehlungen der Kölner-Konsensus-Konferenz (KKK) 2016 wurden erstmalig die Begriffe der „typischen“ und „atypischen“ PAH eingeführt und später auch in der PH-Weltkonferenz in Nizza 2018 weiterentwickelt; diese sollten der Interpretation von Studienergebnissen dienen und bei der Behandlungsstrategie dieser Patient*innen helfen [7] [12].

In einer neuen COMPERA-Analyse wurde für IPAH-Patient*innen neben den oben beschriebenen und in den neuen LL genannten „kardiopulmonalen“ sowie dem „Linksherzphänotyp“ eine 3. Untergruppe genannt [13]. Patient*innen mit einem „pulmonalen Phänotyp“ wurden dadurch definiert, dass sie neben der DLCO-Reduktion einen (Ex-)Raucherstatus aufweisen [13]. Pathophysiologisch führt das Rauchen möglicherweise zu einer pulmonalen, nicht-plexiformen Vaskulopathie mit Verlust der peripheren Gefäße. Diese Patient*innen weisen Ähnlichkeiten auf mit Patient*innen der Gruppe 3 PH [13]. Der kardiopulmonale Phänotyp und der Lungenphänotyp weisen starke Überlappungen auf, die eine Unterscheidung in der klinischen Praxis erschweren.

[ Tab. 1 ] stellt unseren ergänzten aktuellen Vorschlag zur Phänotypisierung von IPAH-Patient*innen dar. Auch wenn die Cluster nicht mit Phänotypen übereinstimmen, basiert dieser Vorschlag zur Einteilung der IPAH-Patient*innen in verschiedenen Gruppen auf Clusteranalysen von Patient*innendaten des COMPERA-Registers [6] [13] ([ Tab. 1 ]).

Mit der Einführung weiterer Parameter wird es in Zukunft vermutlich noch Modifikationen der Definition der PAH mit Komorbiditäten geben. So können u. a. Faktoren wie Alter, Schweregrad der Komorbidität und Hämodynamik sowohl für die Einteilung als auch für die individuelle Therapieentscheidung eine Rolle spielen.


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Kombinationstherapien bei PAH und Komorbiditäten

Neueste Daten aus dem COMPERA-Register zeigen, dass die meisten Patient*innen mit kardialen Komorbiditäten sowohl unmittelbar nach Diagnose als auch im 1-Jahres-Verlauf nur mit einer Monotherapie zumeist mit PDE-5-Inhibitoren behandelt werden [14]. Insgesamt ist jedoch eine Zunahme der Häufigkeit von Kombinationstherapien zu erkennen (Kombinationstherapie innerhalb von einem Jahr nach Diagnosestellung Anstieg von 27,7 % in 2010–2014 auf 46,3 % in 2015–2019; bei Patient*innen ≥ 65 Jahre Anstieg von 27,3 auf 34,3 %) [13]. Insbesondere bei der zusätzlichen Gabe von ERA kam es in den Daten des COMPERA-Registers zu vermehrten Therapieabbrüchen aufgrund von Unverträglichkeiten (v. a. Wassereinlagerungen/Beinödeme). Nach Daten der AMBITION-Studie könnte man spekulieren, dass ERAs sogar besser verträglich sind, wenn vorher schon eine Tadalafil-Therapie besteht, zumindest in Hinblick auf periphere Ödeme. Kleinere Subgruppen der EXPAS-Gruppe (exprimäres Analyseset: Patient*innen mit ≥ 3 Komorbiditäten) hatte unter Tadalafil-Monotherapie in 30 % periphere Ödeme, bei Ambrisentan-Monotherapie in 65 % der Fälle, bei Kombination 41 % [8]. Auch in der PAS-Gruppe (primäres Analyseset: Patient*innen mit < 3 Komorbiditäten) wurden bei 45 % der Patient*innen mit Kombinationstherapie periphere Ödeme angegeben [8].

Daten zur Wirksamkeit spezifischer PAH-Medikamente bei Patient*innen mit Komorbiditäten stammen insbesondere aus Patient*innenregistern und Post-hoc-Analysen großer Therapiestudien. Aktuelle Analysen von Registerdaten deuten auf eine Wirksamkeit PAH-spezifischer Medikamente bei PAH-Patient*innen mit kardialen Komorbiditäten hin [14] [15] [16]. Die Analyse des COMPERA-Registers zeigte ein Therapieansprechen mit Verbesserung des Risikoprofils bei 34 % der Patient*innen mit 3–4 Komorbiditäten, 33 % bei 1–2 Komorbiditäten im Vergleich zu 52 % bei PAH-Patient*innen ohne kardiale Komorbiditäten [14]. Bei Einsatz einer initialen Kombinationstherapie von ERA und PDE5-I scheinen PAH-Patient*innen mit kardialen Komorbiditäten gemäß Daten des italienischen Patient*innenregisters etwas geringer auf die Therapie anzusprechen als Patient*innen ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren [15].

In Analysen von Therapiestudien mit Macitentan und Selexipag konnten vergleichbare Therapieeffekte über unterschiedliche Altersgruppen festgestellt werden [17] [18] [19] [20].

Gemäß einer Post-hoc-Analyse der AMBITION-Studie erreichen Patient*innen mit ≥ 3 kardialen Komorbiditäten ein geringeres Therapieansprechen auf eine Kombinationstherapie mit Tadalafil und Ambrisentan im Vergleich zu Patient*innen, welche weniger als 3 kardiale Komorbiditäten aufweisen [8]. Eine Post-hoc-Analyse der GRIPHON-Studie [20] mit Selexipag zusätzlich zu einer bestehenden Therapie mit ERA und/oder PDE5-I zeigte einen vergleichbaren Therapieeffekt bei Patient*innen mit < 3 und ≥ 3 kardialen Komorbiditäten. Auch die Daten der SERAPHIN-Studie lassen vermuten, dass IPAH-Patient*innen mit kardialen Komorbiditäten von einer Kombinationstherapie mit PDE5-I und ERA bezüglich körperlicher Belastbarkeit und verminderter Erkrankungsprogression profitieren [19]. Limitation bei dieser Studie ist die sehr kleine Fallzahl.


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Praktisches Vorgehen und Zielparameter bei der Therapieanpassung

Eine nach Erscheinen der aktuellen Leitlinien publizierte Arbeit aus dem COMPERA-Register zeigte, dass Patient*innen mit Komorbiditäten vom Linksherztyp von einer gezielten PAH-Therapie profitieren und dass das für die Verlaufsuntersuchung bei IPAH empfohlene 4-Strata-Modell dabei verwendet werden kann [14]. Allerdings erreichen die wenigsten Patient*innen, v. a. aufgrund schlechterer Ausgangswerte, einen niedrigen Risikobereich. Patient*innen mit kardialen Komorbiditäten mit niedrigem Risikoprofil wiesen dabei ein ähnliches Überleben auf wie Patient*innen in der Intermediate-low-Risikogruppe; daher könnte der intermediär-niedrige Risikobereich ein realistisches und prognostisch wichtiges Therapieziel bei PAH mit Komorbiditäten sein. Es muss sicherlich infrage gestellt werden, ob absolute Werte für z. B. den 6-Minuten-Gehtest oder das NT-proBNP für die Berechnung des Risikoscores bei einer älteren Population sinnvoll sind oder die Grenzwerte alters-adaptiert werden sollten. Daten aus Großbritannien/Italien [21] bestätigen eine gute Diskriminierung der Risikoklassifizierung (COMPERA 2.0, REVEAL 2.0, PFHN) bei älteren Patient*innen, wobei COMPERA 2.0 bei den < 65-Jährigen und REVEAL 2.0 bei den ≥ 65-Jährigen eine bessere Differenzierung der Risikoprofile (Überleben) bot.

Subgruppenanalysen von randomisierten, kontrollierten Studien zeigen, dass auch bei Patient*innen mit IPAH und kardialen Komorbiditäten ein Kombinationstherapie-Versuch unter engmaschiger Kontrolle des Therapieerfolgs und der unerwünschten Wirkungen erwogen werden kann. IPAH-Patient*innen mit deutlich vermindertem DLCO (< 45 %) und/oder leichtgradigen bis moderaten Lungengerüstveränderungen sprechen nicht oder kaum auf PAH-spezifische Medikamente an [6] [9] [10] [13].

Die Daten aus dem Amsterdamer PH-Register wiesen bereits vor 10 Jahren darauf hin, dass die alterskorrigierte Prognose von IPAH-Patient*innen mit einer DLCO < 45 % signifikant schlechter als bei IPAH-Patient*innen mit einer DLCO ≥ 45 % ist. Die Autoren spekulierten, dass es sich hierbei ätiologisch um einen Subtyp der IPAH-Patient*innen handelt, bei denen die Erkrankung vermutlich durch das Inhalationsrauchen verursacht wird [9].

Olsson et al. zeigten, dass durch den Einsatz von PAH-Medikamenten bei 22 IPAH Patient*innen mit einer DLCO < 45 % und unauffälliger Lungenfunktion und CT-Thorax keine Verbesserung der Gehstrecke nach 3-monatiger Therapie erreicht werden konnte. Alle Patient*innen erhielten einen PDE 5-I und 4 Patient*innen einen ERA. Die 3-Jahres-Überlebensrate betrug 38 % [10].

Die Daten aus dem ASPIRE-Register (Sheffield, UK) zeigen, dass bei IPAH-Patient*innen mit einer milden Lungengerüstveränderung im CT-Thorax nach einer 1-jährigen Kombinationstherapie mit PAH-spezifischen Medikamenten keine Verbesserung der Belastbarkeit erreicht werden kann. Die Autoren folgerten, dass es sich bei diesen Patient*innen um einen anderen Phänotyp handeln muss [11]. Daten aus dem COMPERA- und ASPIRE-Register weisen darauf hin, dass rauchende IPAH-Patient*innen mit einer DLCO < 45 % eher der Gruppe 3 PH als der klassischen IPAH ähneln [13].

Die individuelle Therapieentscheidung im PH-Zentrum sollte v. a. bei PAH Patient*innen mit Linksherzphänotyp Faktoren wie Hämodynamik, Alter und Schwere der Komorbiditäten berücksichtigen. Prospektive, randomisierte Studien zur Einschätzung der Wirksamkeit und des Nebenwirkungsprofils bei PAH mit Komorbiditäten wären wünschenswert.

Weiterhin ist abseits der bislang besprochenen, spezifischen PAH-Therapieoptionen zu erwähnen, dass insbesondere bei IPAH-Patient*innen mit Komorbiditäten auf die klinische Stabilisierung und/oder adäquate Behandlung der vorliegenden Komorbiditäten (bspw. Frequenz- und Rhythmuskontrolle eines neu aufgetretenen Vorhofflimmerns, Blutdruckeinstellung, Volumenmanagement mittels Trinkmengenrestriktion) zur Minimierung des Risikos rezidivierender kardialer Dekompensationen und (zusätzlicher) Unverträglichkeit der PAH-Medikation geachtet werden sollte (siehe ergänzend auch Artikel „Allgemeine Maßnahmen und Management der pulmonal arteriellen Hypertonie “). Die Patient*innen sollten engmaschig nachkontrolliert werden. Bei fehlendem Ansprechen oder Erkrankungsprogression könnte ggf. eine Kombinationstherapie gegeben werden.


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Zusammenfassung

Subgruppenanalysen von randomisierten, kontrollierten Studien und Registerdaten zeigen, dass auch bei Patient*innen mit IPAH und kardialen Komorbiditäten, v. a. vom Linksherzphänotyp, ein Kombinationstherapieversuch unter engmaschiger Kontrolle des Therapieerfolgs und der unerwünschten Wirkungen erwogen werden kann. Das 4-Strata-Modell kann für das Monitoring und die Risikostratifizierung verwendet werden.

Die individuelle Therapieentscheidung sollte im PH-Zentrum getroffen werden. Dabei sollten Faktoren wie Hämodynamik, Alter, Phänotyp, Anzahl und Schwere der Komorbiditäten, Therapieansprechen, Nebenwirkungen und Patient*innenwunsch berücksichtigt werden. Prospektive, randomisierte Studien zur Einschätzung der Wirksamkeit und des Nebenwirkungsprofils bei PAH mit Komorbiditäten wären wünschenswert.

IPAH-Patient*innen mit einem überwiegend pulmonalen Phänotyp (Rauchen, DLCO < 45 % und/oder Lungengerüstveränderungen im CT) sprechen nach den bestehenden Daten möglicherweise weniger gut auf orale Medikamente an.


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Interessenkonflikt

E.G. hat Honorare für Vorträge/Konsultationen von Bayer/MSD, Ferrer, GEBRO, GSK, Janssen und OMT erhalten. Forschungsförderung für klinische Studien wurde von Acceleron, Actelion, BayerHealthCare, MSD, Bellerophon, GossamerBio, Janssen, Novartis, OMT, Pfizer, REATE und United Therapeutics erhalten.
M.H. hat Honorare für Vorträge/Konsultationen von AstraZeneca, Janssen und MSD erhalten.
C.N. hat Honorare für Vorträge/Konsultationen von Bayer/MSD, Ferrer, GSK, Janssen und OMT erhalten.
J.B. erhielt Honorare für Vorträge und Beratertätigkeit von Astra-Zeneca, Biogen, Boehringer-Ingelheim, BMS, Ferrer, Novartis, Roche und Sanofi-Genzyme. Für Tätigkeiten im Rahmen von Data Monitoring and Safety Boards erhielt er Honorare von Actelion und Galapagos. Es besteht kein Zusammenhang mit der vorliegenden Publikation.
K.M.K. hat Vortrags- und/oder Beratungshonorare erhalten von AOP, AstraZeneca, Chiesi, GSK, Janssen, MSD, Novartis, Sanofi.
J.R. hat keinen Interessenkonflikt.
M.L.: Unterstützung zur Teilnahme an medizinischen Kongressen/Fort- und Weiterbildungen von MSD, Orpha Swiss, Janssen. Advisory-Board-Tätigkeiten für MSD (bezahlt) und Orpha Swiss (unbezahlt).
N.B. erhielt Vortragshonorare des Universitätsspitals Zürich für Vortragstätigkeiten.
T.J.L. hat Honorare für Vorträge und/oder Beratungstätigkeit und/oder Unterstützung für die Teilnahme an Fortbildungen erhalten von Acceleron Pharma, AstraZeneca, Bayer, Boehringer Ingelheim, Ferrer, Gossamer Bio, Janssen Cilag, MSD, Orphacare und Pfizer.
S.U. hat Forschungsgelder des Schweizerischen Nationalfond, der Zürcher und Schweizer Lungenliga, der EMDO-Foundation, zudem Forschungsgelder und Unterstützung für Vorträge, Reisen und Beratungshonorare von Janssen SA, Orpha Swiss, MSD und Novartis erhalten, alle nicht im Zusammenhang mit dieser Arbeit.
H.W.: Referenten- und/oder Beratertätigkeit für Bayer AG, Biotest, Boehringer Ingelheim, Daiichi Sanchyo, Ferrer, GSK, Janssen, MSD und Roche.
C.G.: Advisory Board Treffen: Pfizer, Janssen, Bayer.
D.S.: Vortrags- und Beratungshonorare und/oder Forschungsunterstützung von AstraZeneca, Bayer, Boehringer Ingelheim, Chiesi, GSK, Janssen, MSD, Sanofi, DFG, BMBF.

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. E. Grünig
Leiter Zentrum für pulmonale Hypertonie
Thoraxklinik des Universitätsklinikums Heidelberg
Röntgenstraße 1
69126 Heidelberg
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. November 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

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Abb. 1 Therapiealgorithmus für Patienten mit idiopathischer, hereditärer, medikamentenassoziierter pulmonalarterieller Hypertonie (PAH) und Patienten mit assoziierter PAH bei Bindegewebserkrankungen. Die Abbildung zeigt den Therapiealgorithmus für PAH-Patienten modifiziert nach der 2022 publizierten PH-Leitlinie. Bei PAH-Patient*innen mit Komorbiditäten wird eine initiale orale Monotherapie mit einem PDE5-I oder ERA und regelmäßige Verlaufskontrollen empfohlen. Die Indikation zur gezielten Therapie ist individuell in einem PH-Zentrum zu stellen und anzupassen. Kardiopulmonale Komorbiditäten sind mit einem erhöhten Risiko für linksventrikuläre diastolische Dysfunktion assoziiert und beinhalten: Obesitas, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und koronare Herzerkrankung. Pulmonale Komorbiditäten äußern sich z. B. durch Zeichen milder Lungenparenchymerkrankung und sind oft vergesellschaftet mit einer eingeschränkten Diffusionskapazität (< 45 % des Sollwerts). CTD: Connective tissue disease – Kollagenose; ERA: Endothelin-Rezeptor-Antagonist; i. v.: intravenös; PAH: pulmonalarterielle Hypertonie; PCA: Prostazyklin-Analogon; PDE5i: Phosphodiesterase-5-Inhibitor; s. c.: subkutan; sGCs: löslicher Guanylatzyklase-Stimulator; *beinhaltet kardiale und pulmonale Komorbiditäten. Reproduced with permission of the © European Society of Cardiology & European Respiratory Society 2023: European Respiratory Journal 61 (1) 2200879; DOI: 10.1183/13993003.00879-2022 Published 6 January 2023 [rerif]
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Abb. 2 Empfehlungen für die Behandlung von nicht vasoreagiblen Patient*innen mit idiopathischer, hereditärer oder medikamentenassoziierter pulmonalarterieller Hypertonie, die kardiopulmonale Komorbiditäten aufweisena. Reproduced with permission of the © European Society of Cardiology & European Respiratory Society 2023: European Respiratory Journal 61 (1) 2200879; DOI: 10.1183/13993003.00879-2022 Published 6 January 2023 [rerif]