Pneumologie 2023; 77(08): 461-543
DOI: 10.1055/a-2070-2135
Leitlinie

S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023[*]

herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.Diagnosis and treatment of asthma: a guideline for respiratory specialists 2023published by the German Respiratory Society (DGP) e. V.
Marek Lommatzsch
 1   Zentrum für Innere Medizin, Abt. für Pneumologie, Universitätsmedizin Rostock
,
Carl-Peter Criée
 2   Praxis für Innere Medizin und Pneumologie, Northeim
,
Carmen C. M. de Jong
 3   Abteilung für pädiatrische Pneumologie, Abteilung für Pädiatrie, Inselspital, Universitätsspital Bern
,
Monika Gappa
 4   Klinik für Kinder und Jugendliche, Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf
,
Christian Geßner
 5   Pneumologische Praxis, Leipzig
,
Michael Gerstlauer
 6   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Augsburg
,
Nina Hämäläinen
 7   Institut für Lungenforschung, Berlin
,
Peter Haidl
 8   Abteilung für Pneumologie II, Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft GmbH, Schmallenberg
,
Eckard Hamelmann
 9   Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Klinikum Bethel, Bielefeld
,
Fritz Horak
10   Allergiezentrum Wien West, Wien
,
Marco Idzko
11   Abteilung für Pulmologie, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Medizinische Universität Wien
,
Atanas Ignatov
12   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg
,
Andreas Rembert Koczulla
13   Schön-Klinik Berchtesgadener Land, Berchtesgaden
33   Klinik für Innere Medizin Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Marburg
,
Stephanie Korn
14   Pneumologie und Beatmungsmedizin, Thoraxklinik, Universitätsklinikum Heidelberg
,
Michael Köhler
15   Deutsche Patientenliga Atemwegserkrankungen, Gau-Bickelheim
,
Christiane Lex
16   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
,
Jochen Meister
17   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Helios Klinikum Aue
,
Katrin Milger-Kneidinger
18   Medizinische Klinik und Poliklinik V, LMU München
,
Dennis Nowak
19   Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, LMU München
,
Monika Nothacker
20   Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
,
Oliver Pfaar
21   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Sektion für Rhinologie und Allergie, Universitätsklinikum Marburg, Philipps-Universität Marburg, Marburg
,
Wolfgang Pohl
22   Gesundheitszentrum Althietzing, Karl Landsteiner Institut für klinische und experimentelle Pneumologie, Wien
,
Alexandra M. Preisser
23   Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Klaus F. Rabe
24   Pneumologie, LungenClinic Großhansdorf, UKSH Kiel
,
Josef Riedler
25   Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, Kardinal Schwarzenberg Klinikum Schwarzach
,
Olaf Schmidt
26   Pneumologische Gemeinschaftspraxis Koblenz
,
Jens Schreiber
27   Universitätsklinik für Pneumologie, Universitätsklinikum Magdeburg
,
Antje Schuster
28   Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
,
Maren Schuhmann
29   Lungenfacharztpraxis Konstanz
,
Thomas Spindler
30   Medizin Campus Bodensee, Friedrichshafen
,
Christian Taube
31   Klinik für Pneumologie, Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik
,
Johann Christian Virchow
 1   Zentrum für Innere Medizin, Abt. für Pneumologie, Universitätsmedizin Rostock
,
Christian Vogelberg
32   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
Claus Franz Vogelmeier
33   Klinik für Innere Medizin Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Marburg
,
Felix Wantke
34   Floridsdorfer Allergiezentrum, Wien
,
Wolfram Windisch
35   Lungenklinik Köln-Merheim, Lehrstuhl für Pneumologie, Universität Witten/Herdecke
,
Heinrich Worth
36   Pneumologische & Kardiologische Gemeinschaftspraxis, Fürth
,
Angela Zacharasiewicz
37   Abteilung für Kinder und Jugendheilkunde, Klinik Ottakring, Wien
,
Roland Buhl
38   Klinik für Pneumologie, Zentrum für Thoraxerkrankungen, Universitätsmedizin Mainz
,
Weitere beteiligte Wissenschaftliche Fachgesellschaften und Organisationen: Deutsche Atemwegsliga e. V., Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V., Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e. V., Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V., Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e. V., Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e. V., Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e. V., Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner, Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Österreichische Gesellschaft für Pneumologie, Deutsche Patientenliga Atemwegserkrankungen e. V. › Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Das Management von Asthma hat sich in den letzten Jahrzehnten fundamental gewandelt. Die vorliegende Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Asthma wurde für pneumologisch tätige Fachärztinnen und Fachärzte entwickelt, welche detaillierte und evidenzbasierte Informationen zu den neuen diagnostischen und therapeutischen Optionen von Asthma benötigen. Die Leitlinie zeigt die neue Bedeutung der Biomarker, insbesondere der Bluteosinophilen und des exhalierten NO (FeNO), in den diagnostischen Algorithmen von Asthma. Als erste Asthma-Leitlinie weltweit benennt die vorliegende Leitlinie die nachhaltige Symptomprävention und die Asthma-Remission als Asthma-Therapieziele, welche durch den Einsatz individuell angepasster, krankheitsmodifizierender Medikamente (wie inhalative Steroide, Allergenimmuntherapie oder Biologika) erreicht werden können. Die zentrale Bedeutung der Behandlung von typischen Asthma-Komorbiditäten wird zudem betont. Schließlich wird auch auf besondere Herausforderungen im Asthma-Management eingegangen, wie bspw. die Therapie von Asthma in der Schwangerschaft, die Behandlung von schwerem Asthma oder die Diagnostik und Therapie von arbeitsbedingten Asthma-Formen.


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Abstract

The management of asthma has fundamentally changed during the past decades. The present guideline for the diagnosis and treatment of asthma was developed for respiratory specialists who need detailed and evidence-based information on the new diagnostic and therapeutic options in asthma. The guideline shows the new role of biomarkers, especially blood eosinophils and fractional exhaled NO (FeNO), in diagnostic algorithms of asthma. Of note, this guideline is the first worldwide to announce symptom prevention and asthma remission as the ultimate goals of asthma treatment, which can be achieved by using individually tailored, disease-modifying anti-asthmatic drugs such as inhaled steroids, allergen immunotherapy or biologics. In addition, the central role of the treatment of comorbidities is emphasized. Finally, the document addresses several challenges in asthma management, including asthma treatment during pregnancy, treatment of severe asthma or the diagnosis and treatment of work-related asthma.


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Einleitung

Asthma als große Volkserkrankung wird sowohl pneumologisch-fachärztlich als auch nicht-fachärztlich versorgt. Die Evidenzlage zur Diagnostik und Therapie von Asthma und die allgemeinen Grundsätze zum Management der Erkrankung sind in der S3-Leitlinie der NVL Asthma (letzte Aktualisierung 2020) hinterlegt: Bezüglich der Evidenztabellen und Evidenzgrade wird daher auf diese Leitlinie verwiesen [1]. Die vorliegende fachärztliche S2k-Asthma-Leitlinie ist spezifisch für pneumologisch tätige Fachärztinnen und Fachärzte entwickelt worden, die für ihre Tätigkeit ein tieferes Verständnis der Pathophysiologie, ein deutlich breiteres Portfolio an diagnostischen Möglichkeiten und einen schärferen Blick auf die große Bandbreite der therapeutischen Optionen von Asthma, insbesondere auch von schwerem Asthma, benötigen. Des Weiteren geht diese Leitlinie auch auf bestimmte fachärztliche Herausforderungen ausführlich ein, wie z. B. die verschiedenen Facetten der Akuttherapie von Asthma, das Management von Asthma in der Schwangerschaft, berufsassoziierte Asthma-Erkrankungen und das Management von typischen Komorbiditäten (inklusive auch potenzieller psychischer Begleit-Erkrankungen).


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Wesentliche Neuerungen

Im Vergleich zur Leitlinie aus dem Jahre 2017 [2] ergeben sich zudem folgende wesentliche Änderungen:

  • Darlegung der neuen Daten zur Pathophysiologie der Erkrankung (Kap. 1.3) und zu den verschiedenen Asthmaformen (Kap. 1.5), insbesondere ausführliche Darlegung der zunehmenden Bedeutung der Einteilung der Erkrankung anhand der Typ-2-Marker-Expression und anhand des Alters bei Erkrankungsbeginn (Early-onset-versus Adult-onset-Asthma) (neue [ Abb. 1 ]).

  • Neue Definition von schwerem Asthma (Kap. 1.6 und neue [ Abb. 2 ]).

  • Neue Evidenz zur Bedeutung der Typ-2-Biomarker bei Asthma: Bluteosinophile (Kap. 2.4.3) und FeNO (Kap. 2.4.4). FeNO wird erstmals als unverzichtbarer Bestandteil der fachärztlichen Asthma-Diagnostik bezeichnet (Kap. 2.4.4).

  • Komplett überarbeitete Diagnostik-Algorithmen für Kinder und Jugendliche (Kap. 2.7.1 und neue [ Abb. 3 ]) sowie für Erwachsene (siehe Kap. 2.7.2 und neue [ Abb. 4 ]), mit neuer Rolle der Typ-2-Marker für die Diagnosestellung eines Asthma. Es wird betont, dass Asthma eine klinische Diagnose bleibt, welche nur in Zusammenschau verschiedener Diagnostikbausteine gestellt werden kann (neue Box 2).

  • Neue Empfehlungen zur Allergenimmuntherapie (AIT) bei Asthma, sowohl zur Prävention der Entstehung eines Asthma (Kap. 3.2.1) als auch zur Therapie eines bestehenden allergischen Asthma (Kap. 3.2.2).

  • Neues Konzept der medikamentösen Asthma-Therapie: weg von der Symptom-Bekämpfung mit kurzwirksamen und nebenwirkungsreichen Medikamenten, hin zur Symptom-Prävention mit nachhaltigen und nebenwirkungsarmen Medikamenten (siehe Kap. 4.1). Erstmalige Formulierung des langfristigen Ziels der Asthma-Therapie: das Erreichen und der Erhalt einer Asthma-Remission (Remissions-Kriterien sind im Box 4 aufgeführt).

  • Aktualisierte Stufentherapie bei Kindern und Jugendlichen (Kap. 4.4 und [ Abb. 6 ]) und bei Erwachsenen (Kap. 4.3 und [ Abb. 5 ]). Die Rolle von Theophyllin und Montelukast wird deutlich kritischer als in der früheren Leitlinie gesehen.

  • Komplett überarbeitetes Kapitel zu schwerem und schwierigem Asthma (Kap. 4.5), inklusive ausführlicher Darstellung der Biologika-Therapie (neuer Algorithmus in [ Abb. 7 ]). Neu ist das klare Primat einer Biologika-Therapie bei schwerem Asthma: Eine Langzeittherapie mit oralen Steroiden darf nur noch in begründeten Ausnahmefällen und bei Versagen der Biologika-Therapien erfolgen.

  • Neues Kapitel zur Diagnostik und Therapie einer tertiären Nebenniereninsuffizienz nach reduzierter oder beendeter langjähriger Steroidtherapie bei Asthma (Kap. 4.5.2).

  • Überarbeitetes Kapitel zu nichtmedikamentösen Maßnahmen bei Asthma (Kap. 5), inklusive neuer Empfehlungen zur Patientenschulung, Atemphysiotherapie und Rehabilitation bei Asthma.

  • Aktualisierte Darstellung der Evidenz zur Akuttherapie von Asthma, inklusive neuer Empfehlungen zur Beatmung und Sauerstoff-High-Flow-Therapie (Kap. 6).

  • Neues Kapitel zur Berufswahl bei Jugendlichen mit Asthma (Kap. 7.1).

  • Ausführlichere und aktualisierte Empfehlungen zum Asthma-Management während der Schwangerschaft (Kap. 8).

  • Erweiterte Darstellung der Evidenz zum Management von Komorbiditäten, insbesondere auch zur chronischen Rhinosinusitis (mit und ohne Nasenpolypen) (Kap. 9). Die zentrale Rolle der Therapie von Komorbiditäten beim Asthma-Management wird klarer als früher betont.

  • Komplett überarbeitetes Kapitel zum Wechselspiel von Asthma und Psyche (Kap. 9.9), mit spezifischen Erläuterungen zur psychischen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma (Kap. 9.9.2) und zu psychischen Komorbiditäten bei Asthma (Kap. 9.9.3). Konsequenzen für die Praxis werden erstmals stichpunktartig dargelegt (Kap. 9.9.4).

  • Neues Kapitel zu digitalen Unterstützungssystemen in der Diagnostik und Therapie von Asthma, inklusive Darlegung der aktuellen Evidenz (Kap. 10.2) und eines Ausblicks in die Zukunft (Kap. 10.4).


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1 Definition, Pathophysiologie und Erkrankungsformen

1.1 Definition von Asthma

Asthma ist eine heterogene, multifaktorielle, chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege, die meist durch eine bronchiale Hyperreagibilität und/oder eine variable Atemwegsobstruktion charakterisiert ist und sich klinisch durch respiratorische Symptome (Luftnot, Brustenge, Giemen, Husten) wechselnder Intensität und Häufigkeit äußern kann.


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1.2 Epidemiologie, Erkrankungsverläufe und Mortalität

Die Prävalenzdaten bezüglich der durch einen Arzt gestellten Diagnose Asthma sind weltweit sehr unterschiedlich, die Zahlen schwanken zwischen 1,8 % in Vietnam und 32,8 % in Australien [3]. In Deutschland wurde im Jahre 2013 die Lebenszeit-Prävalenz mit 8,4 % beziffert [4]. Die Prävalenz von Asthma hatte im 20. Jahrhundert in vielen Ländern zugenommen (insbesondere bei Kindern und Jugendlichen), in den letzten Jahren scheint die Asthmaprävalenz in westlichen Ländern leicht rückläufig zu sein [5] [6] [7] [8]. Die Prävalenz von Asthma ist in den hochentwickelten westlichen Ländern höher als in sog. Entwicklungs- und Schwellenländern, in den letzten Jahren nähern sich die Prävalenzraten jedoch einander an [6]. Es liegen wenig Daten zur Prävalenz von Asthma vor, welches erstmals im Erwachsenenalter auftritt (Adult-onset-Asthma: Beschwerdebeginn ab dem 18. Lebensjahr), es werden Prävalenzen zwischen 2,4–6,8 % (mit erheblichen ethnischen Unterschieden) postuliert [9]. Aussagekräftige Studien zur Asthmaprävalenz im hohen Lebensalter fehlen.

Asthma kann in allen Lebensaltern erstmals auftreten, und muss nicht lebenslang persistieren. Es gibt transiente Asthmaformen, bei denen die Beschwerden auf die Kindheit und Jugend begrenzt sind ([ Abb. 1 ]): Mehr als die Hälfte der Menschen, bei denen im Kindesalter ein Asthma diagnostiziert wurde, haben im Erwachsenenalter keine asthmatypischen Symptome mehr [10], möglicherweise aber eine persistierende, klinisch inapparente Atemwegspathologie [11] [12]. Asthma, welches im Kindes- oder Jugendalter erstmals auftritt, kann bis in das Erwachsenenalter persistieren (Early-onset-Asthma) ([ Abb. 1 ]) und ist fast immer mit dem Vorliegen von Allergien gegenüber typischen Aeroallergenen bzw. einer allergischen Rhinokonjunktivitis assoziiert [11]. Asthma kann jedoch auch erstmals im Erwachsenenalter auftreten (Adult-onset-Asthma) ([ Abb. 1 ]): Diese Asthmaformen sind seltener mit Allergien assoziiert, jedoch häufiger mit einer chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) und anderen Komorbiditäten wie GERD oder Diabetes [13]. Im Vergleich zum Early-onset-Asthma neigt Adult-onset-Asthma häufiger zu schweren Verlaufsformen und zu häufigeren Exazerbationen [13]. Unklar ist, ob es sich beim Adult-onset-Asthma immer um eine Asthma-Erstmanifestation handelt oder bei einigen Patienten auch um ein Rezidiv einer (nicht erinnerten oder nicht perzeptierten) chronischen Atemwegserkrankung aus der Kindheit und Jugend [11]. Zudem gibt es Patienten, die über ein (oft prädominant allergisches) Asthma in der Kindheit berichten und dann nach einer subjektiven Beschwerdefreiheit oder Beschwerdearmut über mehrere Jahre oder Jahrzehnte ein (oft prädominant intrinsisches) Asthma entwickeln: Ob es sich hier um eine zufällige Koinzidenz zweier Erkrankungen (transiente Asthmaform in der Kindheit und Adult-onset-Asthma) oder um einen pathophysiologischen Zusammenhang handelt (im Sinne eines Asthma-Rezidivs), ist aktuell unklar ([ Abb. 1 ]). Bei unbehandeltem und persistierendem Asthma, insbesondere bei fehlender oder unzureichender adäquater antiinflammatorischer Therapie, ist mit zunehmender Krankheitsdauer zu beobachten, dass eine fixierte Atemwegsobstruktion mit anhaltenden, nicht mehr oder wenig reversiblen Beschwerden und einem akzelerierten Abfall der Lungenfunktion auftritt [14]. Bei einer adäquaten Therapie ist die Lebenserwartung der Patienten mit Asthma vergleichbar derjenigen gesunder Menschen, die Nebenwirkungen einer adäquaten Therapie (v. a. der Therapie mit inhalativen Glukokortikoiden) sind im Verhältnis dazu sehr gering [15]. Die Asthma-Mortalität hat weltweit zwischen 1990 und 2019 um mehr als 50 % abgenommen [8], in Deutschland zwischen 1998 und 2020 sogar um mehr als 70 % [16]. An einem Status asthmaticus starben im Jahr 2020 in Deutschland noch 31 Patienten [16]. Die Abnahme der Mortalität betrifft alle Altersgruppen einschließlich der kindlichen Asthmatodesfälle. Diese Entwicklung wird im Wesentlichen der Therapie mit inhalativen Glukokortikoiden (ICS) zugeschrieben [17].

Zoom Image
Abb. 1 Asthmaformen je nach Alter bei Erstmanifestation, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Neben transienten Formen von Giemen/Asthma in der Kindheit und Jugend werden 2 wesentliche Formen eines persistierenden Asthma unterschieden: Early-onset-Asthma (Beschwerdebeginn im Kindes- oder Jugendalter, fast immer assoziiert mit Allergien bzw. allergischen Komorbiditäten) und Adult-onset-Asthma (Beschwerdebeginn ab dem 18. Lebensjahr, seltener mit Allergien assoziiert). Bei einigen Patienten tritt sequenziell ein (oft allergisches) Asthma in der Kindheit und ein (oft intrinsisches) Asthma im Erwachsenenalter auf („gemischtförmiges Asthma“): Ob hier ein pathogenetischer Zusammenhang besteht, ist aktuell hypothetisch. Generell gibt es aktuell wenig Daten über die pathophysiologischen Zusammenhänge oder Übergänge zwischen den Atemwegserkrankungen des Kindes- und Jugendalters und des Erwachsenenalters: Dies ist als „Black box“ gekennzeichnet. Adaptiert nach [11].

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1.3 Charakterisierung und Pathophysiologie der Erkrankung

Asthma ist charakterisiert durch:

  • eine chronische Entzündung der Atemwege (Entzündungsmarker), in Verbindung mit strukturellen Umbauprozessen (Pathologie),welche zu

  • einer reversiblen Bronchialobstruktion unterschiedlicher Ausprägung und/oder einer bronchialen Hyperreagibilität (BHR) führt (Lungenfunktionsprüfung)

  • und sich klinisch durch das Auftreten respiratorischer Symptome wie Luftnot, Brustenge, Giemen oder Husten, welche in Intensität und Häufigkeit variieren, manifestiert (Symptome).

Dies gilt unabhängig vom Asthmaschweregrad. Die unbehandelte Erkrankung führt zu rezidivierenden Episoden von Atemnot, typischen Atemnebengeräuschen sowie Engegefühl in der Brust und/oder Husten, besonders nachts und in den frühen Morgenstunden. Derartige Asthmabeschwerden sind meist entweder spontan oder nach adäquater Behandlung reversibel. Vermehrte Sputumproduktion als Zeichen der Hypersekretion kann ebenfalls ein Asthmasymptom sein. Als Asthmaexazerbationen werden Phasen einer progredienten Zunahme der Asthmasymptome und/oder Abnahme der Lungenfunktion bezeichnet, welche über das für den Patienten übliche Maß an Variabilität hinausgehen und welche einer Änderung bzw. Intensivierung der Therapie über mehrere Tage bedürfen. Der Begriff Exazerbation entspricht dem Begriff „akutes Asthma“ und schließt den Begriff „Asthmaanfall“ ein. Die Beschwerden im Rahmen von Exazerbationen können nur gering ausgeprägt oder auch schwergradig sein und ohne adäquate Behandlung bis zum Tode führen. Gehäufte Exazerbationen sind nicht automatisch mit einem schweren Asthma gleichzusetzen, da sie auch Ausdruck einer fehlenden oder unzureichenden Basistherapie, einer mangelnden Adhärenz oder persistierender Asthmatrigger sein können.

Die Limitierung des Atemflusses wird wesentlich durch vier Mechanismen vermittelt:

  • neuromuskulär vermittelte Bronchokonstriktion,

  • Ödem der Atemwegswände,

  • Verdickung der Atemwegswände durch entzündliche Infiltrate und Atemwegsumbau („Remodeling“),

  • Verlegung der Atemwege durch ein hochvisköses Sekret.

Asthma ist eine heterogene Erkrankung, sowohl bezüglich der Pathologie und klinischen Phänotypen als auch bezüglich des therapeutischen Ansprechens [14]. Das breite pathophysiologische Spektrum, welches zu den klinischen Symptomen eines Asthma führen kann, beinhaltet folgende Mechanismen [18] [19] [20]:

  • epitheliale und subepitheliale Veränderungen,

  • immunologische (chronisch-entzündliche) Veränderungen,

  • neuromuskuläre Veränderungen,

  • vaskuläre Veränderungen.

Durch Freisetzung von Zytokinen, Chemokinen und Wachstumsfaktoren sind diese zellulären Systeme miteinander vernetzt und beeinflussen sich gegenseitig. Patienten mit Asthma können in einem oder mehreren der o.g. Systeme schwerpunktmäßig Veränderungen aufweisen und können sich daher voneinander klinisch, diagnostisch und therapeutisch unterscheiden. Trotz dieser Unterschiede haben die verschiedenen Asthmaformen das Merkmal der Atemwegshyperreagibilität meist gemeinsam. Neuromuskuläre Hyperreagibilität und geometrische Veränderungen infolge der verdickten Atemwegswand werden als wichtigste Effektor-Mechanismen der Atemwegshyperreagibilität diskutiert [20]. Die zur Messung der Atemwegsreagibilität eingesetzten Substanzen (wie Methacholin, Histamin oder Kaltluft) detektieren verschiedene Aspekte der zellulären Veränderungen in den Atemwegen und können daher in Einzelfällen diskrepante Befunde ergeben. In der klinischen Manifestation ist die Hyperreagibilität jedoch relativ uniform und weitgehend unabhängig vom Asthmasubtyp.


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1.4 Faktoren, die die Entwicklung und den Schweregrad eines Asthma beeinflussen

Einflussfaktoren, welche die Entwicklung von Asthma oder den Schweregrad von Asthma oder beides beeinflussen, können in endogene und exogene Faktoren unterschieden werden [20].

1.4.1 Endogene Faktoren

  • Genetische Prädisposition
    Asthma hat eine starke erbliche Komponente. Diese ist jedoch sehr komplex und nicht auf einige wenige Gene zu reduzieren und nicht für alle Formen von Asthma homogen. Die multiplen genetischen Einflüsse auf die Entwicklung von Asthma, den Asthmaphänotyp und das Ansprechen auf Medikamente sind weiterhin Gegenstand der Forschung [21].

  • Körpergewicht
    Adipositas ist ein Risikofaktor für die Entwicklung, für einen ungünstigen Verlauf, einen erhöhten Schweregrad und ein mangelndes therapeutisches Ansprechen der Erkrankung. Hierbei scheinen sowohl mechanische Faktoren als auch Mediatoren wie Adipokine eine Rolle zu spielen [22]. Adipöse Patienten mit Asthma zeigen einen akzelerierten Abfall der FEV1 [23] und eine geringere Ansprechrate auf Glukokortikosteroide [24]. Bei Adipositas kann es auch zu falsch-positiven Ergebnissen der Hyperreagibilitätsmessung und somit zu Asthmafehldiagnosen kommen [25].

  • Geschlecht
    Das Geschlecht hat einen Einfluss auf die Entwicklung der Erkrankung, dieser Einfluss ist jedoch komplex und scheint sich im Laufe des Lebens zu wandeln. So ist im Kindesalter die Asthmaprävalenz beim männlichen Geschlecht höher, dies verändert sich ab dem Pubertätsalter bis zum Erwachsenenalter zu Lasten des weiblichen Geschlechts [10].

  • Psychische Faktoren
    Diese werden an anderer Stelle ausführlich beschrieben (siehe Kap. 9.9 Asthma und Psyche).


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1.4.2 Exogene Faktoren

  • Allergene
    Außen- und Innenraumallergene können Auslöser von Asthmaexazerbationen bei allergischem Asthma sein, die Rolle der Allergene bei der Asthmaentstehung ist jedoch bislang unklar. Einerseits wird postuliert, dass Allergene Asthma direkt auslösen können, andererseits wird angenommen, dass eine vorbestehende Atemwegspathologie („airway premodeling“) durch Allergene und eine allergische Entzündung (besonders im Zusammenspiel mit frühkindlichen Atemwegsinfekten) lediglich aggraviert wird [20] [26] [27]. Der Zeitpunkt und das Ausmaß der Allergenexposition könnten einen Einfluss darauf haben, ob ein Allergen schädigend oder protektiv wirkt [28] [29]. Frühe allergische Sensibilisierung und Allergenexposition sind Risikofaktoren für die Entwicklung eines persistierenden Asthma [30]. Die genauen Ursachen, warum bestimmte Antigene oft zu Allergenen werden und andere Antigene nicht, sind bislang noch wenig verstanden [31].

  • Infektionen und Umweltbedingungen
    Es ist bis heute ungeklärt, ob Infektionen (z. B. Virusinfektionen) ein Asthma auslösen oder einer Asthmaentstehung entgegenwirken, die diesbezügliche Datenlage ist widersprüchlich [32] [33] [34], zudem könnten bei frühem Krankheitsbeginn (Early-onset-Asthma) auch begleitende Allergien eine Rolle spielen [35]. Wiewohl Luftverschmutzungen ein Asthma aggravieren können, ist deren Bedeutung für die Entstehung von Asthma noch nicht geklärt [36]. Im Gegensatz dazu gilt als gesichert, dass ein Aufwachsen auf einem traditionellen Bauernhof vor der Entwicklung eines Asthma schützt [37]. Als Ursachen dafür werden Tierkontakte, das Trinken von unpasteurisierter Milch und die Exposition gegenüber Endotoxinen oder anderen Pathogen-assoziierten Molekülen diskutiert, die Diversität an Mikroorganismen (und nicht deren Quantität oder Pathogenität) scheint hierbei eine wichtige Rolle zu spielen („Biodiversitäts-Hypothese“) [37].

  • Berufliche Expositionen
    Diese werden an anderer Stelle ausführlich beschrieben (siehe Kap. 7 Asthma und Arbeit).

  • Vitamin D
    Aktuell gibt es keine Evidenz dafür, dass eine Supplementierung von Vitamin D während der Schwangerschaft das spätere Auftreten von Asthma beim geborenen Kind reduziert [38]. Es wird ein Zusammenhang zwischen Asthmaschweregrad und Vitamin D-Mangel postuliert, klinische Studien konnten jedoch nicht nachweisen, dass Vitamin-D-Gaben die Asthmakontrolle verbessern [39]. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass eine Vitamin-D-Supplementierung die Asthma-Exazerbationsrate etwas senken kann [40].

  • Tabakrauch
    Zigarettenrauchen vermindert die Wahrscheinlichkeit einer Asthmakontrolle und führt zu vermehrten Exazerbationen und zu einem verminderten Ansprechen auf inhalative oder systemische Glukokortikoide bei Patienten mit Asthma [41]. Auch die passive Exposition mit Zigarettenrauch hat einen negativen Einfluss auf die Lungenfunktion, insbesondere in der frühen Kindheit und durch die Mutter während der Schwangerschaft (dieser Effekt beruht nicht auf einer Förderung von Allergien) [42]. Akute Tabakrauchexposition senkt die FeNO-Werte bei Patienten mit Asthma [43]. Die Bedeutung einer chronischen Tabakrauchexposition für die Asthma-typische Atemwegsentzündung und die Typ-2-Marker-Expression (wie Eosinophile oder FeNO) ist weniger klar, da bei Patienten mit schwerem Asthma und erheblicher Rauchanamnese (> 10 Packungsjahre) eine starke Typ-2-Marker-Expression nicht selten ist [44] [45]. Zusätzlich scheint Tabakrauchexposition autoimmune entzündliche Reaktionen in den Atemwegen zu induzieren [45].

  • Ernährung und Medikamente
    Zur Bedeutung der Ernährung, des Stillens und der Einnahme von Medikamenten für die Asthma-Entstehung wird auf die Leitlinie Allergieprävention [46](AWMF-Reg.-Nummer 061-016) verwiesen.


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1.5 Asthmaformen

Die Kriterien für die Diagnose eines Asthma schließen jegliche Kombination von Atembeschwerden, variabler Atemwegsobstruktion, Atemwegsüberempfindlichkeit und entzündlichen Schleimhautveränderungen ein. Des Weiteren findet sich auch ein variables Ansprechen auf medikamentöse Therapien. Dies führt naturgemäß zu einem heterogenen Krankheitsbild mit vielen verschiedenen Phänotypen [34]. Im Gegensatz zu „Endotypen“ (Gruppen mit einem definierten Pathomechanismus) werden „Phänotypen“ als Ausprägungen der Erkrankung bezeichnet, welche sich durch klinische (wie z. B. das Vorhandensein einer Allergie) und/oder laborchemische (wie z. B. die Vermehrung von Bluteosinophilen) Merkmale voneinander abgrenzen lassen. Die Unterteilung in Phänotypen ist aus klinischer Sicht allerdings nur sinnvoll, wenn diese Phänotypen sich im Krankheitsverlauf unterscheiden oder sich Konsequenzen für die Therapie ergeben [34]. Folgende, sich teilweise überschneidende Phänotypen werden gegenwärtig diskutiert.

1.5.1 Allergisches (extrinsisches) versus nicht-allergisches (intrinsisches) Asthma

Eine atopische Diathese, d. h. die Bereitschaft zur Produktion von IgE-Antikörpern gegen häufige Aeroallergene der Umwelt, ist der stärkste bislang identifizierte prädisponierende Faktor zur Asthmaentwicklung. Im Falle eines Nachweises von Sensibilisierungen gegen typische Allergene (z. B. im Pricktest oder durch Messung von spezifischem IgE im Serum) bei gleichzeitigem Allergenbezug der Asthmabeschwerden wird daher der Begriff allergisches bzw. extrinsisches Asthma verwandt. Eine erhöhte Gesamt-IgE-Konzentration im Serum ist (im Gegensatz zu erhöhten spezifischen IgE-Konzentrationen im Serum) wahrscheinlich ein eigenständiger Indikator, welcher nicht zwingend auf das Vorhandensein von Allergien hinweist [47] und u. a. durch eine polyklonale IgE-Vermehrung infolge von Superantigen-Stimulationen bedingt sein kann [48]. Allergien sind insbesondere im Kindes- und Jugendalter von pathogenetischer Relevanz (und finden sich hier bei der Mehrheit der Patienten), im höheren Erwachsenenalter können jedoch auch Allergien eine Rolle spielen, z. B. bei beruflich bedingtem Asthma. Beim allergischen Asthma können saisonale und perenniale Verlaufsformen unterschieden werden. Typische klinische Beispiele für saisonal akzentuiertes Asthma sind Allergien gegen Baum- oder Gräserpollen sowie Schimmelpilzsporen (z. B. Alternaria). Das saisonale Asthma ist häufig mit einer allergischen Rhinitis bzw. Rhinokonjunktivitis assoziiert [49]. Die Patienten können außerhalb der saisonalen Allergenexposition völlig asymptomatisch sein und eine normale Lungenfunktion aufweisen. Andererseits kann sich ein saisonales Asthma auch als zeitlich limitierte Akzentuierung der Beschwerden präsentieren. Der Schweregrad eines saisonalen Asthma variiert von Patient zu Patient und von Allergensaison zu Allergensaison, als Konsequenz der wechselnden Allergenkonzentration in der Atemluft. Vorangegangene Exazerbationen nach Allergenkontakt prädisponieren jedoch zu gehäuften Exazerbationen in späteren Jahren [50]. Häufige Ursachen eines perennialen allergischen Asthma sind die Hausstaubmilbenallergie und Tierhaarallergie. Kinder mit einer Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben oder Tierepithelien zeigen ein erhöhtes Risiko, später Asthma zu entwickeln [30].

Bei 30–50 % der Erwachsenen mit Asthma sind weder anamnestisch noch mittels Hauttest oder Bestimmung von spezifischem IgE im Serum Allergien gegen Umweltallergene nachweisbar. Diese Form des Asthma, die man als nicht allergisches oder intrinsisches Asthma bezeichnet (letzterer Begriff erscheint sinnvoller, da der fehlende Nachweis einer allergischen Sensibilisierung eine Allergie nicht ausschließt [51]), wird häufig durch Infektionen der Atemwege getriggert. Es finden sich immunpathologische Ähnlichkeiten zwischen extrinsischem und intrinsischem Asthma, wie die Vermehrung von Eosinophilen und die vermehrte NO-Produktion [44].

Mischformen sind möglich, insbesondere kann auch bei einem initial allergischen Asthma im Verlauf die intrinsische Komponente klinisch in den Vordergrund treten ([ Abb. 1 ]). Zudem kann trotz Nachweis einer spezifischen allergischen Sensibilisierung (im Hauttest oder in der Serologie) ein primär intrinsisches Asthma ohne Bezug zu dieser Sensibilierung vorliegen [52]. Die Unterscheidung in allergisches und intrinsisches Asthma ist von therapeutischer Bedeutung, da sich bei allergischen Asthmaformen spezifische Therapieoptionen ergeben können, wie die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) [53], die Allergenkarenz oder die Behandlung mit Biologika, die für Patienten mit Allergienachweis zugelassen sind [54].


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1.5.2 Asthmaformen mit unterschiedlich starker Typ-2-Marker-Expression

Die Erkenntnis, dass bestimmte Zytokine, insbesondere IL-5 und IL-13, nicht nur von Allergen-spezifischen T-Helfer-Zellen (Th2-Zellen) des adaptiven Immunsystems, sondern auch von Allergen-unspezifischen „innate lymphoid cells“ (ILC2-Zellen) des angeborenen Immunsystems freigesetzt werden können und zu ähnlichen Entzündungsmustern führen, resultierte in dem Konzept, beide Phänotypen der asthmatischen Entzündung unter dem Oberbegriff „Typ-2“-Asthma zusammenzufassen und die damit assoziierten Entzündungs-Marker (insbesondere Bluteosinophile und exhaliertes Stickstoffmonoxid, NO) als „Typ-2-Biomarker“ zu bezeichnen [18] [19]. Einerseits spricht eine Typ-2-Entzündung therapeutisch meist gut auf ICS und OCS an, andererseits beeinflussen ICS und OCS die Marker der Typ-2-Entzündung erheblich [55], sodass deren Bestimmung ggf. wiederholt werden sollte, idealerweise in einer stabilen Erkrankungsphase vor Beginn oder unter niedrigstmöglicher Glukokortikoid-Dosis. Die seitens der GINA [56] für Patienten mit Asthma unter bestehender ICS-Therapie vorgeschlagenen Grenzwerte auf eine Typ-2-Entzündung (siehe Box 1) stellen arbiträre Grenzen dar (es sind individuelle Verläufe und Erfahrungen aus der Praxis zu berücksichtigen) und sind nicht identisch mit den Biomarker-Zulassungs-Kriterien für einzelne Biologika. Das englische Register für schweres Asthma (UKSAR) schlägt je nach Bluteosinophilen-Konzentration und FeNO die Einteilung in ein „Type-2-High“-Asthma (FeNO ≥ 25 ppb und ≥ 150 Eosinophile/µl Blut) und ein „Type-2-Low“-Asthma vor (FeNO < 25 ppb und < 150 Eosinophile/µl Blut) [57]. Beide Biomarker sind jedoch starken individuellen Schwankungen ausgesetzt. Die Anzahl der Bluteosinophilen wird z. B. durch den Zeitpunkt des letzten Allergenkontakts und durch die Jahreszeit [58], die FeNO-Werte werden z. B. durch Infektionen oder Schadstoffexpositionen stark beeinflusst. Zudem werden beide Biomarker durch ICS-Therapien und durch eventuelle OCS-Therapien erheblich beeinflusst [55]. Daher wird seitens der GINA [56] eine mindestens 3-malige Messung der Biomarker zur genauen Eingrenzung des Phänotyps empfohlen. Es ist umstritten, ob ein „Type-2-Low“-Phänotyp überhaupt bei einem klassischen Asthma existiert [59]. Bei Nachweis niedriger Typ-2-Marker sollte geprüft werden, ob 1) möglicherweise eine andere Diagnose vorliegt, welche ein Asthma imitiert, 2) ob eine chronische Infektion das Entzündungsgeschehen überlagert und 3) ob die Typ-2-Marker durch eine hochdosierte Glukokortikoid-Therapie iatrogen supprimiert sind [59].

Box 1

Hinweise auf Vorliegen einer Typ-2-Entzündung gemäß GINA [56]

eosinophile Granulozyten im Blut ≥ 150/μl

und/oder

Stickstoffmonoxid im Exhalat (FeNO) ≥ 20 ppb

und/oder

eosinophile Granulozyten im Sputum ≥ 2 %

und/oder

klinische Hinweise auf eine allergische Pathogenese (positive Anamnese in Zusammenhang mit Nachweisen einer entsprechenden Sensibilisierung gegen typische Aeroallergene).


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1.5.3 Asthmaformen mit unterschiedlich starker Eosinophilie

Asthma kann anhand der Menge an nachgewiesenen Eosinophilen in ein „eosinophiles“ und „nicht-eosinophiles“ Asthma eingeteilt werden: Diese Unterscheidung erfolgt anhand von Sputumuntersuchungen und/oder Messungen des Differenzialblutbildes [34]. Bei Sputumuntersuchungen kann bei geringem Nachweis von Eosinophilen (< 3 %) weiter in neutrophile oder pauci-granulozytäre (kein Nachweis einer Granulozytenvermehrung) Subtypen unterschieden werden. Anhand von Sputumuntersuchungen wurde postuliert, dass bis zu 50 % aller Patienten mit mildem bis moderatem Asthma ein „nicht-eosinophiles“ Asthma hätten [60], Blutuntersuchungen widersprechen dem jedoch [61]. Auch ist die Menge an Eosinophilen im Sputum im Zeitverlauf oft nicht stabil [62], zudem wird der prozentuale Anteil der Eosinophilen im Sputum durch eine ICS-Therapie gesenkt und kann durch Neutrophilenvermehrungen im Rahmen von Infektionen überlagert sein [59]. Im klinischen Alltag ist insbesondere die Untersuchung der Bluteosinophilen mittels Differenzialblutbild (Angabe in Zellen/µl) von Bedeutung, wenngleich eine erhebliche Überlappung zwischen den Bluteosinophilen-Konzentrationen von gesunden Erwachsenen ohne Asthma (Median: 110 Eosinophilen/µl Blut [63]) und Patienten mit der Diagnose Asthma (Median: 200 Eosinophilen/µl Blut [64]) besteht. Ab welchem Grenzwert der Bluteosinophilen-Konzentration von einer „Blut-Eosinophilie“ gesprochen werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Würde man einen Grenzwert von 150 Eosinophilen/µl postulieren, wäre die Mehrheit der Patienten mit Asthma „eosinophil“, würde man einen Grenzwert von 300 Eosinophilen/µl postulieren, wäre die Mehrheit „nicht-eosinophil“. Unklar ist aktuell, inwiefern ein „eosinophiles“ Asthma mit einem „Type-2“-Asthma gleichzusetzen ist [65]. Die Bluteosinophilen-Konzentrationen sind bei intrinsischem Asthma oft höher als bei allergischem Asthma [44], daher war früher der Begriff „eosinophiles“ Asthma in die Nähe des Begriffes „intrinsisches“ Asthma gerückt worden (auch bei allergischem Asthma findet sich jedoch eine Eosinophilenvermehrung, u. a. kann eine Allergenexposition zu erheblichen Eosinophilen-Anstiegen führen). Therapeutisch bedeutsam ist, dass sich die Patienten mit eosinophilem und nicht-eosinophilem Phänotyp in ihrem Ansprechen auf ICS unterscheiden [66]. Desweiteren hat diese Klassifikation eine Bedeutung für die Indikationsstellung einer Biologikatherapie, da eine Eosinophilenvermehrung das Ansprechen auf bestimmte Biologika wahrscheinlicher macht (Omalizumab, Dupilumab, Tezepelumab) oder überhaupt erst ein Ansprechen voraussagt (Anti-IL-5-[R]-Biologika) [54].


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1.5.4 Cough-variant-Asthma („Husten als Asthma-Äquivalent“)

Eine Gruppe von Patienten, bei denen die Asthmadiagnose häufig nicht oder erst spät gestellt wird, sind Patienten mit einem „Cough-variant-Asthma“ (auch „Cough-type-Asthma“ oder „Cough-predominant-Asthma“ genannt) [67] [68]. Diese Patienten weisen einen chronischen trockenen Husten auf, dessen Ursache zunächst unklar ist. Es besteht eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität, weitere typische Symptome eines Asthma (z. B. Atemnot, Giemen und Brummen) fehlen dagegen. Die Lungenfunktion und die Röntgenaufnahme der Thoraxorgane sind normal. Husten als Asthma-Äquivalent ist eine häufige Ursache des chronisch persistierenden Hustens, meist ist eine Typ-2-Inflammation der zugrundeliegende Auslöser [69]. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind davon Husten bei Behandlung mit Inhibitoren des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE-Inhibitoren), Husten bei Patienten mit gastroösophagealem Reflux (GERD) oder Erkrankungen der oberen Atemwege (z. B. chronische Rhinitis, Sinusitis, Pharyngitis, Laryngitis) und chronischer idiopathischer Husten mit Erhöhung der Sensitivität des Hustenreflexes [68]. Ein Drittel der Patienten mit Cough-variant-Asthma entwickelt im weiteren Verlauf ein klassisches Asthma. Patienten mit Cough-variant-Asthma sprechen gut auf klassische anti-asthmatische Therapieoptionen an, eine frühzeitige Therapie kann den Übergang in ein klassisches Asthma verhindern [67].


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1.5.5 Sonstige Asthmaformen

Asthma bei Aspirin-Intoleranz („Aspirin-exacerbated respiratory disease“, AERD“ oder „NSAID-exacerbated respiratory disease“, „N-ERD“ genannt)

Patienten mit Asthma, die eine chronische Sinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) aufweisen [70], können eine Intoleranz gegenüber Hemmern der Cyclooxygenase-1 (COX-1) wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen aufweisen (sog. Widal-Trias oder Samter-Trias) [71]. Es wird vermutet, dass diese pharmakologische Intoleranz eine vorbestehende Schädigung der Atemwege lediglich aggraviert. Die genaue Prävalenz ist unklar, Angaben schwanken zwischen 5,5 % und 12,4 % der Asthmapatienten [72]. Bei schwereren Asthmaformen ist die N-ERD-Prävalenz höher (14,9 %) [72]. Frauen sind häufiger als Männer betroffen, es handelt sich überwiegend um intrinsisches Asthma [72]. Bei der N-ERD geht die CRSwNP der Asthmaentstehung meist voraus, der typische Erkrankungsbeginn liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Pathogenese dieser Asthmaform ist bis heute unklar, eine Dysregulation pro- und antiinflammatorischer Lipidmediatoren mit einer gesteigerten Endorgan-Sensitivität gegenüber diesen Mediatoren scheint jedoch eine Rolle zu spielen [71]. Die Identifizierung dieses Asthmasubtyps ist von klinisch-praktischer Bedeutung, da einerseits eine COX-1-Hemmer-Einnahme vermieden werden muss (empfohlene Alternative: Paracetamol) und andererseits eine Dauertherapie mit ASS („adaptive Desaktivierung“) sowohl die CRSwNP als auch das Asthma deutlich bessern kann [71]. Patienten mit Widal-Trias (Samter-Trias) werden jedoch immer häufiger mit Biologika statt mit einer adaptiven Desaktivierung behandelt, v. a. aufgrund der besseren Verträglichkeit und Praktikabilität der Biologika-Therapie, aber auch aufgrund der guten Wirksamkeit der Biologika in dieser Konstellation [73] [74]. Nur bei einem Teil der Patienten mit schwerem Asthma und N-ERD werden unter einer Biologika-Therapie COX-1-Hemmer wieder vertragen [75] [76]: Dies spricht dafür, dass sowohl die Pathogenese der N-ERD als auch die Wirkung der adaptiven Desaktivierung komplex ist und nicht auf einen singulären Mechanismus zurückzuführen ist [77].

Asthma und körperliche Belastung

Wenn Atemwegsobstruktionen ausschließlich bei Belastung auftreten, wird in der Literatur der Begriff „Anstrengungs-induzierte Bronchokonstriktion“ („Exercise-induced Bronchoconstriction, EIB“) empfohlen [78]. Bei Menschen, die Ausdauersportarten betreiben (insbesondere Hochleistungssportarten mit hohen Atemminutenvolumina), kommt es gehäuft zur Entwicklung eines Asthma (welches sich entweder nur bei Anstregung manifestiert oder als klassisches Asthma imponiert). Als Ursache wird eine wiederholte Austrocknung der Schleimhäute, die ein Remodeling der Atemwege und die Entwicklung einer bronchialen Hyperreagibilität fördert, postuliert [79]. Bei behandeltem Asthma kann das Auftreten von anstrengungsinduzierter Bronchialobstruktion Hinweis auf eine nicht ausreichende Asthmakontrolle sein. Die Asthmatherapie von Leistungssportlern (die sich grundsätzlich nicht von der klassischen Asthmatherapie unterscheidet) ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Behandlung mit Beta-2-Sympathomimetika den Regularien der WADA (World Anti-Doping Association) unterliegt [79]. Informationen über die aktuellen Regularien sind bei den nationalen Anti-Doping-Agenturen Deutschlands (www.nada.de), Österreichs (www.nada.at) und der Schweiz (www.antidoping.ch) zu erfahren.

Asthma bei älteren Patienten

Bei älteren Patienten wird die Diagnose eines Asthma oft nicht gestellt oder übersehen, da die Wahrscheinlichkeit der Erstdiagnose Asthma mit zunehmendem Alter abnimmt, die Lungenfunktion im Alter natürlicherweise abnimmt, die Perzeption der Beschwerden im Vergleich zu jüngeren Patienten häufig inadäquat ist und ältere Patienten oft Schwierigkeiten mit der Mitarbeit bei Lungenfunktionsprüfungen haben. Zudem ist die Abgrenzung von einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) schwierig, insbesondere von einer COPD bei Nierauchern (> 10 % aller COPD-Patienten über 70 Jahre [80]). Erschwert wird dies durch den Umstand, dass unterschiedliche Obstruktionsdefinitionen (FEV1/FVC < 70 % versus FEV1/FVC < LLN, siehe Kap. 2.3.1) [81] im höheren Alter zu unterschiedlichen Bewertungen der Lungenfunktion führen können. Dennoch ist ein undiagnostiziertes Asthma eine nicht seltene und behandelbare Ursache von Atembeschwerden bei älteren Menschen, der zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird [82]. Auf die diagnostischen Optionen zur Unterscheidung zwischen Asthma und COPD geht Kap. 2.9 ein. Die Unterscheidung eines Asthma von einer COPD ist u. a. daher wichtig, da eine Monotherapie mit inhalativen Beta-2-Sympathomimetika als Dauertherapie (die bei der COPD sicher und effektiv ist) bei Asthma die Symptomatik und Mortalität steigern kann [83].

Asthma und Sensibilisierung gegen Pilzantigene

Sensibilisierungen gegen Pilzantigene können Mitursache eines schweren Asthma sein [84]. Dies gilt insbesondere für die allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA), die neben einer Sensibilisierung gegen Aspergillus fumigatus durch hohe Gesamt-IgE-Spiegel (> 1000 IU/ml), pulmonale Infiltrate und zentrale Bronchiektasien gekennzeichnet ist und gut auf eine hochdosierte Glukokortikoidtherapie anspricht. Umstritten hingegen ist aktuell, ob das alleinige Vorliegen einer Sensibilisierung gegen diverse Pilzantigene ohne hohe Gesamt-IgE-Spiegel („Severe asthma with Fungal Sensitization: SAFS“) bereits einen abgrenzbaren Phänotyp des schweren Asthma darstellt und ob eine antimykotische Therapie in diesem Falle sinnvoll ist [85].


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1.6 Schweres Asthma

Es ist bislang umstritten, ob das sog. schwere Asthma („severe asthma“) eine eigene Asthmaform darstellt oder ob es sich lediglich um schwere Verlaufsformen der o. g. Asthmaphänotypen handelt [86]. Es wird eine Gesamt-Prävalenz des schweren Asthma von 3,6 % unter allen Patienten mit Asthma postuliert [87]. Die Prävalenz ist jedoch stark vom Alter bei Asthma-Erstmanifestation abhängig: Bei Patienten mit Erstmanifestation im Kindes- und Jugendalter („Early-onset-Asthma“) beträgt die Prävalenz 3 %, bei Patienten mit Asthma-Erstmanifestation zwischen dem 18. und 40. Lebensjahr 5 % und bei Patienten mit Asthma-Erstmanifestation nach dem 40. Lebensjahr 10 % [13]. Somit findet sich die Mehrheit der Patienten mit schwerem Asthma in der Gruppe der Patienten mit „Adult-onset-Asthma“: Patienten mit Erkrankungsbeginn im Erwachsenenalter bilden daher auch die Mehrheit in Spezialambulanzen für schweres Asthma [44].

Die Konsensusempfehlung der internationalen Fachgesellschaften (ERS/ATS) aus dem Jahre 2014 definiert schweres Asthma als eine Erkrankungsform, bei der unter hochdosierter ICS-Therapie (in Verbindung mit einem zweiten „Controller“ wie z. B. mit langwirksamen Beta-2-Sympathomimetika) oder systemischer Glukokortikoidtherapie keine ausreichende Asthmakontrolle erreicht wird (ACT < 20) bzw. wiederholte Exazerbationen auftreten oder eine erhebliche Atemwegsobstruktion persistiert [86] [88]. Diese Definition schloss schwierig zu behandelndes Asthma (bedingt durch Incompliance, inkorrekte Medikamenteneinnahme, Komorbidität oder mangelnde Elimination von Triggern) mit ein. Die Definition einer „hochdosierten ICS-Therapie“, als Voraussetzung für die Definition eines schweren Asthma gemäß ERS/ATS [88], entspricht den ICS-Höchstdosierungen bei Erwachsenen (siehe Kap. 4.3.5). Die seitens des ERS/ATS-Konsensus vorgeschlagenen Dosen erscheinen bei Erwachsenen sinnvoll, da sie den zugelassenen Maximaldosen und der klinischen Realität am ehesten entsprechen: Allerdings sind bei den höheren ICS-Dosen auch stärkere systemische Nebenwirkungen zu erwarten [89] [90].

Die neue Definition des „Schweren Asthma“ gemäß GINA [56] begrenzt diesen Begriff auf das therapierefraktäre Asthma. Ein vergleichbarer Algorithmus zur Eingrenzung der Diagnose wird daher auch von der Leitliniengruppe empfohlen ([ Abb. 2 ]). Bei Patienten, die unter einer maximalen inhalativen Triple-Therapie (ICS in Maximaldosis und LABA und eventuell LAMA) kein gut kontrolliertes Asthma aufweisen, soll zunächst überprüft werden, inwieweit es sich überhaupt um ein Asthma oder aber eine andere Erkrankung handelt ([ Abb. 2 ]). Bei gesicherter Asthma-Erkrankung als Ursache der Beschwerden wird die Erkrankung zunächst „Schwieriges Asthma“ genannt, und es soll im nächsten Schritt geprüft werden, 1) ob der Patient mit dem Inhalator zurechtkommt, die Inhalationstechnik beherrscht und regelmäßig inhaliert, 2) ob vermeidbare Asthmatrigger ausgeschaltet wurden und 3) ob Komorbiditäten, welche das Asthma aggravieren (siehe Kap. 9), leitliniengerecht behandelt werden. Wenn die genannten Punkte alle zutreffen und der Patient trotz maximaler inhalativer Therapie unter einem nicht gut kontrollierten Asthma leidet, soll laut GINA [56] von einem „Schweren Asthma“ gesprochen ([ Abb. 2 ]) und die Therapie mit Phänotyp-spezifischen Zusatz-Therapie-Optionen geprüft werden (siehe Kap. 4.1). Bei schwerem Asthma korreliert der klinische Schweregrad der Erkrankung oft nicht mit dem Ausmaß der lungenfunktionellen Einschränkung. Auch findet sich, im Gegensatz zu leichteren Asthmaformen, bei der Mehrheit der Patienten mit schwerem Asthma keine Akutreversibilität nach SABA-Inhalation [91] [92]. Bei Patienten mit schwerem Asthma spielen daher die genaue Anamnese-Erhebung, der Grad der Asthma-Kontrolle, die Erfassung der Biomarker und die Beurteilung des Therapie-Ansprechens eine besonders wichtige Rolle [86].

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Abb. 2 Definition von schwerem Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Bei Patienten mit nicht gut kontrolliertem Asthma unter maximaler inhalativer Therapie gemäß Stufenschema soll zunächst geprüft werden, ob die Diagnose Asthma wirklich vorliegt (ggf. sollten asthmaimitierende Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden). Bei Bestätigung der Diagnose Asthma soll dann geprüft werden, ob alle Asthma-Basismaßnahmen lege artis erfolgen: Falls dies der Fall ist und trotzdem ein nicht gut kontrolliertes Asthma persistiert, wird von „Schwerem Asthma“ gesprochen. * Unterschiedliche Definitionen einer maximalen inhalativen Therapie für Kinder/Jugendliche und Erwachsene (siehe ICS-Dosis-Tabellen und Text). ** Falls möglich: Die Einleitung einer dringend indizierten Biologika-Therapie soll durch eine noch nicht bewilligte oder durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme nicht verzögert werden.

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2 Diagnostik

E1: Die Diagnose Asthma soll anhand der Anamnese, charakteristischer Symptome und der Befunde der Lungenfunktionsprüfungen gestellt werden und sollte typische Biomarker berücksichtigen.

E2: Bei jungen Kindern, die zur Kooperation bei der Lungenfunktionsprüfung noch nicht in der Lage sind, ist die Diagnose-Stellung erschwert. Neben familien- und eigenanamnestischen Hinweisen auf atopische Erkrankungen sollen gezielt erfragt/getestet werden:

  • ≥ 3 asthmatypische Episoden im letzten Jahr,

  • stationärer Aufenthalt wegen Symptomatik einer Atemwegsobstruktion,

  • giemende Atemgeräusche/trockener Husten ohne Infekt, insbesondere bei körperlicher Anstrengung,

  • Ansprechen der Symptome auf einen Therapieversuch mit antiasthmatisch wirkenden Medikamenten,

  • Nachweis einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen und/oder Blut-Eosinophilie.

E3: Bei Patienten mit Asthma-typischen Symptomen und einer Atemwegsobstruktion mit Reversibilitätsnachweis soll die Diagnose des Asthma als gesichert gelten. Auch bei fehlender Reversibilität der Atemwegsobstruktion kann ein Asthma diagnostiziert werden, falls der Patient auf eine Kortikosteroid-Therapie gut anspricht und eine typische Biomarkerkonstellation und/oder eine bronchiale Hyperreagibilität bzw. PEF-Variabilität vorliegt.

E4: Bei Kindern und Jugendlichen kann auch bei numerisch „normalen“ Lungenfunktionswerten eine konkave Deformierung des exspiratorischen Schenkels der Fluss-Volumen-Kurve, die sich im Bronchodilatationstest als reversibel erweist, auf ein behandlungsbedürftiges Asthma hinweisen. Darüber hinaus schließt eine normale Ruhelungenfunktion ein behandlungsbedürftiges Asthma nicht aus.

E5: Bei Patienten mit charakteristischen Symptomen ohne Bronchialobstruktion ebenso wie bei fixierter, unter antiasthmatischer Therapie nicht vollständig reversibler Bronchialobstruktion sollte die Diagnose durch Verlaufsuntersuchungen und/oder durch Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität und/oder durch Nachweis der Variabilität der eine Bronchialobstruktion anzeigenden Parameter (z. B. FEV1, PEF) wahrscheinlich gemacht werden.

E6: Der Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität ohne charakteristische Symptome soll nicht als hinreichend für die Diagnose Asthma gelten, da auch Gesunde bronchial hyperreagibel sein können.

E7: Bei Patienten mit intermittierenden charakteristischen Symptomen ohne aktuelle Bronchialobstruktion, mit negativen Provokationstesten und niedrigen Typ-2-Markern und ohne Nachweis der Variabilität der eine Bronchialobstruktion anzeigenden Parameter sollte die Diagnose Asthma als unwahrscheinlich, bei uncharakteristischen Symptomen als ausgeschlossen gelten.

E8: Im Rahmen der Diagnostik bei Verdacht auf Asthma sollen ein Allergietest (Hauttest und/oder Bestimmung von spezifischem IgE im Serum) durchgeführt und sollte die Zahl der eosinophilen Granulozyten im Blut bestimmt werden. Ergänzend kann bei höheren Schweregraden die Bestimmung von Gesamt-IgE im Serum zur Therapie-Planung erforderlich sein. Die zusätzliche Bestimmung des exhalierten NO (FeNO) kann sowohl zur Diagnosesicherung als auch zur Therapie-Planung von Asthma durchgeführt werden.

S1: Das Vorliegen einer (allergischen) Rhinitis oder einer anderen allergischen Komorbidität oder einer chronischen Rhinosinusitis erhöht die Wahrscheinlichkeit der Diagnose Asthma.

Die Diagnose des Asthma beruht auf 2 Säulen:

  • sorgfältige Erfassung typischer anamnestischer Angaben, Komorbiditäten, Symptome, körperlicher Untersuchungsbefunde und Biomarker
    und

  • Nachweis einer variablen und/oder reversiblen Atemwegsobstruktion (Variabilität und Reversibilität) oder einer Überempfindlichkeit der Atemwege (bronchiale Hyperreagibilität) und/oder eines Ansprechens der Beschwerden auf eine Asthma-typische Therapie.

2.1 Anamnese

2.1.1 Kinder und Jugendliche

Klassischerweise liegen bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma anamnestisch wiederholte Episoden von erschwerter Atmung und Atemnot vor, oft begleitet von trockenem Husten, geräuschvoller (Giemen) und verlängerter Ausatmung, v. a. bei körperlicher Belastung und im Rahmen von viralen Atemwegsinfekten. In der initialen, ausführlichen Erhebung der Krankengeschichte soll nach familiärer Asthma- und Atopiebelastung, postpartalen Atembeschwerden, atopischen Erkrankungen in der Eigenanamnese (atopische Dermatitis, allergische Rhinokonjunktivitis, Nahrungsmittelallergien), Passivrauchbelastung und Allergenexposition (z. B. Haustiere und Schimmelbefall) gefahndet werden [93]. Zur Unterstützung können strukturierte Fragebögen, die diese Punkte umfassen, herangezogen werden. Nach schweren Atemwegsinfektionen, stationären Aufenthalten und der Möglichkeit einer Fremdkörperaspiration soll zusätzlich gezielt gefragt werden. Kurze Videosequenzen, welche z. B. die Eltern bzw. Betreuungspersonen zur Verfügung stellen, können dazu dienen, die anamnestisch erfragten Symptome auch im beschwerdefreien Intervall richtig einzuordnen [94]. Bei jedem Patientenkontakt soll der aktuelle Grad der Asthmakontrolle erfasst werden. Dabei wird nach Beschwerden bei körperlicher Aktivität oder Sport, nächtlichen Beschwerden und Gebrauch der Notfallmedikation gefragt. Dies sollte strukturiert z. B. über den (Kinder-)Asthmakontrolltest erfolgen. Je jünger die Kinder sind, desto schwieriger ist es, die Diagnose Asthma sicher zu stellen [95]. Viele Kleinkinder machen rezidivierende obstruktive Bronchitiden durch. Diese Episoden sind meist mit viralen Infekten assoziiert, die Patienten im Infekt-freien Intervall beschwerdefrei. I. d. R. verschwinden die Beschwerden bei dieser Gruppe nach dem 3. Lebensjahr [96]. Rezidivierend auftretende obstruktive Bronchitiden in der Gruppe der Kleinkinder können aber auch Ausdruck eines Asthma sein. Anamnestische Hinweise darauf wären giemende Atmung oder Husten ohne Vorliegen eines Infekts, z. B. bei körperlicher Anstrengung, nächtlichem Husten über mehrere Wochen, eine positive Asthma- oder Atopieanamnese in der Familie oder atopische Vorerkrankungen wie eine atopische Dermatitis [93]. Bei Hinweisen in diese Richtung soll allergologische Diagnostik veranlasst werden. Ein zeitlich zunächst begrenzter Therapieversuch mit niedrig bis mittelhoch dosierten ICS ist gerechtfertigt [97]. Die wichtigsten Asthmasymptome im Kindes- und Jugendalter sind:

  • Atemnot bei Belastung,

  • exspiratorische Atemnebengeräusche (Giemen und Brummen, pfeifende Atmung), ggf. Distanzgiemen im Exspirium,

  • trockener Husten ohne Infekt, bei oder nach körperlicher Belastung,

  • anhaltender nächtlicher Husten ohne Infekte.


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2.1.2 Erwachsene

Die Asthmadiagnose wird durch folgende Angaben gestützt:

  • Die Symptome (Husten, Giemen, Luftnot und Brustenge) treten allein oder gemeinsam wiederholt auf.

  • Die Symptome verschlechtern sich während der Nacht und/oder in den frühen Morgenstunden.

  • Die Symptome variieren in Zeit und Intensität und können ggf. nur episodenhaft auftreten. Längere Beschwerdefreiheit ist möglich, bspw. bei saisonal oder intermittierend auftretenden Allergenen oder Noxen.

  • Die Symptome können durch virale Infekte der Atemwege, körperliche Belastung, Allergenexposition, Witterungsänderungen sowie private, öffentliche und berufliche Noxen ausgelöst werden.

Anamnestische Angaben und Befunde, die für die Diagnose eines Asthma sprechen:

  • Atopie (Neurodermitis, allergische Rhinitis) in der Eigenanamnese,

  • Atopie in der Familienanamnese,

  • Symptome im Bereich der oberen Atemwege sind häufig und auch bei Patienten mit intrinsischem Asthma [52] zu berücksichtigen.

Anamnestische Angaben, die eher gegen das Vorliegen eines Asthma sprechen:

  • chronischer Husten und Auswurf ohne weitere respiratorische Symptome,

  • nur inspiratorisch empfundene Luftnot.


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2.2 Klinische Untersuchungsbefunde

Der körperliche Untersuchungsbefund unterscheidet sich entsprechend der aktuellen Asthma-Beschwerden und des Schweregrades der Erkrankung. So kann der Untersuchungsbefund regelrecht sein, da der Patient tagsüber untersucht wird, aber seine Beschwerden nachts oder in den frühen Morgenstunden vorhanden sind. Der Nachweis exspiratorischer Nebengeräusche ist bei forcierter Exspiration häufiger als bei Ruheatmung. Bei schwergradigem Asthma sind die pathologischen Nebengeräusche häufiger. Der Klopfschall ist meist hypersonor aufgrund der Lungenüberblähung. Im akuten Asthma-Anfall können die Atemgeräusche kaum noch hörbar sein, da keine ausreichende Strömung in den Atemwegen aufgebracht werden kann („silent chest“). Prinzipiell können Atemnot, Husten und ein pathologischer Auskultationsbefund auch durch andere pulmonale (Atemwegsinfekte, COPD, Bronchiektasen) und kardiovaskuläre Erkrankungen (Herzinsuffizienz) bedingt sein.

Bei Kindern ist insbesondere auf folgende Symptome zu achten: Atopiezeichen, Zunahme des sagittalen Thoraxdurchmessers bei Überblähung, thorakale Einziehungen (jugulär, interkostal, epigastrisch) bei akuter Atemnot.


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2.3 Apparative Diagnostik

Für die Diagnose des Asthma ist die Messung der Lungenfunktion erforderlich [14]. Sie dient sowohl dem Nachweis eines regelrechten Befundes als auch der Objektivierung einer Atemwegsobstruktion und ihrer Reversibilität und Variabilität. Eine normale Lungenfunktion schließt ein Asthma nicht aus. Der Nachweis des variablen Charakters der Atemwegsobstruktion erfordert serielle Lungenfunktionsmessungen oder den häuslichen Einsatz eines Peak-Flow-Meters.

2.3.1 Lungenfunktionsprüfung

Zur Durchführung und Qualitätskontrolle der Spirometrie und Bodyplethysmografie darf auf die geltenden Leitlinien und Empfehlungen [81] [98] [99] verwiesen werden. Die wichtigsten spirometrischen Messwerte sind die forcierte Vitalkapazität (FVC), die Einsekundenkapazität (FEV1) und das Verhältnis FEV1/FVC (Tiffeneau-Index). Die Messgrößen des Flussvolumendiagramms gehen nicht in die Beurteilung der spirometrischen Messung ein. Die qualitative Bewertung des Flussvolumendiagramms ist jedoch hilfreich für die Qualitätskontrolle der Durchführung der Messung. Die Ganzkörperplethysmografie erlaubt die Bestimmung des spezifischen Atemwegswiderstandes und des intrathorakalen Gasvolumens und eignet sich zur Objektivierung der Lungenüberblähung. Überdies ist die qualitative Beurteilung der inspiratorischen und exspiratorischen Atemwegswiderstände möglich. Dieses Vorgehen ist besonders zur funktionellen Differenzialdiagnose zwischen Asthma und COPD hilfreich. Das diagnostische Einbeziehen der Bodyplethysmografie zusätzlich zur Spirometrie ermöglicht bei Kindern eine frühere Asthma-Diagnose [100]. Während gut angeleitete Kindergartenkinder oftmals in der Lage sind, eine Spirometrie durchzuführen, kann aus Gründen der Kooperationsfähigkeit eine vollständige Bodyplethysmografie i. d. R. erst ab dem Schulkindalter erfolgen.

Qualitätskontrolle Es sollen mindestens drei akzeptable Versuche aufgezeichnet werden. Die Differenz zwischen dem größten und zweitgrößten Wert für FEV1 und FVC soll nicht mehr als 5 % und weniger als 150 ml betragen.

Normalwerte Die Global Lung Initiative (GLI) hat 2012 spirometrische Referenzwerte für gesunde Probanden im Alter von 3–95 Jahren erstellt. Im Gegensatz zu den bisher verwendeten Normwerten berücksichtigt GLI die Ethnie, die höhere Streuung der Messgrößen und damit eine niedrigere untere Normwertgrenze (5. Perzentile, LLN, lower limit of normal) ab dem 40. Lebensjahr sowie eine höhere FEV1/FVC-Ratio (Tiffeneau-Index) bei Kindern und Jugendlichen, um eine Über- oder Unterschätzung der Obstruktion zu vermeiden [101]. Die Normalwerte basierend auf GLI sollten in die Software der Messgeräte integriert sein. Eine obstruktive Ventilationsstörung liegt vor, wenn FEV1/FVC < LLN (z-Score < −1,645) ist [81].

Schweregrade der Obstruktion Der Schweregrad der Obstruktion (nicht zu verwechseln mit dem klinischen Schweregrad des Asthma) wird bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen anhand der Einschränkung der FEV1 bewertet. Eine ERS-/ATS-Kommission [99] hat vorgeschlagen, die Schwere der FEV1-Einschränkung anhand des z-Scores einzuteilen (Leichtgradige Einschränkung: z-Scores zwischen −1,645 und −2,5; Mittelgradige Einschränkung: z-Scores zwischen −2,51 und −4,0; Schwere Einschränkung: z-Score < −4,0): Diese Einteilung wurde jedoch bislang nicht in klinischen Studien validiert. Aus Sicht der Leitliniengruppe kann daher die Einteilung des Schweregrades der Lungenfunktionseinschränkung anhand des Sollwertes der FEV1 (leichtgradig: > 60 % Soll; mittelschwer: 40–60 % Soll; schwer: < 40 % Soll) gemäß Leitlinie zur Spirometrie weiterhin angewandt werden [81].

Der Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung ist mit der Diagnose eines Asthma vereinbar, differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen, die mit einer obstruktiven Ventilationsstörung einhergehen, ggf. ausgeschlossen werden (siehe [ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Häufige Differenzialdiagnosen von Asthma bei Erwachsenen.

Krankheiten mit obstruktiver Ventilationsstörung

Erkrankungen ohne regehlaft vorliegende obstruktive Ventilationsstörung

  • COPD

  • Bronchiektasen

  • Vocal cord dysfunction (VCD)

  • Lungenstauung mit Obstruktion (Asthma cardiale)

  • zentrale Atemwegsstenose (Tumoren, Tracheomalazie, Fremdkörper)

  • chronische Bronchitis (nach WHO-Definition) – chronisch persistierender Husten

  • rezidivierende Lungenembolie

  • Sarkoidose

  • Pneumothorax

  • diffuse Lungenparenchymerkrankung

  • eosinophile Bronchitis

  • Bronchiolitis

  • Lungenstauung

  • Hyperventilationssyndrom

  • vorübergehende postinfektiöse bronchiale Hyperreagibilität (mit Husten)

Befunde, die gegen die Diagnose eines Asthma sprechen:

  • normale Lungenfunktion bei Patienten mit akuten Symptomen,

  • immer normale Lungenfunktion im Langzeitverlauf der Erkrankung Erwachsener,

  • restriktive Ventilationsstörung mit normaler oder hoher FEV1/FVC-Ratio (Tiffeneau-Index). Eine fehlende BHR (Definition und Testung: siehe unten) macht die Diagnose Asthma unwahrscheinlich.

Reversibilitätstest mit Bronchodilatatoren Sofern eine obstruktive Ventilationsstörung vorliegt, sollte die Durchführung eines Reversibilitätstestes erfolgen. Eine Reversibilitätstestung kann auch bei einer „normalen“ Lungenfunktion sinnvoll sein, da der persönliche Bestwert trotz des im Normbereich liegenden Wertes deutlich höher sein kann [102].

Die Messungen erfolgen vor und 15 Minuten nach Inhalation eines SABA (bis zu 400 µg Salbutamol in 4 separaten Dosen). Ein Reversibilitätstest kann prinzipiell auch mit einem kurzwirksamen Anticholinergikum (SAMA, 160 µg Ipratropiumbromid) oder mit einer Kombination von SABA und SAMA durchgeführt werden. Die FEV1-Reversibilität kann entweder dargestellt werden als relative Veränderung der FEV1 im Vergleich zum FEV1-Ausgangswert vor SABA-Inhalation (Variante A: % FEV1-Baseline) oder als FEV1-Veränderung nach SABA-Inhalation (Δ FEV1) im Verhältnis zum individuellen Sollwert (Variante B: Δ FEV1 % FEV1-Sollwert). Die ERS/ATS-Lungenfunktions-Empfehlung präferiert (aufgrund der Unabhängigkeit von der initialen Lungenfunktion und anderen Einflussfaktoren) die Variante B und empfiehlt als Kriterium für einen positiven Reversibilitätstest einen Anstieg der FEV1 oder FVC um > 10 % des individuellen Sollwertes [99]. Die GINA [56] präferiert bei Erwachsenen hingegen Variante A und empfiehlt als Kriterium für einen positiven Reversibilitätstest einen Anstieg der FEV1 um > 12 % und um > 200 ml der Baseline-FEV1. Die ERS-Leitlinien zur Asthma-Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen [103] und Erwachsenen [104] präferieren ebenfalls Variante A und empfehlen einen Anstieg ≥ 12 % der Baseline als Reversibilitäts-Kriterium. Seitens der Leitliniengruppe wird daher ein Anstieg der FEV1 um ≥ 12 % des Ausgangswertes vor SABA-Inhalation (der Baseline) als Reversibilitätskriterium bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen empfohlen.

Ein positiver Reversibilitätstest, in Zusammenhang mit einer typischen Asthma-Symptomatik, sichert die Diagnose Asthma ([ Abb. 3 ] und [ Abb. 4 ]). Auch bei fehlender SABA-Reversibilität kann ein Asthma diagnostiziert werden, falls weitere Hinweise auf ein Asthma (erhöhte Typ-2-Marker und ein Ansprechen auf ICS-Therapie) vorliegen ([ Abb. 3 ] und [ Abb. 4 ]).

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Abb. 3 Klinischer Algorithmus der Asthmadiagnostik bei Kindern und Jugendlichen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. FEV1: Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde der Ausatmung, FVC: Forcierte exspiratorische Vitalkapazität, FeNO: Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxids, BHR: Bronchiale Hyperreagibiltät, LLN: Lower Limit of Normal (entspricht einem z-Score von –1,645), ppb: parts per billion. * Falls FeNO-Messung verfügbar (aktuell keine Rückvergütung durch die GKV); Messung muss vor oder 1 Stunde nach der Lungenfunktionsprüfung erfolgen. ** Falls ein BHR-Test negativ ist, soll ein erneuter BHR-Test mit einer anderen Methode an einem anderen Tag erfolgen (empfohlene Reihenfolge: 1. Laufbandbelastung, 2. Methacholinprovokation). *** Falls kein BHR-Test aktuell möglich ist. **** Subjektive Besserung und Erniedrigung des FeNO bzw. Besserung der Lungenfunktion.
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Abb. 4 Klinischer Algorithmus der Asthmadiagnostik bei Erwachsenen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Blut-Eos: Eosinophilenkonzentration im Blut, FEV1: Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde der Ausatmung, FVC: Forcierte exspiratorische Vitalkapazität, FeNO: Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxids, LLN: Lower Limit of Normal (entspricht einem z-Score von –1,645), PEF: exspiratorischer Spitzenfluss, ppb: parts per billion. * IGeL (individuelle Gesundheitsleistung).

Bei Kindern werden zur Reversibilitätstestung ebenfalls i. d. R. bis zu 4 Hübe eines SABA-Dosieraerosols (z. B. Salbutamol à 100 µg) verabreicht; bei jungen Schulkindern kann die Dosis angepasst werden (z. B. 2 Hübe à 100 µg). Eine FEV1-Zunahme um ≥ 12 % des Ausgangswertes gilt nach den Kriterien der ERS als positiv [103]; das Kriterium der geforderten Zunahme um 200 ml absolut ist angesichts der kleineren Volumina i. d. R. nicht anwendbar. Immer ist zunächst die Form der Fluss-Volumen-Kurve zu beurteilen: auch bei numerisch nicht ausreichender FEV1-Zunahme kann eine Normalisierung eines primär konkav deformierten exspiratorischen Schenkels auf eine klinisch relevante Reversibilität der obstruktiven Ventilationsstörung hinweisen. Bei Kleinkindern, die noch keine Spirometrie durchführen können, kann der Nachweis der Reversibilität ggf. – wenn primär Nebengeräusche vorlagen – auskultatorisch erfolgen. Alternativ kann als weniger mitarbeitsabhängige Methode der spezifische Atemwegswiderstand gemessen werden, hier gilt eine Abnahme um > 50 % als signifikant.

Reversibilitätstestung unter Therapie mit Glukokortikosteroiden Die Reaktion der FEV1 auf ICS in einer stabilen Phase der Erkrankung kann bei Erwachsenen durch eine 2-mal tägliche Inhalation einer hohen ICS-Dosis über mindestens 4 Wochen geprüft werden. Bei Kindern kann das Ansprechen auf eine mehrwöchige Therapie mit ICS (6–8 Wochen) als Diagnosekriterium ebenfalls herangezogen werden. Die Kriterien für ein Ansprechen der FEV1 und die Interpretation entsprechen denjenigen bei der Applikation von Bronchodilatatoren. Alternativ ist die Durchführung eines Reversibilitätstests auch mit systemischen Glukokortikosteroiden (20–40 mg Prednisolon/Tag oral für 7–14 Tage) möglich.

  • Eine stets fehlende oder geringe Reversibilität der Obstruktion im akuten Test und im Verlauf trotz adäquater Behandlung spricht gegen die Diagnose eines Asthma.

Messung der Überempfindlichkeit der Atemwege Die Überempfindlichkeit der Atemwege (Bronchiale Hyperreagibilität, BHR) ist ein charakteristisches Merkmal des Asthma [105]. Sie kann jedoch auch bei allergischer Rhinitis, Mukoviszidose, COPD, Sarkoidose und bei Gesunden nachweisbar sein [106]. Die Messung der BHR ist bei entsprechendem Verdacht sinnvoll, sofern die Anamnese mit einem Asthma vereinbar ist, jedoch keine klinischen Zeichen und/oder eine obstruktive Ventilationsstörung nachweisbar sind [106]. Die Messung der BHR dient der Sicherung der Diagnose Asthma. Nur bei Unsicherheiten bezüglich der Diagnose Asthma im weiteren Verlauf sollte eine erneute Messung zur Diagnosesicherung erwogen werden.

Die BHR kann mit verschiedenen Stimuli gemessen werden. Körperliche Belastung, Kaltluftprovokation, Inhalation mit Mannitol, hyper- und hypotoner Kochsalzlösung sowie Adenosin werden als indirekte Stimuli bezeichnet, da durch sie entzündliche Mediatoren freigesetzt werden, die eine Bronchokonstriktion auslösen [105].

Die Messung der BHR durch Inhalation von Methacholin oder Histamin erzeugt eine Kontraktion der Atemwegsmuskulatur und wird daher als direkte Stimulation bezeichnet. Die Sensitivität und Spezifität der Verfahren unterscheidet sich. Im klinischen Alltag hat sich die Messung der BHR mit Methacholin durchgesetzt.

Kriterien eines positiven Tests sind ein FEV1-Abfall ≥ 20 % bzw. eine Verdopplung des spezifischen Atemwegswiderstandes (sRaw, auf über 2,0 kPa × sec) (siehe Empfehlungen zur Ganzkörperplethysmografie [98]). Die Einbeziehung der sRaw ermöglicht bei nicht signifikanten Anstieg den Ausschluss von Asthma mit hoher Sicherheit [107].

Bei Kindern mit anstrengungsassoziierten Beschwerden wird die Messung der BHR mittels Lauf-Belastungs-Test zur Objektivierung der angegebenen Symptome empfohlen [108], die Details zur Test-Durchführung sind bei Lex et al. hinterlegt [109]. Es gibt keine einheitliche Empfehlung, welche Veränderung der FEV1 nach körperlicher Belastung signifikant ist. Die GINA empfiehlt als Grenzwert einen Abfall der FEV1 um mindestens 10 % bei Erwachsenen und um mindestens 12 % bei Kindern und Jugendlichen [56]. Die Arbeitsgruppe Lungenfunktion der GPP empfiehlt bei Kindern einen Abfall von > 13 % im Vergleich zum Ausgangswert als Grenzwert [109], die ERS-Leitlinie lediglich einen Abfall von > 10 % als Grenzwert [103].


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2.3.2 Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid

Die Messung der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) mit dem Einatemzugverfahren eignet sich zur Charakterisierung des intrapulmonalen Gasaustausches [110]. Da dieser i. d. R. bei Patienten mit Asthma nicht pathologisch verändert ist, eignet sich die DLCO in besonderer Weise zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung des Asthma von der COPD [111].


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2.3.3 Arterielle Blutgasanalyse

Die Bestimmung der arteriellen Blutgase ist i. d. R. nicht erforderlich und kann meist durch die Bestimmung der Sauerstoffsättigung ersetzt werden. Bei einer schweren Exazerbation (FEV1 < 50 % Soll bzw. Peak-flow-Werte < 50 % der Bestwerte, Verschlechterung unter Akuttherapie) ist dagegen die Blutgasanalyse hilfreich, um die Indikation zu einer Sauerstofftherapie zu stellen und um frühzeitig einen Anstieg des PaCO2 objektivieren zu können.


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2.3.4 Exspiratorischer Spitzenfluss (Peak expiratory flow, PEF)

Die Messung des PEF wird bei Asthma empfohlen [2]. Die alleinige PEF-Messung ist für die Diagnostik des Asthma nicht ausreichend. Die häusliche Messung des PEF-Wertes kann jedoch für die Beurteilung des Verlaufs der Erkrankung und die Beurteilung der Asthmakontrolle hilfreich sein. Die täglich 2-malige Messung (morgens und abends, vor Inhalation von Medikamenten) erlaubt die Einschätzung der PEF-Variabilität [%] (Formel: [höchster – niedrigster Wert während einer Woche]/höchster Wert × 100 [%]. Beispiel: höchster PEF = 400 l/min, niedrigster PEF = 300 l/min, PEF-Variabilität = [400 – 300]/400 × 100 = 25 %) [56]. Eine PEF-Variabilität ≥ 10 % bei Erwachsenen oder ≥ 13 % bei Kindern und Jugendlichen spricht für ein Asthma [56]. In der aktuellen ERS-Leitlinie zur Asthma-Diagnostik bei Erwachsenen wird ein PEF-Variabilitäts-Cut-Off von > 20 % (Messzeitraum: mindestens 2 Wochen) als mögliches diagnostisches Kriterium für Asthma aufgrund der höheren Spezifität empfohlen (Spezifität dieses Cut-offs für das Vorliegen von Asthma: zwischen 0,75 und 1,0) [104]. Regelmäßige häusliche PEF-Messungen werden im Kindesalter v. a. im Rahmen von Patientenschulungen eingesetzt. Eine generelle Empfehlung gibt es nicht; in Einzelfällen kann aber der Einsatz gerechtfertigt sein, insbesondere wenn es dem Kind schwer fällt, Atemwegsbeschwerden subjektiv wahrzunehmen. Einschränkend ist hier aber zu erwähnen, dass der PEF meist erst bei einer relativ starken Obstruktion eine Veränderung aufzeigt und dies auch zur falschen Sicherheit führen kann.


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2.3.5 Röntgendiagnostik

Eine Röntgenaufnahme der Thoraxorgane in 2 Ebenen bei Erwachsenen ist bei der Erstdiagnostik bei Verdacht auf Asthma sinnvoll, um andere Erkrankungen auszuschließen. Die Durchführung einer Computertomografie der Thoraxorgane sollte dann erwogen werden, wenn die Differenzialdiagnostik anderer pulmonaler Erkrankungen, die mit Husten, Auswurf und Luftnot einhergehen, klinisch erforderlich ist. Aufgrund der Häufigkeit der Beteiligung der oberen Atemwege, insbesondere bei den nicht-allergischen Formen eines Asthma, sollte bei hinweisenden Beschwerden eine Computertomografie der Nasennebenhöhlen erwogen werden. Eine postero-anteriore Röntgenaufnahme des Thorax bei Kindern und Jugendlichen kann dann sinnvoll sein, wenn es gilt, differenzialdiagnostisch andere Ursachen der Symptome auszuschließen. Eine Seitaufnahme ist bei Kindern und Jugendlichen i. d. R. obsolet.


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2.4 Biomarker

2.4.1 Atemkondensat

Die Bestimmung von Markern im exhalierten Atemkondensat ist bisher für die Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von Asthma nicht validiert.


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2.4.2 Spontanes oder induziertes Sputum

Die Bestimmung der Gesamtzellzahl und der Zelldifferenzierung des spontanen oder nach Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung gewonnenen Sputums ist aufwendig und kann daher bisher für den klinischen Alltag nicht empfohlen werden.

In Studien führte die Steuerung der Asthmatherapie auf Basis der Zytologie des induzierten Sputums (≥ 3 % eosinophile Granulozyten) bei Patienten mit persistierenden Symptomen und/oder Exazerbationen trotz Therapie mit hochdosierten ICS und LABA zu einer Reduktion der Exazerbationsfrequenz bei geringerem Therapiebedarf [112]. Bei Kindern und Jugendlichen zeigte der Prozentsatz an Eosinophilen einen prädiktiven Wert für Exazerbationen unter einer ICS-Reduktion [113], es wurde allerdings auch gezeigt, dass Asthma-Phänotypen nicht stabil über die Zeit sind und möglicherweise keinen Nutzen im regelmäßigen Monitoring haben [62].


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2.4.3 Stickstoffmonoxid in der Ausatemluft (FeNO)

Bei Asthma ist die Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxids (FeNO) ein noninvasiver Biomarker der Atemwegsinflammation. Die FeNO-Messung im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter ist technisch schnell und einfach durchzuführen und reproduzierbar [114]. Erhöhte FeNO-Werte in der Ausatmungsluft korrelieren bei Patienten mit Asthmasymptomen mit einer Typ-2-Atemwegsentzündung [115] [116]. Ein FeNO-Wert > 20 ppb ist entsprechend der GINA ein Hinweis auf eine Typ-2-Inflammation bei Asthma [56]. Diese bezieht sich nicht nur auf allergische Atemwegsentzündungen: Bei Erwachsenen mit intrinsischem (adult-onset) Asthma sind die FeNO-Werte sogar deutlich höher als bei Patienten mit allergischem (early-onset) Asthma [44]. Die Bestimmung des FeNO ist sowohl für die Diagnosesicherung und Phänotypisierung des Asthma als auch für die Therapie-Planung bzw. Therapie-Steuerung von Bedeutung [115] [117].

Bedeutung für die Diagnostik:

Die Bestimmung des FeNO ist hilfreich bei der Sicherung der Asthmadiagnose, insbesondere bei Patienten ohne regelmäßige ICS-Therapie [118]. Je höher der FeNO-Wert, desto wahrscheinlicher ist die Diagnose Asthma [119]. In der ERS-Leitlinie zur Asthma-Diagnostik bei Erwachsenen wird ein FeNO-Cut-off ≥ 50 ppb als relativ sicheres diagnostisches Kriterium für Asthma aufgeführt (Spezifität dieses Cut-offs für das Vorliegen von Asthma: zwischen 0,77 und 0,95) [104]. Niedrige FeNO-Werte allein erlauben dagegen nicht den differenzialdiagnostischen Ausschluss von Asthma [104]. Die empfohlenen unteren FeNO-Grenzwerte der American Thoracic Society (ATS) sind < 25 ppb bei Erwachsenen und < 20 ppb bei Kindern [114]. Die Bestimmung des FeNO spielt eine wichtige Rolle im diagnostischen Algorithmus der europäischen Leitlinie zur Sicherung der Asthma-Diagnose von Kindern und Jugendlichen, hier wird ein unterer Grenzwert von < 25 ppb empfohlen [103]. Im diagnostischen Algorithmus der ERS zur Asthma-Diagnostik bei Erwachsenen kann allein bei Vorliegen eines FeNO-Wertes ≥ 50 ppb und typischen Asthma-Symptomen die Diagnose Asthma gestellt werden [104]. Zu beachten ist, dass die FeNO-Werte von endogenen (z. B. erhöhte Werte bei sehr großen Menschen und Menschen mit Nasenpolypen) und exogenen Faktoren (z. B. deutliche Senkung der FeNO-Werte durch ICS-Exposition oder Rauchen; Steigerung der FeNO-Werte im Rahmen von Virusinfektionen) stark beeinflusst werden [115] [116]. Ein deutlich erhöhter FeNO-Wert (≥ 50 ppb), inbesondere bei gleichzeitigem Nachweis einer Bluteosinophilen-Vermehrung (≥ 300/µl), ist Hinweis auf ein erhöhtes Exazerbations-Risiko [120] [121].

Bedeutung für die Therapie-Steuerung:

  • Patienten mit erhöhten FeNO-Werten sind i. d. R. ICS-responsiv [114] [116]. Im Umkehrschluss sprechen erhöhte FeNO-Werte (insbesondere FeNO-Werte > 50 ppb) unter Therapie mit ICS trotz klinischer Stabilität gegen eine Reduktion der ICS-Dosis.

  • Bei Kindern und Jugendlichen erwies sich das regelmäßig kontrollierte FeNO als aussagekräftiger Parameter, um nach geplantem ICS-Absetzen einen Asthmarückfall noch vor dem Auftreten klinischer Symptome vorherzusagen [113] [122].

  • Die Wertigkeit regelmäßiger FeNO-Messungen zur Verbesserung der Asthmakontrolle bei Kindern und Jugendlichen ist allerdings fraglich (in einer Studie bei Kindern und Jugendlichen bewirkte die Orientierung auch an den FeNO-Werten bei den Entscheidungen über die Therapie im Langzeitverlauf keinen Vorteil hinsichtlich Exazerbationsrisiko, Lungenfunktion oder Asthmakontrolle [123]).

  • FeNO kann zur Beurteilung der Therapieadhärenz mit herangezogen werden: Erhöhte FeNO-Werte während einer ICS-Therapie können auf schlechte Therapieadhärenz zurückzuführen sein ([ Tab. 2 ]) [124]. Persistierend erhöhte FeNO-Werte trotz ICS-Therapie können jedoch auch Hinweis darauf sein, dass eine Entzündung in den Atemwegen vorliegt, welche nicht auf eine ICS-Dosiserhöhung anspricht [125].

  • Bei schwangeren Asthmapatientinnen sind FeNO-Messungen sinnvoll, da auf der Basis dieser Messergebnisse die Asthmakontrolle bei gleichzeitiger Reduktion der Dosis der inhalativen Glukokortikosteroide ggf. verbessert werden kann [126].

Tab. 2

FeNO-Messungen bei Asthma: Grenzwerte und mögliche Indikationen.

Anlass der FeNO-Messung

FeNO < 25 ppb (bei Kindern FeNO < 20 ppb)

FeNO > 50 ppb (bei Kindern FeNO > 35 ppb)

Diagnosestellung Asthma

alternative Diagnosen prüfen
Steroidsensibilität weniger wahrscheinlich

unterstützt die Verdachtsdiagnose
Steroidsensibilität/Typ-2-Entzündung wahrscheinlich

Symptome unter Therapie

alternative Diagnosen prüfen
Steroidsensibilität weniger sinnvoll

Therapieadhärenz/Allergenexposition prüfen
bei Adhärenz: Steroiddosis-Erhöhung sinnvoll

Symptomfreiheit unter Therapie

Reduktion der Steroiddosis erwägen

Reduktion der Steroiddosis vermeiden

Zusammenfassend ist die Messung der Atemwegsinflammation mittels FeNO ein wichtiger Baustein im Rahmen von Diagnostik und Management von Asthma ([ Tab. 2 ]) und als diagnostisches Instrument in der pneumologisch-fachärztlichen Praxis unverzichtbar.


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2.4.4 Differenzialblutbild

Die Bestimmung der absoluten Eosinophilenzahl im Blut mittels Differenzialblutbild ist ein wichtiger Biomarker zur Eingrenzung des Asthma-Phänotyps und der Asthma-Prognose (Formel: Leukozytenzahl im Blut/µL: 100 × Eosinophile in % = Eosinophilenzahl/µL). Zu genauen Eingrenzung des Phänotyps wird eine wiederholte Bestimmung der Bluteosinophilen empfohlen [56]. Der Medianwert bei gesunden Erwachsenen ohne Asthma liegt bei 110 Eosinophilen/µl Blut, der Medianwert bei gesunden Kindern und Jugendlichen ohne Asthma bei 150–200 Eosinophilen/µl Blut [63]. Bei einem Wert ≥ 300 Eosinophilen/µl bei Erwachsenen und ≥ 400 Eosinophilen/µl bei Kindern ist eine Bluteosinophilen-Vermehrung wahrscheinlich. Werte von ≥ 1000 Eosinophilen/µl bzw. von ≥ 1500 Eosinophilen/µl (Hypereosinophilie) sind sicher pathologisch. Bluteosinophilenwerte unterliegen jahreszeitlichen Schwankungen (höchste Werte im Winter [58]) und können durch Allergen-Expositionen temporär gesteigert werden. Die Bluteosinophilenwerte werden nicht nur durch OCS, sondern auch durch ICS deutlich gesenkt [55]. Die Bluteosinophilenwerte sind bei Patienten mit schwerem intrinsischem, Adult-onset-Asthma höher als bei Patienten mit schwerem allergischen, Early-onset-Asthma [44]. Je höher die Bluteosinophilen-Zahl (und der FeNO-Wert), desto höher das Exazerbationsrisiko bei Patienten mit Asthma [64] [120] [121]. Unter einer Dupilumab-Therapie kann es zu einem deutlichen (meist transienten) Anstieg der Bluteosinophilen kommen: hier korreliert die Bluteosinophilenzahl nicht mit den Asthma-Symptomen des Patienten (Patienten können trotz hoher Bluteosinophilenzahlen ein gute Asthmakontrolle aufweisen) [127]. Die Bluteosinophilen-Vermehrung bei Biologika-naiven Patienten ist ein wichtiger prognostischer Marker für das Ansprechen auf eine Therapie mit Anti-IL-5-(R)-Biologika: je höher der Bluteosinophilenwert, desto wahrscheinlicher das Ansprechen [128]. Eine Bluteosinophilen-Vermehrung ist jedoch auch Prädiktor für das Ansprechen auf andere Biologika, wie z. B. Dupilumab [129] oder Tezepelumab [130] oder Omalizumab [131]. Niedrige Bluteosinophilenwerte (< 150 Eosinophile/µl) sind untypisch für Asthma und können u. a. Ausdruck einer aktuellen Steroid-Therapie oder des Vorliegens anderer Differenzialdiagnosen sein [59].


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2.5 Mikrobiologische Sputumdiagnostik

Eine mikrobiologische Sputumdiagnostik [132] ist bei Asthmaexazerbationen praktisch nie notwendig. Sie ist jedoch hilfreich zur Differenzialdiagnose bei:

  • fehlendem Ansprechen auf eine kalkulierte antibiotische Therapie,

  • wiederholten Infektionen der Atemwege,

  • Verdacht auf Bronchiektasenerkrankung,

  • Vorliegen zusätzlicher immunologischer Erkrankungen.


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2.6 Allergologische Stufendiagnostik

Bei jedem neu diagnostizierten Asthma ist eine allergologische Stufendiagnostik erforderlich. Eine allergische Sensibilisierung ist der häufigste Auslöser der Erkrankung. Ein positiver Pricktest macht bei fraglicher Diagnose das Vorliegen eines Asthma wahrscheinlicher [133] [134]. Allergologische Stufendiagnostik:

  • Allergieanamnese,

  • Hauttestung,

  • Bestimmung von spezifischem und Gesamt-IgE,

  • Provokationstestung,

  • diagnostische Expositionskarenz.

2.6.1 Allergieanamnese

Bei der Eigenanamnese ist die Exposition gegenüber potenziellen, häuslichen und berufsbedingten Allergenen zu erfragen. Vorerkrankungen und Komorbiditäten wie atopische Dermatitis und allergische Rhinokonjunktivitis sollen gezielt abgefragt und die Familienanamnese erhoben werden. Die allergologische Anamnese sollte durch geeignete Fragebögen unterstützt werden. Nach Anamnese erfolgt die gezielte Suche nach relevanten Sensibilisierungen.


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2.6.2 Hauttestungen

  • Der Pricktest ist die primäre allergologische diagnostische Maßnahme. Es wird eine Sensibilisierung gegenüber häufigen Allergenen (v. a. Pflanzenpollen, Hausstaubmilben, Tierhaare und Schimmelpilze) nachgewiesen. Bei anamnestischen Hinweisen können auch Nahrungsmittelallergene (ggf. nativ) getestet werden.

  • Intrakutantests (soweit verfügbar) und Reibtests bleiben speziellen Indikationen vorbehalten.


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2.6.3 Bestimmung des spezifischen IgE und Gesamt-IgE im Serum

Die Bestimmung von spezifischem IgE im Serum stellt i. d. R. eine sinnvolle Ergänzung zum Hauttest dar. Insbesondere kommt sie auch bei Patienten zum Einsatz, bei denen eine Hauttestung nicht möglich ist (Ekzem, überempfindliche Haut mit positiver Reaktion auf das Lösungsmittel, fehlende Reaktion der Haut auf Histamin, fehlende Testsubstanz), oder das Ergebnis nicht eindeutig ablesbar ist (z. B. Dermografismus) oder die Ergebnisse des Hauttests nicht mit der Verdachtsdiagnose aus der Anamnese korrelieren. Die Bestimmung des spezifischen IgE gegen rekombinante spezifische Major- und Minorallergene kann helfen, eine primäre Sensibilisierung von einer Kreuzallergie zu unterscheiden und ist insbesondere bei der Planung einer Allergen-Immuntherapie relevant [135]. Im Prick-Test wie in der Serologie mit Gesamtextrakten kann es aufgrund von Antikörpern gegen klinisch nicht relevante CCDs (kreuzreagierende Kohlehydratdeterminanten) oder Panallergene wie Profiline oder Polcalcine zu klinisch nicht relevanten Befunden kommen. CCDs finden sich bei etwa 20 % der Patienten [136] [137]. Die Allergenchiptestung ist ein ungezieltes, breites serologisches Testverfahren, das insbesondere bei der Suche nach seltenen Aeroallergenen oder komplexen Lebensmittelallergien eine Berechtigung hat. Sie setzt bei der Interpretation hohes Fachwissen voraus und erfordert eine ausführliche Beratung des Patienten im Rahmen der Befundbesprechung.

Die Gesamt-IgE-Konzentration im Serum ist ein eigenständiger Asthmaparameter, der mit der Konzentration von spezifischen IgE-Antikörpern oft nicht korreliert [47]. Die Gesamt-IgE-Konzentration im Serum ist für die Planung einer Anti-IgE-Therapie wichtig. Hohe Gesamt-IgE-Spiegel (über 1000 IU/L) können auf eine zusätzliche immunologische Erkrankung (z. B. eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, EGPA oder allergische bronchopulmonale Aspergillose, ABPA) hinweisen, sind bei Kindern und Jugendliche aber oft auch im Rahmen von atopischer Dermatitis, allergischer Rhinokonjunktivitis oder allergischem Asthma zu finden.

Für Kinder lässt sich keine allgemeingültige Aussage machen, ob die allergologische Diagnostik per Haut-Pricktest oder per Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper geeigneter zur korrekten Diagnosefindung ist [138]. Praktikabilitäts- oder Wirtschaftlichkeitsgründe werden zur primären Wahl der einen oder anderen Methode Anlass geben. Bei Diskrepanz der primären Befunde zur Anamnese sollte auf jeden Fall der jeweils andere Test bzw. eine weiterführende allergologische Diagnostik erfolgen.


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2.6.4 Spezifische nasale und bronchiale Provokation

Die Indikation zu einer spezifischen nasalen/konjunktivalen Provokation sollte vor einer geplanten Allergen-Immuntherapie überprüft werden. Sie hilft den Schweregrad der allergischen Reaktion abzuschätzen und die relevantesten Allergene bei Polysensibilisierung herauszuarbeiten. Insbesondere findet die Provokationstestung ihren Einsatz, wenn die Anamnese unsicher ist oder nicht mit den erhobenen Hauttest- oder Serologie-Befunden übereinstimmt (z. B. Verdacht auf lokale allergische Rhinitis). Als Alternative zur nasalen Provokation kann auch die konjunktivale Provokation eingesetzt werden, die von jüngeren Kindern jedoch oft schlechter toleriert wird. I. d. R. sind im klinischen Alltag allergenspezifische bronchiale Provokationstests entbehrlich, sie dienen meist Forschungszwecken [139]. Sie sind jedoch in Einzelfällen (z. B. in der Arbeitsmedizin) hilfreich, sofern Anamnese, Pricktest und das spezifische IgE keine eindeutige Zuordnung erlauben. Bei der Durchführung ist stets die Möglichkeit einer Notfalltherapie vorzuhalten [139].


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2.6.5 Diagnostische Expositionskarenz

Die Expositionskarenz kann wichtige Hinweise auf die Bedeutung eines Allergens geben. Dies gilt insbesondere für Patienten, die Tiere im häuslichen Umfeld halten, sowie bei der Klärung der Bedeutung beruflicher Allergene. Hier kann die Urlaubsanamnese einen wichtigen Beitrag liefern.


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2.7 Algorithmen zur Diagnose eines Asthma

Asthma ist eine klinische Diagnose, welche nur in Zusammenschau aller Befunde gestellt werden kann. Kein Einzelbefund beweist, für sich gesehen, ein Asthma. Die Diagnose eines Asthma setzt eine sorgfältige Anamnese-Erhebung voraus. Die Diagnose Asthma kann nicht immer bereits bei der Eingangsuntersuchung gestellt werden: Daher sind Verlaufsbeobachtungen sinnvoll, welche Aufschluss über spontane und/oder medikamentös verursachten Veränderungen des Krankheitsbildes erlauben.

2.7.1 Kinder und Jugendliche

Die Diagnose Asthma bei Kindern- und Jugendlichen ergibt sich aus der Zusammenschau mehrerer Diagnostikbausteine (siehe Box 2), ein möglicher Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen bei V. a. Asthma ist in [ Abb. 3 ] dargestellt.

Basis der Diagnose ist eine detaillierte Erhebung der Krankengeschichte inkl. der Familienanamnese (siehe Abschnitt 2.1). Bei Verdacht auf Asthma soll eine ausführliche Anamnese unter Berücksichtigung der typischen Symptome (pfeifende Atemgeräusche, Husten, erschwerte Atmung/Atemnot), auslösenden Faktoren, Komorbiditäten und Umgebungsfaktoren erhoben werden. Stellt man die Diagnose Asthma allerdings nur aufgrund der Anamnese, treten viele Fehldiagnosen auf [140] [141].

Box 2

Diagnostikbausteine bei V. a. Asthma im Kindes- und Jugendalter (I. d. R. sichern weder einzelne noch einmalige Befunde die Diagnose)

  • Krankengeschichte unter Berücksichtigung von Symptomen, auslösenden Faktoren, Komorbiditäten, Umwelteinflüssen und Familienanamnese

  • klinische Untersuchung

  • Nachweis einer variablen, (partiell) reversiblen Atemwegsobstruktion mittels Spirometrie bzw. Bodyplethysmografie oder Impulsoszillometrie

  • Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität

  • Nachweis eines erhöhten bronchialen Entzündungsniveaus mittels FeNO-Messung

  • allergologische Stufendiagnostik insbesondere bei positiver Anamnese

  • ergänzende Differenzialdiagnostik bei schwerem bzw. schwierigem Asthma

Die körperliche Untersuchung (siehe Abschnitt 2.2) zielt auf den Nachweis von Zeichen einer bronchialen Obstruktion ab, die im beschwerdefreien Intervall auch fehlen können. Dies sind z. B. ein verlängertes Exspirium, trockene Nebengeräusche (Giemen, Pfeifen, Brummen) bei der Auskultation (eventuell durch forcierte Exspiration zu provozieren). Insbesondere bei Kindern mit schwerer Atemnot können thorakale Einziehungen (jugulär, interkostal, epigastrisch) beobachtet werden. Bei schwerer Obstruktion ist manchmal ein nur sehr leises Atemgeräusch zu hören (cave: „stille Obstruktion“). Auch dokumentierte klinische Befunde aus der Vorgeschichte und das Ansprechen auf stattgehabte oder laufende Therapien (z. B. Ansprechen auf ICS-Therapie) finden Eingang in die Bewertung. Im Rahmen der vollständigen körperlichen Untersuchung ist auf kutane oder nasale Zeichen der Atopie zu achten. Bei Diagnosestellung und im Verlauf sind die altersentsprechende Größen- und Gewichtsentwicklung inkl. Perzentileneintrag zu dokumentieren.

Die fachärztliche lungenfunktionelle Diagnostik eines Asthma soll, sobald vom Patienten durchführbar, mittels Spirometrie bzw. Bodyplethysmografie erfolgen (siehe Abschnitt 2.3.1). Soweit verfügbar, sind die aktuellen altersentsprechenden Normwerte und die Beurteilung mittels z-Scores einzusetzen. Zur Gesamtbeurteilung gehört auch die visuelle Beurteilung der Fluß-Volumen-Kurve. Ein Reversibilitätstest mit SABA ist bei nachgewiesener Atemwegsobstruktion sowie bei formal normwertiger Lungenfunktion und klaren anamnestischen Hinweisen erforderlich. Bei normaler Lungenfunktion und unauffälliger Bronchodilatation, aber typischer Anamnese, soll der Nachweis einer unspezifischen BHR erfolgen.

Von klarem diagnostischem Zusatznutzen im Kindes- und Jugendalter ist die wiederholte Messung des FeNO (siehe Abschnitt 2.4.3). Das Vorliegen von mehrfachen hohen FeNO-Werten macht Asthma und das Ansprechen auf ICS wahrscheinlich. Ein niedriger FeNO-Wert schließt Asthma nicht aus. In der Beurteilung des FeNO-Messwertes sind exogene Störgrößen wie aktives Rauchen, Infekte oder starke körperliche Belastung zu berücksichtigen. Bei jedem Patienten mit V. a. Asthma soll eine gezielte allergologische Anamnese erfolgen und sich eine Stufendiagnostik (Pricktest, spezifische IgE-Bestimmung und ggf. nasale/konjunktivale Provokation) anschließen (siehe Abschnitt 2.6). Insbesondere bei schwerem bzw. schwierigem Asthma ist an eine weiterführende Diagnostik zum Ausschluss anderer Erkrankungen bzw. Komorbiditäten zu denken, dies ist im Kapitel 2.8. dargelegt.


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2.7.2 Erwachsene

Der diagnostische Algorithmus bei Erwachsenen, der sich an den Empfehlungen der ERS-Leitlinie (2022) orientiert [104], ist in [ Abb. 4 ] dargestellt. Bei typischen anamnestischen und klinischen Hinweisen auf ein Asthma erfolgt zunächst eine Lungenfunktionsprüfung (eine Bodyplethysmografie ist hierbei zu präferieren). Die weiteren diagnostischen Schritte erfolgen je nachdem, ob eine obstruktive Ventilationsstörung vorliegt (FEV1/VC < LLN) oder nicht (FEV1/VC ≥ LLN). Auch bei fehlender Reversibilität kann ein Asthma vorliegen, falls weitere Hinweise auf ein Asthma vorliegen. Bei fehlender Obstruktion, fehlender bronchialer Hyperreagibilität bzw. fehlender PEF-Variabilität und niedrigen Typ-2-Markern ist ein Asthma unwahrscheinlich. Ein Asthma ist ebenfalls unwahrscheinlich bei nicht-reversibler Atemwegsobstruktion, niedrigen Typ-2-Markern und einem fehlenden klinischen Ansprechen auf eine ICS-Therapie.


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2.8 Differenzialdiagnosen und Differenzialdiagnostik

2.8.1 Kindes- und Jugendalter

Das Stellen einer Asthmadiagnose bei Kindern ist eine Herausforderung, da die Symptome nicht spezifisch für ein Asthma sind und es keinen eigenständigen Test gibt, der Asthma bei Kindern definitiv bestätigen oder ausschließen kann [142]. Die Differenzialdiagnose ist daher vielfältig ([ Tab. 3 ]). Pfeifende Atemgeräusche sind am ehesten spezifisch für ein Asthma (je jünger die Kinder aber sind, desto eher müssen auch anatomische Ursachen wie eine Tracheobronchomalazie oder eine Atemwegsstenose durch einen aberranten Gefäßverlauf in Betracht gezogen werden). Jedoch werden die Atemgeräusche häufig durch die Eltern nicht bemerkt und dadurch nicht berichtet. Deshalb ist die Frage, ob das Kind pfeifende Atemgeräusche hat, auch nicht sehr sensitiv [142]. Husten tritt auch bei Infektionen (eher feucht) oder postinfektiös (eher trocken) auf. Er kann plötzlich nach einer Fremdkörperaspiration auftreten, wobei das Ereignis häufig nicht observiert wurde. Husten kann aber auch bei gastroösophagealem Reflux, bei einer chronischen Lungenerkrankung wie Mukoviszidose oder Bronchiektasen, bei einer interstitiellen Lungenerkrankung, bei einer angeborenen Fehlbildung, in seltenen Fällen bei einem Tumor oder auch bei Primärer Ziliärer Dyskinesie (PCD) auftreten [143]. Die Symptome erschwerte Atmung oder Atemnot (bei Sport oder Aktivität) könnten z. B. auch zu einem dysfunktionellen Atemmuster (wie „Induced Laryngeal Obstruction“, ILO, oder „Vocal Cord Dysfunction“, VCD), überwiegend thorakalem Atemmuster oder Hyperventilation passen, oder auf eine restriktive Lungenerkrankung hinweisen [144] (differenzialdiagnostisch muss eine kardiale Genese auch bei Kindern und Jugendlichen in Betracht gezogen werden).

Tab. 3

Asthma-Differenzialdiagnosen bei Kindern.

Anamnese

  • Symptome seit der Geburt, peripartal respiratorische Probleme:

    • zystische Fibrose (CF), chronische Lungenerkrankung nach Frühgeburtlichkeit/broncho-pulmonale Dysplasie; primäre ziliäre Dysfunktion (PCD); angeborene Lungenfehlbildung

  • Familienanamnese mit pulmonalen Erkrankungen

    • CF, neuromuskuläre Erkrankungen, Immundefekt, PCD

  • akutes Auftreten ohne vorherige Probleme

    • Fremdkörperaspiration

Symptome

  • Fieber, Beschwerden vonseiten der oberen Atemwege

    • akuter respiratorischer Infekt (Bronchitis, Bronchiolitis, Bronchopneumonie)

  • produktiver Husten

    • CF, PCD, Bronchiektasen, protrahierte bakterielle Bronchitis; rezidivierende Aspirationen; Immundefekt

  • nächtliche Symptome, verstärkte Spuckneigung

    • obere Atemwegsprobleme, gastroösophagealer Reflux mit rezidivierenden Aspirationen

  • anfallartiger Husten

    • Pertussis/postinfektiöse Hyperreagibilität, Dysphagie, Schluckstörung

  • Kurzatmigkeit mit Schwindel, Kribbelparaesthesien

    • dysfunktionelle Atmung, z. B. Hyperventilation

  • in- und/oder exspiratorischer Stridor

    • angeborene Fehlbildung (Stenose oder Malazie im Bereich der großen Atemwege); Laryngitis, Tracheitis

  • abnorme Stimme, Heiserkeit

    • laryngeales Problem

  • lokalisierte thorakale Befunde

    • angeborene Fehlbildung, postinfektiöse Veränderungen, Tuberkulose

  • Trommelschlegelfinger

    • CF, Bronchiektasen

  • Gedeihstörung

    • CF, Immundefekt, gastroösophagealer Reflux, interstitielle Lungenerkrankung

Untersuchungsbefunde

  • lokalisierte radiologische Veränderungen

    • angeborene Fehlbildung, CF, postinfektiöse Veränderungen

    • Fremdkörperaspiration, rezidivierende Aspirationen bei Schluckstörung oder gastroösophagealem Reflux. Bronchiektasen, Tuberkulose

Je jünger die Kinder, desto schwieriger ist es, die Diagnose Asthma zu stellen. Diagnostische Tests können häufig erst ab dem Alter von 5 Jahren durchgeführt werden. Viele Kleinkinder machen rezidivierende obstruktive Bronchitiden durch. Die meisten dieser rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden sind rein Virusinfekt- assoziiert, und die Symptomatik verschwindet nach dem dritten Lebensjahr. Rezidivierend auftretende obstruktive Bronchitiden können aber auch Ausdruck eines frühkindlichen Asthma sein. Anamnestische Hinweise darauf wären eine giemende Atmung ohne Vorliegen eines Infekts, z. B. bei körperlicher Anstrengung, oder eine positive Atopieanamnese [93] [94] [97]. Es sollten bei jeder Anamneseerhebung bei Verdacht auf Asthma aktiv nach Auslösern der Beschwerden, wie körperlicher Aktivität oder Sport, gefragt und allergologische Befunde erhoben werden.


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2.8.2 Erwachsenenalter

Die häufigste Differenzialdiagnose im Erwachsenenalter ist die COPD. In klassischen Fällen bereitet die Abgrenzung keine Schwierigkeiten. Als Beispiele können der 18-jährige Nieraucher mit ausschließlich saisonalem allergischen Asthma, begleitender allergischer Rhinitis und normaler Lungenfunktion im Intervall einerseits und der 70-jährige starke Raucher mit Beschwerdebeginn nach dem 40. Lebensjahr mit persistierender und im Verlauf progressiver Bronchialobstruktion andererseits genannt werden. In vielen Fällen in der täglichen Praxis ist die Abgrenzung jedoch schwierig, insbesondere zwischen einem Adult-onset-Asthma und einer COPD. Die [ Tab. 4 ] stellt die wichtigsten Merkmale von Asthma und COPD gegenüber. Es gibt, bis auf die volle Reversibilität der obstruktiven Ventilationsstörung, kein einzelnes spezifisches Merkmal für Asthma oder COPD. Die Diagnose ergibt sich aus der Synthese der Merkmale („Mustererkennung“), besonders im Verlauf durch wiederholte Untersuchungen und unter Berücksichtigung des Ansprechens auf die Therapie [145] [146]. Eine normale Diffusionskapazität spricht für Asthma, ebenso gilt: je reversibler die Obstruktion, desto wahrscheinlicher Asthma. Im Einzelfall ist es aber nicht möglich, allein aufgrund der Reversibilität (oder Überempfindlichkeit) Asthma und COPD sicher zu trennen. Wertvoll kann die Bestimmung von Typ-2-Markern sein, hohe FeNO-Werte (z. B. > 50 ppb) oder Bluteosinophilenzahlen (z. B. > 600 Eosinophile/µl) sprechen für ein Asthma. Zudem fehlen, im Gegensatz zum Asthma, bei der COPD oft nächtliche respiratorische Symptome (schon 1947 schrieb Francis M. Rackemann: „Emphysema sleeps well. In asthma, however, the nights are bad“[147]). Es ist aber zu berücksichtigen, dass auch Mischbilder aus Asthma und COPD vorliegen können.

Tab. 4

Typische Merkmale von Asthma und COPD bei Erwachsenen.

Merkmal

Asthma

COPD

Alter bei Erstdiagnose

entweder im Kindes- und Jugendalter oder im Erwachsenenalter

meist nicht vor der 6. Lebensdekade

Beginn der Erkrankung

oft relativ abrupter Beginn

schleichender Beginn

Tabakrauchen

kein direkter Kausalzusammenhang; Verschlechterung durch Rauchen möglich

direkter Kausalzusammenhang

Beschwerdebild

anfallsartig und variabel auftretende Beschwerden (Luftnot, Husten, Brustenge). Oft nächtliche respiratorische Beschwerden

Atemnot bei Belastung
meist keine nächtlichen respiratorischen Beschwerden

Verlauf

variabel und episodisch

chronisch und meist progredient

Allergien

häufig (bei intrinsischem Asthma aber fehlend)

kein direkter Kausalzusammenhang

Obstruktion

variabel, oft reversibel, oft aktuell nicht nachweisbar

immer nachweisbar, nie voll reversibel

Ansprechen der Obstruktion auf Steroide

regelhaft vorhanden

selten

Diffusionskapazität

normal

erniedrigt

Bronchiale Hyperreagibilität

meist vorhanden

eher selten

FeNO

oft erhöht

normal bis niedrig

Bluteosinophile

typischerweise erhöht

bei einer Minderheit (mäßig) erhöht

Die globalen Initiativen für Asthma und COPD hatten für Patienten mit einer obstruktiven Atemwegserkrankung, die nicht sicher einer der beiden Entitäten zuzuordnen ist, die initiale Diagnose eines ACO (Asthma-COPD-Overlap) vorgeschlagen: Dieser Ansatz wurde wieder verlassen, da es sehr viele verschiedene Konstellationen und Arten von Überlappungen zwischen den beiden Diagnosen gibt, die ein einzelner Terminus nicht umfassen kann [148]. Bei Patienten, die diagnostische Kriterien für Asthma und COPD aufweisen, sollten beide Diagnosen gestellt (und nach ICD kodiert) werden. Als typisches Beispiel hierfür gilt der allergische Asthmapatient mit Atembeschwerden seit der Kindheit, der Jahrzehnte lang geraucht und eine nicht mehr reversible Bronchialobstruktion und ein Emphysem entwickelt hat. Zur Differenzialdiagnostik müssen ggf. weiterführende Untersuchungsmethoden zur Anwendung kommen.


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2.9 Rolle der Endoskopie in der Diagnose und Differenzialdiagnose des Asthma

2.9.1 Kinder und Jugendliche

Beim Großteil der Kinder und Jugendlichen wird die Durchführung einer Endoskopie (Tracheobronchoskopie) für Diagnose oder Differenzialdiagnose des Asthma nicht notwendig sein [56] [149]. Weniger invasive Methoden wie Erstellung einer differenzierten Anamnese, Messung der Lungenfunktion einschließlich Reversibilitätstest, Messung des FeNO, Erfassung der BHR und eventuell radiologische Bildgebungen sind für die Diagnosestellung Asthma üblicherweise ausreichend. Bei Säuglingen und Kleinkindern mit giemenden Atemgeräuschen, die auf die Inhalation mit Betamimetika nicht ansprechen, muss differenzialdiagnostisch an eine Tracheobronchomalazie, eine Trachealstenose, einen intrabronchialen Fremdkörper, eine angeborene Malformation, einen Tumor oder eine Kompression der Atemwege (z. B. durch eine Gefäßanomalie) gedacht werden. Diese Differenzialdiagnosen können mittels flexibler Laryngotracheobronchoskopie gesichert bzw. ausgeschlossen werden. Diese wird in tiefer Analgosedierung unter Spontanatmung, am besten über einen nasalen Zugang, um die Atemwegsdynamik gut beurteilen zu können, durchgeführt. V. a. zur Beurteilung einer möglichen Tracheomalazie als Ursache für die giemenden Geräusche müssen die oberen Atemwege frei beweglich sein, was durch eine Intubation und in vielen Fällen auch bei Verwendung einer Larynxmaske nicht optimal möglich ist. Die starre Tracheobronchoskopie bleibt i. d. R. der Entfernung eines Fremdkörpers oder einer anderen Intervention vorbehalten [150]. Eine besondere Rolle kann die flexible Tracheobronchoskopie in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung des schwierigen vom schweren Asthma und ggf. zur Phänotypisierung des schweren Asthma haben [151] [152].


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2.9.2 Erwachsene

Bei erwachsenen Patienten mit Asthma ist die flexible oder starre Bronchoskopie nicht Bestandteil der diagnostischen und/oder therapeutischen Routine. Sie bleibt, ähnlich wie im Kindesalter, besonderen Fällen vorbehalten. Dazu zählen:

  • differenzialdiagnostische Abklärung bei unklarer oder therapierefraktärer Symptomatik [153] [154],

  • Sekretdrainage bei Mucus-Plugging und unzureichender Atemwegs-Clearance [155] [156],

  • Verdacht auf Atemwegsinstabilität und Atemwegsanomalien [157] [158].

Insbesondere bei Patienten mit vermeintlich schwerem, therapierefraktärem Asthma, welches weder auf Beta-2-Mimetika noch auf die Gabe systemischer Steroide als Therapieversuch mit einer Besserung reagiert, sollte differenzialdiagnostisch neben einer Dünnschicht-Computertomorafie auch eine Bronchoskopie zum Ausschluss endobronchialer Pathologie durch tracheobronchiale Instabilität, Tracheomalazie, aber insbesondere auch endoluminaler Tumore eine Bronchoskopie erwogen werden. Therapeutisch sollte desgleichen in Betracht gezogen werden, wenn sich beim Status asthmaticus keine befriedigende Beatmungssituation, insbesondere in Verbindung mit radiologisch nachweisbaren Atelektasen oder anderweitigen Minderbelüftungen, darstellen lässt. Auch wenn kontrollierte Studien mit ausreichender Fallzahl dazu fehlen, berichten Einzelbeobachtungen bzw. kleine Fallserien hier von einem therapeutischen Erfolg durch diese invasive Maßnahme bei intubierten und invasiv beatmeten Patienten [156]. Beim spontan atmenden Patienten mit akutem, schweren Asthma ist von einer Bronchoskopie abzusehen, da die Intervention selber oder die erforderliche Sedierung ein Atemversagen induzieren können.


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3 Asthma-Prävention und Allergen-Immuntherapie

3.1 Allgemeine Maßnahmen zur Asthma-Prävention

Die aktuellen Erkenntnisse zur Allergieprävention wurden in der S3-Leitlinie 2022 publiziert [46]: Die wichtigsten Ergebnisse aus dieser Arbeit werden im Folgenden zusammengefasst, für die genauere Darstellung wird auf die Originalpublikation [46] verwiesen.

  • Ernährung: Während Schwangerschaft und Stillzeit wird eine ausgewogene, abwechslungsreiche und nährstoffbedarfsdeckende Ernährung der Mutter empfohlen (diese beinhaltet auch den Verzehr von Gemüse, Milch/Milchprodukten, Obst, Nüssen, Eiern und Fisch). Für den Zeitraum der ersten 4 –6 Monate nach Geburt soll nach Möglichkeit ausschließlich gestillt werden und auch mit Einführung von Beikost weitergestillt werden. Eine Zufütterung von kuhmilchbasierter Formulanahrung in den ersten Lebenstagen bei Stillwunsch der Mutter sollte vermieden werden. Evidenz für eine Empfehlung von hydrolysierter Säuglingsnahrung bei nicht gestillten Risikokindern ist aktuell nicht ausreichend: Daher soll bis zur Einführung von Beikost die Verfügbarkeit einer Säuglingsanfangsnahrung mit in Studien zur Allergieprävention nachgewiesener Wirksamkeit geprüft werden. Durcherhitztes (z. B. verbackenes oder hartgekochtes), aber nicht „rohes“ Hühnerei (auch kein Rührei), kann mit der Beikost eingeführt werden und regelmäßig weiter gegeben werden. In Familien mit bereits bestehendem regelmäßigem Erdnusskonsum kann zur Prävention einer Erdnussallergie bei Säuglingen mit atopischer Dermatitis die regelmäßige Gabe von erdnusshaltigen Nahrungsmitteln in altersgerechter Form (z. B. Erdnussbutter) mit der Beikost erwogen werden (davor muss insbesondere bei Säuglingen mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis eine klinisch relevante Erdnussallergie ausgeschlossen werden). Für eine allergiepräventive Wirksamkeit von Präbiotika oder Probiotika, Vitamin D oder anderen Vitaminen in Form von Präparaten fehlt ausreichende Evidenz: Deren Supplementierung wird nicht empfohlen [46].

  • Allergen-Exposition: In Familien ohne erkennbares erhöhtes Allergierisiko soll die Haustierhaltung mit Katzen oder Hunden nicht generell eingeschränkt werden. Familien mit erhöhtem Allergierisiko (d. h. Vater, Mutter oder Geschwisterkind sind von einer atopischen Erkrankung betroffen) oder Familien mit Kindern mit bereits bestehender atopischer Dermatitis sollten eine Katze nicht neu anschaffen (im Gegensatz dazu sollte von einer Hundehaltung nicht abgeraten werden). Kinder, die durch einen Kaiserschnitt geboren wurden, haben ein geringfügig erhöhtes Asthmarisiko – dies soll bei der Beratung zum Geburtsmodus außerhalb von Notfallsituationen berücksichtigt werden: Eine vaginale Entbindung sollte, soweit möglich, angestrebt werden. Interventionen zur Reduktion der Exposition gegenüber Hausstaubmilbenallergenen im Haushalt, z. B. die Verwendung Milbenallergen-dichter Matratzenüberzüge („Encasings“), sollten nicht mit dem Ziel einer primären Allergieprävention erfolgen. Es gibt Evidenz für eine Asthma-präventive Wirkung der Allergen-Immuntherapie (AIT) bei Patienten mit allergischer Rhinitis: Hier sollte die AIT unbedingt erwogen werden (siehe Kapitel 3.2.1).

  • Lebensumfeld, Impfungen und Antibiotika: Das Aufwachsen auf einem traditionellen Bauernhof ist mit einem geringeren Risiko für die Entwicklung von Asthma und allergischen Erkrankungen assoziiert. Eine Empfehlung zur Prävention atopischer Erkrankungen durch Kindertagesbetreuung kann aufgrund der heterogenen Studiendaten nicht gegeben werden. Es gibt keine Belege, dass Impfungen das Allergierisiko erhöhen, umgekehrt aber Hinweise, dass Impfungen das Allergierisiko senken können. Alle Kinder, auch Risikokinder, sollen auch aus Gründen der Allergieprävention nach den Empfehlungen der STIKO geimpft werden. Der Einsatz von Antibiotika in der Schwangerschaft oder eine Antibiotika-Einnahme des Kindes in den ersten beiden Lebensjahren ist mit einer mittleren Erhöhung des Risikos für allergisches Asthma im späteren Leben verbunden. Die Einnahme von Paracetamol und anderen NSAR beim Kleinkind oder der Mutter in der Schwangerschaft kann nicht eindeutig mit einem erhöhten Asthma-Risiko in Zusammenhang gebracht werden [46].

  • Luftschadstoffe und Raumklima: Aktive und passive Exposition gegenüber Tabakrauch erhöhen das Allergierisiko und sind daher zu vermeiden. Die Exposition gegenüber Stickoxiden, Ozon und Feinstaub der Partikelgröße < 2,5 Mikrometer (PM 2,5) ist mit einem erhöhten Risiko für eine Asthma-Entstehung verbunden: Daher sollte die Exposition gegenüber Emissionen gegenüber Stickoxiden, Ozon und Feinstaub (PM 2,5) gering gehalten werden. Ein Innenraumklima, welches Schimmelpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtigkeit, mangelnde Ventilation), sollte vermieden werden. Die Exposition gegenüber Innenraumluftschadstoffen sollte geringgehalten werden [46].


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3.2 Allergen-Immuntherapie (AIT)

E9: Die Indikation zur subkutanen Allergen-Immuntherapie (SCIT) und sublingualen Allergen-Immuntherapie (SLIT) soll bei teilkontrolliertem und gut kontrolliertem allergischem Asthma (und FEV1 > 70 % bei Erwachsenen) geprüft werden und sollte als Therapieoption neben Allergenkarenz und Pharmakotherapie angeboten werden, falls

  • ein eindeutiger kausaler Zusammenhang zwischen respiratorischen Symptomen und entsprechender Allergen-Exposition besteht,

  • der Nachweis einer korrespondierenden Allergen-spezifischen Sensibilisierung erfolgte und

  • Präparate eingesetzt werden, deren Wirksamkeit bei Patienten mit Asthma durch kontrollierte klinische Studien belegt ist.

E10: Es wird empfohlen, die SCIT und SLIT bei unkontrolliertem Asthma und/oder bei einer FEV1 ≤ 70 % des Sollwertes nicht einzusetzen.

S2: Die Allergen-Immuntherapie ist kein Ersatz für eine wirksame antiasthmatische Pharmakotherapie.

S3: Eine Biologika-Therapie stellt keine Kontraindikation für eine Allergen-Immuntherapie dar.

3.2.1 Asthma-Prävention durch AIT

Eine AIT wird bei Patienten (insbesondere Kindern und Jugendlichen) mit allergischer Rhinitis ohne begleitendes Asthma auch empfohlen, um die potenziell immunmodulierende Wirkung der AIT im Sinne einer Asthmaprävention auszunutzen. Die Ergebnisse von „Real-World-Studien“ legen nahe, dass bei Kindern mit der Diagnose einer allergischen Rhinitis ohne begleitendes Asthma eine AIT zu einer signifikanten Reduktion des Risikos der Asthmaentstehung führt [159] [160]. In einer doppelblinden, placebokontrollierten Interventionsstudie zur Prävention von Asthma durch eine AIT mit einer Gräser-Tablette (SLIT) an Kindern und Jugendlichen mit allergischer Rhinitis ohne begleitendes Asthma bei Studieneinschluss wurde der primäre Endpunkt zwar verfehlt (Zeitpunkt bis zum Erfüllen einer komplizierten und realitätsfernen Studien-Asthmadefinition), die sekundären Endpunkte zeigten aber eine signifikante Reduktion der Zahl an Patienten, die nach Abschluss der AIT (nach 3 Jahren) oder der Nachbeobachtung (nach 5 Jahren) Asthma-Symptome aufwiesen oder Asthma-Medikamente einnehmen mussten [161].


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3.2.2 Behandlung eines bestehenden Asthma mit AIT

Bei Patienten mit einem manifesten allergischen Asthma dient die AIT dazu, die Asthma-Kontrolle nachhaltig zu verbessern, Exazerbationen zu vermeiden und den Bedarf an Medikamenten in der Dauertherapie bzw. Akuttherapie zu senken, mit dem Ziel, eine Krankheitsmodifikation und (im optimalen Fall) eine Remission der Erkrankung zu erreichen [53] [162]. Zur Behandlung von Allergien gegenüber Aeroallergenen werden 2 Formen der AIT unterschieden: die subkutane Allergenimmuntherapie (SCIT) und die sublinguale Allergenimmuntherapie (SLIT). Die Indikation für eine AIT bei zumindest teilkontrolliertem, IgE-vermitteltem, allergischen Asthma soll als Therapieoption neben Allergenkarenz und Pharmakotherapie geprüft werden. Bei dem Einsatz der AIT beim allergischen Asthma ist es wichtig, dass im Sinne einer Produkt-spezifischen Einzelbewertung der entsprechende Nachweis der Evidenz für Wirksamkeit und Sicherheit in der klinischen Dokumentation geprüft wird [53]. Die AIT ersetzt nicht eine ausreichende antiasthmatische Therapie [53], sondern wird zusätzlich zu der für den jeweiligen Patienten gewählten Dauertherapie eingesetzt [1]. Gemäß NVL Asthma (2020) ist der Einsatz einer AIT prinzipiell in allen Therapiestufen möglich [1]. Voraussetzungen für eine AIT bei Asthma [53] sind in Box 3 dargestellt.

Box 3

Voraussetzungen für eine AIT bei Asthma [53]

  • eindeutiger kausaler Zusammenhang zwischen respiratorischen Symptomen und entsprechender Allergen-Exposition

  • Nachweis einer korrespondierenden Allergen-spezifischen Sensibilisierung

  • Einsatz von Präparaten, deren Wirksamkeit bei Patienten mit Asthma durch kontrollierte klinische Studien belegt ist

  • Kontraindikation: unkontrolliertes Asthma und/oder eine FEV1 ≤ 70 % vom Sollwert

Eine Metaanalyse der Cochrane Library (88 methodisch sehr heterogene SCIT-Studien) zeigte eine Reduktion des Symptomscores sowie des Medikamentenverbrauchs sowie eine leichte Reduktion der BHR durch eine SCIT [163] (eine separate Analyse von pädiatrischen Studien wurde in dieser Cochrane-Auswertung nicht durchgeführt). Eine weitere Metaanalyse wertete 19 Studien (hiervon drei Studien ausschließlich an Kindern) aus, in welchen die Wirksamkeit der SCIT bei (Hausstaubmilben-)allergischem Asthma untersucht wurden: In 9 Studien zeigte sich eine Überlegenheit der SCIT gegenüber Placebo bei den Symptomscores [164]. Allerdings besteht eine große Heterogenität der Studien bezüglich der eingesetzten Allergendosen und Allergenpräparate. Auf dieser Grundlage empfiehlt die S2k-Leitlinie zur „Allergen-Immuntherapie bei IgE-vermittelten Erkrankungen“ aus dem Jahre 2022 [53] für die Auswahl des entsprechenden AIT-Produktes eine Präparate-spezifische Beurteilung der klinischen Dokumentation in Studien (Tabellen mit den Präparate-spezifischen Evidenzen und Zulassungen finden sich auf www.dgaki.de).

Eine SLIT kann bei erwachsenen Patienten mit Asthma und Hausstaubmilbenallergie und begleitender allergischer Rhinitis den ICS-Bedarf und die Exazerbationsrate senken: Diese Therapie war auch bei Patienten mit teilkontrolliertem Asthma sicher, daher stellt ein teilkontrolliertes Asthma in diesem Falle keine Kontraindikation dar [165]. Die SLIT führte bei Patienten mit Rhinokonjunktivitis und Asthma bei Hausstaubmilbenallergie neben einem signifikanten Therapieerfolg bei der Rhinokonjunktivitis auch zu einer signifikanten Abnahme des ICS-Verbrauchs, wobei in der Gruppe der teilkontrollierten Patienten mit Asthma eine höhere ICS-Reduktion nachgewiesen wurde [166]. Aufgrund dieser Daten empfiehlt die GINA eine Hausstaubmilben-SLIT auch für erwachsene Asthmapatienten der Therapiestufe 3 und 4 [56].

Eine große retrospektive Kohortenstudie legt für die AIT bei allergischem Asthma eine dauerhafte Besserung der Asthmakontrolle, einen geringeren Verbrauch an symptomatischer Therapie und weniger Exazerbationen nahe [167]. Vergleichbare Ergebnisse liefert eine Populations-basierte dänische Studie, welche die Exazerbationsraten vor und nach AIT untersuchte: Im Anschluss an eine AIT kam es bei Patienten mit allergischen Asthma zu einer nachhaltigen Reduktion der Exazerbationsrate (im Mittel um 74 % bei Patienten mit saisonalen Allergien und im Mittel um 57 % bei Patienten mit Hausstaubmilben-allergien) [168]. Bei der SCIT sind die meisten unerwünschten Reaktionen leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln [53]. Schwere, potenziell lebensbedrohliche systemische Reaktionen sind bei Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen sehr selten, aber prinzipiell möglich. Bei der SLIT treten häufig dosisabhängige unerwünschte lokale Reaktionen im Mund-und Rachenbereich zu Therapiebeginn auf [53]. Schwere oder anaphylaktische systemische Reaktionen sind bei einer SLIT ebenfalls möglich und in Einzelfällen beschrieben worden, aber ihr Auftreten ist deutlich seltener als bei einer SCIT (siehe auch Anaphylaxie-Register Deutschlands, Österreichs und der Schweiz: www.anaphylaxie.net).


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4 Medikamentöse Therapie

E11: Treten anstrengungsinduzierte Asthmasymptome bei behandelten erwachsenen Patienten auf, soll eine Bedarfstherapie mit ICS/FABA bevorzugt, alternativ mit SABA, angewandt werden.

E12: Treten anstrengungsinduzierte Asthmasymptome bei Kindern und Jugendlichen auf, soll eine Bedarfstherapie mit SABA oder ICS/FABA (möglich ab 12 Jahren) angewandt werden.

E13: Treten bei körperlicher Belastung regelmäßig Asthma-Symptome auf, soll die antiinflammatorische Dauertherapie intensiviert werden.

E14: Zur Prophylaxe von anstrengungsinduzierten Asthmasymptomen sollte eine LTRA-Therapie nur in begründeten Einzelfällen erfolgen.

E15: Bei Vorliegen mehrerer Darreichungsformen antiasthmatischer Wirkstoffe sollen andere Formen als die inhalative Therapie nur in begründeten Ausnahmefällen verwendet werden.

E16: In jeder Therapiestufe kann zur Symptomkontrolle ein SABA eingesetzt werden. Bei Erwachsenen sind Fixkombinationen aus ICS und FABA (z. B. Formoterol) die zu bevorzugende Alternative. Bei Jugendlichen in den Therapiestufen 1 und 2 sind Fixkombinationen aus ICS und Formoterol eine mögliche Alternative, insbesondere bei Problemen mit fehlender Adhärenz zur Langzeittherapie. Ab Therapiestufe 3 kann bei Jugendlichen und Erwachsenen eine Fixkombination aus ICS und Formoterol im Rahmen eines (S)MART-Konzeptes zur Dauer- und Bedarfstherapie eingesetzt werden. Bei Einsatz der Fixkombination zur Symptomkontrolle ist zur Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen die über die Zeit verabreichte ICS-Dosis zu kontrollieren.

E17: Bei unbehandelten Patienten sollte eine Asthmatherapie wie folgt initiiert werden:

  • bei Erwachsenen mit teilweise kontrolliertem Asthma mit einer Fixkombinationen aus ICS und Formoterol nur bei Bedarf oder einem niedrig dosierten ICS und einem SABA nur bei Bedarf (Therapiestufe 2),

  • bei Kindern und Jugendlichen mit teilweise kontrolliertem Asthma bevorzugt mit niedrigdosiertem ICS als Langzeittherapie (Therapiestufe 2),

  • bei unkontrolliertem Asthma in allen Altersstufen mindestens mit einer Therapie der Stufe 3.

E18: Bei erwachsenen Patienten mit Asthma sollte eine ICS-Therapie (entweder als möglichst niedrigdosierte Dauertherapie oder als Bedarfstherapie in Fixkombination mit einem raschwirksamen Beta-2-Mimetikum) schon ab Therapiestufe 1 bereits bei geringer Symptomatik begonnen werden.

E19: Speziell für Kinder: Bei Stufe 2 ist eine ICS-Therapie 1. Wahl; in begründeten Einzelfällen kann Montelukast zum Einsatz kommen. Auf mögliche Montelukast-Nebenwirkungen soll explizit vor Anwendung hingewiesen werden, bei Auftreten von Nebenwirkungen soll die Montelukast-Therapie beendet werden.

E20: In Stufe 3 soll bei erwachsenen Asthmapatienten bevorzugt eine fixe Kombination aus einem niedrigdosierten ICS und einem inhalativen langwirkenden Beta-2-Sympathomimetikum (LABA) oder alternativ ein ICS in mittlerer Dosis eingesetzt werden.

E21: Bei Kindern und Jugendlichen soll bei unzureichender Asthmakontrolle unter einer Langzeittherapie mit niedrigdosierten ICS die ICS-Dosis zunächst auf eine mittlere Tagesdosis gesteigert werden, bevor eine Kombinationstherapie empfohlen wird.

E22: Eine Therapie mit einem LABA soll nur in Kombination mit einem ICS erfolgen (präferenziell als Fixkombination), nicht als Monotherapie.

E23: Bei fehlender Möglichkeit einer LABA-Therapie (z. B. bei Nebenwirkungen unter LABA-Therapie) kann alternativ zum LABA primär ein LAMA und nur in begründeten Einzel-Fällen ein LTRA eingesetzt werden. Theophyllin-Präparate sollen in der Asthma-Therapie nicht mehr verordnet werden.

E24: In den Therapiestufen 4/5 sollen ICS in mittlerer bis hoher Dosis (dies schließt eine Höchstdosis mit ein) in Kombination mit einem LABA gegeben werden (präferenziell als Fixkombination), ggf. ergänzt durch ein LAMA. Bei Kindern und Jugendlichen soll in Therapiestufe 4 zunächst eine Kombinationstherapie aus einem mitteldosierten ICS mit einem LABA oder/und einem LTRA gegeben werden, bei unzureichender Kontrolle kann hier zusätzlich ein LAMA hinzugefügt werden. Bei unzureichender Kontrolle unter Stufe-4-Therapie soll eine Kombinationstherapie aus einem hochdosierten ICS mit einem LABA oder eine Kombinationstherapie aus einem hochdosierten ICS mit einem LABA und einem LAMA gegeben werden (Stufe 5). Für den Einsatz von LTRA alleine oder in Kombination wurde von der FDA eine Warnung („blackbox warning“) bezüglich potenzieller neurologischer und/oder psychiatrischer Nebenwirkungen ausgesprochen. Daher ist für diese Präparateklasse zum jetzigen Zeitpunkt zumindest eine kritische Abwägung der Indikationsstellung erforderlich.

E25: Speziell für Kinder und Jugendliche: In den Therapiestufen 4/5 soll ICS in mittlerer bis hoher Dosis in fixer Kombination mit einem LABA und/oder in begründeten Einzelfällen in Kombination mit einem LTRA eingesetzt werden (allerdings ist Montelukast nur für leichtes bis mittelschweres Asthma in Deutschland zugelassen und nur bei einem Teil der Patienten wirksam).

E26: Erwachsene: Bei unzureichender Asthma-Kontrolle unter hoch- bzw. höchstdosierter ICS/LABA-Dauertherapie sollte ein Therapieversuch mit einem zusätzlichen LAMA (entweder in freier oder fixer Kombination) unternommen werden, bevor eine Zusatz-Therapie mit einem Biologikum geprüft wird.
Kinder und Jugendliche: Bei unzureichender Asthmakontrolle unter mittelhochdosierten ICS in Kombination mit LABA und/oder LTRA sollte vor weiterer Dosissteigerung der ICS ein Therapieversuch mit LAMA als zusätzliche Therapie erfolgen. Ein LAMA ist für Kinder unter 6 Lebensjahren nicht zugelassen und steht für Kinder und Jugendliche nicht als Fixkombination mit ICS, sondern nur als Zusatz-Präparat in einem zusätzlichem Inhalator (Respimat) zur Verfügung.

S4: Vor medikamentöser Therapieeskalation mit Biologika soll die Differenzialdiagnostik schweres versus schwierig zu behandelndes Asthma erfolgen.

E27: Bei schwerem Asthma, welches mit inhalativer Therapie nicht gut kontrolliert ist, sollen Biologika als additive Therapie der 1. Wahl eingesetzt werden, sofern die Indikation für diese Präparate erfüllt wird. Die Langzeittherapie mit systemischen Glukokortikosteroiden soll wegen der Gefahr schwerer Nebenwirkungen intermittierend oder dauerhaft in der niedrigsten noch effektiven Dosis nur dann empfohlen werden, wenn Biologika nicht indiziert sind, nicht ausreichend wirken bzw. wenn trotz des kombinierten Einsatzes der verschiedenen Medikamente das Asthma unkontrolliert bleibt.

E28: Zur Auswahl des individuell geeigneten Biologikums sollen die Anamnese, die Biomarker-Expression und die Co-Morbiditäten (und ggf. die spezifischen Applikationsformen und Dosierungsintervalle der Biologika) herangezogen werden.

E29: Liegt nach ausreichender Therapiedauer (3 – 6 Monate) kein Therapieansprechen auf das Biologikum vor, soll die Therapie mit diesem Biologikum wieder beendet werden. Bei unzureichendem Therapieansprechen auf das gewählte Biologikum kann, nach erneuter Überprüfung von Diagnose, Adhärenz und Biomarkern, eine Umstellung auf ein anderes Biologikum erfolgen, sofern die Verordnungskriterien hierfür ebenfalls erfüllt sind.

E30: Nach Einstellung auf ein Biologikum soll bei Patienten, die zuvor auf OCS eingestellt waren, versucht werden, diese schrittweise auszuschleichen. Bei Reduktion der Dosis und Beendigung der Therapie mit OCS bzw. beim Wechsel von OCS auf hochdosierte ICS oder bei Reduktion einer hochdosierten ICS-Therapie sollen die Patienten engmaschig überwacht und ggf. das Vorliegen einer Nebenniereninsuffizienz geprüft werden.

E31: Speziell für Kinder und Jugendliche: Vor Übergang auf Therapiestufe 5 soll eine Reevaluation der Diagnose erfolgen.

E32: Der Grad der Asthmakontrolle soll regelmäßig überprüft werden, um festzustellen, ob eine Therapieänderung notwendig ist. Ineffektive Therapien sollen abgesetzt werden. Ziel ist die dauerhafte Erhaltung der Asthmakontrolle mit der geringstmöglichen Zahl antiasthmatischer Wirkstoffe in niedrigstmöglicher Dosis.

E33: Bei Erwachsenen sollte die Reduktion der medikamentösen ICS/LABA-Therapie, wenn möglich, mit der Halbierung der ICS-Dosis begonnen werden. Ist eine niedrige tägliche ICS-Dosis erreicht, sollte die Beendigung der Therapie mit additiv verabreichten Medikamenten erwogen werden. Bei Reduktion der Therapie soll dem Stufenplan umgekehrt gefolgt werden.

E34: Eine Deeskalation der Asthmatherapie erfordert eine engmaschige Überwachung des Patienten. Vor einer Reduktion der Therapie soll das Asthma mindestens drei Monate kontrolliert sein.

E35: Die Auswahl eines geeigneten Inhalationssystems soll in Übereinstimmung mit dem Patienten erfolgen und sich nach den kognitiven und motorischen Fähigkeiten (u. a. dem inspiratorischen Fluss) sowie den Präferenzen des Patienten richten.

E36: Vor Verschreibung eines Inhalationssystems soll der Patient in dessen Gebrauch unterwiesen werden und die korrekte Handhabung demonstriert und geschult werden.

E37: Die Inhalationstechnik des Patienten soll regelmäßig überprüft werden.

E38: Bei Wechsel eines Inhalationssystems soll eine Neueinweisung des Patienten erfolgen und die Notwendigkeit einer Dosisanpassung geprüft werden.

E39: Wenn möglich, soll für die Langzeittherapie ein Inhalationssystem (nur ein Typ eines Dosieraerosols oder eines Pulverinhalators) für alle erforderlichen Medikamente verordnet werden.

E40: Bei stationärer Behandlung des Asthmapatienten soll die Inhalationstherapie fortgeführt werden (Dosieraerosole, ggf. mit Spacer oder Vernebler). Bei Patienten unter NIV soll die Inhalation bevorzugt in den Spontanatemphasen durchgeführt werden.

E41: Patienten sollen vor Inhalation stets bis zur funktionalen Residualkapazität ausatmen.

E42: Bei Kindern und Jugendlichen soll bei Inhalation von ICS als Dosieraerosol ein Spacer empfohlen werden. Sobald als möglich soll bei der Anwendung von Spacern die Gesichtsmaske durch das Mundstück ersetzt werden.

E43: Die Qualifikation der an der Instruktion beteiligten Apotheken soll strukturiert sichergestellt sein, um falsche oder widersprüchliche Informationen und eine Verunsicherung der Patienten zu vermeiden.

E44: Der Wechsel eines Inhalators, der fachärztlich ausgewählt, verordnet und dessen Anwendung eingeübt wurde, durch die Apotheke sollte vermieden werden.

E45: Die Verwendung von validierten und publizierten elektronischen Hilfen oder von mobilen Geräten (mhealth) zur Verbesserung der Adhärenz und der Inhalationstechnik sollte sich nach den individuellen Charakteristika der Patienten richten.

4.1 Generelle Konzepte und Grundsätze der medikamentösen Therapie

4.1.1 Generelle Konzepte

Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie basieren auf dem Verständnis der Pathologie und Pathophysiologie von Asthma [18] [162] und auf der Extrapolation kontrollierter klinischer Prüfungen, die die Wirksamkeit antiasthmatischer Medikamente auf Parameter der Erkrankungskontrolle (z. B. Asthma-Symptome, Lungenfunktion, Auftreten von Exazerbationen oder Bedarf an Bronchodilatatoren zur Symptomkontrolle) untersucht haben [56]. Die Evidenzlage zu den Asthma-Therapeutika ist in der NVL Asthma 2020 hinterlegt [1]. Empfehlungen beziehen sich auf Kinder ab dem 6. Geburtstag sowie Jugendliche und Erwachsene. Klein- und Vorschulkinder sind als eigene Patientengruppe zu betrachten und in dieser Darstellung ausgenommen. Allerdings gibt es auch im Kleinkind- und Vorschulalter eine Gruppe von Patienten mit rezidivierenden Episoden obstruktiver Ventilationsstörungen und Infekt-unabhängigen respiratorischen Symptomen, die mit einer deutlichen atopischen Disposition und anderen Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis bereits mit Asthma diagnostiziert werden können: Dann gelten grundsätzlich die gleichen Konzepte wie bei älteren Kindern.

Durch die Verfügbarkeit antiinflammatorischer Therapie-Optionen, welche gezielt und nebenwirkungsarm in die Pathophysiologie der Erkrankung eingreifen (insbesondere ICS-basierte inhalative Therapie-Optionen, Allergenimmuntherapien und Biologika), sind Dauer-Therapie-Konzepte des 20. Jahrhunderts, welche kurzfristig Symptome linderten (z. B. kurzwirksame Bronchodilatatoren als Monotherapie oder Theophyllinpräparate) oder sehr nebenwirkungsreich waren (z. B. systemische Glukokortikoide), zugunsten individualisierter anti-inflammatorischer Therapien weitgehend verlassen worden [162]. Das generelle Therapiekonzept besteht nicht mehr in der Reaktion auf Symptome, sondern in der nachhaltigen Prävention ihres Auftretens [162], mit dem Ziel, eine bestmögliche Asthma-Kontrolle ([ Tab. 5 ]) oder eventuell sogar eine Asthma-Remission (Box 4) mit so wenigen Medikamenten als möglich und mit so wenigen Nebenwirkungen als möglich zu erreichen. Trotz optimaler Therapie und Therapieadhärenz kann allerdings nicht bei allen Patienten mit Asthma eine gute Asthmakontrolle oder gar eine Asthma-Remission erreicht werden. Die Asthma-Kontrolle kann neben der Abfrage der in [ Tab. 6 ] genannten Punkte auch mit standardisierten Fragebögen (z. B. Asthma-Control-Test, ACT, oder Asthma-Control-Questionnaire, ACQ) erfolgen. Im Gegensatz zum Begriff der „Asthma-Kontrolle“, welche sich auf einen kurzen Zeitraum (2–4 Wochen) bezieht und den Einsatz (nebenwirkungsreicher) systemischer Glukokortikoide nicht ausschließt ([ Tab. 6 ]), beschreibt der Begriff der „Asthma-Remission“ eine vollständige Abwesenheit von Symptomen und Exazerbationen über einen längeren Zeitraum (mindestens 1 Jahr) ohne Einsatz systemischer Glukokortikoide (Box 4) [162]. Eine Asthma-Remission kann spontan (z. B. transiente Asthmaformen in der Kindheit), nach einer therapeutischen Maßnahme („off treatment“) oder unter einer laufenden Dauer-Therapie („on treatment“) auftreten [162].

Tab. 5

Asthma-Schweregradeinteilung bei Erwachsenen.

Asthma-Schweregrad

Charakteristika

leicht

gute Asthmakontrolle unter Medikation der Therapiestufe 1 oder 2 erreichbar

mittelgradig

gute Asthmakontrolle unter Medikation der Therapiestufe 3 oder 4 erreichbar

schwer

nicht gut kontrolliertes Asthma unter hochdosierter ICS-LABA-Therapie oder Verlust der Asthmakontrolle bei Reduktion dieser hochdosierten ICS-LABA-Therapie; Notwendigkeit der Therapiestufe 5

Tab. 6

Grade der Asthma-Kontrolle.

kontrolliertes Asthma bei Kindern

kontrolliertes Asthma bei Erwachsenen

teilweise kontrolliertes Asthma

unkontrolliertes Asthma

1–2 Kriterien erfüllt

mindestens 2 Kriterien erfüllt

Symptome tagsüber

keine

≤ 2 ×/Woche

> 2 ×/Woche

Symptome nachts

keine

keine

jedes Symptom

Bedarfsmedikation

keine

≤ 2 ×/Woche

> 2 ×/Woche

Aktivitätseinschränkung

keine

keine

jede Einschränkung

FEV1

normal

normal

vermindert

Exazerbation

keine

keine

mindestens 1 ×/Jahr

in der aktuellen Woche

Die oberen 4 Kriterien (Symptome tagsüber und nachts, Bedarfsmedikation, Aktivitätseinschränkung) entsprechen dem vereinfachten Schema der Asthmakontrolle gemäß GINA [55]. Die unteren beiden Kriterien (FEV1, Exazerbations-Historie: fett gedruckt) sind Zusatzkriterien zur erweiterten Prüfung der Asthmakontrolle.

Box 4

Kriterien für eine Asthma-Remission – alle Kriterien müssen erfüllt sein [162]

  • dauerhafte (≥ 12 Monate) Abwesenheit von Asthma-Symptomen

  • dauerhafte (≥ 12 Monate) Abwesenheit von Exazerbationen

  • stabile Lungenfunktion

  • kein Bedarf an systemischen Glukokortikoiden für die Behandlung von Asthma

Der Schweregrad von Asthma ([ Tab. 5 ]) richtet sich nach dem Therapie-Ansprechen und kann daher typischerweise nicht bei Erstdiagnose bestimmt werden. Der Asthmaschweregrad basiert auf der Therapiestufe, die zur Erhaltung der Symptomkontrolle und Prävention von Exazerbationen erforderlich ist: insofern ist der Asthmaschweregrad keine statische, sondern eine variable Einschätzung, die sich im Erkrankungsverlauf ändern kann. Wichtig ist, dass Asthmakontrolle, Asthmaschweregrad und Therapiestufe nicht übereinstimmen müssen. So kann bspw. bei einem Patienten mit schwerem Asthma und guter Asthmakontrolle unter intensiver Therapie scheinbar ein niedriger Asthmaschweregrad vorliegen. Falls keine ausreichende Krankheitskontrolle mit der Initialtherapie (z. B. innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat) erzielt wird, sollten die Behandlung und die Therapieadhärenz überprüft und immer auch die Diagnose überdacht, ggf. die Diagnostik wiederholt bzw. erweitert werden.


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4.1.2 Grundsätze der medikamentösen Therapie

Die Planung einer medikamentösen Therapie muss aktuelle Beschwerden, die Ergebnisse klinischer Untersuchungen und Funktionsdiagnostik, den aktuellen Asthmaschweregrad, die aktuelle Behandlung einschließlich der Bewertung der Therapieadhärenz, die pharmakologischen Eigenschaften und individuellen Verträglichkeiten der antiasthmatischen Medikamente, pharmakoökonomische Gesichtspunkte sowie die Komorbidität(en) des Patienten berücksichtigen. Behandlungsempfehlungen müssen sowohl die prinzipielle Heterogenität des Asthma als auch die variable Ausprägung der Erkrankung bei verschiedenen Patienten und die individuelle Variabilität der Erkrankung im Verlauf in Betracht ziehen. Wesentliche Elemente jeder Langzeittherapie sind daher die Verlaufsbeurteilung der Behandlung, die insbesondere die Beeinflussung der Symptome und die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfungen einbezieht, und die entsprechende Anpassung der Behandlung im Verlauf der Erkrankung. Oftmals stellen Behandlungspläne einen Kompromiss zwischen den Therapieempfehlungen des Arztes und der Bereitschaft zur Therapieadhärenz des Patienten dar. Jeder Patient soll von seinem behandelnden Arzt einen aktuellen schriftlichen Therapieplan erhalten. Dieser enthält konkrete Angaben zu Art, Zahl und Dosierung (inkl. Einnahmehäufigkeit) der Medikamente sowie Hinweise zur Therapieintensivierung bei Verschlechterung der Asthmakontrolle bzw. zum Verhalten bei Exazerbationen (Notfallplan).

Asthma-Medikamente wurden früher in „Controller“ (Dauermedikamente zur Langzeitkontrolle) und in „Reliever“ (reine Bedarfsmedikamente) unterteilt: Diese Dichotomie ist durch die Einführung von Medikamenten, welche sowohl als Dauertherapie als auch als Bedarfstherapie eingesetzt werden (z. B. ICS/Formoterol-Fixkombinationen), nicht mehr sinnvoll. Asthmatherapeutika können grundsätzlich inhalativ, oral und/oder parenteral (subkutan, intramuskulär und intravenös) verabreicht werden. Die Möglichkeit der Applikation der meisten Medikamente durch Inhalation ist eine Besonderheit obstruktiver Atemwegserkrankungen. Dadurch können mit geringeren Wirkstoffmengen höhere topische Konzentrationen bei oft rascherem Wirkeintritt und geringeren systemischen (Neben-)Wirkungen erzielt werden. Bei der Auswahl und Dosierung der ICS ist zu beachten, dass die verfügbaren ICS ein unterschiedliches Risiko unerwünschter lokaler und systemischer Wirkungen haben [89] [90] [169]: Es soll die jeweils niedrigste Dosis der Substanz mit dem geringsten Risiko für systemische Wirkungen bevorzugt werden. Auch bei Inhalation im niedrigen Dosisbereich ist eine systemische Wirkung nicht auszuschließen. Diese sorgfältige Dosisfindung spielt bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase eine besondere Rolle, deshalb sind die Therapiestufen nach ICS-Dosis aufgeteilt und altersgerechte Dosistabellen für die unterschiedlichen ICS wichtig.

Die medikamentöse Langzeittherapie von Asthma erfolgt bislang nach einem Stufenplan, allerdings wird eine regelmäßige Re-Evaluation der Therapie empfohlen, die auch die Möglichkeit einer Reduktion der Dauertherapie beinhaltet [56]. Die Zahl der eingesetzten Medikamente sowie deren Dosierung und Applikationshäufigkeit orientiert sich am Grad der Asthmakontrolle ([ Tab. 6 ]) und am Schweregrad der Erkrankung ([ Tab. 5 ]). Das Konzept einer Stufentherapie ([ Abb. 3 ] und [ Abb. 4 ]) beinhaltet, dass die Therapie stufenweise intensiviert wird, falls sich mit dem gegenwärtigen Asthmamanagement keine gute Asthma-Kontrolle erzielen lässt, eine adäquate Therapietreue des Patienten vorausgesetzt. Messungen des exspiratorischen Spitzenflusses (PEF) und der PEF-Variabilität sind sowohl zur initialen Einschätzung der Atemflusslimitierung als auch zur Verlaufsbeurteilung und zur engmaschigen Überwachung bei Änderungen der Therapie ergänzend geeignet: Die GINA bezeichnet eine durchschnittliche tageszeitliche PEF-Schwankung > 10 % bei Erwachsenen und > 13 % bei Kindern als exzessive PEF-Variabilität [56].

Bei der initialen Therapie eines neu diagnostizierten Asthma bei Erwachsenen, bei dem der tatsächliche Schweregrad der Erkrankung noch nicht bekannt ist, gibt es zwei Konzepte:

  • „Step down“-Therapie: Die initiale Therapie orientiert sich an einem höheren als dem wahrscheinlichen Schweregrad, um eine möglichst rasche Asthmakontrolle zu erzielen. Nach Besserung der Beschwerden bzw. nach Erreichen einer guten Asthmakontrolle wird die Intensität der Medikation für die Langzeittherapie an den tatsächlichen Schweregrad der Erkrankung angepasst. Durch die stufenweise Reduktion wird der geringste, zur langfristig guten Kontrolle der Erkrankung erforderliche Therapiebedarf festlegt.

  • „Step up“-Therapie: Die Behandlung wird mit einer dem wahrscheinlichen Schweregrad entsprechenden Medikation begonnen und im Verlauf dem tatsächlichen Bedarf graduell angepasst.

Zwar sind die klinischen Ergebnisse beider Strategien bei Erwachsenen vergleichbar [170], zur Induktion einer Asthma-Remission [162] und zur Steigerung der Adhärenz ist ein „Step down“-Konzept jedoch geeigneter und daher zu präferieren.

Für den Therapiebeginn bei Kindern und Jugendlichen wird i. d. R. die Aufnahme einer antiinflammatorischen ICS-Dauertherapie empfohlen. Anzustreben ist die Behandlung mit einer möglichst niedrigen Tagesdosis, welche die Asthmakontrolle herbeiführt. Abhängig von der initialen Präsentation kann aber auch primär die Behandlung mit einer ICS-LABA-Kombination sinnvoll sein, mit einem bei Therapieerfolg nach einer Behandlungsdauer von 1–2 Monaten geplanten Deeskalation auf eine ICS-Monotherapie. Bei über einen längeren Zeitraum stabiler Erkrankung und guter Asthmakontrolle kann die Therapie stufenweise reduziert werden (z. B. nach einer Behandlungsdauer von 1–2 Monaten, bei Therapie mit ICS frühestens nach 3 Monaten), falls dann keine Verschlechterung der Asthmakontrolle eintritt. Initial wird bei Patienten, die nicht im Rahmen einer Exazerbation erstdiagnostiziert werden, i. d. R. eine ICS-Dauertherapie in niedriger Tagesdosis verordnet (pädiatrische Dosisangaben). Wenn sich dadurch keine ausreichende Asthmakontrolle erzielen lässt, erfolgt eine ICS-Dosiserhöhung auf eine mittlere Tagesdosis (pädiatrische Dosisangaben). Bei auch weiterhin unzureichender Asthmakontrolle ist als nächster Schritt eine Kombinationstherapie, vorzugsweise mit einem LABA, alternativ mit einem LTRA indiziert. Bei LTRA-Therapie müssen die Patienten jedoch über die geringere Wirksamkeit und über potenzielle psychische Nebenwirkungen der LTRA-Therapie aufgeklärt werden [171].


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4.2 Inhalationssysteme: Verordnung, Technik, Training

Im klinischen Alltag ist die Fehlerquote in der Inhalationstechnik hoch [172]. Es gibt zahlreiche Inhalationssysteme, die in ihrer Handhabung völlig unterschiedlich sind. Jedes Inhalationsgerät erfordert ein individuelles Inhalationsmanöver und stellt bestimmte systemeigene Anforderungen an die korrekte Inhalation. Der Patient soll vor der Erstanwendung intensiv in die Handhabung des Inhalationsgerätes durch einen Arzt oder geschultes Fachpersonal eingewiesen werden. Ein alleiniger Verweis auf den Beipackzettel ist nicht ausreichend. Die Hinweise des Herstellers für die Handhabung des jeweiligen Inhalationsgerätes müssen beachtet werden. Vor dem Hintergrund ständig neuer Einführungen sind Gründe für die fehlerhafte Handhabung des Inhalationsgerätes sowohl auf Seite des Verordners als auch auf Seite des Patienten zu suchen. Die Deutsche Atemwegsliga hat eine internetbasierte Aufklärungsplattform geschaffen (www.atemwegsliga.de): Verordner, Einweisungspersonal und Patienten können dort jederzeit Videos mit den notwendigen und korrekten Anleitungen zur Handhabung der jeweiligen Inhalationsgeräte abrufen. Die klinische Effektivität dieser Videos konnte belegt werden [173] [174], jedoch ersetzen auch sie nicht die direkte Einweisung in der Praxis bzw. Ambulanz.

Bei der Auswahl des geeigneten Inhalationssystems sind sowohl die kognitiven und motorischen Fähigkeiten sowie die Umsetzung von Sprühstoßauslösung und Inhalationsmanöver als auch die Höhe des Inspirationsflusses zu berücksichtigen [175] [176]. Patientenpräferenzen sind ebenso in die Entscheidung miteinzubeziehen [177]. Für die Langzeittherapie soll möglichst nur ein Inhalationssystem (nur ein Typ eines Dosieraerosols oder eines Pulverinhalators) verordnet werden [178]. Die Inhalationstechnik des Patienten soll regelmäßig und insbesondere bei unzureichender Kontrolle überprüft werden [179] [180]. Bei Wechsel eines Inhalationssystems soll die Neueinweisung des Patienten in die Handhabung erfolgen und die Notwendigkeit einer Dosisanpassung geprüft werden [181] [182]. Bei Auftreten von lokalen Nebenwirkungen infolge der ICS-Inhalation (Soorbefall, Dysphonie) sollte die oropharyngeale Deposition reduziert werden. Dies kann durch die Anwendung eines Dosieraerosols mit Spacer [183] erreicht werden (wird bei Kindern und Jugendlichen immer empfohlen). Spacer erhöhen die pulmonale Deposition, sodass auch eine erhöhte Bioverfügbarkeit berücksichtigt werden sollte [184].

Neben der Kontrolle der korrekten Inhalationstechnik sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Adhärenz geprüft werden. Dazu gehört eine Optimierung der Zahl der täglichen Inhalationen, u. a. sind Fix-Kombinationspräparate zu verwenden. Einbeziehung des Apothekenpersonals in die Schulung der Inhalationstechnik können wirkungsvoll sein [185] [186] [187] [188] [189]. Mittlerweile haben sich der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband geeinigt, dass Apotheken eine „erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit Üben der Inhalationstechnik“ honoriert bekommen: Deshalb ist es sinnvoll, die örtlichen Apotheken in die Instruktion aktiv mit einzubinden, dies sieht bspw. auch die NVL vor [1]. Die Qualifikation der an der Instruktion beteiligten Apotheken soll strukturiert mittels spezifischer Fortbildungen sichergestellt sein, um falsche oder widersprüchliche Informationen und eine Verunsicherung der Patienten zu vermeiden. Der Wechsel eines Inhalators, der fachärztlich verordnet und entsprechend geschult wurde, durch die Apotheke (z. B. aufgrund von Rabattverträgen) soll vermieden werden.

Ein optimales Atemmanöver (nach tiefer Ausatmung) ist für die bronchiale Wirkstoffdeposition entscheidend:

  • Dosieraerosol (mit/ohne Spacer): langsame tiefe Inspiration, anschließend Atempause (je kleiner die Teilchen, desto länger – bis zu 10 Sekunden).

  • Respimat (Sprühvernebler): langsame, tiefe Inspiration. Atempause von geringerer Bedeutung, da langsamer und langer Austritt der Sprühwolke.

  • Pulverinhalator: rasche tiefe Inspiration, der Maximalfluss soll möglichst früh in der Inspiration erreicht werden, anschließend Atempause (siehe oben). Bei den Einzelkapselsystemen erfolgt die Dosisfreisetzung über einen längeren Zeitraum im Vergleich zu den Reservoirsystemen.

  • Vernebler: langsame tiefe Inspiration [190].

Cave

Im schweren Asthmaanfall sollten wegen eines unzureichenden inspiratorischen Flusses keine Pulverinhalatoren eingesetzt werden. Im Notfall kann die Inhalation mit einem Dosieraerosol mit Spacer oder mit einem Vernebler erfolgen.

Die Verwendung von elektronischen Hilfen oder von mobilen Geräten („mhealth“) zur Verbesserung der Adhärenz und der Inhalationstechnik hat zugenommen, die Ergebnisse fallen unterschiedlich aus. Eine Cochrane-Analyse zeigte Vorteile für Feedback-Systeme und ein Multimedia-Training [191]. Im Einzelfall kann die Adhärenz gesteigert werden, aber ohne Senkung der Exazerbationsrate. Vorteile für ein bestimmtes Gerät können nicht abgeleitet werden. Berücksichtigt werden sollte, dass die Akzeptanz zur Benutzung zusätzlicher Hilfsmittel im Zeitverlauf deutlich abnimmt [192] [193] [194] [195]. Die Auswahl sollte sich nach den individuellen Charakteristika der Patienten richten.

Bei stationärer Asthma-Behandlung soll die Inhalationstechnik überprüft und die Inhalationstherapie fortgeführt oder modifiziert werden. Eine intensive Schulung vor Entlassung aus stationärer Behandlung („teach to goal“) kann die Rate akuter Notfallereignisse im Verlauf senken [196]. Ein unbegründetes Wechseln der Inhalationssysteme ist zu vermeiden. Auch auf Intensivstation ist die inhalative Therapie von Asthma fortzuführen. Bei Patienten, die eine NIV durchführen, ist die Inhalation bevorzugt in den Spontanatemphasen durchzuführen [197]. Bei beatmeten Patienten kann die Inhalation mit Dosieraerosolen in Verbindung mit einem Spacer oder einem Vernebler erfolgen, die in den Inspirationsschenkel eingebracht werden [198].

Bei Kindern unter 5 Jahren sollen für die inhalative Therapie Dosieraerosole plus Spacer verordnet werden. Pulverinhalationssysteme können von jungen Kindern noch nicht verwendet werden. Vernebler-Inhalationen bewirken eine schlechtere Medikamentendeposition und sind auch angesichts des hohen Aufwandes i. d. R. nicht indiziert. Auch in Anbetracht des hohen Zeitaufwandes der Verneblerinhalation ist auch bei Kleinkindern der Inhalation mittels Dosieraerosol mit Spacer der Vorzug zu geben. Bei sehr jungen Kindern erfolgt die Anwendung von Dosieraerosolen plus Spacer (oder im Ausnahmefall von Vernebler-Inhalationen) über eine Gesichtsmaske. So früh wie möglich soll aber auf die Inhalation über ein Mundstück umgestellt werden; das ist i. d. R. bei Dreijährigen möglich [199]. Auch bei älteren Kindern und Jugendlichen ist für eine Inhalationstherapie, die per Dosieraerosol durchgeführt wird, grundsätzlich ein Spacer zu verordnen.


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4.3 Medikamentöse Therapie bei erwachsenen Patienten mit Asthma

4.3.1 Anstrengungsinduziertes Asthma

Bei den meisten Patienten ist ein anstrengungsinduziertes Asthma Ausdruck einer inadäquaten Asthmakontrolle. Deshalb sollte zunächst die medikamentöse Dauer-Therapie überprüft werden. Die Therapieentscheidung bei einer Anstrengungskomponente des Asthma sollte stets berücksichtigen, ob lediglich eine Prophylaxe bei bevorstehender Anstrengung oder auch eine Dauertherapie wegen eines anstrengungsinduzierten Asthma infolge Hyperreagibilität bei chronischem Asthma erforderlich ist sowie ob es sich um ein unbehandeltes Asthma oder ein Anstrengungsasthma als einzige Asthmamanifestation bzw. um ein behandeltes und gut eingestelltes Asthma mit Beschwerden bei körperlicher Belastung handelt. Asthmabeschwerden bei körperlicher Anstrengung können auch Ausdruck von Adipositas, mangelnder körperlicher Fitness oder Asthma-unabhängiger Komorbiditäten sein.

Bei Leistungssportlern ist zu berücksichtigen, dass einige zur Prophylaxe und Therapie von Anstrengungsasthma empfohlene Medikamente unter einem Dopingvorbehalt stehen. Zur aktuellen Information wird auf die nationalen Anti-Doping-Agenturen Deutschlands (www.nada.de), Österreichs (www.nada.at) und der Schweiz (www.antidoping.ch) verwiesen.

Für Kinder und Jugendliche gilt, dass regelmäßige (z. B. einmal pro Woche im Rahmen von Schulsport oder Vereinstraining) belastungsinduzierte Beschwerden als Ausdruck einer chronischen BHR gewertet werden sollen und die Indikation zu einer anti-inflammatorischen Therapie geprüft werden soll. Tritt anstrengungsinduziertes Asthma bei Patienten auf, die bereits mit ICS behandelt werden, werden zusätzlich inhalative raschwirksame Beta-2-Sympathomimetika (FABA) unmittelbar vor körperlicher Belastung empfohlen [200]. Abhängig von der Frequenz der Beschwerden (Asthmakontrolle) kann eine Intensivierung der Langzeittherapie nach Stufenschema sinnvoll sein ([ Abb. 5 ]). Die bedarfsweise Inhalation von ICS/FABA-Fixkombinationen (z. B. ICS/Salbutamol oder ICS/Formoterol bei Bedarf) ist der bedarfsweisen FABA-Inhalation (z. B. Salbutamol bei Bedarf) bezüglich der Senkung der Exazerbationsrate bei Patienten mit Asthma überlegen [201] [202] [203] und stellt auch ein logisches Therapieprinzip bei dieser chronisch entzündlichen Erkrankung dar. Den Leitlinien-Autoren ist bewusst, dass ICS/FABA-Fixkombinationen aktuell noch nicht in Europa für die Bedarfsgabe bei anstrengungsinduziertem Asthma zugelassen sind. Da ICS/Formoterol-Fixkombinationen aber für die Behandlung von Asthma zugelassen sind, sollte im Einzelfall geprüft werden, ob durch den bedarfsweisen Einsatz einer ICS/Formoterol-Fixkombination eine adäquate Asthma-Kontrolle bei behandelten Patienten erreicht werden kann. Zur Prophylaxe von durch körperliche Anstrengung induzierten Asthmasymptomen kann neben den genannten Präparaten auch der Leukotrien-Rezeptor-Antagonist Montelukast in der Dauertherapie wirksam sein und ist in dieser Indikation als Monotherapie auch für Erwachsene zugelassen. Diese Empfehlungen gelten in gleicher Weise für die Prophylaxe seltener, vorhersehbarer Allergenexpositionen. Schließlich kann eine kontrollierte Aufwärmphase am Beginn einer körperlichen Anstrengung die Inzidenz und den Schweregrad der Asthmasymptome reduzieren [200] [204]. Treten Asthmasymptome auch unabhängig von körperlicher Anstrengung auf, sollte eine regelmäßige Erhaltungstherapie begonnen bzw. intensiviert werden. In gleicher Weise können Beschwerden bei sonst adäquat behandelten und kontrollierten Patienten durch SABA-Inhalation abgemildert werden.

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Abb. 5 Stufenschema der Asthma-Therapie bei Erwachsenen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Abkürzungen: ICS: Inhalative Kortikosteroide, IgE: Immunglobulin E, IL-5: Interleukin-5, LABA: Langwirksame Beta-2-Sympathomimetika, LAMA: Langwirksame Anticholinergika, LTRA: Leukotrienrezeptorantagonisten, OCS: Orale Kortikosteroide, SABA: Kurzwirksame Beta-2-Sympythomimetika. § Eine Rehabilitationsmaßnahme sollte spätestens ab Stufe 4 angestrebt werden. * Bislang als Bedarfstherapie formal nicht zugelassen, aber seitens der GINA (als präferierte Option) und seitens der NVL Asthma empfohlen. ** Eine SABA-Bedarfs-Therapie ist einer ICS/Formoterol-Bedarfs-Therapie seitens der Prävention von Exazerbation unterlegen. # Gemäß ICS-Dosierungstabelle.

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4.3.2 Therapiestufe 1

Eine Option bei Patienten in Therapiestufe 1 (Beschwerden seltener als 2-mal pro Woche) ist die bedarfsweise Inhalation eines SABA [1]. Eine gehäufte Anwendung einer reinen SABA-Bedarfstherapie ist jedoch mit dem Risiko eines Verlustes an Asthma-Kontrolle, einer Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität und einer erhöhten Mortalität verbunden [205]. Eine reine Bedarfstherapie mit einer Fixkombination aus einem ICS und dem FABA Formoterol (ICS/Formoterol-Fixkombination) ist sicherer und effektiver als eine reine SABA-Bedarfstherapie [202] [203] [206] [207] [208]. Die aktuellen GINA-Empfehlungen [56] sehen daher eine reine ICS/Formoterol-Bedarfstherapie als bevorzugte Therapie-Option in Stufe 1 an [209]. Eine Zulassung dieser Therapie-Option besteht in Europa derzeit nicht (Stand: 2022), wird aber von der NVL Asthma (2020) explizit als eine Therapie-Option genannt [1]. Eine reine ICS/Formoterol-Bedarfstherapie ist in Stufe 1 einer reinen SABA-Bedarfstherapie vorzuziehen [209]. Eine niedrig-dosierte ICS-Dauertherapie verringert Asthma-Exazerbationen und -Mortalität. Selbst in Stufe 1 reduziert eine niedrigdosierte ICS-Therapie das Risiko schwergradiger asthmabezogener Ereignisse ebenso wie den Verlust an Lungenfunktion im Verlauf und verbessert gleichzeitig die Symptom-Kontrolle [210]. Eine niedrigdosierte ICS-Dauertherapie sollte daher bereits bei Patienten mit Symptomen seltener als 2-mal pro Woche, als Alternative zu den o. g. Optionen, erwogen werden [56] ([ Abb. 5 ]).

In begründeten Fällen potenziell ebenfalls zur Symptomkontrolle einsetzbar sind inhalative, rasch wirksame Anticholinergika (Ipratropium), orale Beta-2-Sympathomimetika oder rasch wirksame Theophyllin-Präparate. Allerdings weisen diese Präparate einen deutlich langsameren Wirkeintritt und/oder ein höheres Nebenwirkungsrisiko auf [211]. Wird eine derartige Bedarfsmedikation häufiger als 2-mal pro Woche während eines 3-monatigen Zeitraums benötigt, sollte der Patient nach den Empfehlungen für die Therapiestufe 2 behandelt werden. Dies gilt auch, falls die Lungenfunktion zwischen Exazerbationen dauerhaft pathologisch ist. Auch bei in Therapiestufe 1 behandelten Patienten können Asthmaexazerbationen auftreten und müssen konsequent behandelt werden, ggf. mit OCS. In diesem Fall ist eine medikamentöse antiinflammatorische Dauertherapie erforderlich. Das LABA Formoterol weist einen raschen Wirkeintritt auf und ist zur Bedarfsmedikation bei Erwachsenen so effektiv wie ein SABA. Dennoch soll Formoterol als Monotherapie ohne begleitende regelmäßige ICS-Therapie angesichts des Risikos von Exazerbationen nicht zur Bedarfstherapie eingesetzt werden [212].


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4.3.3 Therapiestufe 2

Patienten in Therapiestufe 2 soll eine regelmäßige Therapie mit einem ICS in niedriger Dosis und die bedarfsorientierte Anwendung eines SABA oder als Alternative eine reine Bedarfstherapie mit einer Fixkombination aus einem ICS und Formoterol (ICS/Formoterol-Fixkombination) empfohlen werden [202] [206] [207] [208] [209] [213] ([ Abb. 5 ]). Eine Zulassung der letzteren Therapie-Option besteht in Europa derzeit nicht (Stand: 2022). Patienten mit häufigen Asthma-Symptomen (≥ 2/Woche; bei Kindern und Jugendlichen jegliche wiederkehrende Beschwerden) benötigen eine entzündungshemmende Therapie, um die Erkrankung akut zu kontrollieren und die Asthma-Kontrolle langfristig aufrechtzuerhalten [56]. Diesen Patienten soll daher eine regelmäßige, tägliche oder nur bedarfsorientierte Behandlung mit einem entzündungshemmenden Wirkstoff empfohlen werden. Mittel der ersten Wahl sind ICS in niedriger Dosis [56]. ICS bessern die entzündlichen Schleimhautveränderungen in den Atemwegen, klinisch kommt es zu einer Verbesserung der Lungenfunktion, einer Abnahme der BHR, der Frequenz von Asthma-Symptomen, der Frequenz und dem Schweregrad von Exazerbationen, Asthma-bedingten Hospitalisierungen und Todesfällen sowie zu einer Verbesserung der Asthma-bezogenen Lebensqualität (Evidenz: siehe NVL Asthma [1]). Patienten in Therapiestufe 2, die eine niedrigdosierte ICS-Mono-Dauertherapie nutzen, sollten zur Symptomkontrolle ein SABA nur bei Bedarf anwenden. Eine regelmäßige oder sogar tägliche Anwendung eines SABA deutet auf eine unzureichende Asthma-Kontrolle hin. In solchen Fällen sollte die Therapieintensität gesteigert und die Patienten ggf. nach den Empfehlungen der nächsthöheren Therapiestufe behandelt werden [56].

Die Verwendung einer Inhalationshilfe (Spacer) zur ICS-Inhalation als Dosieraerosol kann zur Verbesserung der pulmonalen Deposition sowie zur Vorbeugung oropharyngealer Nebenwirkungen bzw. erhöhter systemischer Absorptionen empfohlen werden (siehe Kapitel 4.2). Eine bei den meisten Patienten weniger effektive Alternative in dieser Indikation ist der LTRA Montelukast, der bei Patienten eingesetzt werden kann, die eine ICS-Therapie ablehnen, denen eine Therapie mit ICS nicht möglich ist, die über ausgeprägte lokale ICS-Nebenwirkungen klagen oder die eine komorbide allergische Rhinitis aufweisen [1]. Montelukast ist in dieser Indikation als Monotherapie in Deutschland nur für Kinder zugelassen, in anderen Ländern auch für Erwachsene [1]. Zu beachten sind potenzielle neurologische und/oder psychiatrische Nebenwirkungen von Montelukast, daher ist hier eine kritische Abwägung der Indikationsstellung erforderlich [214].

Eine weitere Alternative bei bislang nicht mit einer regelmäßigen Erhaltungstherapie behandelten erwachsenen Asthmapatienten ist eine fixe Kombination eines niedrig dosierten ICS mit einem LABA zur initialen Langzeittherapie. Im Vergleich mit einer niedrigen ICS-Dosis verbessert eine ICS/LABA-Therapie die Asthmasymptomatik und die Lungenfunktion. Das Exazerbationsrisiko wird im Vergleich zu einer ICS-Monotherapie allerdings nicht zusätzlich reduziert [215]. Bei Patienten mit ausschließlich saisonalem allergischem Asthma (z. B. Sensibilisierung gegen Baum- und/oder Gräserpollen) ohne Asthmabeschwerden außerhalb der Allergensaison kann eine Therapie mit ICS unmittelbar bei Auftreten erster Asthmasymptome bei Allergenexposition begonnen werden. Die ICS-Therapie sollte noch für 4 Wochen nach Ende der Allergensaison fortgeführt werden.

Theophyllin-Präparate mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung sind nur schwach antiasthmatisch wirksam und weisen ein im Vergleich zu den bevorzugt empfohlenen Langzeittherapeutika hohes Nebenwirkungsrisiko auf [162]. Chromone (Nedocromil und Chromoglyzinsäure) sind sehr gut verträgliche Medikamente mit allerdings niedriger antiasthmatischer Effektivität [162]. Chromone und Theophyllin sollten bei Erwachsenen nur in begründeten Ausnahmefällen zur Therapie in Stufe 2 eingesetzt werden.


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4.3.4 Therapiestufe 3

Als bevorzugte Therapieoptionen soll erwachsenen Patienten in Therapiestufe 3 eine regelmäßige Langzeittherapie mit

  1. einer fixen Kombination eines niedrig dosierten ICS mit einem LABA und die bedarfsweise Anwendung eines SABA
    oder

  2. eine fixe Kombination eines niedrig dosierten ICS (Budesonid oder Beclomethason) mit dem LABA Formoterol zur Langzeit- und Bedarfstherapie

empfohlen werden ([ Abb. 5 ]).

Erwachsenen Patienten, deren Asthma mit einer täglichen Therapie nur mit einem ICS in niedriger Dosis nicht zu kontrollieren ist, wird entweder eine regelmäßige Langzeittherapie mit einer Fix-Kombination eines niedrig dosierten ICS mit einem LABA und die bedarfsweise Anwendung eines SABA oder eine Fix-Kombination eines niedrig dosierten ICS mit Formoterol zur Langzeit- und Bedarfstherapie ([S]MART: [Single inhaler] Maintenance And Reliever Therapy) empfohlen [216]. Zur Behandlung ab Therapiestufe 3 stehen folgende ICS/LABA-Fix-Kombinationen zur Verfügung:

  • Fluticasonpropionat/Formoterol (2-mal tägliche Applikation),

  • Fluticasonpropionat/Salmeterol (2-mal tägliche Applikation),

  • Beclomethason/Formoterol (2-mal tägliche Applikation),

  • Budesonid/Formoterol (2-mal tägliche Applikation),

  • Fluticasonfuroat/Vilanterol (1-mal tägliche Applikation),

  • Mometasonfuroat/Indacaterol (1-mal tägliche Applikation) [217] [218] [219].

Zur Langzeit- und Bedarfstherapie ((S)MART) können, aufgrund ihres Zulassungsstatus, die Fix-Kombinationen Beclomethason/Formoterol und Budesonid/Formoterol verwendet werden, jeweils mit den ICS-Komponenten in niedriger Dosis.

Die gleichzeitige Therapie mit ICS und LABA verringert im Vergleich zur Langzeittherapie nur mit ICS die Asthmasymptomatik einschließlich nächtlicher Asthmabeschwerden und den Bedarf an FABA zur akuten Symptomkontrolle, verbessert die Lungenfunktion und reduziert die Exazerbationsfrequenz [215]. Bei Patienten mit erhöhtem Exazerbationsrisiko verringert eine Langzeit- und Bedarfstherapie mit fixen ICS/Formoterol-Kombinationen signifikant die Exazerbationsfrequenz und erhält die Asthmakontrolle mit im Verhältnis niedrigeren ICS-Dosen, jeweils im Vergleich mit einer fixen ICS/LABA-Kombination nur zur Langzeittherapie oder einer höheren ICS-Dosis zur Langzeittherapie und jeweils mit einem SABA bei Bedarf [220] [221] [222]. Fixe ICS/LABA-Kombinationen sind zumindest so effektiv wie die Einzelkomponenten [56]. Diese Art der Medikation ist für den Patienten nicht nur bequem, sondern führt auch zu einer verbesserten (v. a. ICS-)Adhärenz und zu einer erhöhten Therapiesicherheit durch Verhinderung einer LABA-Monotherapie. ICS/LABA-Therapien werden daher von der NVL als Fixkombination empfohlen [1].

Bevor eine Behandlung in einer höheren Therapiestufe erwogen wird, sollten immer die Inhalationstechnik, die Therapietreue und die Exposition gegenüber (bislang unerkannten) inhalativen Noxen bedacht und im Zweifel die asthmatische Genese der Beschwerden bestätigt werden. Eine im Vergleich zu einer Therapie mit ICS und LABA weniger häufig effektive Therapiealternative in Stufe 3 sind ICS in mittlerer Dosis [223]. Bei Erwachsenen ist in den meisten Fällen die Addition eines zweiten Wirkstoffes der Erhöhung der Dosis bei Monotherapie vorzuziehen. Die Beziehung zwischen ICS-Dosis und -Wirkung auf die meisten Parameter der Asthmakontrolle ist relativ flach [89]. Mit steigenden ICS-Dosen nimmt die zusätzliche antiasthmatische Wirkung ab und das Risiko von Nebenwirkungen zu [89]. Allerdings besteht eine klare Beziehung zwischen der Höhe der ICS-Dosis und der Prävention schwerer Exazerbationen [224]. Nur in begründeten Ausnahme-Fällen sollten statt einer ICS/LABA-Therapie weniger effektive Therapiealternativen (niedrige ICS-Dosis in Kombination mit einem LTRA oder einer niedrigen Dosis eines Theophyllin-Präparates mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung) zum Einsatz kommen [209].

Unter einer Langzeitbehandlung mit einem Theophyllin-Präparat mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung sollte die Theophyllin-Serumkonzentration zwischen 5 und 15 mg/l liegen (Bestimmung am Morgen vor der Theophyllin-Einnahme) [211]. Langwirksame orale Beta-2-Sympathomimetika können ähnlich wirksam sein wie LABA [225] [226], allerdings steigt durch die enterale Gabe das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen an: Daher ist eine LABA-Therapie zu präferieren. Prinzipiell kann auch das LAMA Tiotropium als Alternative zu einem LABA in freier Kombination mit einem ICS in Stufe 3 eingesetzt werden, z. B. bei schweren LABA-Nebenwirkungen. Tiotropium ist in dieser Indikation zwar nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern zugelassen.


#

4.3.5 Therapiestufe 4

Als bevorzugte Therapieoptionen soll erwachsenen Patienten in Therapiestufe 4

  1. eine fixe Kombination eines mittel- oder hochdosierten ICS mit dem LABA Formoterol zur Langzeit- und Bedarfstherapie
    oder

  2. eine regelmäßige Langzeittherapie mit einer fixen Kombination einer mittleren oder hohen ICS-Dosis mit einem LABA und die bedarfsweise Anwendung eines SABA

empfohlen werden ([ Abb. 5 ]).

Die Art der Eskalation der Therapieintensität in Stufe 4 wird bei Erwachsenen ggf. durch die Therapieentscheidung in Stufe 3 beeinflusst. Für Patienten mit ≥ 1 Exazerbation im letzten Jahr ist eine fixe Kombination eines niedrig dosierten ICS mit dem LABA Formoterol zur Langzeit- und Bedarfstherapie ([S]MART-Therapie) bei vergleichbarem Effekt auf die Asthmakontrolle effektiver zur Reduktion der Exazerbationsfrequenz als die gleiche ICS/LABA-Dosis nur zur Langzeittherapie oder höhere ICS-Dosen [227]. Zur (S)MART-Therapie zugelassen sind Budesonid/Formoterol- und Beclomethason-Kombinationen (vgl. Therapiestufe 3), wobei die Dosierung der Langzeittherapie bei erhöhter Frequenz der Bedarfsanwendung gesteigert werden kann. Bei Patienten mit ungenügender Asthmakontrolle unter niedrig dosierter ICS/LABA-Langzeittherapie plus SABA ist eine Therapieeskalation durch eine mittlere ICS/LABA-Dosis möglich [228]. Bei nicht gut kontrolliertem Asthma unter mittelhochdosierter ICS/LABA-Therapie kann entweder eine LAMA-Zusatz-Therapie oder eine ICS-Dosis-Steigerung erwogen werden ([ Abb. 5 ]). Bei niedrigen Typ-2-Markern (FeNO < 20 ppb und/oder Bluteosinophile < 150 Zellen/µl) sollte primär eine LAMA-Zusatz-Therapie, bei hohen Typ-2-Markern (FeNO ≥ 50 ppb und/oder Bluteosinophile ≥ 300 Zellen/µl) primär eine ICS-Dosissteigerung erwogen werden [229]. Zur Therapie-Eskalation mit einem LAMA stehen entweder Tiotropium im Sprühvernebler (mechanischer Einstoffdüsenvernebler; Respimat) [230] [231] [232] oder LAMA im Rahmen von ICS/LABA/LAMA-Fixkombinationen (derzeit zugelassen: Mometasonfuroat/Indacaterol/Glycopyrronium als Pulverinhalator [233] [234] [235] und Beclomethason/Formoterol/Glycopyrronium als Dosieraerosol [236]) zur Verfügung. Bei einer ICS-Steigerung im Rahmen einer ICS/LABA-Therapie muss beachtet werden, dass die Steigerung der ICS-Dosis meist nur einen begrenzten zusätzlichen Therapieeffekt hat, bei einem erhöhten Risiko von lokalen und systemischen Nebenwirkungen [89] [90]. Eine hoch- bzw. höchstdosierte ICS/LABA-Kombination kann versuchsweise für 3–6 Monate eingesetzt werden, wenn mit einer mittleren ICS/LABA-Kombination und einem 3. Langzeittherapeutikum (präferenziell einem LAMA) keine ausreichende Asthmakontrolle erzielt werden kann [215] [230] [231] [232]. Die Wirksamkeit des ICS Budesonid in mittlerer und hoher Dosis kann im Vergleich zur 2-mal täglichen durch 4-mal tägliche Inhalation gesteigert werden, eine adäquate Adhärenz vorausgesetzt [237]. Mittel- und hochdosierte ICS sollten statt mit dem zu präferierenden LABA nur in begründeten Ausnahmefällen mit Montelukast oder einem Theophyllin-Präparat mit verzögerter Wirkstoff-Freisetzung kombiniert werden [56].

Die Definition einer hochdosierten ICS-Therapie bei Erwachsenen ist derzeit international uneinheitlich: Der Konsensus der internationalen Fachgesellschaften [88] empfiehlt höhere ICS-Dosierungen als die GINA [56]. Die hier dargelegten ICS-Dosis-Stufen für Erwachsene orientieren sich am Konsens der internationalen Fachgesellschaften (ERS/ATS 2014 [88]) und an den Dosis-Empfehlungen der NVL [1] (siehe [ Tab. 7 ]). Eine dauerhafte höchstdosierte ICS-Therapie ist jedoch mit lokalen und systemischen Nebenwirkungen assoziiert [89] [90], daher sollte die Notwendigkeit dieser Dosierungen im Verlauf kritisch re-evaluiert werden.

Tab. 7

ICS-Dosierungen bei Erwachsenen.

ICS-Dosierungen

niedrige Dosis
(µg)

mittlere Dosis
(µg)

hohe Dosis
(µg)

Höchstdosis
(µg)

Beclometasondipropionat: Standardpartikelgröße

200–500

> 500–1000

> 1000

2000

Beclometasondipropionat: feine Partikelgröße

100–200

> 200–400

> 400

800

Budesonid

200–400

> 400–800

> 800

1600

Ciclesonid

80

160

320

640

Fluticasonfuroat

100

100

200

200

Fluticasonpropionat

100–250

> 250–500

> 500

1000

Mometasonfuroat (Twisthaler)

200

400

> 400

800

Mometasonfuroat (Breezhaler)

80

160

320[*]

320[*]

Der Begriff der ICS-Höchstdosis bezieht sich einerseits auf die ICS-Mindest-Dosierungen, die gemäß ERS/ATS-Konsensus für die Erfüllung der Kriterien eines schweren Asthma gefordert werden [86] [88], andererseits handelt es sich um die in Europa für die Therapie von Asthma zugelassenen ICS-Tages-Höchstdosierungen. Die auf den Inhalationsgeräten angegebenen Dosierungen weichen manchmal von den Dosierungen ab, die in die Berechnung der Hochdosis bzw. Höchstdosis eingehen. Bei der Fixkombination Budesonid/Formoterol wird die Budesonid-Dosis angegeben, die das Mundstück verlässt (in der höchsten Dosierung: 360 μg pro Inhalation): In die Berechnung der Dosis geht jedoch die im Gerät abgemessene Dosis ein (400 μg). Bei der Fixkombination Fluticasonfuroat/Vilanterol wird die Fluticasonfuroat-Dosis angegeben, die das Mundstück verlässt (in der höchsten Dosierung: 184 μg pro Inhalation): In die Berechnung der Dosis geht die im Gerät abgemessene Dosis ein (200 μg). Bei der Fixkombination Mometasonfuroat/Indacaterol (Breezhaler) wird die Mometasonfuroat-Dosis angegeben, die das Mundstück verlässt (in der höchsten Dosierung: 260 μg pro Inhalation): In die Berechnung der Dosis geht die im Gerät abgemessene Dosis ein (320 μg). Einige Beclometasondipropionat-(BDP)-haltige Formulierungen ermöglichen durch feinere Partikelgrößenverteilung eine höhere BDP-Lungendeposition: Daraus ergeben sich die unterschiedlichen BDP-Dosierungen. Bei der Fixkombination BDP/Formoterol entspricht eine BDP-Dosis von 100 μg in feiner Partikelgröße einer Dosis von 250 μg BDP in Standardpartikelgröße. Die Inhalation von BDP/Formoterol 200/6 µg 4-mal täglich (2-0-2) entspricht somit der BDP-Höchstdosis von 800 µg/Tag (feine Partikelgröße) bzw. 2000 µg/Tag (Standardpartikelgröße). Die Hochdosis bzw. Höchstdosis von Mometasonfuroat hängt aufgrund der unterschiedlichen Partikelgröße und Partikelfreisetzung von der Art des Pulverinhalators ab (Twisthaler oder Breezhaler): Die Höchstdosis von 320 µg/Tag via Breezhaler entspricht einer Höchstdosis von 800 µg/Tag via Twisthaler. Bei der Dreifach-Fixkombination Mometasonfuroat/Indacaterol/Glycopyrronium (Breezhaler) kommt es durch die Interaktion der 3 Substanzen zu einer stärkeren Wirksamkeit von Mometasonfuroat als bei der Zweifach-Fixkombination Mometasonfuroat/Indacaterol (Breezhaler): Daher wird bei der Dreifach-Fixkombination bereits eine Dosis von 160 µg (das Mundstück verlassend: 136 µg) als Höchstdosis gewertet, bei der Zweifach-Fixkombination hingegen eine Dosis von 320 µg (das Mundstück verlassend: 260 µg).

* In der Dreifach-Fixkombination Mometasonfuroat/Indacaterol/Glycopyrronium (Breezhaler) entspricht eine Dosis von 160 µg (das Mundstück verlassend: 136 µg) Mometasonfuroat der Hochdosis bzw. Höchstdosis. Zwischen der Zweifach-Fixkombination BDP/Formoterol und der Dreifach-Fixkombination BDP/Formoterol/Glycopyrronium bestehen hingegen keine Unterschiede in der ICS-Dosis-Berechnung. Zu beachten ist jedoch wieder, dass bei der Fixkombination BDP/Formoterol/Glycopyrronium (nur als Dosieraerosol für Asthma zugelassen: Stand 2022) die BDP-Dosis angegeben wird, die das Mundstück verlässt (in der höchsten Dosierung als Dosieraerosol: 172 μg pro Inhalation): In die Berechnung der Dosis geht die im Gerät abgemessene Dosis ein (200 μg).



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4.3.6 Therapiestufe 5

Asthmapatienten mit persistierenden Symptomen und Exazerbationen unter einer Stufe-4-Therapie trotz adäquater Therapietreue und korrekter Inhalationstechnik sollen eine Evaluation durch eine Pneumologin bzw. einen Pneumologen und additive Therapieoptionen auf der Grundlage einer fixen ICS/LABA-Kombination empfohlen werden. Empfohlen wird bei ungenügender Asthma-Kontrolle trotz Behandlung mit ICS (≥ 800 µg Budesonid pro Tag oder Äquivalent) und LABA sowie ≥ 1 Exazerbation im letzten Jahr das LAMA Tiotropium im Sprühvernebler [230] [231] [232] oder ein LAMA im Rahmen einer zugelassenen hochdosierten ICS/LABA/LAMA-Fixkombinations-Therapie:

  • Mometasonfuroat/Indacaterol/Glycopyrronium (1 × 1 Inhalation) [233] [234] [235]

  • Beclomethason/Formoterol/Glycopyrronium (Hochdosis: 172/5/9 µg: 2 × 2 Inhalationen) [236].

Eine Zusatztherapie mit einem LAMA ist keine zwingende Voraussetzung für den Einsatz von Biologika bei schwerem Asthma (da es z. B. zu Nebenwirkungen unter einer LAMA-Therapie kommen kann oder die LAMA-Zusatz-Therapie sich individuell als unwirksam erweist), ein Therapieversuch sollte jedoch unternommen werden. Mit einem Vernebler können nominell höhere ICS-Dosen (Budesonid oder Fluticason) appliziert werden, allerdings deuten nur wenige Befunde darauf hin, dass eine solche Therapie effektiver als eine konventionelle inhalative Therapie ist [238] oder dass es dadurch zu geringeren systemischen Nebenwirkungen im Vergleich zu einer äquivalenten Dosis eines OCS kommt [239]. Zudem ist diese Art der Behandlung im Verhältnis zur Therapie mit Dosieraerosolen bzw. Pulverinhalatoren aufwendiger und mit vermehrten Nebenwirkungen behaftet: Eine ICS-Langzeittherapie via Vernebler wird daher nicht empfohlen. Patienten in Therapiestufe 5, welche unter einer maximalen inhalativen Triple-Therapie (ICS in Höchstdosis + LABA ± LAMA), guter Adhärenz und adäquater Inhalationstechnik keine gute Asthma-Kontrolle erreichen, erfüllen oft die Kriterien eines schweren Asthma: Die Definition von schwerem Asthma ist in Kapitel 1 dargelegt (siehe Kapitel 1). Zusatztherapie der 1. Wahl ist bei diesen Patienten der Phänotyp-spezifische Einsatz von Biologika, diese Therapie-Option sollte daher zunächst geprüft und eingesetzt werden (siehe Kapitel 4.5.1, Biologika).

Eine intermittierende oder dauerhafte additive Therapie mit niedrigen OCS-Dosen (≤ 7,5 mg Prednisolon oder Äquivalent) kann für Patienten mit schwerem Asthma nach erfolglosem Einsatz der anderen in Stufe 5 empfohlenen Therapieoptionen (inklusive Biologika) in Betracht gezogen werden, wobei das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen besteht [240], auch bei Tagesdosen ≤ 5 mg Prednisolon (oder Äquivalent) [241] oder seltener intermittierender OCS-Gabe [242]. OCS sollten nur bei Patienten mit schlechter Symptomkontrolle und/oder Exazerbationen trotz Therapie bei guter Adhärenz und korrekter Inhalationstechnik sowie nach Ausschluss von die Asthmakontrolle beeinträchtigenden Kofaktoren eingesetzt werden, und dann in der niedrigsten noch effektiven Dosis, vorzugsweise als Einzeldosis am Morgen, um systemische Nebenwirkungen zu minimieren [243]. Die Patienten müssen über typische Nebenwirkungen einer Therapie mit OCS aufgeklärt werden. Eine regelmäßige Verlaufsbeurteilung auch in Hinblick auf eine Glukokortikosteroid-induzierte Osteoporose ist erforderlich, unter Einschluss einer umfassenden Beratung zur optimalen Osteoporose-Prävention bei zu erwartender Therapiedauer von ≥ 3 Monaten. Patienten unter Dauertherapie mit OCS sollen eine Osteoporose-Prophylaxe durchführen (S3-Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose“ [244]). Bei Beendigung der Therapie mit OCS bzw. beim Wechsel von OCS auf hochdosierte ICS müssen die Patienten engmaschig überwacht und die Möglichkeit einer temporären oder dauerhaften Nebenniereninsuffizienz in Betracht gezogen werden (siehe Kapitel 4.5.2). Bei schwer zu kontrollierendem Asthma mit nächtlichen Beschwerden kann die OCS-Tagesdosis auf 2/3 am Morgen und 1/3 der Dosis am Nachmittag verteilt werden (die Gabe der kompletten Tagesdosis am Morgen ist jedoch aus endokrinologischer Sicht zu präferieren). OCS-sparende Therapiealternativen (z. B. Methotrexat [245]) können in begründeten Fällen bei Patienten mit schwerem persistierenden Asthma in Betracht gezogen werden, die aufgrund des Versagens von Biologika-Therapien dauerhaft auf OCS angewiesen sind und unter systemischen Nebenwirkungen leiden. Diese Behandlungen gehen mit z. T. erheblichen Nebenwirkungen einher: Diese Therapieverfahren können daher nicht generell empfohlen werden und sollten nur bei eindeutiger klinischer Wirksamkeit längerfristig weitergeführt werden, und nur unter strenger fachärztlicher Kontrolle.


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4.4 Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen

Die Stufen der medikamentösen Therapie bei Kindern und Jugendlichen werden durch die Dosis der in der Langzeittherapie verwendeten ICS definiert ([ Abb. 6 ]). Die Dosisempfehlungen unterscheiden sich zwischen nationalen und internationalen Leitlinien; grundsätzlich gilt, dass die Einordnung in niedrigdosierte ICS/mittelhoch bzw. hochdosierte ICS in den letzten Jahren deutlich vorsichtiger geworden ist; dabei gelten für Kinder und Jugendliche, die sich noch im Stadium des körperlichen Wachstums und der Reifung befinden, niedrigere Dosisempfehlungen als für Erwachsene ([ Tab. 8 ]).

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Abb. 6 Stufenschema der Asthma-Therapie bei Kindern und Jugendlichen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Abkürzungen: ICS: Inhalative Kortikosteroide, LABA: Langwirksame Beta-2-Sympathomimetika, LAMA: Langwirksame Anticholinergika, LTRA: Leukotrienrezeptorantagonisten, OCS: Orale Kortikosteroide, SABA: Kurzwirkende Beta-2-Sympythomimetika. § Eine Rehabilitationsmaßnahme sollte spätestens ab Stufe 4 angestrebt werden. * Bislang als Bedarfstherapie formal nicht zugelassen, aber seitens der GINA (als präferierte Option) und seitens der NVL Asthma empfohlen. Hinweis bezüglich SABA: Die Autoren der aktuellen GINA-Leitlinien [56] empfehlen bereits in Stufe 1 für Kinder ab 6 Jahre als Alternative zu SABA bei Bedarf eine Kombination aus ICS und SABA bei Bedarf. Dazu nehmen die Autoren der vorliegenden Leitlinie ausführlich im Hintergrundtext (siehe Abschnitt 4.4) Stellung. Die Schwelle zur Stufe 2 mit obligater antiinflammatorischer Therapie ist niedrig, da jegliche wiederkehrenden Symptome bereits eine Stufe-2-Therapieempfehlung rechtfertigen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Evidenz für eine bedarfsorientierte ICS-Therapie bei Kindern gering ist und Präparate mit einer Kombination aus ICS und SABA bzw. FABA in dieser Altersgruppe für den deutschen Markt nicht zugelassen sind. Aus Sicht der Mehrzahl der pädiatrischen Autoren dieser Leitlinie ist es aber wahrscheinlich, dass auch für Kinder gilt, dass eine Monotherapie mit SABA nicht sinnvoll ist.
Tab. 8

ICS-Dosierungen bei Kindern und Jugendlichen (entnommen aus [1]).

Wirkstoff (ICS); Dosis pro Tag in Mikrogramm

niedrige Dosis

mittlere Dosis

hohe Dosis

Kinder
< 12 Jahre

Jugendliche
12–18 Jahre

Kinder
< 12 Jahre

Jugendliche
12–18 Jahre

Kinder
< 12 Jahre

Jugendliche
12–18 Jahre

Beclometasondipropionat: Standardpartikelgröße

≤ 200

≤ 200[*]

> 200–400

> 200–400[*]

–[*]

–[*]

Beclometasondipropionat:
feine Partikelgröße

≤ 100

≤ 100[*]

> 100–200

> 100–200[*]

–[*]

–[*]

Budesonid

≤ 200

≤ 200[*]

> 200–400

> 200–400[*]

–[*]

–[*]

Ciclesonid

80

160

> 160

Fluticasonfuroat

100

> 100

Fluticasonpropionat

≤ 100

≤ 100

> 100–200

> 100–250

> 200

> 250

Mometasonfuroat

200

400

> 400

Teilweise weichen die Dosisangaben stark von den Fachinformationen und damit von der Zulassung ab. Hinweise zu den Wirkstoffen: Die unterschiedlichen Beclometasondiproprionat-(BDP)-Dosierungen ergeben sich aus verschiedenen Inhalationssystemen. Einige BDP-haltige Dosieraerosole ermöglichen eine feinere Partikelgrößenverteilung bei der Arzneistoffabgabe und damit eine höhere Lungendeposition des Arzneistoffs im Vergleich zu BDP-haltigen Pulverinhalatoren. Ciclesonid, Fluticasonfuroat und Mometasonfuroat sind nur für die Behandlung von Jugendlichen ab 12 Jahren zugelassen. Für alle ICS sind unterschiedliche Dosierungen abhängig vom Alter der Kinder und Jugendlichen zugelassen.

* Bei BDP und Budesonid bestehen aus Sicht der Autoren Sicherheitsbedenken im Hinblick auf die Plasmaspiegel. Daher gleichen die Dosisangaben der Jugendlichen denen der Kinder jeweils für den niedrigen und mittleren Dosisbereich. Im hohen Dosisbereich werden die genannten Wirkstoffe von der Leitliniengruppe eher nicht empfohlen (deshalb dort auch keine Dosisangaben).


Stufe 1

Im Unterschied zu Erwachsenen werden bei Kindern und Jugendlichen deutlich weniger Symptome akzeptiert, um das Asthma als kontrolliert einzustufen. Eine bedarfsorientierte Inhalation eines SABA reicht grundsätzlich zur Symptomkontrolle aus. Treten allerdings häufigere oder regelmäßige Beschwerden auf, ist frühzeitig eine Dauertherapie mit niedrigdosierten ICS indiziert, da diese das Risiko schwerer Asthmaexazerbationen, des Abfalls der Lungenfunktion und des Kontrollverlustes reduzieren können [210]. So soll z. B. Patienten, die einen regelmäßigen Bedarf von SABA z. B. vor sportlichen Aktivitäten angeben, eine anti-inflammatorische Dauertherapie empfohlen werden. Bei Jugendlichen (nicht jedoch bei Kindern) gibt es begrenzte Hinweise, dass eine Bedarfstherapie mit einer ICS/Formoterol-Fixkombination die Wahrscheinlichkeit reduziert, mittelschwere bis schwere Asthma-Exazerbationen zu erleiden [206] [207]. Bei Kindern ist die Evidenz für die Empfehlung einer bedarfsorientierten intermittierenden Inhalation mit einer Kombination aus ICS und FABA (d. h. einem raschwirksamen LABA bzw. einem SABA) anstelle einer bedarfsorientierten SABA-Monotherapie gering [246]; es erscheint aber wahrscheinlich, dass das für Erwachsene mittlerweile gut belegte Konzept, die SABA-Bedarfstherapie durch eine Bedarfstherapie mit einer ICS/FABA-Fixkombination zu ersetzen [201] [247], auch für Kinder gilt. Ein geeignetes Fix-Kombinationspräparat aus ICS und FABA zur Bedarfstherapie ist bislang aber nicht für Kinder zugelassen (Stand: 2022).

Stufe 2

Bei Kindern und Jugendlichen mit wiederkehrenden Beschwerden jeglicher Häufigkeit soll in Therapiestufe 2 eine regelmäßige anti-inflammatorische Therapie empfohlen werden. Alltagsaktivitäten sollen ohne Bedarfsmedikation möglich sein. Mittel der ersten Wahl sind ICS in niedriger Dosis und die zusätzliche bedarfsorientierte Anwendung eines SABA ([ Abb. 6 ]). In ausgewählten Fällen kann – wie bei Erwachsenen – für Jugendliche ab 12 Jahren, z. B. bei fehlender Therapieadhärenz für eine regelmäßige niedrigdosierte ICS-Therapie, als Alternative eine reine Bedarfstherapie mit einer ICS/Formoterol-Fixkombination empfohlen werden [56]. Dabei ist zu beachten, dass für diese Altersgruppen keine eigenen Studienergebnisse vorliegen, der Anteil der Jugendlichen in den zitierten Studien lag bei 9,9 und 12,5 % [202] [206] [207] [208]. Bei Verwendung einer ICS/Formoterol-Kombination als Bedarfstherapie ist eine zusätzliche Bedarfsmedikation mit einem SABA nicht notwendig. Es ist zu beachten, dass ein häufiger Einsatz von ICS/LABA, abhängig von der verabreichten ICS-Dosis, ebenso zu unerwünschten Wirkungen führen kann wie eine regelmäßige Langzeittherapie. Für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 15 Jahren ist als langfristige Therapie in der Therapiestufe 2 als Alternative eine Monotherapie mit LTRA möglich. Dabei ist zu beachten, dass die anti-inflammatorische Wirkung geringer ist als die von ICS. Außerdem gibt es für den Einsatz von LTRA alleine oder in Kombination eine Warnung der FDA („blackbox warning“) bezüglich potenzieller neurologischer und/oder psychiatrischer Nebenwirkungen. Daher ist für diese Präparateklasse zum jetzigen Zeitpunkt zumindest eine kritische Abwägung der Indikationsstellung erforderlich [214].

Stufe 3

Bei Kindern und Jugendlichen soll bei unzureichender Asthmakontrolle unter einer Langzeittherapie mit niedrigdosierten ICS die ICS-Dosis zunächst gesteigert werden, bevor eine Kombinationstherapie empfohlen wird ([ Abb. 6 ]). Die mittlere Dosis gilt bezüglich langfristiger unerwünschter Wirkungen als sicher. Mit dieser Empfehlung wird das Konzept verdeutlicht: „Soviel wie nötig, so wenig wie nötig“. Erst wenn die mittlere ICS-Dosis nicht zu einer guten Asthmakontrolle führt, ist eine kombinierte Therapie als Langzeittherapie indiziert (in dieser Altersgruppe Stufe 4).

Stufen 4 und 5

Für Kinder und Jugendliche ist in Therapiestufe 4 die Kombination aus einem mittelhochdosierten ICS mit einem LABA und/oder LTRA (nur Montelukast zugelassen) und/oder LAMA (Tiotropium) möglich. Dabei ist (wenn keine Kontraindikation vorliegt) eine Kombination mit LABA der Kombination mit LTRA vorzuziehen; nur bei einer Untergruppe ist eine Wirksamkeit durch LTRA zu erwarten. Wenn eine Kombination keine Wirkung zeigt, sollte vor Steigerung der ICS auf eine hohe Dosis eine alternative Kombination versucht werden. Die Stufe 5 unterscheidet sich von Stufe 4 bezüglich der Dosis der ICS, zudem wird eine LTRA-Therapie in Stufe 5 nicht primär empfohlen (eine erfolgreiche LTRA-Therapie kann fortgeführt werden) ([ Abb. 6 ]). Zu beachten ist, dass nach Definition bei Kindern und Jugendlichen bei unzureichender Asthmakontrolle unter einer kombinierten Therapie mit mittelhochdosierten ICS und LABA und/oder LTRA und/oder LAMA der Verdacht auf ein schweres Asthma besteht und eine Re-Evaluation bezüglich der Diagnose und modifizierbarer Faktoren erfolgen soll (siehe Abschnitt 4.5.3).

Hinsichtlich der Wirksamkeit ist die ICS-Kombination mit LABA der Kombination mit LTRA vorzuziehen; gute Biomarker, die die Therapieentscheidung unterstützen, gibt es nicht. Ein Therapieversuch mit Tiotropium ist in Kombination mit ICS/LABA und LTRA indiziert, die fortgesetzte kombinierte Therapie als Drei- oder Vierfach-Kombination aber keine Voraussetzung für die Indikation zu einer Therapie-Eskalation mit Biologika (siehe Abschnitt 4.5.1). Wenn sich unter einer zusätzlichen Kombination mit einer den o. g. Substanzklassen keine Verbesserung der Asthmakontrolle ergibt, soll die zusätzliche Therapie wieder beendet werden. Kinder und Jugendliche, deren Asthma eine Behandlung in Stufe 5 erfordert, sollten zu einem Kinderpneumologen überwiesen und vor dem Übergang zur erweiterten Diagnostik in einem kinderpneumologischen Zentrum vorgestellt werden.


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4.5 Schweres Asthma

4.5.1 Biologika

Bei Patienten mit schwerem Asthma (siehe [ Abb. 2 ]) sind nach Ausschöpfung aller inhalativer Therapie-Optionen und/oder bei Vorliegen einer OCS-Dauertherapie Biologika die Therapie-Option der 1. Wahl. Die Entscheidung zu einer Biologika-Therapie sollte die Zahl der Exazerbationen im vergangenen Jahr, den Bedarf an systemischen Glukokortikoiden, die aktuelle Lungenfunktion, die Asthma-Kontrolle und die asthmabezogene Lebensqualität berücksichtigen. Wichtig sind auch individuelle, subjektive Einschränkungen im täglichen Leben, die bei der Einschätzung eines Therapieansprechens im Verlauf hilfreich sein können. Die Behandlung mit Biologika sollte von in der Diagnose und Therapie von schwerem Asthma erfahrenen Ärztinnen und Ärzten begonnen werden. Die initiale Auswahl eines spezifischen Biologikums ergibt sich aus der Zusammenschau von 4 Aspekten [54] [248] (ABCD-Regel) ([ Abb. 7 ]):

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Abb. 7 Algorithmus zur Biologikatherapie bei schwerem Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Abkürzungen: ICS: Inhalative Kortikosteroide, OCS: Orale Kortikosteroide, IgE: Anti-Immunglobulin E, Anti-IL-5-(R): Anti-Interleukin-5-(Rezeptor), Anti-IL-4-R: Anti-Interleukin-4-Rezeptor alpha, Anti-TSLP: Anti-Thymic stromal lymphopoietin, CRSwNP: Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen, EGPA: Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, EoE: eosinophile Ösophagitis, HES: Hypereosinophiles Syndrom, PN: Prurigo nodularis. * Unterschiedliche Bluteosinophilen-Grenzwerte in den Zulassungsstudien von Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab. ** Eine Dupilumab-Therapie-Einleitung sollte aufgrund der Gefahr schwerer Hypereosinophilien bei Bluteosinophilen-Ausgangswerten > 1500/µl nur in begründeten Fällen erfolgen [127]. & Omalizumab ist für die Behandlung der chronisch spontanen Urtikaria ab einem Alter von 12 Jahren und für die Behandlung der CRSwNP ab 18 Jahren zugelassen. # Mepolizumab ist für Behandlung der EGPA ab einem Alter von 6 Jahren und für die Behandlung der CRSwNP und des HES ab 18 Jahren zugelassen. § Dupilumab ist für die Behandlung der Neurodermitis ab einem Alter von 6 Jahren, für die Behandlung der EoE ab 12 Jahren (Körpergewicht mindestens 40 kg) und für die Behandlung der CRSwNP und der PN ab 18 Jahren zugelassen.
  • Anamnese (z. B. Alter bei Erkrankungsbeginn, klinisch relevante Allergien),

  • Biomarker-Expression (z. B. Bluteosinophilenzahl, FeNO, IgE-Spiegel),

  • Co-Morbiditäten (z. B. atopische Dermatitis, CRSwNP, allergische Rhinitis) und

  • Dosierungsintervall und andere Spezifika der Biologika (z. B. Applikationsform).

Aktuell sind 6 Biologika aus 4 Biologika-Klassen zur Behandlung von schwerem Asthma in Europa zugelassen, davon 5 Biologika zur Selbstapplikation (siehe [ Tab. 9 ]).

Tab. 9

Zur Behandlung von schwerem Asthma zugelassene Biologika.

Biologika-Klasse

Name des Biologikums

Applikations-Schema

Applikations-Weg

Selbstapplikation möglich?

Zulassung ab

Anti-IgE

Omalizumab

alle 2–4 Wochen

s. c.

ja

6 Jahren

Anti-IL-5-(R)

Mepolizumab

alle 4 Wochen

s. c.

ja

6 Jahren

Reslizumab

alle 4 Wochen

i. v.

nein

18 Jahren

Benralizumab

alle 4/8 Wochen[*]

s. c.

ja

18 Jahren

Anti-IL-4-R

Dupilumab

alle 2 Wochen

s. c.

ja

6 Jahren

Anti-TSLP

Tezepelumab

alle 4 Wochen

s. c.

ja

12 Jahren

Abkürzungen: s. c.: subkutan, i. v.: intravenös, IgE: Immunglobulin E, IL-5-(R): Interleukin-5-(Rezeptor), IL-4-R: Interleukin-4-Rezeptor alpha, TSLP: Thymic stromal lymphopoietin.

* Benralizumab wird zunächst dreimal im Abstand von 4 Wochen appliziert, danach im Abstand von 8 Wochen.


  • Anti-IgE: Omalizumab, ein monoklonaler humanisierter, gegen Immunglobulin E gerichteter Antikörper wird für Kinder ab 6 Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit schwerem allergischem Asthma empfohlen [249]. Omalizumab wird je nach Serum-Gesamt-IgE-Spiegel und Körpergewicht (Dosierungstabelle in der Fachinformation) alle 2–4 Wochen s. c. injiziert (es gibt bislang keine Zulassung für IgE-Spiegel > 1500 U/ml). Omalizumab bindet zirkulierendes freies IgE und senkt die Expression von IgE-Rezeptoren auf Effektorzellen, dies führt zu einer selektiven Hemmung IgE-vermittelter Reaktionen. Bei Patienten mit schwerem, durch Standardtherapie nicht ausreichend kontrollierbarem allergischem Asthma ließ sich unter Omalizumab ein Rückgang der klinischen Beschwerden, des Medikamentenverbrauchs und der Anzahl an Asthmaexazerbationen nachweisen, während gleichzeitig die Lebensqualität verbessert wurde. Omalizumab ist eine zusätzliche Option zur Verbesserung der Asthmakontrolle bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab 6 Jahren mit schwerem persistierendem allergischem Asthma, die einen positiven Hauttest oder In-vitro-Reaktivität gegen ein ganzjährig auftretendes Aeroallergen zeigen und sowohl eine reduzierte Lungenfunktion (FEV1 < LLN; Ausnahme: bei Kindern < 12 Jahre ist die Indikation unabhängig von der Lungenfunktion) haben als auch unter häufigen Symptomen während des Tages oder nächtlichem Erwachen leiden und trotz täglicher Therapie mit einem hoch dosierten ICS und einem LABA mehrfach dokumentierte, schwere Asthmaexazerbationen hatten. Nicht alle Patienten mit schwerem allergischen Asthma, die die genannten Kriterien erfüllen, sprechen auf eine Omalizumab-Therapie an. Der Therapieerfolg sollte daher nach einer Behandlung mit Omalizumab über mindestens 3 Monate von in der Diagnose und Therapie des schweren persistierenden Asthma erfahrenen Ärztinnen und Ärzten beurteilt werden, danach in jährlichen Intervallen. Omalizumab kann auch bei Patienten ohne Allergienachweis wirksam sein [51] [250], ist dafür aber derzeit nicht zugelassen: In begründeten Einzelfällen und bei fehlenden Therapiealternativen kann ein Therapieversuch in einem im Management des schweren Asthma erfahrenen Zentrum erwogen werden. Es gibt Hinweise auf eine Wirksamkeit und Sicherheit von Omalizumab bei allergischer bronchopulmonaler Aspergillose (ABPA), auch bei IgE-Spiegeln > 1500 U/ml [251] [252] [253], eine Zulassung liegt hier bislang jedoch nicht vor (Off-Label-Use). Neben den genannten Markern (perenniale Allergien und bestimmte IgE-Spiegel), die Voraussetzung für eine Omalizumab-Therapie bei schwerem Asthma sind, können erhöhte Eosinophilenzahlen im Blut (≥ 260/µl) und FeNO-Werte (≥ 20 ppb) Hinweise für ein besseres Ansprechen der Omalizumab-Therapie sein [131] [254]. Allerdings findet sich auch ein Ansprechen der Omalizumab-Therapie bei Patienten mit niedrigen Eosinophilenzahlen im Blut [255].

  • Anti-IL-5-(R): Mepolizumab und Reslizumab (monoklonale, gegen Interleukin-5 gerichtete Antikörper) stehen für ≥ 6 Jahre bzw. ≥ 18 Jahre alte Patienten mit schwergradigem eosinophilen Asthma zur Verfügung, Benralizumab (ein gegen die Alphakette des Interleukin-5-Rezeptors gerichteter Antikörper) ist für ≥ 18 Jahre alte Patienten mit schwergradigem eosinophilen Asthma zugelassen [256]. Mepolizumab und Reslizumab binden zirkulierendes freies Interleukin-5 und führen so zu einer effektiven Inhibition der Reifung und Aktivierung eosinophiler Granulozyten, mit konsekutiver Reduktion der Zahl eosinophiler Granulozyten im peripheren Blut und in der Lunge. Benralizumab reduziert durch Antikörper-abhängige, zellvermittelte Zytotoxizität die Zahl der eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut und in den Atemwegen. Bei Patienten mit durch eine ICS/LABA-Standardtherapie nicht adäquat kontrolliertem schwergradigem eosinophilen Asthma führen Benralizumab, Mepolizumab und Reslizumab zu einem Rückgang der Exazerbationsfrequenz, der Asthma-Symptome und des Bedarfs an systemischen Steroiden bei gleichzeitiger Verbesserung der Lungenfunktion, der Asthma-Kontrolle und der Asthma-spezifischen Lebensqualität [256]. Benralizumab wird subkutan in einer Dosis von 30 mg alle 4 Wochen, ab der 4. Dosis alle 8 Wochen injiziert, Mepolizumab bei Jugendlichen ≥ 12 Jahren und Erwachsenen subkutan in einer Dosis von 100 mg, bei Kindern (6–11 Jahre) in einer Dosis von 40 mg jeweils alle 4 Wochen. Reslizumab wird gewichtsadaptiert in einer Dosis von 3 mg pro Kilogramm Körpergewicht 1-mal monatlich intravenös als Infusion verabreicht. Ein mindestens 2-maliger Nachweis von mehr als 300 Eosinophilen pro µl Blut in den letzten 12 Monaten außerhalb von Exazerbationen sollte angestrebt werden, um das Vorhandensein eines eosinophilen Asthma zu verifizieren [56]. Im Rahmen der Indikationsstellung ist zu berücksichtigen, dass eine Therapie mit ICS oder OCS die Zahl der eosinophilen Granulozyten im Blut verringert [55]. So können z. B. bei Patienten mit schwerem Asthma und OCS-Dauertherapie Mepolizumab und Benralizumab bereits bei Nachweis von mehr als 150 Eosinophilen/µl Blut eingesetzt werden. Bei höherdosierter OCS-Dauertherapie und sehr niedrigen Bluteosinophilenzahlen kann, bei klinischen und anamnestischen Hinweisen auf ein eosinophiles Asthma, eine stufenweise Reduktion der OCS-Dosis mit regelmäßiger Bestimmung der Bluteosinophilenzahl über mehrere Tage (optimalerweise unter stationären Bedingungen) zur Prüfung des Vorliegens einer Bluteosinophilie erwogen werden. Eine Zunahme der Bluteosinophilen parallel zur Dosisreduktion kann als starker Hinweis auf eine relevante Bluteosinophilie gewertet werden. Nicht alle Patienten mit einem schwergradigen eosinophilen Asthma sprechen in gleicher Weise auf die verfügbaren Anti-IL-5-(R)-Biologika an: Bei unzureichender Therapieantwort kann bei gegebener Indikation ein anderes Anti-IL-5-(R)-Biologikum geprüft werden. Mepolizumab ist auch für die Therapie der CRSwNP (bei Patienten ab 18 Jahren in einer Dosis von 100 mg subkutan alle 4 Wochen) und der EGPA (bei Patienten ab 6 Jahren in einer Dosis von 300 mg subkutan alle 4 Wochen) zugelassen [257] [258].

  • Anti-IL-4/13: Dupilumab ist ein gegen die α-Untereinheit des Interleukin-4-Rezeptors gerichteter monoklonaler Antikörper, der die Signale der Zytokine Interleukin-4 und Interleukin-13 (Mediatoren der Typ-2-Entzündung) blockiert. Dupilumab reduziert bei Patienten mit trotz Behandlung mit mittel- bis hochdosierten ICS und LABA unkontrolliertem schweren Asthma die Frequenz schwerer Exazerbationen sowie den Bedarf an systemischen Glukokortikosteroiden und verbessert Lungenfunktion und Lebensqualität, bei guter Verträglichkeit [259]. Dupilumab ist zugelassen ab 12 Jahren als additive Erhaltungstherapie für Patienten mit schwerem Asthma mit Typ-2-Entzündung (FeNO ≥ 25 ppb und/oder Bluteosinophile ≥ 150 Zellen/µl) und ungenügender Asthma-Kontrolle trotz Therapie mit hochdosierten ICS plus einem weiteren Medikament zur Erhaltungstherapie [129] sowie für Kinder im Alter von 6–11 Jahren als zusätzliche Erhaltungstherapie bei schwerem Asthma mit Typ-2-Entzündung, gekennzeichnet durch erhöhte Eosinophile im Blut und/oder erhöhtem FeNO, die mit einer mittleren bis hohen Dosis an ICS nur unzureichend kontrolliert sind [260]. Biomarker der Typ-2-Inflammation können durch OCS und hochdosierte ICS unterdrückt werden [55]: Dies sollte bei der Bestimmung des Typ-2-Status bei Patienten, die auf OCS oder hochdosierte ICS eingestellt sind, berücksichtigt werden. In der Dupilumab-Zulassungsstudie für Patienten, die täglich OCS zusätzlich zur regelmäßigen Anwendung hochdosierter ICS plus ein weiteres Arzneimittel zur Erhaltungstherapie benötigten, gab es keine Einschränkungen in den Ausgangswerten der Typ-2-Biomarkerspiegel [261]. Die empfohlene Dupilumab-Dosierung beträgt bei Jugendlichen ab 12 Jahren und bei Erwachsenen Injektionen von 2 × 300 mg s. c. als Anfangsdosis, gefolgt von 300 mg s. c. alle zwei Wochen, bei Patienten mit schwerem Asthma, die auf OCS eingestellt sind, sowie bei Patienten mit schwerem Asthma und komorbider mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis oder mit komorbider schwerer CRSwNP. Alle anderen Patienten erhalten 2 × 200 mg als Anfangsdosis, gefolgt von 200 mg s. c. alle zwei Wochen. Kinder im Alter zwischen 6 und 11 Jahren erhalten eine Dupilumab-Dosis von 100 mg bei einem Körpergewicht ≤ 30 kg und von 200 mg bei > 30 kg, ebenfalls als subkutane Injektion alle 2 Wochen. Für die Therapie der atopischen Dermatitis/Neurodermitis (ab 6 Jahren), der eosinophilen Ösophagitis (ab 12 Jahren), der CRSwNP (ab 18 Jahren) und der Prurigo nodularis (ab 18 Jahren) ist Dupilumab jeweils separat zugelassen. Für die atopische Dermatitis, die CRSwNP und die Prurigo nodularis wird eine Therapie mit 2 × 300 mg s. c. als Anfangsdosis, gefolgt von 300 mg s. c. alle zwei Wochen, empfohlen [73] [262]. Für die Therapie der eosinophilen Ösophagitis wird eine Therapie mit 300 s. c. 1-mal pro Woche empfohlen [263].

  • Anti-TSLP: Tezepelumab ist ein gegen das epitheliale Zytokin TSLP (thymic stromal lymphopoietin) gerichteter Antikörper. TSLP wird als Reaktion auf diverse inhalative Trigger (Allergene, Viren und andere durch die Luft übertragene Irritantien) freigesetzt und führt zur Aktivierung Antigen-präsentierender Zellen, die eine entzündliche Schleimhautreaktion auslösen, wobei sowohl das adaptive als auch das angeborene Immunsystem aktiviert werden [264] [265]. Tezepelumab greift damit auf einer frühen Ebene in das Entzündungsgeschehen ein und wirkt sowohl bei allergischer als auch nicht-allergischer Genese [266] [267]. Tezepelumab reduzierte bei Patienten mit unkontrolliertem schweren Asthma trotz Behandlung mit mittel- bis hochdosierten ICS und LABA die Frequenz schwerer Exazerbationen, verbesserte die Lungenfunktion und Lebensqualität und reduzierte die Atemwegsüberempfindlichkeit und Typ-2-Marker bei guter Verträglichkeit [130] [268]. Es zeigte sich eine deutliche Korrelation zwischen der Höhe der Zahl der Eosinophilen im Blut und der Höhe der FeNO-Werte und dem therapeutischen Effekt (aber auch bei niedrigen Zahl der Eosinophilen im Blut und niedrigen FeNO-Werten zeigte sich eine Exazerbationssenkung um bis zu 40 %) [130]. Die Effekte waren unabhängig vom Allergiestatus. Eine erste Phase-3-Studie bei Patienten unter OCS-Dauertherapie konnte keine signifikante Reduktion des OCS-Bedarfs unter Tezepelumab-Therapie im Vergleich zu Placebo zeigen, bei allerdings sehr starkem Placeboeffekt [269]. Tezepelumab ist zugelassen als additive Erhaltungstherapie bei Patienten ab 12 Jahren mit schwerem Asthma, das trotz Therapie mit hochdosierten ICS plus einem weiteren Medikament zur Erhaltungstherapie unzureichend kontrolliert ist. Es kann damit unabhängig vom Nachweis erhöhter Typ-2-Biomarker eingesetzt werden, ist jedoch deutlich wirksamer bei Patienten mit erhöhten Typ-2-Markern. Die empfohlene Tezepelumab-Dosierung beträgt 210 mg subkutan alle 4 Wochen.

Die Wirksamkeit einer Behandlung mit Biologika sollte nach 3–6 Monaten re-evaluiert werden (siehe [ Abb. 7 ]), danach zumindest in jährlichem Abstand. Liegt nach ausreichender Therapiedauer kein therapeutisches Ansprechen vor, sollte die Therapie wieder beendet werden. Nach Beginn einer Behandlung mit monoklonalen Antikörpern soll die bisherige inhalative und orale Asthmatherapie für mindestens 4 Wochen beibehalten und erst danach unter engmaschiger Beurteilung der Asthmakontrolle ggf. reduziert werden. Ist es unter dem initial gewählten Biologikum nach ausreichender Therapiedauer nicht zu einer Ansprache gekommen oder wird diese bspw. bei persistierendem OCS-Bedarf oder weiterhin häufigen Exazerbationen als unzureichend angesehen, so sollte eine erneute Überprüfung hinsichtlich Diagnose, Therapieadhärenz, Komorbiditäten und Differenzialdiagnosen erfolgen ([ Abb. 7 ]). Wird nach dieser Evaluation davon ausgegangen, dass weiterhin eine unzureichend kontrollierte Atemwegsentzündung die Ursache für die unzureichende Therapieansprache ist, so kann bei gegebener Indikation die Therapie auf ein anderes Biologikum umgestellt werden, sofern der Patient die Verordnungsvoraussetzungen erfüllt. Obwohl zu dieser Frage bislang nur wenige Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien vorliegen, zeigt die klinische Erfahrung, dass viele Patienten mit suboptimalem Ansprechen auf ein Biologikum bei gegebener Indikation durchaus nach einem Wechsel sehr gut auf ein anderes Biologikum ansprechen können [270] [271] [272]. Der gleichzeitige Einsatz mehrerer Biologika (entweder zur Therapie des schweren Asthma selbst oder zur Therapie von Komorbiditäten oder anderen Erkrankungen) ist prinzipiell möglich. Obwohl diesbezüglich bislang keine Hinweise auf Sicherheitsbedenken vorliegen [273], ist die Datenlage sehr begrenzt und ein simultaner Einsatz verschiedener Antikörper sollte immer eine sorgfältig abgewogene Einzelfallentscheidung sein. Bei Anwendung von zwei Biologika aus verschiedenen Indikationsgebieten ist eine enge interdisziplinäre Abstimmung wichtig.


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4.5.2 Nebenniereninsuffizienz unter Steroidreduktion

Bei Beendigung der Therapie mit OCS oder beim Wechsel von OCS auf hochdosierte ICS oder bei Reduktion einer hochdosierten ICS-Therapie auf eine niedriger dosierte ICS-Therapie müssen die Patienten engmaschig überwacht und die Möglichkeit einer temporären oder dauerhaften tertiären Nebenniereninsuffizienz (NNI) in Betracht gezogen werden [274]. Nach Beginn einer Biologikatherapie war eine individualisierte OCS-Dosisreduktion bis auf 5 mg Prednisolonäquivalent pro Tag in der PONENTE-Studie bei den meisten Patienten möglich und bzgl. Symptomen einer manifesten NNI sicher. Laborchemisch hatten 22,9 % der Patienten nach vollständiger OCS-Beendigung eine wahrscheinliche NNI (Serum-Cortisol < 3,6 µg/dl/< 100 nmol/l) [275]. Dies sollte im Rahmen einer OCS-Reduktion berücksichtigt werden und unterstreicht die Notwendigkeit von Kontrollen der Serum-Cortisolspiegel am Morgen (nach 24-stündiger OCS-Pause). Bezüglich der Diagnostik und Therapie der NNI wird auf die entsprechende Leitlinie verwiesen [276]. Eine NNI ist bewiesen bei einem morgendlichen Serum-Cortisol-Wert < 3 µg/dl/< 83 nmol/l, und wahrscheinlich bei einem morgendlichen Serum-Cortisol-Wert < 5 µg/dl/< 140 nmol/l [276]. Bei morgendlichen Serum-Cortisol-Werten > 5 µg/dl/> 140 nmol/l ist eine NNI nicht sicher ausgeschlossen: Hier wird, bei typischen klinischen Hinweisen auf eine NNI, eine weiterführende endokrinologische Abklärung empfohlen. Bei einem morgendlichen Serum-Cortisol-Wert > 20 µg/dl/> 550 nmol/l ist eine relevante NNI aber ausgeschlossen. Patienten sollten zu Beginn der OCS-Reduktion über das Risiko und potenzielle Symptome einer NNI aufgeklärt werden. Bei nachgewiesener, klinisch manifester NNI ist eine (möglichst nur temporäre) OCS-Substitution indiziert, diese kann aufgrund der tertiären NNI auch mit Prednisolon erfolgen (Beginn z. B. mit 5 mg Prednisolon/Tag, mit nachfolgender milligrammweiser Dosis-Reduktion im Verlauf).


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4.5.3 Thermoplastie

Unter bronchialer Thermoplastie versteht man eine lokale Radiofrequenz-Puls-Behandlung der Atemwege während dreier separater Bronchoskopien [277], welche zu einer Reduktion neuromuskulärer Strukturen führt [278]. In der placebokontrollierten Zulassungsstudie (Patienten mit chronischer Sinusitis, gehäuften bronchopulmonalen Infekten und/oder FEV1 < 60 % waren ausgeschlossen) kam es zu einer Abnahme der Exazerbationen und Verbesserung der Lebensqualität, jedoch zu keiner Verbesserung der Lungenfunktion oder Asthmakontrolle [279]. Im 5-Jahres-Follow-up zeigte sich eine persistierende Reduktion der Exazerbationen, stationären Aufnahmen und Notfallvorstellungen [280]. Auch im 10-Jahres-Follow-up persistierte die Reduktion der Exazerbationen und die Verbesserung der Lebensqualität [281]. CT-morphologisch zeigte sich eine geringe Zunahme an Bronchiektasen: 7 % der Patienten, die vor der Thermoplastie keine Bronchiektasen hatten, wiesen Bronchiektasen auf, welche jedoch meist mild waren [281]. Zusammenfassend ist die Datenlage zur Thermoplastie aber weiterhin begrenzt und Prädiktoren für das beste Ansprechen der Therapie fehlen, daher soll diese Methode nur im Rahmen von Studien oder Registern in Zentren erwogen werden, bei Patienten, die nicht für eine Biologikatherapie infrage kommen, diese nicht wünschen oder trotz Biologikatherapie unkontrolliert bleiben. Aktuell (Stand: 2022) ist die Methode in der klinischen Routine in Deutschland nicht verfügbar, da die Herstellerfirma es nicht mehr in Deutschland vertreibt.


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4.5.4 Therapie von schwerem und schwierigem Asthma im Kindes- und Jugendalter

Zur Definition von schwerem Asthma sei auf Kapitel 1 und [ Abb. 2 ] verwiesen. Während schweres Asthma im Kindes- und Jugendalter gekennzeichnet ist durch unzureichende Asthmakontrolle trotz adäquat durchgeführter Therapie (d. h. ICS in mindestens mittlerer Tagesdosis + LABA ± LTRA), so bezeichnet der Begriff des schwierigen Asthma („difficult-to-treat asthma“) die Problematik des schwer behandelbaren Asthmapatienten, bei dem nicht die Schwere der Asthmaerkrankung selbst oder die unzureichende Verordnung wirksamer Therapeutika, sondern andere Faktoren dazu führen, dass keine Asthmakontrolle erzielt werden kann. Faktoren, die zu „schwierigem Asthma“ führen können, sind mangelnde Adhärenz, fehlerhafte Inhalationstechnik/inkorrekte Medikamenteneinnahme, fortgesetzte spezifische Allergen- oder Schadstoffexposition (cave: Tabakrauch), psychosoziale Faktoren, Komorbiditäten [86]. Zur Differenzialdiagnostik sei auf die Kapitel 2 und 9 verwiesen. Ehe bei Patienten ein schweres Asthma diagnostiziert wird, welches zur weiteren Eskalation der verordneten Therapie führt, sollen ein pädiatrischer Pneumologe bzw. ein kinderpneumologisches Zentrum mit der Möglichkeit auch zu invasiver Diagnostik zur Evaluation der genannten Faktoren involviert [1] und ggf. relevante Faktoren therapeutisch angegangen werden (z. B. durch Behandlung der Komorbiditäten, Asthmaschulung, psychosoziale Intervention). Des Weiteren ist die Indikation zu einer stationären Rehabilitation zu prüfen [1]. Bei schwerem Asthma ist gemäß dem Stufentherapiediagramm vorzugehen:

Therapiestufe 4

Insbesondere bei Kindern ist nach Möglichkeit eine Therapie mit hochdosiertem ICS aufgrund der Nebenwirkungen zu vermeiden. Deswegen wird die Therapiestufe 4 mit ICS/LABA-Kombinationstherapie mit ICS in mittlerer Tagesdosis von der Therapiestufe 5 mit ICS/LABA-Kombinationstherapie mit ICS in hoher Tagesdosis klar abgegrenzt, um den Einsatz von hochdosiertem ICS restriktiv zu halten. Vor Übergang in Therapiestufe 5 (mit hoher ICS-Tagesdosis) bei unzureichender Asthmakontrolle soll eine erweiterte Kombinationstherapie mit dem LAMA Tiotropiumbromid (1 × tgl. 5 µg) durchgeführt werden. Tiotropiumbromid ist ab 6 Jahren zugelassen, in Studien wurden Sicherheit und Wirksamkeit nachgewiesen [282] [283] [284] [285] [286]. Der aus den Zulassungsstudien abgeleiteten Tiotropiumbromid-Zulassung ist es geschuldet, dass eine Dreifach-Kombinationstherapie aus ICS in mittlerer Tagesdosis + LABA + LTRA gefordert ist, bevor ein LAMA eingesetzt wird. Tiotropiumbromid steht für Kinder und Jugendliche nicht als Fixkombination mit ICS, sondern nur als Zusatz-Präparat in einem zusätzlichem Inhalator (Respimat) zur Verfügung. Alle Optionen der Stufe 4 sind zu nutzen, ehe der Übergang auf Stufe 5 erfolgt. Leitend ist das Ziel, eine Symptomkontrolle zu erreichen, ohne die ICS-Dosis zu erhöhen.

Therapiestufe 5

Erst bei unzureichender Kontrolle unter Therapiestufe 4 ist bei Kindern und Jugendlichen der Übergang auf eine hochdosierte ICS-Therapie indiziert, und es soll eine Kombinationstherapie aus einem hochdosierten ICS + LABA und bei Kindern ab 6 Jahren ggf. zusätzlich dem LAMA Tiotropiumbromid verordnet werden.

Therapiestufe 6

Wenn sich unter Therapie gemäß Therapiestufe 5 keine Asthmakontrolle erzielen lässt, ist der Einsatz von Biologika in Erwägung zu ziehen [54]. Dazu liegen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen aktuell (Stand: 2022) Zulassungen für folgende Biologika vor, die in 2–4-wöchigen Abständen subkutan verabreicht werden (siehe auch Kapitel 4.5.1):

  • ab 6 Jahren: der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab, der Anti-IL-4-R-Antikörper Dupilumab, der Anti-IL5-Antikörper Mepolizumab,

  • ab 12 Jahren: der Anti-TSLP-Antikörper Tezepelumab.

Omalizumab: Die meisten klinischen Erfahrungen bestehen mit Omalizumab. Eine Reihe klinischer Studien mit Omalizumab beim schweren kindlichen Asthma wies eine signifikante Reduktion der Exazerbationshäufigkeit durch Omalizumab-Behandlung nach, daneben auch eine Verbesserung der Asthmasymptomatik [287]. Eine Behandlung mit Omalizumab ist möglich beim schweren allergischen IgE-vermittelten perennialen Asthma, welches mit einem ganzjährig relevanten Allergen assoziiert ist.

Dupilumab: Auch für Dupilumab (welches auch für die schwere atopische Dermatitis im Kindes- und Jugendalter zugelassen ist) wurden Sicherheit und Wirksamkeit hinsichtlich Exazerbationen (relative Risikoreduktion um ca. 50 %), Lungenfunktion und Asthmakontrolle in klinischen Studien nachgewiesen [129] [260]. Zugelassen ist Dupilumab als Add-on-Erhaltungstherapie bei schwerem Asthma mit FeNO-Werten ≥ 25 ppb und/oder Bluteosinophilen ≥ 150 Zellen/µl, wenn das Asthma trotz Behandlung mit mittel- bis hochdosierten ICS plus einem weiteren zur Erhaltungstherapie angewendeten Arzneimittel unzureichend kontrolliert ist.

Mepolizumab: Die Datenlage für Kinder und Jugendliche zu Mepolizumab ist schwächer als für Omalizumab und Dupilumab. Bei Kindern und Jugendlichen konnte unter Mepolizumab eine Reduktion der Exazerbationsrate um ca. 27 % vs. Placebo nachgewiesen werden; es fand sich kein signifikanter Einfluss auf die Lungenfunktion [288]. Eine kleinere deutsche retrospektive Real-World-Analyse konnte den positiven Effekt auf die Exazerbationsrate bei Kindern und Jugendlichen jedoch nicht nachweisen [289]. Mepolizumab ist zugelassen für schweres refraktäres eosinophiles Asthma.

Tezepelumab: Hier sei auf Kapitel 4.5.1 verwiesen. In die Tezepelumab-Zulassungs-Studie wurden auch 82 Jugendliche eingeschlossen [130]: Die Auswertung dieser Subgruppe zeigte ähnliche Ergebnissen wie in der Gesamtgruppe.

Die Frage, welches Biologikum für welches Kind und welchen Jugendlichen das geeignetste ist, ist aktuell schwierig zu beantworten [290]. Werden die Kriterien für den Einsatz verschiedener Biologika erfüllt, so wird angesichts der Datenlage und der aktuell noch geringeren spezifisch pädiatrischen Erfahrungen Mepolizumab bei Kindern und Jugendlichen eher nachrangig eingesetzt werden. Auch wenn das allergische Asthma oftmals mit einer (variablen) Eosinophilie einhergeht, so ist ein genuines schweres eosinophiles Asthma (mit dauerhaft hohen Eosinophilenzahlen) im Kindesalter selten. Zur Rolle von Tezepelumab liegen (Stand: Oktober 2022) noch wenig spezifische pädiatrische Erfahrungen in der klinischen Routine vor. Bei der Abwägung bezüglich der Antikörper-Auswahl wird auch das Vorliegen von Komorbiditäten (z. B. eines atopischen Ekzems) in Betracht zu ziehen sein. Noch unklar ist es, über welchen Zeitraum ein Therapieversuch mit Biologika bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt werden sollte, eine Mindesttherapiedauer von 4 Monaten erscheint aber sinnvoll, um den Therapieerfolg adäquat beurteilen zu können. Eine regelmäßige Reevaluation der Behandlung ist unabdingbar. Der mit schweren Nebenwirkungen assoziierte dauerhafte Einsatz von OCS bei schwerem Asthma im Kindes- und Jugendalter ist angesichts modernerer Therapeutika nahezu obsolet geworden: Eine solche Therapie ist nur zu rechtfertigen, wenn eine gute Asthmakontrolle trotz des kombinierten Einsatzes der oben beschriebenen medikamentösen Therapieoptionen einschließlich Umgebungskontrolle, Schulung und Rehabilitation nicht zu erzielen wäre. Auch der intermittierende Einsatz systemischer Steroide bei Exazerbationen kann mit ernsten Nebenwirkungen assoziiert sein [291]: Diese Therapiemaßnahme mag zwar im Akutfall unvermeidbar sein, grundsätzliches kritisches Hinterfragen der Notwendigkeit systemischer Steroidtherapie ist jedoch immer erforderlich.


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5 Nichtmedikamentöse Therapie

E46: Jedem Patienten mit Asthma und der Indikation zu einer medikamentösen Therapie (bei Kindern und Jugendlichen auch deren Familie) soll ein strukturiertes, verhaltensbezogenes Schulungsprogramm empfohlen und die Teilnahme daran ermöglicht werden. Nachschulungen sollen bei Bedarf angeboten werden. Die Instruktion in die korrekte Arzneimittelanwendung und Einübung der Inhalationstechnik ersetzt eine strukturierte, verhaltensbezogene Schulung nicht.

E47: Jedem Patienten soll ein individueller, strukturierter Asthma-Aktionsplan (Plan zum Selbstmanagement) zur Bewältigung akuter Verschlechterungen zur Verfügung gestellt werden.

E48: Der behandelnde Arzt sollte regelmäßig darauf hinweisen, dass der Patient geeignete Maßnahmen des körperlichen Trainings ergreift (z. B. Schulsport, Teilnahme an Lungensportgruppen oder in Sportvereinen). Ziel der Therapie ist es, eine altersgerechte uneingeschränkte Teilhabe an Sport zu ermöglichen. Insofern soll sportliche Aktivität empfohlen werden.

E49: Techniken der Atemphysiotherapie können mit dem Ziel der Reduktion von Atemnot, Hustenreiz und Angst, des Erlernens eines physiologischen Atemmusters sowie der Verbesserung des Selbstmanagements und der Lebensqualität eingesetzt werden.

E50: Bei adipösen Asthmapatienten soll eine Normalisierung des Körpergewichts empfohlen werden.

E51: Allen rauchenden Patienten soll ärztlicherseits zur Tabakabstinenz geraten werden. Ausstiegsbereiten Patienten sollen nichtmedikamentöse und medikamentöse Hilfen zur Tabakentwöhnung angeboten werden.

E52: Patienten mit Asthma soll eine rauchfreie Umgebung ermöglicht werden. Daher soll Eltern/Erziehungsberechtigten von asthmakranken Kindern dringend geraten werden, nicht zu rauchen und Rauchen in der Umgebung ihrer Kinder nicht zu erlauben.

E53: Die E-Zigarette soll bei Patienten mit Asthma nicht zur Tabakentwöhnung eingesetzt werden.

S5: Die medikamentöse Therapie des Asthma ist regelmäßig durch nichtmedikamentöse Therapie-Maßnahmen (z. B. Tabakentwöhnung, Schulung, körperliches Training, Atemphysiotherapie, Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten) zu ergänzen.

S6: Eine strukturierte Patientenschulung führt zu einer bedeutsamen Verbesserung der Selbstmanagement-Fähigkeit mit besserer Symptomkontrolle, Verringerung der Zahl der Asthmaanfälle und Notfallsituationen, Verbesserung der Lebensqualität sowie Reduktion von Krankenhaus-, Arbeits- und Schulfehltagen. Eine günstige Kosten-/Nutzenrelation ist nachgewiesen.

S7: Körperliches Training kann die Asthmasymptomatik und Morbidität verringern, die Belastbarkeit verbessern und die Anzahl symptomfreier Tage erhöhen.

S8: Regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere in der Gruppe bzw. im Verein, trägt zur Verbesserung der sozialen Teilhabe und der Alltagsaktivität bei und verbessert die funktionale Gesundheit.

S9: Rauchen verschlimmert das Asthma des Rauchers und der passiv rauchenden Erwachsenen, Kinder und Jugendlichen.

S10: Psychosoziale Beeinträchtigungen durch krankheitsbedingte Behinderungen im privaten sowie beruflichen Bereich sind bei Asthmapatienten häufig. Bei Kindern und Jugendlichen betrifft dies insbesondere die Auswirkungen auf die körperliche und seelische Entwicklung. Das familiäre und auch das soziale Umfeld können entscheidend die Akzeptanz der Diagnose und der notwendigen therapeutischen Maßnahmen beeinflussen.

E54: Die Ionisierung (Air Ionisers) der Luft soll in der Asthmatherapie nicht eingesetzt werden.

S11: Akupunktur besitzt keinen nachgewiesenen Effekt auf die Asthmakontrolle. Manuelle Therapie einschließlich Massagen, Spinalmanipulationen und physisches Belastungstraining verbessern die Lungenfunktion nicht.

E55: Patienten mit nur partiell kontrolliertem oder unkontrolliertem Asthma soll eine pneumologische Rehabilitation angeboten werden, um normale Aktivitäten bzw. Teilhabe am beruflichen und privaten Leben zu ermöglichen.

E56: Bei Patienten mit rezidivierenden Asthmaexazerbationen soll eine Anschlussheilbehandlung bzw. Rehabilitationsmaßnahme beantragt werden. Bei stationär behandelten Asthmaexazerbationen soll vor Entlassung aus dem Akutkrankenhaus die Indikation zur Anschlussheilbehandlung bzw. stationären Rehabilitation geprüft werden.

E57: Bei Jugendlichen, die vor dem Eintritt in die berufliche Ausbildung stehen, sollte während der Rehabilitation eine Berufsberatung erfolgen.

E58: Jedem Patienten sollen individuelle Empfehlungen zur Nachbehandlung und zur Verstetigung des Behandlungserfolges gegeben werden.

S12: Wesentliche Komponenten der Rehabilitation beim Asthma sind (neben diagnostischen Maßnahmen): strukturierte Tabakentwöhnungsprogramme, Patientenschulung, Trainingstherapie, Physiotherapie/Atemphysiotherapie, Ergotherapie, Hilfsmittelberatung, Sozial-, Ausbildungs- und Berufsberatung, psychologische und ggf. psychotherapeutische Hilfen, Ernährungsberatung und sozialmedizinische Beratung. Der multimodale Ansatz der Rehabilitation bewirkt mehr als die Summe der einzelnen Maßnahmen.

5.1 Patientenschulung

Ziel der Patientenschulung ist die aktive Einbeziehung des Betroffenen in das Management seiner chronischen Krankheit durch Erlernen der Selbstkontrolle und einer der Schwere der Erkrankung angepassten Selbstmedikation. Nach Teilnahme an einer strukturierten Patientenschulung kann der Patient zu einem aktiven Partner des behandelnden Arztes in der Bewältigung seiner chronischen Krankheit werden und so zur Effizienz des Managements seiner Erkrankung beitragen. Eine strukturierte und bei Kindern und Jugendlichen die Familie einbeziehende Patientenschulung führt zu einer klinisch bedeutsamen Verbesserung der Selbstmanagementfähigkeiten mit besserer Symptomkontrolle, Verringerung der Zahl von Asthmaanfällen und Notfallsituationen, Verbesserung der Lebensqualität sowie Reduktion von Krankenhaus-, Arbeitsunfähigkeit- bzw. Schulfehltagen [292] [293] [294] [295]. Eine günstige Kosten-Nutzen-Relation ist nachgewiesen. Jeder Patient mit Asthma soll daher zeitnah nach der Diagnose Zugang zu einem strukturierten, evaluierten, zielgruppenspezifischen und qualitätsgesicherten Schulungsprogramm erhalten. Bei der Schulung von Kindern und Jugendlichen sind die Eltern regelhaft einzubeziehen. Regelmäßige Nachschulungen sind in bisher nicht hinreichend evaluierten, von den aktuellen Selbstmanagementfähigkeiten des Patienten abhängigen Zeitabständen empfehlenswert. Patientenschulung soll eine aktive Teilnahme des Patienten (bei Kindern und Jugendlichen auch deren Familien) an der Bewältigung seiner chronischen Krankheit durch Überwachen der Symptomatik und adäquate Selbstanpassung der Therapie an den jeweiligen Schweregrad der Erkrankung ermöglichen. Der Erkrankte soll in die Lage versetzt werden, seine Symptome zu erkennen, zu bewerten und zu kontrollieren sowie Verschlechterungen durch eine rechtzeitige Therapieanpassung zu beherrschen. Er sollte seine Medikamente mit Wirkungen und unerwünschten Effekten kennen sowie in der Lage sein, diese korrekt anzuwenden (Training der Inhalationstechnik) und Selbsthilfemaßnahmen bei einem Asthma-Anfall einzusetzen. Dazu gehören auch ein schriftlicher Therapie- und Notfallplan einschließlich der Bereitstellung der dafür erforderlichen Notfallmedikation sowie geeignete Instruktionen zu atemphysiotherapeutischen Selbsthilfemaßnahmen (atemerleichternde Körperstellungen, Lippenbremse) [296]. Diese positiven Effekte sind jedoch nur für Schulungsprogramme gesichert, bei denen Inhalte des Selbstmanagements wie Selbstkontrolle (Symptomatik und PEF-Verlauf) und selbstständige Anpassung der Medikation (Therapie- und Notfallplan) vermittelt werden, nicht hingegen für Programme mit reiner Wissensvermittlung ohne verhaltensmodifizierende Ansätze [293] [297]. Auch die Einweisung in die Inhalationstechnik und in das aktuell verordnete Inhalationssystem allein ersetzt die Schulung nicht.

Selbstkontrolle

Die Selbstkontrolle ist Grundlage aller Aktionspläne, mit deren Hilfe geschulte Patienten ihre Medikation an die jeweilige Schwere der Erkrankung anpassen können. Sie basiert auf der Wahrnehmung der Häufigkeit und Schwere von Symptomen und/oder der Messung von PEF-Werten, die wegen tageszeitlicher Schwankungen morgens und abends gemessen werden sollten. Eine höhere Anzahl von Messungen kann bei akuter Verschlechterung bzw. während der Therapie von Asthmaanfällen hilfreich sein. Wird der PEF in die Selbstkontrolle einbezogen, sollte der aktuell gemessene Wert auf den persönlichen Bestwert bezogen werden, der bei optimaler Einstellung des Asthma in der stabilen Phase der Erkrankung gemessen wird.

Selbstmanagement

Die Effekte eines Selbstmanagements [298] (Erlernen einer korrekten Inhalationstechnik in Kombination mit einer Symptom- oder PEF-gesteuerten Anpassung der Medikation an die jeweilige Schwere der Erkrankung) kann insbesondere bei Interventionen, die mit einer Verhaltensänderung des Patienten in Richtung höherer Adhärenz einhergehen [299], bei Erwachsenen und Kindern [300] zu einer Besserung der Symptomatik, Abnahme von Exazerbation, Notaufnahmen und Krankenhausbehandlungen führen. Infolge heterogener Interventionen und kleiner Fallzahlen der Studien ist die Qualität dieser Aussagen als gering einzustufen: Die Ergebnisse weisen jedoch in dieselbe Richtung. Außerdem sind die Risiken der Interventionen zur Förderung des Selbstmanagements als gering einzustufen. Auch der Nutzen elektronischer Anwendungen (Apps) zur Verbesserung des Selbstmanagements wurde in systematischen Übersichtsarbeiten untersucht [301] [302]. Die heterogenen Ergebnisse bei meist geringer Fallzahl der Studien erlauben noch keine abschließende Bewertung dieser Optionen. Die Chancen, das Wissen von Patienten mit Asthma über ihre Erkrankung mithilfe internetbasierter Selbstmanagementprogramme zu verbessern [303] und ihre Lebensqualität steigern zu können [304], sollten zu weiteren Studien zur Anwendung von Apps in der Patientenschulung ermutigen.

Akzeptanz der Schulung durch den Patienten

Der Qualitätsbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum DMP Asthma ergab, dass der Anteil der Teilnehmer, die an einer empfohlenen Asthma-Schulung teilgenommen haben, bezogen auf alle Teilnehmer, denen eine Schulung empfohlen wurde, im Jahre 2020 nur bei 22,5 % lag [305]. Die Analyse von Patienten, die eine Schulung ablehnten oder an ihr teilnahmen ergab, dass Frauen sowie Nichtraucher sowie Patienten, die von Hausärzten, die sie aus Überzeugung von der Notwendigkeit der Schulung schickten, eher an der Schulung teilnahmen. Hingegen waren Alter, Schwere der Erkrankung, Grundkenntnisse über die Erkrankung oder Möglichkeiten der Selbsthilfe nicht ausschlaggebend für die Motivation zur Teilnahme an der Schulung. Hierbei spielt die Einstellung des zuweisenden Arztes zur Schulung eine große Rolle.


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5.2 Tabakentwöhnung

Tabakrauch verschlimmert das Asthma des Rauchers [306] und der passiv rauchenden Kinder [307], Jugendlichen und Erwachsenen. Zusätzlich weist Zigarettenrauchen ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs, COPD und kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Ferner führt Zigarettenrauchen während der Schwangerschaft bei den Kindern zu einem Anstieg des Risikos der späteren Entwicklung von Asthma und anderen Atemwegserkrankungen (u. a. COPD) sowie Infekten der unteren Atemwege. Die in den ersten Lebensjahren stattfindende Alveolarisation wird durch frühe Exposition gegenüber Tabakrauch beeinträchtigt, mit der Folge einer eingeschränkten Lungenfunktion im weiteren Leben. Zusätzlich führt die Exposition gegenüber Tabakrauch zu einer vorzeitigen Alterung der Lunge [308]. Bei Erwachsenen und Kindern mit Asthma steigert Aktiv- wie auch Passivrauchen das Risiko von Krankenhausaufenthalten, einer schlechten Asthmakontrolle [309] und von Atemwegsinfektionen [310]. Rauchen kann auch zu Todesfällen beitragen; außerdem wird die Wirksamkeit inhalativer und systemischer Kortikosteroide herabgesetzt [311].

Nach Aufgabe des Rauchens bessert sich die Lungenfunktion und die Atemwegsentzündung nimmt ab [312]. Durch gesetzliche Rauchverbote kann die Häufigkeit von asthmabedingten Krankenhausaufenthalten bei Kindern reduziert werden [313]. Die vollständige Abstinenz und die Vermeidung einer passiven Exposition gegenüber Tabakrauch sind aus Sicht der Leitliniengruppe wichtige therapeutische Maßnahmen bei Patienten mit Asthma. Der starke Empfehlungsgrad lässt sich dadurch begründen, dass die Verminderung bzw. Vermeidung der Tabakexposition eine Symptomminderung und ggf. eine Reduktion der medikamentösen Therapie ermöglicht. Die Dokumentation der Rauchgewohnheiten und der personenbezogene Rat zur Abstinenz gehören zu den Elementarpflichten des behandelnden Arztes. Für die Diagnostik des Rauchverhaltens und die Interventionen gegen das Tabakrauchen wird auf die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ verwiesen [314].

Elektronische Zigaretten (E-Zigaretten)

Die Gesundheitsgefahren durch die E-Zigarette auf die Lunge wurden in einem Positionspapier der ERS bewertet [315]. E-Zigaretten können DNA-Schäden, Entzündung und Zelltod induzieren und die Lungenfunktion beeinträchtigen. Enthaltene Geschmacksstoffe reizen die Atemwege und können Asthma auslösen. Das Aerosol von E-Zigaretten hat zudem gefäßschädigende und krebsfördernde Eigenschaften. Rauchern soll die E-Zigarette nicht zur Tabakentwöhnung empfohlen werden. Im Gegensatz zur Nikotinersatztherapie oder Medikamenten zur Unterstützung der Tabakentwöhnung werden E-Zigaretten von der Mehrheit der ausstiegswilligen Rauchern dauerhaft genutzt [316]. Das anhaltende Inhalieren des Aerosols der E-Zigarette beinhaltet derzeit nicht abschätzbare Gesundheitsrisiken. Raucher, die auf E-Zigaretten umsteigen, weisen ein erhöhtes Rückfallrisiko auf. Daher sollen Rauchern mit Asthma wie auch mit anderen Lungenkrankheiten E-Zigaretten zur Tabakentwöhnung nicht empfohlen werden. Evidenzbasierte Therapieoptionen in der Kombination von Verhaltenstherapie und Nikotinersatztherapie bzw. Entwöhnungsmedikamenten sind gut untersucht, wirksam und sicher [314].


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5.3 Atemphysiotherapie (inklusive Therapie dysfunktioneller Atmung)

Die Atemphysiotherapie führt zur Mobilisation und Kräftigung der muskulo-skelettalen Anteile der Atempumpe und zum allgemeinen Muskelaufbau [317]. Die Metaanalyse des aktualisierten Cochrane Reviews zum Thema Atemübungen bei erwachsenen Asthma-Patienten zeigt, dass Atemübungen (u. a. Yoga, Breathing retraining, Buteyko- und Papworth-Methode) einen positiven Effekt auf die Lebensqualität, Hyperventilationssymptome und Lungenfunktion bei Erwachsenen mit leichtem bis mittelschwerem Asthma haben können. Aufgrund einiger methodischer Unterschiede zwischen den eingeschlossenen Studien (Vielzahl von Atemübungen, unterschiedliche Anzahl und Dauer) und Studien mit schlechter Methodik reichte die Qualität der Evidenz für die gemessenen Parameter nur von moderater bis zu geringer Sicherheit [317]. Weiterhin kann mit der Atemphysiotherapie die dysfunktionelle Atmung (unphysiologische Atemmuster, z. B. Hyperventilation; Induzierbare laryngeale Obstruktion, ILO; Vocal Cord Dysfunction, VCD; Dysfunktionelle Atmung vom thorakalen Typ mit insuffizienter Ventilation, DATIV) [318] auf ein physiologisches Atemmuster mit Verbesserung der Asthmakontrolle [319] [320] eingestellt werden. Hierbei werden die Mund- auf die Nasenatmung und die thorakalen auf bevorzugt abdominale Atemexkursionen umgestellt mit Kontrolle des Atemminutenvolumens bei chronischer Hyperventilation der Patienten. In einer randomisierten, kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass atemphysiotherapeutische Programme (digital oder „face to face“) zum Erlernen eines physiologischen Atemmusters („breathing retraining“) die Lebensqualität von PatientInnen mit unvollständig kontrolliertem Asthma signifikant verbessern [321].

Bei Stimmbandfunktionsstörungen wie ILO, VCD oder DATIV sind atemphysiotherapeutische Interventionen das Mittel der Wahl [322] [323] [324] [325]. Zum Einsatz kommen atemphysiotherapeutische Strategien, die auf die Vermeidung bzw. Kontrolle der ILO-Symptome zielen. Mit dem „retraining“ eines physiologischen Atemmusters soll die Neigung zu ILO-Episoden verringert werden und die Angstbehaftung der Symptome reduziert werden. Häufig werden thorakal betonte Atemexkursionen gesehen. Bei ILO-Patienten ist oft eine Inspirationsstellung des Thorax zu beobachten, die über Aufklärung und PEP-Atmung normalisiert werden kann. Das „retraining“ fokussiert auf eine Wiederherstellung einer physiologischen Nasenatmung und einer Zwerchfellatmung. Zusätzlich trainiert werden adäquate Atemzugvolumina, normale Atemfrequenz und die Integration von endexspiratorischen Pausen. Ergänzend werden die Patienten in ihrer Wahrnehmung von abweichenden Atemmustern und Vorboten von ILO-Attacken geschult, um diese möglichst frühzeitig zu unterbrechen. Selbsthilfetechniken bestehen in kehlkopfabsenkenden und kehlkopfentspannenden Übungen mit „gähnender Einatmung mit geschlossenen Lippen“ und Nasenatmung sowie bewusster Zwerchfellatmung. Daneben werden Techniken zur Vermeidung von ILO-triggerndem Husten und Räuspern vermittelt.

Studien mit Atemübungen und/oder Relaxationstraining unter Einschluss der Methoden von Buteyko und Papworth zeigten Verbesserungen von Symptomen und Lebensqualität und/oder psychologischen Parametern, jedoch keine physiologischen Verbesserungen. Systematisches Atemtraining mit Biofeedbackmethoden kann jedoch auch zu zusätzlichen Verbesserungen der Lungenfunktion und Verringerung des Langzeitmedikationsbedarfs führen [326]. Daher ergänzen diese Techniken sinnvoll die medikamentöse Asthmatherapie, können und sollen diese aber nicht ersetzen. Die Atemphysiotherapie wird auch zur individuellen Schulung eines Selbstmanagements im Asthmaanfall genutzt, um die Symptome Atemnot, Hustenreiz und Angst zu vermindern [327]. Atem- und Physiotherapieformen können in Einzelfällen sehr hilfreich sein und sollten als Ergänzung zum konventionellen Asthmamanagement betrachtet werden, insbesondere bei ängstlichen Patienten und denen, die einen inadäquat hohen Verbrauch an Notfallmedikation aufweisen.


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5.4 Rehabilitation

Pneumologische Rehabilitation (PR) ist als ein umfassender multimodaler, multidisziplinärer Behandlungsprozess aufzufassen, der die meisten der dargestellten evidenzbasierten Einzelkomponenten nicht-medikamentöser Therapien beinhaltet. Daher erscheint es zulässig zu postulieren, dass bei der nachgewiesenen Evidenz der einzelnen Behandlungskomponenten deren gleichzeitige Anwendung im Rahmen einer PR entsprechende Effekte aufweisen wird. Es liegen zur Effektivität der PR bei Asthma eine Reihe von Beobachtungsstudien vor [328]. Einschränkend ist zu beachten, dass eine multimodale PR hinsichtlich Inhalt, Intensität, Qualität i. S. zugrunde liegender Expertise nicht eindeutig definiert ist. Zudem ist zu bedenken, dass die studienmäßige Testung von Einzelkomponenten nicht unter Alltagsbedingungen, sondern mit hoher Motivation und Expertise der Durchführenden für die Intervention getestet wurden. Somit ist ein ausreichendes Maß an Durchführungsqualität seitens der PR-Anbieter zum Erreichen relevanter Effekte zwingende Voraussetzung.

PR bei Asthma soll Patienten dabei unterstützen, ihre bestmögliche individuelle physische und psychische Integrität zu erhalten oder wieder zu erlangen [329] [330]. Es ist eine normale oder bestmögliche soziale Teilhabe in Schule, Beruf und Freizeit anzustreben: Dies zum einen für den Patienten selbst, bei Kindern und Jugendlichen aber auch für deren Familien. Die PR ist somit als wesentlicher Bestandteil einer am langfristigen Erfolg orientierten Asthmatherapie zu verstehen. Während für Erwachsene definierte Strukturen für eine ambulante PR teilweise vorhanden sind, existieren diese für Kinder und Jugendliche nicht und sind wegen der Abhängigkeit von der elterlichen Unterstützung auch kaum flächendeckend umsetzbar.

Die PR ist in den jeweiligen Gesundheitssystemen durch Sozialgesetzgebung hinsichtlich Anspruchsberechtigungen und Kostenträgerzuständigkeiten geregelt. Für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland ist die Trägerstruktur für erwachsene Patienten in der [ Tab. 10 ] dargestellt. Bei Kindern und Jugendlichen besteht eine gleichrangige Zuständigkeit der Rentenversicherung und der Krankenversicherung (§ 40 SGB V).

Tab 10

Übersicht der Trägerstruktur der Rehabilitation in Deutschland.

Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) z. B. Deutsche Rentenversicherung

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) z. B. AOK, Ersatzkrankenkassen

Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) z. B. Berufsgenossenschaften

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können einem Versicherten oder Rentner gewährt werden, wenn (§ 10 SGB VI)

  • die erhebliche Gefährdung der Erwerbstätigkeit abgewendet,

  • die bereitts geminderte Erwerbstätigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann.

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden gewährt, (§§ 27, 40 SGB V) um

  • drohender Behinderung,

  • Pflegebedürftigkeit vorzubeugen oder sie nach Eintritt

  • zu beseitigen, zu bessern eine Verschlimmerung zu verhüten.

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden erbracht (§ 7 SGB VII)

  • aufgrund eines Arbeitsunfalls oder

  • nach Eintritt einer anerkannten Berufskrankheit.

  • Die Leistungen sollen den Gesundheitsschaden (§ 26 SGB VII)

  • beseitigen, bessern, eine Verschlimmerung verhüten oder die Folgen mildern.

Zur Erreichung der durch PR möglichen Behandlungserfolge ist es notwendig, seitens der Antragsteller wie auch der Kostenträger auf die notwendige Gesamtexpertise der Rehabilitationsleistungserbringer zu achten. Bezüglich der Kostenträger bei der PR von Kindern und Jugendlichen besteht hier grundsätzlich eine gleichrangige Zuständigkeit zwischen der GKV und der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Faktisch werden jedoch rund 90 % der Rehabilitationsmaßnahmen von der DRV übernommen. PR ist keine Mutter-(Vater)-Kind-Kur. Hier werden andere Ziele angestrebt und andere Qualitätskriterien angelegt. Im Fokus der Mutter-(Vater)-Kind-Kur stehen die Mütter (Väter), bei PR geht es um die Erkrankung bzw. soziale Teilhabe des chronisch kranken Kindes oder des Jugendlichen. Im Vordergrund stehen hier also nicht Klimaaspekte, sondern medizinische und/oder therapeutische Inhalte.

Das im Dezember 2016 in Kraft getretene Flexirentengesetz eröffnet neue Dimensionen der Vernetzung zwischen ambulanten, klinischen und rehabilitativen Versorgungsstrukturen in Deutschland. Es stellt einen Paradigmenwechsel im Bereich der pädiatrischen Rehabilitation dar. Insbesondere sind hier zu nennen:

  • Kinder- und Jugendrehabilitation wird Pflichtleistung bei der DRV.

  • Kinder- und Jugendrehabilitation wird eigenständig gesetzlich ausgestaltet.

  • Rehabilitation kann sowohl stationär als auch ambulant erbracht werden.

  • Die bisherige Begrenzung der Ausgaben entfällt.

  • Indikationsbeschränkungen werden aufgehoben.

  • Neben der späteren Erwerbsfähigkeit wird die Schul- und Ausbildungsfähigkeit als Ziel klar benannt.

  • Eine Begleitperson wird, altersunabhängig, genehmigt, wenn sie zur Durchführung oder für den Erfolg notwendig ist.

  • Erstmalig kann die DRV Leistungen zur Nachsorge finanzieren, wenn sie zur Sicherung des Erfolgs einer durchgeführten Rehabilitation erforderlich sind.

  • Die Vierjahresfrist entfällt bei Kindern und Jugendlichen.

Bei der Antragstellung sind die Asthma-bedingten Krankheitsfolgen im Sinne der „International Classification of Functioning, ICF“ zu formulieren [331]. Dabei spielen die gesamten bio-psycho-sozialen Aspekte der Erkrankung eine größere Rolle als die reine Darstellung von Messwerten. Im Einzelnen sind die krankheitsbedingten Fähigkeitsstörungen sowie die eingeschränkte Teilhabe am schulischen, beruflichen und gesellschaftlichen Leben einschließlich des vorhandenen Rehabilitationspotenzials darzustellen. Die PR zielt nicht nur auf die Beseitigung oder Kompensation körperlicher, sondern auch psychischer und sozialer Krankheitsfolgen ab bzw. soll deren Verschlimmerung verhindern.

Das systematische Erfassen dieser bio-psycho-sozialen Beeinträchtigungen ist Voraussetzung zum Erarbeiten individueller Rehabilitationsziele. Hierbei kommt der Sicherung oder Wiederherstellung einer stabilen Alltagstauglichkeit besondere Bedeutung zu. Bei Erwachsenen stellt die Erwerbsfähigkeit einen wesentlichen Aspekt dar. Bei Kindern und Jugendlichen ist es das Ziel, eine normale schulische Laufbahn und hierdurch eine bestmögliche Ausbildungs- und Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen oder zu sichern. Der Unterricht dient auch dazu, Schulleistungsstörungen aufzudecken. Er liefert Hinweise auf weiterführende Maßnahmen. Schule ist Alltag für Kinder und Jugendliche und ist entsprechend einer Arbeitserprobung als „Belastungserprobung“ während der PR zu werten. In diesem Zusammenhang gibt sie Anregungen für die Nachbetreuung. Insgesamt ist eine normale soziale Teilhabe anzustreben. Dieses Therapieziel gilt auch für nicht Erwerbstätige und Rentner in gleichem Maße.

Um diesen multimodalen Therapieansatz realisieren zu können, ist ein multiprofessionelles Reha-Team notwendig, bestehend aus Ärzten, Psychologen, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Ernährungsberatern sowie Physio-, Ergo- und Sporttherapeuten. In der Kinder- und Jugendlichen-Rehabilitation ist eine adäquate Beschulung zu gewährleisten. Jedem Mitglied dieses Teams müssen die individuell vereinbarten und mit den Patienten abgestimmten Rehabilitationsziele bekannt sein. Jeder Reha-Prozess soll durch regelmäßige Teambesprechungen begleitet werden, um notwendige Anpassungen oder Korrekturen realisieren zu können.

Unter den Einzelkomponenten spielt die strukturierte Schulung nach evaluierten und veröffentlichten Modellen (z. B. AG Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter) eine herausragende Rolle, um die Eigenkompetenz der Patienten bestmöglich zu fördern. Dabei soll insbesondere bei Kindern das soziale Umfeld, hier v. a. die Eltern unbedingt in den Schulungsprozess einbezogen werden. Bei Kindern im Vorschulalter soll eine spezielle Schulung der Eltern durchgeführt werden. Diese hat sich in einer breit angelegten Multicenterstudie als effektiv erwiesen [332]. Da sich regelmäßige Nachschulungen als effektiv erwiesen haben, sollten die Patienten auf diese Möglichkeit hingewiesen werden. Bei Kindern und Jugendlichen sind dabei für diese Altersgruppen evaluierte Modelle gemäß Qualitätshandbuch der AG Asthmaschulung einzusetzen.

Alle o. g. Maßnahmen müssen qualitätsgesichert und auf hohem Niveau erfolgen. Entsprechende Kriterien zur Qualitätskontrolle werden insbesondere von der DRV regelhaft eingesetzt (z. B. evidenzbasierte Therapiemodule). Dies impliziert auch, dass eine erfolgreiche PR einen hohen fachlichen und diagnostischen Standard in allen Professionen erfordert und dass sog. „Klimamaßnahmen“ alleine keinesfalls ausreichend sind. Prinzipiell sind Maßnahmen zur pneumologischen Rehabilitation ambulant wie auch stationär möglich. Im deutschsprachigen Raum stehen allerdings im internationalen Vergleich weit weniger, teils, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, noch gar keine adäquaten ambulanten PR-Strukturen zur Verfügung. Ambulante Verfahren sind jedoch nicht indiziert z. B. bei instabilem Asthma, komplexer Komorbidität und Drogenabhängigkeit. Die ambulanten Strukturen können sowohl auf eine stationäre PR vorbereiten als auch danach die Behandlungskette im Verlauf durch erneute Asthmaschulungen vervollständigen. Die Anfahrtszeit für eine ambulante PR sollte 45–60 Minuten nicht überschreiten.

Die Indikation für eine stationäre PR ist dann gegeben, wenn trotz Ausschöpfung der verfügbaren ambulanten Therapiemöglichkeiten ein adäquates Asthmamanagement und eine alterstypische Lebensqualität im Alltagsleben nicht erzielbar sind. Dies ist gegeben bei:

  • persistierenden asthmatischen Beschwerden bzw. Einschränkungen der Lungenfunktion

  • krankheitsbedingter Gefährdung der Erwerbstätigkeit (E) bzw. eines geeigneten und angemessenen Schulabschlusses (K) bzw. einer Berufsausbildung

  • drohender Pflege- und Hilfsbedürftigkeit

  • Notwendigkeit von rehabilitationsspezifischen, nicht medikamentösen Therapieverfahren, wenn diese nicht ambulant im erforderlichen Ausmaß erfolgen können

  • Erfassung des Schweregrades und der Ausprägung der Erkrankung unter alltagsnahen Bedingungen

  • Vorliegen einer Schädigung einer Körperfunktion und/oder Körperstruktur (z. B. eingeschränkte körperliche Belastbarkeit)

  • Vorliegen einer Beeinträchtigung (verminderte Lebensqualität, Störung der sozialen Integration, drohende berufliche Beeinträchtigung z. B. wegen bestimmter Allergene)

  • Notwendigkeit einer adäquaten medikamentösen Therapieeinstellung unter klinischer Kontrolle bei ganztägiger Beobachtungsmöglichkeit in unterschiedlichsten Situationen

  • therapielimitierenden Faktoren im Bereich des psychosozialen Umfeldes (familiäre Probleme, Verhaltens- oder Aufmerksamkeitsstörungen, emotionale Störungen)

  • fehlendem therapeutischen Konsens zwischen Ärzten, Kindern und deren Familien

  • ungenügender Krankheitseinsicht und Krankheitsakzeptanz

  • fehlender Compliance durch mangelhaftes Krankheitsverständnis, fehlender Schulung

  • häufigen Schulfehlzeiten und daraus resultierender negativer Leistungsspirale

  • Notwendigkeit des Erlernens spezieller Therapien oder Techniken

  • Problemen im Bereich des Selbstwertgefühls und der sozialen Kompetenz

Wesentliche Komponenten der PR beim Asthma sind:

  • Diagnosespezifizierung (u. a. Rehabilitationsdiagnostik auf der Ebene von Aktivität und Partizipation, Erfassung der somatischen und psychischen Komorbidität sowie der Lebensqualität)

  • Überprüfung des Schweregrades und ggf. Optimierung der medikamentösen Therapie

  • Patientenschulungen und Verhaltenstraining

  • Atemphysiotherapie/Krankengymnastik

  • medizinische Trainingstherapie

  • Ergotherapie inkl. Hilfsmittelberatung

  • Sozial- und Berufsberatung

  • strukturierte Tabakentwöhnung

  • psychologische und ggf. psychotherapeutische Hilfen

  • Karenzempfehlungen bzgl. Allergenen, Schadstoffen, Trigger- und Risikofaktoren

  • sozialmedizinische Beurteilung

  • ggf. grundlegende psychologische Testung und Beurteilung

  • Transfer von krankheitsspezifischem und sozialem Verhalten in den Alltag über die Sozialpädagogik unter Einbeziehung der Eltern

  • Vertiefung und Einübung der Schulungsinhalte im Rahmen des Rehabilitationsalltags, wenn möglich unter Einbeziehung der Eltern

Effekte der PR beim Asthma können sein:

  • Reduktion der klinischen Leitsymptome wie Atemnot, Husten, Auswurf

  • Verbesserung der allgemeinen und krankheitsspezifischen Lebensqualität

  • Besserung der Asthmakontrolle

  • Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit

  • Verbesserung der beruflichen und privaten Partizipationsfähigkeit

  • Abnahme des akutmedizinischen Ressourcenverbrauchs (Krankenhaustage, Notfallbehandlungen)

  • Verringerung von psychosozialen und familiären Auswirkungen

  • Wiedereingliederung in den schulischen Alltag

  • Beratung in Hinblick auf eine spätere Ausbildungs- und Berufswahl

  • Heranführen des Kindes/Jugendlichen an eine normale sportliche Aktivität

Nachgewiesen wurde bei Kindern und Jugendlichen ein positiver Effekt auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität durch eine stationäre Rehabilitation wegen Asthma [333]. Auch bei Erwachsenen wurde ein positiver Effekt der PR auf die Lebensqualität gezeigt [334]. Die Effekte der PR hielten in einer deutschen randomisierten Studie über ein Jahr lang an [335].

Die Einbindung von stationären Rehabilitationsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Eigenverantwortung des Patienten in suffiziente Vor- und Nachsorgeprogramme (z. B. ambulanter Lungensport, ambulante Schulungen/Nachschulungen) ist notwendig. Hier existieren einerseits Nachschulungsstrukturen seitens der Arbeitsgemeinschaft Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter, andererseits auch im DMP anerkannte und evaluierte internetbasierte Nachschulungsprogramme für Kinder und Jugendliche. Flächendeckend und kostenträgerübergreifend sind solche Strukturen jedoch noch nicht vorhanden.


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5.5 Körperliches Training

Bei Patienten mit Asthma führt moderates körperliches Training wie auch in der Allgemeinbevölkerung zu wesentlichen gesundheitlichen Verbesserungen mit reduziertem kardiovaskulären Risiko und verbesserter Lebensqualität [336]. Studien belegen eine Verbesserung von Symptomen und der Lebensqualität durch körperliches Training bei erwachsenen Patienten mit Asthma [337] [338]. Zudem ging Training mit einer verbesserten Asthmakontrolle einher [339]. Bei Jugendlichen wird Schwimmen gut toleriert und führt zu einer Verbesserung der Lungenfunktion und der kardiovaskulären Belastbarkeit [340]. Daher sollte der behandelnde Arzt darauf hinwirken, dass der Patient geeignete Maßnahmen des körperlichen Trainings ergreift (z. B. die Teilnahme an ambulanten Lungensportgruppen). Ist dies unter den häuslichen Bedingungen nicht möglich, sollte die Zuweisung in ein Rehabilitationsprogramm erwogen werden. Art und Umfang des körperlichen Trainings sollten einmal jährlich überprüft werden. Insbesondere sollte darauf hingewirkt werden, dass Schulkinder mit Asthma unter Berücksichtigung der individuellen und aktuellen Leistungsfähigkeit regelmäßig am Schulsport teilnehmen. Die Verwendung eines SABA bzw. eines strukturierten intervallartigem Aufwärmprogramms kann sinnvoll sein [200] [341].


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5.6 Komplementärmedizinische Therapieansätze 

Komplementäre oder alternative Therapieansätze haben sehr häufig den Nachteil, dass kontrollierte Effektivitätsstudien fehlen [342]. Eine schlechte Studienlage bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass diese wirkungslos sind, aber Therapiemaßnahmen ohne belegte Wirkung können nicht oder nur bedingt empfohlen werden. Innerhalb der Gruppe der alternativen Therapieansätze gibt es zur Akupunktur die meisten Studien. Metaanalysen belegen große methodische Probleme der Akupunkturstudien, die sich insbesondere auf die fehlende oder unzureichende Verblindung und die inkonsistenten Ergebnisse der verschiedenen Studien beziehen [342]. Hepatitis C, die Entstehung von Pneumothoraces oder Verbrennungen sind in Abhängigkeit von der Art der verwendeten Nadeln und der Akupunkturtechnik als Nebenwirkungen beschrieben worden. Derzeit gibt es keine Empfehlung, die Akupunktur zur Asthmakontrolle einzusetzen.

Studien zur Ionisierung (Air Ionisers) der Luft erbrachten keinen Effektivitätsnachweis in Hinblick auf die Verbesserung der Lungenfunktion, der Prognose oder der Exazerbationsrate [343]. Die Ionisierung ist in der Asthmatherapie nicht empfohlen.

Es gibt nur wenige kontrollierte Studien zur Effektivität von Hypnose- und Relaxationstechniken beim Asthma [344]. Allen gemeinsam sind ein inkonsistentes Studiendesign und methodische Probleme mit der Placebogruppe. Beide Techniken führen nicht zu einer Verbesserung der Lungenfunktion. V. a. Relaxationstechniken gingen in Einzelstudien mit Verbesserungen der Lebensqualität, des psychischen Befindens oder der Lungenfunktion einher [345]. Daten zur Prognoseverbesserung fehlen.

Randomisierte kontrollierte Studien (RCT) konnten keinen Benefit der Homöopathie gegenüber der Standardmedikation belegen [346]. Kritisiert wird, dass kein personalisierter homöopathischer Therapieansatz, ein wesentlicher Grundsatz der Homöopathie, getestet wurde. Die Homöopathie wird nicht zur Behandlung eines Asthma empfohlen.

Die Vergleichbarkeit der publizierten Studien zu Kräutertherapien und traditioneller chinesischer Medizin ist schwierig, da die Zusammensetzung der Testsubstanzen in RCTs stark variieren [347]. Manche berichten über eine Verbesserung der BHR und auch der Lungenfunktion. Die Heterogenität der verfügbaren Studien erlaubt keine generalisierte Empfehlung für oder gegen einen solchen Therapieansatz. Kräutergemische können durchaus aktive und das Asthma positiv beeinflussende Bestandteile enthalten. Als Nebenwirkung sind Typ-I-Allergien zu beachten.


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6 Akuttherapie

E59: Sauerstoff soll mit einer niedrigen Flussrate eingesetzt werden, um eine Sättigung > 92 % bei Kindern und bei Erwachsenen zwischen 92 – 96 % bei fehlendem Hyperkapnie-Risiko bzw. 88 – 92 % bei Hyperkapnie-Risiko zu erreichen.

E60: Bei Exazerbation eines Asthma sollen SABA als Mittel der ersten Wahl so früh wie möglich eingesetzt werden.

E61: Bei der schwereren Exazerbation sollen systemische Glukokortikosteroide in adäquater Dosis eingesetzt werden: Erwachsene 50 mg Prednisolon-Äquivalent/Tag, Kinder 0,5–2 mg/kgKG/Tag, 0–2 Jahre maximal 20 mg/Tag und 3–5 Jahre maximal 30 mg/Tag.

E62: Inhalative Applikationsformen der Bronchodilatatoren (Dosieraerosol, Spacer, Vernebler) sollen gegenüber anderen Applikationsformen (i. v. oder s. c.) vorgezogen werden.

E63: Theophyllin als Infusion sollte nur nachgeordnet unter Beachtung des erhöhten Nebenwirkungsrisikos gegeben werden.

E64: Sedativa, Anxiolytika und Morphin sollen – falls erforderlich – nur in Intubationsbereitschaft verabreicht werden.

E65: Ipratropiumbromid (als Vernebler oder Dosieraerosol) soll bei unzureichender Wirksamkeit der SABA oder bei Patienten mit schwerem oder lebensbedrohlichem Asthmaanfall zusätzlich zur Gabe von SABA verabreicht werden.

E66: Magnesiumsulfat i. v. sollte beim akuten schweren Asthma mit schlechtem initialen Ansprechen und bei lebensbedrohlichem Asthma gegeben werden.

E67: Bei lebensbedrohlichem Asthma mit Verlegung des Patienten zur Intensivtherapie soll Intubationsbereitschaft bestehen. Es sollte frühzeitig eine Kontaktaufnahme mit einem in der Asthmabeatmung erfahrenen Zentrum aufgenommen werden.

E68: Die nicht-invasive Beatmung (NIV) oder Sauerstoff-High-Flow-Therapie kann von einem mit diesen Methoden erfahrenen Team bei unzureichendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie unter Beachtung der Kontraindikationen zusätzlich zur Standardtherapie durchgeführt werden, sie darf aber eine ggf. notwendige Intubation nicht verzögern.

S13: Sedativa und Anxiolytika wirken atemdepressiv und vermindern das Dyspnoe-Empfinden, ohne dass eine objektive Besserung bewiesen ist.

6.1 Definitionen

Asthma-Anfall Ein Asthmaanfall ist meist durch eine innerhalb von Minuten entstehende Atemwegsobstruktion charakterisiert. Klinisch berichten die Patienten über eine akut zunehmende Dyspnoe, Husten und Pfeifen über der Brust. Diese Symptome können einzeln oder in Kombination auftreten. Die Verschlechterung kann aber auch allmählich über Stunden entstehen. Die auslösenden Faktoren sind entweder nicht-allergisch (z. B. körperliche Belastung beim Anstrengungsasthma; virale oder bakterielle Atemwegsinfekte; zyklischer Anstieg der Eosinophilen bei schwerem eosinophilen Asthma) oder allergisch (z. B. nach Allergenexposition). Die Verschlechterung der pulmonalen Situation kündigt sich meist durch einen Abfall der PEF- und FEV1-Werte vor dem Eintritt des Asthmaanfalls an. Im Hinblick auf ein effektives Management sollte der leichte und mittelschwere Asthmaanfall vom schweren Asthmaanfall grundsätzlich hinsichtlich Symptomatik und notwendige Therapie unterschieden werden (Box 5).

Asthma-Exazerbation Als Asthmaexazerbationen werden Phasen einer progredienten Zunahme der Asthmasymptome und/oder Abnahme der Lungenfunktion bezeichnet, welche über das für den Patienten übliche Maß an Variabilität hinausgehen und welche einer Änderung bzw. Intensivierung der Therapie über mehrere Tage bedürfen. Der Begriff der Asthma-Exazerbation schließt den Begriff des Asthma-Anfalls mit ein.

Status asthmaticus Der Status asthmaticus ist definiert als ein trotz adäquater Therapie schwer zu durchbrechender Asthmaanfall, der mindestens 24 Stunden anhält. Er ist per se eine lebensbedrohliche Situation. Er macht, sofern er nicht im Anfangsstadium beherrschbar ist und eine Stabilisierung unter der Medikation ausbleibt, eine Krankenhauseinweisung und je nach Schwere auch eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich. Im Notfall wird es kaum möglich sein, eine differenzierte Diagnostik durchzuführen. Deshalb ist in diesem Fall der klinische Befund für das weitere Procedere entscheidend.

Box 5

Schweregrade von Asthma-Anfällen

Leichter und mittelschwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen

  • PEF ≥ 50 % des persönlicher Bestwerts

  • Sprechen normal

  • Atemfrequenz < 25/min

  • Herzfrequenz < 110/min

Schwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen

  • PEF < 50 % des persönlicher Bestwerts

  • Sprech-Dyspnoe (Sprechen von lediglich Satzteilen oder Worten in einem Atemzug)

  • Atemfrequenz ≥ 25/min

  • Herzfrequenz ≥ 110/min

Lebensbedrohlicher Asthmaanfall (Krankenhauseinweisung mit Notarztbegleitung)

  • kein Atemgeräusch („stille Lunge“)

  • atemerleichternde Stellung, Zyanose

  • frustrane Atemarbeit/flache Atmung

  • Erschöpfung, Konfusion, Bradykardie, Blutdruckabfall

  • PEF < 33 % des persönlicher Bestwerts

  • SaO2 < 92 %

  • PaCO2 normal oder > 45 mmHg


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6.2 Initiale Therapie-Maßnahmen

  • Leichter und mittelschwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen

    • zwei bis vier Hübe eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums (Dosieraerosol, ggf. mit Spacer), ggf. nach 10–15 Minuten wiederholen

    • 20–25 mg Prednisolon (oral)

    • Selbsthilfetechniken zur Atemerleichterung

  • Schwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen

    • 2–4 l O2/min über eine Nasensonde (Ziel: SaO2 92–95 %)

    • 2–4 Hübe eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums (Dosieraerosol, ggf. mit Spacer)

    • 50–100 mg Prednisolon-Äquivalent oral oder i. v.

    • Ipratropiumbromid 0,5 mg durch Vernebler oder 4 Hübe (= 80 µg) aus einem Dosieraerosol

    • Selbsthilfetechniken zur Atemerleichterung


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6.3 Therapiemaßnahmen während des Transportes zum Krankenhaus und im Krankenhaus bei unzureichendem Ansprechen auf die Initialtherapie

  • 2–4 l O2/min über eine Nasensonde (Ziel: SaO2 92–95 %), Cave: Hyperkapnie!

  • 2–4 Hübe eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetikums, ggf. nach 10–15 Minuten wiederholen (max. alle 10 Minuten), oder 10–20 Tropfen in 1 ml NaCl über Vernebler alle 20 Minuten, ggf. zusätzlich Ipratropiumbromid-Verneblung (z. B. 0,5 mg bzw. 4 Hübe à 20 µg aus Dosieraerosol alle 30–60 Minuten) [348] [349].

  • Beta-2-Sympathomimetika können auch parenteral verabreicht werden, z. B. Terbutalin 0,25–0,5 mg subkutan alle 4 Stunden, oder Reproterol 0,09 mg langsam intravenös (Wiederholung nach 10 Minuten möglich) bzw. 0,018–0,09 mg/Stunde (= 5 Ampullen Reproterol auf 50 ml, Perfusor auf 2–10 ml/Stunde einstellen).

  • 1–2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon-Äquivalent (oral, intravenös oder bei Kleinkindern rektal), z. B. bei Erwachsenen 50–100 mg intravenös alle 4–6 Stunden

  • Magnesiumsulfat 2 g/20 Minuten intravenös [350]

  • Ausgleich einer metabolischen Azidose mit Bicarbonat bei pH < 7,2

  • atemerleichternde Lagerung bzw. Körperposition

  • Selbsthilfetechniken zur Atemerleichterung

Cave

Theophyllin (oder Aminophyllin) hat sehr wahrscheinlich keine zusätzliche bronchodilatatorische Wirkung im Vergleich zur oben beschriebenen Standardtherapie mit inhalativen Bronchodilatatoren und Glukokortikosteroiden. Es sollte daher nur bei Patienten mit lebensbedrohlichem Asthma und fehlender Besserung auf die initiale Therapie als Einzelfallentscheidung gegeben werden. Die Theophyllin-Dosis beträgt dann: initial 5 mg/kg Körpergewicht (KG) als Kurzinfusion; Erhaltungsdosis 0,5–0,7 mg/kg/KG/h, bei vorheriger Theophyllin-Therapie zuerst Bestimmung der Serumkonzentration, dann Dosisanpassung (Cave: Intoxikation).

Cave

Bei einem schweren Asthmaanfall kann die Kombination aus einem Anticholinergikum und einem Beta-2-Sympathomimetikum besonders wirksam sein, während die alleinige Therapie mit einem Anticholinergikum unzureichend ist!


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6.4 Nicht empfohlene Maßnahmen zur Behandlung des Asthmaanfalls

  • Sedativa und Anxiolytika wirken atemdepressiv und vermindern das Dyspnoe-Empfinden, ohne dass eine objektive Besserung bewiesen ist.

  • Mukopharmaka sind kontraindiziert.

  • Die Hydratation mit großen Flüssigvolumina führt zu einer kardialen Belastung.

  • Antibiotika sind im Regelfall nicht indiziert und sollten nur eingesetzt werden, wenn der begründete Verdacht eines bakteriellen Auslösers der Exazerbation besteht.


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6.5 Erhöhtes Mortalitätsrisiko im Asthmaanfall

  • Vorgeschichte: beinahe letal verlaufener Asthmaanfall („Near-fatal Asthma“)

  • notfallmäßige oder stationäre Behandlung des Asthma im zurückliegenden Jahr

  • vorherige Intubation und mechanische Beatmung wegen Asthma

  • laufende systemische Glukokortikosteroid-Medikation oder kürzliches Absetzen einer systemischen Glukokortikosteroid-Therapie

  • übermäßiger Einsatz von SABA zur Symptomlinderung

  • psychosoziale Probleme oder Negation von Asthma oder seines Schweregrades

  • mangelnde Therapietreue in der Vergangenheit


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6.6 Indikation zur intensivmedizinischen Überwachung oder Behandlung

Das Ansprechen auf die Initialtherapie sollte nach 30–60 min erfolgen. Dabei sollten jeweils der klinische Befund, die angegebenen Symptome, der PEF und die Sättigung (evtl. Blutgasanalyse) bestimmt werden. Eine mechanische Beatmung ist zu erwägen bei

  • Verschlechterung der PEF-Werte trotz Therapie,

  • persistierender oder zunehmender Hypoxämie,

  • Hyperkapnie,

  • fallendem arteriellen pH-Wert (Azidose),

  • Erschöpfung,

  • Bewusstseinsstörung/Konfusion,

  • Koma oder Atemstillstand.


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6.7 Kriterien zur Entlassung aus stationärer Behandlung

  • gutes Ansprechen auf die Therapie

  • FEV1 ≥ 70 % des Sollwertes oder PEF ≥ 70 % des persönlichen Bestwertes über mindestens 60 Minuten

  • keine angestrengte Atmung

  • normaler klinischer Befund


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6.8 Nachsorge

Beinahe letal verlaufene Asthmaanfälle in der Anamnese, eine schlechte Patientencompliance, der übermäßige Einsatz von SABA, psychosoziale Probleme und Negierung des Asthma bergen ein erhöhtes Risiko zum Wiederholungsfall. Schulungsmaßnahmen helfen, ein solches Risiko zu senken. Die Schulung des Patienten und ggf. auch enger Familienangehöriger (z. B. Ehepartner, Eltern betroffener Kinder) ist ein kontinuierlicher, vom Arzt begleiteter Prozess. Ziel ist es, dem Patienten die pathophysiologischen Grundlagen des Asthma und die Konsequenzen für die Diagnostik und Therapie näherzubringen. Er soll seine Erkrankung verstehen, die Maßnahmen zur Vorbeugung seines individuell angepassten Therapieplanes kennen und Selbsthilfemaßnahmen im Notfall beherrschen. Dies schließt die Überprüfung der Inhalationstechnik, die Einweisung in einen Notfallbehandlungsplan, die Benutzung eines PEF-Meters und ggf. auch die Therapieüberprüfung unter Berücksichtigung von Medikamentenunverträglichkeiten und kontraindizierten Substanzen wie z. B. Betablockern mit ein. Zudem sollten Erkrankungen identifiziert und therapiert werden, die mit einer Verschlimmerung asthmatischer Beschwerden einhergehen können:

  • chronische Nasennebenhöhlenentzündungen.

  • gastroösophagealer Reflux.

  • Auslöser am Arbeitsplatz (Unfallrecht), z. B. exogen-allergisches Asthma im Back- und Friseurgewerbe.


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6.9 Therapie des Asthmaanfalls beim Kind und Jugendlichen

Bezüglich der Reihenfolge der Therapieoptionen gibt es keinen Unterschied zu Erwachsenen, dennoch gibt es Besonderheiten:

  1. Der Stellenwert der Beta-2-Sympathomimetika [351] und des Ipratropiumbromids ist ähnlich wie bei Erwachsenen. Die Anzahl der Hübe (oder der Tropfen bei der Feuchtvernebelung) des Beta-2-Sympathomimetikums wird nicht nach dem Körpergewicht dosiert, sondern wie bei Erwachsenen mit 2–4 Hüben, bei Bedarf alle 15–20 Minuten. Die zusätzliche Inhalation von Ipratropiumbromid zu ausreichend dosierter oder kontinuierlicher Beta-2-Sympathomimetika-Inhalation bringt bei einem leichten bis mittelschwerem Asthmaanfall meist keine zusätzliche Verbesserung [352], wird aber für den schweren Astmaanfall und die intensivmedizinische Versorgung empfohlen [353]. Bei ausreichend dosierter und richtig durchgeführter Inhalation von Beta-2-Sympathomimetika bringt eine systemische Gabe von Beta-2-Sympathomimetika keinen zusätzlichen Nutzen [354].

  2. Der Stellenwert von Glukokortikosteroiden, Theophyllin und Magnesium ist vergleichbar mit Erwachsenen [355] [356] [357] [358] [359] [360] [361].

  3. Bis zum 2. Lebensjahr ist ein akuter Asthmaanfall oft schwer von einer Bronchiolitis abzugrenzen, v. a. wenn der Anfall zum ersten Mal auftritt. Die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Bronchiolitis ist besonders hoch, wenn es sich um einen Säugling mit Zeichen eines respiratorischen Infektes handelt und die Symptome während der Winter- und Frühjahrsmonate auftreten. Die obstruktiven Atemgeräusche sind bei der Bronchiolitis häufig geringer ausgeprägt, es dominieren häufig beidseitige nicht-musikalische, diskontinuierliche feinblasige Rasselgeräusche im In- und Exspirium. Die Pathologie liegt bei der Bronchiolitis in den Bronchiolen und den Alveolen und nicht in den kleinen und mittleren Atemwegen wie beim Asthma. Therapeutisch gilt die Devise „minimal handling“ und, wenn nötig, die Gabe von Sauerstoff. Alle typischen Asthmamedikamente zeigen keine Wirkung und sollten ebenso wie Mukolytika oder Antibiotika vermieden werden.

  4. Die Fähigkeit zur Kooperation während eines Asthmaanfalls ist beim Säugling und Kleinkind nicht gegeben, was zu Schwierigkeiten im Management führen kann. Das Anlegen einer Infusion etc. kann zur akuten respiratorischen Dekompensation durch Erregung führen, worauf das Behandlungsteam vorbereitet sein soll. Oft lässt sich diese Schwierigkeit durch die Verwendung inhalierter, oraler oder rektaler Medikamente (z. B. Glukokortikosteroide) zumindest in der kritischen initialen Phase vermeiden.

  5. Die Inhalation ist für Säuglinge und Kleinkinder besonders beim ersten Asthmaanfall nicht einfach und wird manchmal abgewehrt oder nur insuffizient durchgeführt. Die Verwendung von Inhalierhilfen oder Spacern bei der Applikation von Dosieraerosolen ist daher auch im Anfall zwingend [349]. Eine Dauerinhalation (Feuchtinhalation mittels Verneblermaske und Sauerstoff) eines Beta-2-Sympathomimetikums hat sich beim schweren Asthmaanfall v. a. im Intensivsetting als extrem effizient erwiesen [360]. Dabei werden Serumspiegel wie bei i. v.-Kurzinfusionen erreicht, das Legen einer Infusion kann dadurch zumindest initial vermieden werden [354].

Für die Intensivtherapie von Kindern und Jugendlichen mit sehr schwerem Asthma gilt [362]: Die kontinuierliche Inhalation von Salbutamol (0,5–1 mg/kg/Std) ist die First-line-Bronchospasmolyse in der Intensivtherapie von Kindern mit schwersten Asthmaanfällen. Diese kann auch bereits auf dem Transport oder in der Notaufnahme angewendet werden, wenn der Asthmaanfall eine lebensbedrohliche Symptomatik bedingt. Wenn eine parenterale Therapie erforderlich ist, gelten folgende Dosisempfehlungen:

  • In Deutschland ist Reproterol als Betamimetikum zur parenteralen Gabe bei schwerem Asthmaanfall ab dem 3. Lebensmonat zugelassen; die Dosierungsempfehlungen in der Fachinformation sind:

    • Kurzinfusion (Initial): 1 μg Reproterolhydrochlorid/kg KG/min über 10 Minuten

    • Dauerinfusion: 0,2 μg Reproterolhydrochlorid/kg KG/min über 36–48 Stunden

    In Österreich ist Reproterol nicht erhältlich, Salbutamol und Terbutalin (1–2 mg/24 Stunden als kontinuierliche Infusion) sind als Injektions- oder Infusionslösung erst ab 12 Jahren zugelassen.

  • Magnesiumsulfat 25–50 mg/kg/Dosis (max. 2 g) über 20–30 min i. v., dann ggf. 15–25 mg/kg/Std.

    • Cave: Bradykardie

  • Theophyllin: nach Loading dose 0,5–1 mg/kg/Std., Spiegelkontrolle 30 min nach Ende der Loading dose, Spiegel 10–20 mg/L.


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6.10  Beatmung und High-Flow-Therapie

6.10.1 Invasive Beatmung

Die Indikation zur mechanischen Beatmung richtet sich nach dem klinischen Verlauf und dem Ausmaß der Hypoxämie und Hyperkapnie mit konsekutiver Azidose. Klinische Zeichen der unmittelbar bevorstehenden respiratorischen Erschöpfung sind paradoxe Atemexkursionen (Einziehung des Abdomens bei Inspiration, Vorwölbung bei Exspiration), ausgeprägte Einziehungen über dem Jugulum, supraklavikulär und interkostal sowie Auftreten eines respiratorischen Alternans. Zur Intubation empfiehlt sich Ketamin bzw. S-Ketamin für die Sedation vor der Intubation, diese Substanzen stimulieren die Ausschüttung von Katecholaminen und haben wahrscheinlich einen direkten relaxierenden Effekt auf die Bronchialmuskulatur [363]. Die Beatmung ist wegen der hochgradigen Atemwegsobstruktion schwierig, da bei Aufrechterhaltung einer normalen alveolären Ventilation hohe Inspirationsdrücke notwendig sind. Diese führen häufig zu Hypotension und Barotrauma, v. a. besteht die Gefahr eines Pneumothorax. Hier wird die Strategie der „permissiven Hyperkapnie“ als Standardtherapie empfohlen, was bedeutet, dass eine Hyperkapnie toleriert wird, um hohe Inspirationsdrücke zu vermeiden. Weiterhin soll bei der künstlichen Beatmung die Exspirationsdauer ausreichend lang sein, um eine Hyperinflation des Alveolarvolumens und damit eine Zunahme des Totraums zu vermeiden. Um den Atemwegswiderstand möglichst gering zu halten und damit auch die Exspiration zu erleichtern, sollte der Tubusdurchmesser möglichst groß gewählt werden.

Bei intubierten Patienten ist gerade bei einer schweren Dyskrinie die Bronchoskopie mit dem Absaugen der Sekretpfröpfe eine entscheidende Maßnahme zur Stabilisierung der Erkrankung. Sie ist auch diagnostisch von Bedeutung, um nicht seltene Fälle eines endobronchialen Tumors, eines Fremdkörpers oder einer Malformation zu übersehen. Nach vorheriger Gabe von Prednisolon 50 mg i. v., topischer Lokalanästhesie und Vorinhalation über einen Vernebler mittels Sultanol oder Suprarenin ist die Bronchoskopie bei kurzer Untersuchungszeit durch einen erfahrenen Untersucher mit niedrigem Risiko möglich [364]. Bei nicht intubierten Patienten im Status asthmaticus auf der Intensivstation ist das Risiko der Bronchoskopie deutlich höher, dann müssen die Rahmenbedingungen einer raschen endobronchialen Intubation gegeben sein.


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6.10.2 Nicht-invasive Beatmung (NIV)

Die NIV führt bei akuter ventilatorischer Insuffizienz im Rahmen einer exazerbierten COPD im Vergleich zur Standardtherapie zu einer verringerten Mortalität, einer geringeren Intubationsrate und einer verkürzten Krankenhausdauer. Die Datenlage zur NIV bei der akuten respiratorischen Insuffizienz durch eine schwere Asthmaexazerbation ist weniger evident. Trotz einiger RCT, die eine Verbesserung der Lungenfunktion sowie eine Verkürzung der stationären Aufenthalte bzw. eine geringere Rate an stationären Aufnahmen belegen, wird die NIV aufgrund der geringen Fallzahlen in diesen Studien nicht uneingeschränkt, aber als Versuch bei Patienten mit schlechtem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie empfohlen [365] [366]. So empfiehlt die aktuelle Leitlinie zur NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz, dass bei akuter hyperkapnischer Asthma-Exazerbation eine NIV entsprechend der Anwendungsempfehlungen der akut-exazerbierten COPD versucht werden: Es wird auf diese aktuellen Empfehlungen verwiesen („S2k-Leitlinie NIV als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“, AWMF-Register-Nr.: 020-004). Eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung der NIV beim schweren Asthmaanfall ist neben der Auswahl der geeigneten Patienten eine ausreichende Erfahrung des behandelnden Teams in dieser Therapie. Klinische Erfolgskriterien der NIV sind die Abnahme der Dyspnoe, eine Besserung der Vigilanz, eine Reduktion von Atem- sowie Herzfrequenz und ein ansteigender pH-Wert. Die NIV darf eine ggf. notwendige Intubation nicht verzögern. Innerhalb der ersten 2 Stunden soll sich der klinische Zustand des Patienten unter der NIV gebessert haben. Bleibt die Besserung aus, verschlechtert sich der Patient oder treten Kontraindikationen auf, erfolgt die unverzügliche Intubation [367]. Bezüglich der Kontraindikationen für die Durchführung einer NIV im Generellen wird auf die Leitlinie verwiesen („S2k-Leitlinie NIV als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“, AWMF-Register-Nr.: 020-004).

Auch wenn die Evidenz für eine Akut-NIV bei Asthma anhand prospektiver randomisierter Studien unzureichend ist, liegen Daten einer großen Real-Life-Studie vor, die den Einsatz einer NIV bei schwerem akuten Asthma weiter differenzieren [368]. Über 25 % der Patienten erhielten initial eine NIV, während 27 % intubiert werden mussten. Von den NIV-Patienten mussten im Verlauf 22,3 % der Patienten intubiert werden. Patienten mit NIV wurden seltener intubiert als andere Patienten und hatten eine niedrigere Krankenhaus-Mortalität, allerdings hatten Patienten mit NIV und sekundärer Intubationspflichtigkeit häufiger eine zusätzliche Pneumonie und/oder Sepsis. Somit gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die NIV beim akuten Asthma-Anfall Vorteile hat, dass aber Vorsicht geboten ist, bei wesentlichen Komorbiditäten, die die Prognose beeinflussen können (wie eine Pneumonie oder eine Sepsis) [368].

Auch bei Kindern ist die NIV sinnvoll, mit denselben Caveats wie bei Erwachsenen [369] [370]. Die mangelnde Kooperationsfähigkeit macht die Anwendung beim Kleinkind schwieriger. Eine mögliche Einstellung bei Kindern für die NIV wäre: IPAP 10 cm H2O, EPAP 5 cm H2O. Auch bei Kindern wird die Beatmung mit niedrigen Atemfrequenzen, I:E-Verhältnissen von 1:3–1:5 und einem Atemminutenvolumen von < 115 ml/kg empfohlen, dabei kann das Tidalvolumen ca. 8–10 ml/kg sein und der inspiratorische Fluss 4–10 l/min. Der gewählte Modus ist von lokalen Gegebenheiten abhängig. Die Verwendung eines volumenkontrollierten Modus bringt theoretische Vorteile, ebenso ein druckregulierter/volumenkontrollierter Modus. Eine permissive Hypoventilation wird angestrebt. In extremen Situationen hat sich wegen der Kleinheit der Atemwege mit konsekutiver extremer Überblähung durch Auto-PEEP die exspiratorische manuelle Thoraxkompression beim beatmeten Kind bewährt.


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6.10.3 High-Flow-Therapie (HFT)

Bei der HFT wird ein erwärmtes und befeuchtetes Luft-Sauerstoff-Gas-Gemisch mit hoher inspiratorischer Flussrate i. d. R. über großlumige Nasenkanülen dem Patienten zugeführt, wobei die Flussrate von bis 60 Liter pro Minute höher ist als bei der konventionellen Sauerstoffgabe [371]. Es sind die folgenden physiologischen Größen einstellbar:

  • Temperatur

  • Flussrate des Gasgemisches

  • Inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2)

I. d. R. wird eine Temperatureinstellung von 37 Grad Celsius gewählt, Einstellungen von 31–39 Grad sind aber möglich und erfolgen nach subjektiver Toleranz. Die wesentlichen physiologischen Effekte der HFT [372] sind in Box 6 dargestellt.

Box 6

Effekte der High-Flow-Therapie (HFT)

  • Mukozilliäre Clearence: Optimierte Epithelfunktion, Vermeidung einer Viskositäts-Alteration, Erhalt der Zilien-Schlagfrequenz

  • Totraum-Auswaschung: CO2-Auswaschung, O2-Reservoir-Bildung

  • Verbesserung der Atemmechanik: Abnahme der Atemarbeit, Verbesserung der Compliance, Verbesserung des Gasaustausches, Homogenisierung der alveolären Ventilation

Insbesondere die hohe Akzeptanz der HFT, verbunden mit der Fähigkeit, eine Abnahme einer Hyperkapnie zu erzielen, macht die HFT sehr attraktiv. Kürzlich haben Empfehlungen der ERS für viele Anwendungsbereiche der HFT bei akuter respiratorischer Insuffizienz eine positive Evidenz ausgesprochen [372]. Es liegen wenige Studiendaten für Asthma vor [373] [374] [375]: Danach besteht in der Tat ein hohes Potenzial für die HFT bei Asthma. Weitere Studien sind aber notwendig, um klare Empfehlungen zu formulieren, insbesondere in Abhängigkeit der Ausgangssituation (hypoxämisches vs. hyperkapnisches Atemversagen) und in Abgrenzung zu anderen etablierten nicht-invasiven Verfahren (konventionelle Sauerstoffgabe, NIV).


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7 Asthma und Arbeit

E69: Asthmasymptome des Erwachsenen sollten Anlass für eine eingehende Arbeitsanamnese sein, da in 9–25 % der Fälle berufliche Auslöser vorliegen und deren Identifikation für die Therapie und Prävention bedeutsam ist.

E70: Arbeitsplatzgrenzwerte von bekannten Asthmaauslösern sollen eingehalten werden.

E71: Bei erhöhtem Erkrankungsrisiko (vorbestehende Atemwegsallergien, unspezifische bronchiale Hyperreagibilität) und Exposition gegenüber Auslösern des Berufsasthma sollten regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (Surveillance) erfolgen; dies gilt insbesondere bei Vorliegen von unzureichenden arbeitshygienischen Maßnahmen.

S14: Es gibt über 550 verschiedene Auslöser des Berufsasthma, wobei die Allergene im Vergleich zu den Irritantien leicht überwiegen.

S15: Im Falle eines berufsbedingten Asthma ist die Karenz gegenüber der ursächlichen Noxe (d. h. ggf. Arbeitsplatzwechsel oder Umschulung) die erfolgversprechendste Therapiemaßnahme. Zum Erhalt der Lebensumstände, insbesondere in höherem Arbeitsalter, können auch Maßnahmen der Individualprävention einen Teilerfolg in der Asthmatherapie zeigen.

7.1 Berufswahl bei Jugendlichen mit Asthma

Jugendliche mit Allergien und Asthma lassen sich in ihrer Berufswahl wenig durch ihre vorbestehende atopische Erkrankung beeinflussen [376] [377] [378]. Andererseits werden nur rund 10 % von ihnen auch zu ihrer Berufswahl ärztlich beraten [379]. Dabei könnte eine Berufsberatung sowohl vorauseilenden Verzicht auf vermeintliche Risikoberufe reduzieren als auch eine bessere Nutzung persönlicher Schutzmaßnahmen im Beruf fördern. Generell gilt: Das alleinige Vorliegen einer allergischen Sensibilisierung gegenüber gängigen Aeroallergenen sowie eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität gehen zwar mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für das Neuauftreten von Asthma einher, reichen aber nicht als alleiniges Entscheidungskriterium [380]. Hierfür existieren inzwischen Prädiktionsrechner zur Beurteilung des Risikoprofils, die Web-basiert abgerufen werden können (www.allergierisiko.de).

Bei bereits bestehendem Asthma bleibt die Beratung auch im Blick auf Risikoberufe ebenfalls eine individuelle, die verschiedene Aspekte einbezieht. Dazu gehören der Schweregrad des Asthma (lediglich Jugendlichen mit einem schweren Asthma sollte von einem Beruf mit Risikoprofil für Asthma grundsätzlich abgeraten werden), die stabile Kontrolle des Asthma unter suffizienter Dauertherapie, die Allergenexposition bzw. Schutzmöglichkeiten am angestrebten Arbeitsplatz, das allergische Sensibilisierungsprofil sowie die Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten am Arbeitsplatz mit der Option, auch in weniger stark exponierten Stellen zu arbeiten [381]. Eine orientierende Übersicht zu Berufen mit verschiedenem Risiko bei Allergien der Atemwege und Asthma gibt [ Abb. 8 ]. Besteht bereits eine allergische Sensibilisierung gegen ein am angestrebten Arbeitsplatz vorhandenes Berufsallergen, ist ebenfalls von der Wahl dieses Berufes abzuraten, nicht jedoch bei einer Sensibilisierung gegen gängige Aeroallergene. Da Neuerkrankungen bzw. eine arbeitsplatzbedingte Verschlechterung des Asthma meist frühzeitig mit Beginn der Ausbildung auftreten, ist eine sorgfältige ärztliche Überwachung insbesondere der ersten 6–12 Monate wichtig [382].

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Abb. 8 Berufswahl und Risiko von Allergie und Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].

Um Jugendlichen ausreichend Zeit zu gewähren, sich mit einer passenden Berufswahl auseinander zu setzen, sollte der Beratungsprozess nicht erst dann beginnen, wenn die Schulzeit zu Ende ist. Vielmehr sollten schon vor Verfestigung eines Berufswunsches erste Hinweise im Rahmen der kinderärztlichen Betreuung erfolgen. Sofern möglich sollte eine Arbeitsplatzerprobung je nach Angebot als Praktikum, Grundbildungslehrgang, Förderungslehrgang, Berufsvorbereitungsjahr oder Berufsgrundbildungsjahr wahrgenommen werden. Auch auf die Angebote der Bundesagentur für Arbeit sowie Materialien der Fachgesellschaften (u. a. www.gpau.de) sollte hingewiesen und darauf zurückgegriffen werden.


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7.2 Berufsassoziierte Erkrankungen

9–25 % der Fälle von Asthmaerkrankungen des Erwachsenen haben arbeitsbedingte Ursachen [383] [384] [385] [386]. [ Tab. 11 ] listet Arbeitsbereiche mit besonderer Gefährdung auf. Da im Einzelfall sich die arbeitsbedingte Genese der Erkrankung meist nicht auf den ersten Blick erschließt und mehrere kausale Komponenten möglich sind, ist bei jeder Asthmaerkrankung mittels einer eingehenden Arbeitsanamnese zu eruieren, ob arbeitsbedingte krankheitsauslösende oder eine vorbestehende Asthmaerkrankung verstärkende Noxen vorliegen ([ Abb. 9 ]).

Tab. 11

Arbeitsbereiche mit besonderer Gefährdung für die Entstehung eines arbeitsbedingten Asthma.

Gefährdung durch vorrangig allergisierend wirkende Arbeitsstoffe

Gefährdungen durch vorrangig chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe

Gefährdung durch Arbeitsstoffe mit vorrangig unbe­kanntem Patho­mechanismus und durch Isocyanat-haltige Arbeitsstoffe

Bäckerei, Konditorei, Mühle, Gärtnerei, Plantagen-, Dock- und Lagerarbeit, Küchenbetriebe (enzymhaltige Fleischweichmacher, Nahrungsmittelaerosole), Obstverwertung, pharmazeutische Industrie, industrielle und Forschungs-Laboratorien, Veterinärwesen, Geflügelfarmen, Futter- und Nahrungsmittelindustrie, Imkerei

Polyurethanweichschaum- und -hartschaumherstellung, Lackiererei, Herstellung und Schweißen von PVC-Folien, -Platten und -Röhren, Lötarbeiten, Desinfektionsmittel-Einsatz, Galvanisierbetriebe, Metallveredelung, Zementherstellung und -verarbeitung, Schweißen, Färberei, Textil- und Friseurbetriebe, Desinfektions- und Reinigungsmittel, (endotoxinhaltige) Getreide- und Stallstäube

Sägerei, Kunststoffherstellung, Stallungen, Elektronikindustrie, chemische und pharmazeutische Industrie, Schweißen von PUR-lackierten oder PUR-beschichteten Teilen, Ein- oder Abbrennen von PUR-Lackschichten, Gießen in MDI-gefestigten Sandkernen oder anderen Formen, Thermisches Schneiden von Hartschaumplatten, mechanische Bearbeitung unter Hitzeeinwirkung von Isocyanat-verleimten Spanplatten, mechanische Bearbeitung und Konfektionierung nicht vollständig ausreagierter Polyurethanprodukte, Wohnungs- und Fahrzeugbrände, Be- und Entladen von Isocyanaten als Massengut. Außerdem Abgleich mit BGI 504–23 h und BGI 504–23 g sinnvoll.
(Meth-)Acrylate, Epoxidharze
Schaumstoffe (Weich-, Hart-, Integral-, Isolierschaumstoffe), Montageschäume und Verpackungsschäume, Dichtmassen (Fugendichtmassen), Lackrohstoffe, Beschichtungen, Cold-Box-Kerne, Gießharze und Klebstoffe/Schmelz-Klebstoffe

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Abb. 9 Unterteilung des arbeitsbedingten Asthma und zugrundeliegende Pathomechanismen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].

Man unterteilt in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Pathomechanismus das arbeitsbedingte Asthma in eine IgE-vermittelte allergische und in eine irritative Form, ferner eine weitere mit unbekanntem Pathomechanismus ([ Abb. 9 ]). Die Wirkung von Isocyanaten kann auf einem allergologischen und/oder einem irritativen Wirkmechanismus beruhen. Das irritative Berufsasthma lässt sich in Abhängigkeit von der Expositionshöhe und -dauer in 3 Unterformen gliedern ([ Tab. 12 ]). Eine IgE-vermittelte Genese ist dann wahrscheinlich, wenn eine Latenzperiode von mindestens mehreren Wochen zwischen Expositionsbeginn und Manifestation der Erkrankung liegt und wenn die Re-Exposition gegenüber niedrigen Schadstoffkonzentrationen zum Wiederauftreten der Symptomatik führt. Allerdings werden gleichartige Verläufe auch bei bestimmten Formen des irritativen Asthma („not so sudden onset of irritant asthma“, „low dose irritant asthma“; siehe [ Tab. 12 ]) und des Asthma mit unbekanntem Pathomechanismus gefunden [387]; diese Formen lassen sich aus umfangreichen Berufskrankheitenstatistiken und aus klinischen Erfahrungsberichten dokumentieren, eingehende wissenschaftliche Studien stehen hierzu aber noch aus. In der Unterform „Reactive Airways Dysfunction Syndrome“ (RADS) des irritativen Berufsasthma kommt es nach meist einmaliger, oftmals unfallartiger, sehr hoher Exposition gegenüber einem irritativ wirkenden Rauch, Gas oder Dampf (z. B. Chlorgas) erstmals zu asthmatischen Beschwerden, die in Verbindung mit einer BHR Monate oder sogar Jahre persistieren. Voraussetzung für die Entstehung eines RADS sind erhebliche Überschreitungen der Luftgrenzwerte bzw. gesundheitsbasierter Richtwerte [388].

Tab. 12

Untergruppen des arbeitsbedingten irritativen Asthma.

Untergruppe

Expositionshöhe

Expositionsdauer

Unfallartiges Inhalationstrauma (RADS)

Sehr hoch, AGW überschritten

< 1 Tag

Langsam entstehendes irritatives Berufsasthma durch Belastungen im Grenzwertbereich

Grenzwertig hoch, AGW-Bereich

> 1 Tag bis 4 Monate

Sehr langsam entstehendes irritatives Berufsasthma durch untergrenzwertige Belastung

Niedrig, < AGW

> 4 Monate bis viele Jahre

Abkürzung: AGW: Arbeitsplatzgrenzwert

Neben dem genannten neu entstandenen Berufsasthma ist die arbeitsplatzbedingte Verschlimmerung eines vorbestehenden oder sich parallel entwickelnden nicht berufsbedingten Asthma ein häufiges Phänomen. Arbeitsplatzbezogene Asthmatrigger wie reizende Gase, Säurenebel, Chemikaliendämpfe können bei Patienten mit einem Asthma jedweder Ätiologie vermehrt zu Beschwerden, aber auch zu zunehmenden funktionellen Einschränkungen führen. Gerade bei schweren Verlaufsformen des Asthma im Erwachsenenalter spielen berufliche Auslöser eine wichtige und oft unterschätzte zusätzliche pathogenetische Rolle [389]. Insgesamt sind über 370 IgE-Antikörper-induzierende Allergene und 184 atemwegsreizende chemische Noxen als Verursacher des Berufsasthma beschrieben [390].

7.2.1 Arbeitsmedizinische Vorsorgen

Personen, die aufgrund ihrer Vorgeschichte (z. B. bereits Vorliegen von Atemwegsallergien oder einer vorbestehenden unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität) und/oder Exposition gegenüber potenziell Berufsasthma-auslösenden Noxen ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben, sollten einer regelmäßigen Surveillance unterzogen werden (siehe [ Abb. 10 ]). Im Falle des Auftretens von Asthmasymptomen oder einer Sensibilisierung ist dann eine eingehende Diagnostik einschließlich Lungenfunktionsprüfung erforderlich (siehe unten).

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Abb. 10 Surveillance (arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen) von Asthma-gefährdeten Arbeitnehmern (AN) mit Stratifizierung des Procedere in Abhängigkeit vom Befund (Risiko-Score). Modifiziert nach [391] [392] [393] [394], https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].
Abkürzungen: S = Nachweis einer Sensibilisierung (z. B. Prickhauttest); P = positiver Befund; HS = stärker ausgeprägte Symptome; IS = mäßiggradig ausgeprägte Symptome.

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7.2.2 Diagnostik bei Verdacht auf Berufsasthma

7.2.2.1 Anamnese

Die Anamnese gibt oft Hinweise auf eine arbeitsbedingte Verursachung oder Triggerung der Asthmaerkrankung. Wichtig ist, ob sich die Asthmasymptome während Wochenenden und längerer arbeitsfreier Zeiten bessern und eine Verschlechterung bei Wiederaufnahme der Tätigkeit eintritt. Bei Erkrankungen durch hochmolekulare Auslöser (pflanzliche und tierische Allergene) ist die Treffsicherheit von Schlüsselsymptomen dabei deutlich höher als bei Erkrankungen durch niedermolekulare Auslöser, insbesondere zahlreiche Chemikalien [395].

7.2.2.2 Spezielle Arbeitsanamnese: Tätigkeitsbeschreibung

  • jetzige Tätigkeitsbeschreibung

  • frühere Tätigkeitsbeschreibungen lückenlos ab Schulabgang (einschließlich Wehrdienst, nicht versicherten Zeiten/Schwarzarbeit, Auslandseinsätzen etc.)

  • für alle Zeiträume: Auflistung der Arbeitsvorgänge und -stoffe (Schemazeichnung/Fotos oft hilfreich, Nachbarschaftsexposition?)

  • unfallartige Expositionen in der Vorgeschichte (z. B. bei Betriebsstörungen/Revisionen, Dämpfe, Verschütten größerer Chemikalienmengen)?

  • Berücksichtigung des zeitlichen Verlaufs zwischen Expositionsbeginn und dem Auftreten der ersten Beschwerden. Beachtung der Krankheitsentwicklung nach Beendigung der Exposition.

7.2.2.3 Weitere potenzielle Risikofaktoren

  • Raucheranamnese

  • allergische Rhinokonjunktivitis oder Asthma in der Vorgeschichte

  • allergische Erkrankungen in der Familienanamnese

7.2.2.4 Symptome

  • Art

    • Rhinorrhoe, Konjunktivitis, Urtikaria

    • Husten, Kurzatmigkeit, Pfeifen, Giemen, thorakales Druckgefühl

    • systemische Symptome (v. a. Fieber, Schüttelfrost, Myalgien – aus differenzialdiagnostischen Überlegungen)

    • örtlicher, Tätigkeits- und Arbeitsstoffbezug

  • zeitlicher Verlauf

    • Wie lange nach Beginn einer bestimmten Tätigkeit? Nach Verfahrenswechsel? Nach Wechsel eines Arbeitsstoffs?

    • Beschwerdebeginn unmittelbar bei Exposition nach Arbeitsanfang?

    • verzögerter Beschwerdebeginn 2–12 Stunden nach Tätigkeitsaufnahme oder erst nach Arbeitsende?

    • duale asthmatische Symptome?

    • Beschwerdefreiheit an arbeitsfreien Tagen, im Urlaub?

7.2.2.5 Klinische Befunde und Lungenfunktionsmessungen

Die klinischen Befunde weisen bei arbeitsbedingten Asthmaformen bis auf den Arbeitsbezug der Beschwerden und der Lungenfunktionseinschränkungen keine Besonderheiten gegenüber anderen Formen eines Asthma auf.

Ein normaler Lungenfunktionsbefund unter Ruhebedingungen in der Arztpraxis schließt ein Berufsasthma nicht aus. Noch während der bisherigen beruflichen Tätigkeit sollte eine unspezifische bronchiale Provokationstestung (Methacholin) durchgeführt werden. Ist die Basis-Lungenfunktion normal und keine unspezifische Atemwegsempfindlichkeit (zum Zeitpunkt, an dem die betroffene Person am Arbeitsplatz noch exponiert ist!) objektivierbar, ist in den meisten Fällen ein (arbeitsbedingtes) Asthma unwahrscheinlich. Vorsicht ist geboten bei überzeugender Angabe arbeitsplatzbezogener Asthmaanfälle, ferner beim Isocyanat-Asthma, bei welchem eine unspezifische Atemwegsüberempfindlichkeit nicht selten fehlt. In solchen unklaren Fällen ist eine weitergehende Diagnostik erforderlich (siehe [ Abb. 11 ]).

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Abb. 11 Stufenschema zur Diagnostik des arbeitsbedingten Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].

Entscheidende Informationen über die ursächliche Noxe liefert oft die Dokumentation des Lungenfunktionsverlaufs. Dies erfolgt als serielles spirometrisches Monitoring vor, während und nach der als ursächlich angesehenen Arbeitsstoffexposition während Arbeitsschichten (Exposition) als auch Karenzphasen (Wochenende, Urlaub, Arbeitsunfähigkeit) über 2–3 Wochen. Hierbei werden von den gut eingewiesenen und kooperierenden Probanden an etwa 4–5 Zeitpunkten am Tag (vor, zu Beginn, am Ende der Schicht, 1–2-mal in der Freizeit) Lungenfunktions­messungen mithilfe portabler elektronischer Kleinspirometer vorgenommen.

Die longitudinale Bestimmung des FeNO und auch der Methacholin-Empfindlichkeit kann diagnostische Hinweise geben, insbesondere, wenn die unspezifische Atemwegsempfindlichkeit nach einer Arbeitswoche mit einem sensibilisierenden Arbeitsstoff höher ist als nach einer längeren expositionsfreien Zeit (z. B. Urlaub). Ein FeNO-Anstieg von 13–17 ppb gilt als wegweisend [396] [397] [398].

Als Goldstandard der Sicherung der Diagnose eines allergischen Asthma gelten der spezifische inhalative Provokationstest mit Allergenextrakten und der Arbeitsplatzbezogene Inhalationstest mit dem als ursächlich angeschuldigten Arbeitsstoff. Zur Indikation, Durchführung und Interpretation wird auf die entsprechende S2k-Leitlinie verwiesen [399]. Auch für die nicht durch hohe Expositionen ausgelösten Formen des irritativen Asthma gilt dies entsprechend. Für die Durchführung des Arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests ist hohe Fachkompetenz und eingehende Erfahrung Voraussetzung [399].

7.2.2.6 Allergologische Diagnostik

Die allergologische Vorsorgeuntersuchung von Risikopatienten und die Diagnostik von symptomatischen Arbeitnehmern beinhaltet Pricktestung mit ubiquitären und den am jeweiligen Arbeitsplatz vorliegenden speziellen beruflichen Allergenen. Die spezifische IgE-Bestimmung zum Suchen nach Sensibilisierungen gegenüber bestimmten Arbeitsstoffen ist hilfreich und für sehr viele, wenn auch nicht für alle infrage kommenden Stoffe verfügbar. Es können im Prick-to-Prick oder im Reibtest auch Stoffe vom Arbeitsplatz auf eine IgE-vermittelte Reaktion (Quaddelbildung) in der Haut getestet werden. Hierbei ist jedoch auf eine irritationsfreie Konzentration zu achten, die durch Kontrolltestung an freiwilligen gesunden Testpersonen oder durch andere Untersuchungsstellen, deren Eignung für die gewünschte Untersuchung anerkannt ist, zu ermitteln ist. Die Bestimmung des Gesamt-IgE hilft nicht wesentlich weiter, denn es kann bei schmalem Sensibilisierungsspektrum normal und aufgrund anderer Erkrankungen (z. B. früherer Wurmbefall) erhöht sein und damit als „falsch negativer“ oder „falsch positiver“ Befund in die Irre führen.

7.2.2.7 Entzündungsmonitoring

Die serielle Bestimmung des FeNO ist ein guter Parameter zum Monitoring der eosinophilen Atemwegsentzündung, dessen Wert nicht nur zur Verlaufsbeurteilung, sondern auch zur Kausalattribution eingesetzt werden kann (s. o.). Raucher zeigen hier allerdings im Mittel niedrige Werte, sodass FeNO hier seltener Zusatzinformationen erbringt. Eine Sputum-Eosinophilie kann durch hoch- wie auch teilweise durch niedermolekulare Asthmaauslöser hervorgerufen werden, ein Anstieg von über 3 % nach Exposition gilt hier als wegweisend [400] [401]. Die Kombination der seriellen Lungenfunktionsuntersuchung mit dem Entzündungsmonitoring im Sputum ist geeignet, die Sensitivität der Diagnostik des arbeitsbedingten Asthma zu erhöhen.


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7.2.3 Berufskrankheitenanzeige und Berufskrankheitsverfahren

Jeder begründete Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit, also auch eines arbeitsbedingt neu entstandenen oder wesentlich verschlimmerten vorbestehenden Asthma, muss vom Arzt dem Unfallversicherungsträger per Meldeformular mitgeteilt werden (alternativ dem staatlichen Gewerbearzt). Formulare sind im Internet erhältlich. Die Unfallversicherung ermittelt daraufhin zunächst die stattgehabte Belastung und holt ärztliche Befundberichte ein. I. d. R. folgt dann die Beauftragung einer erfahrenen ärztlichen, sachverständigen Person zur erforderlichen ergänzenden Diagnostik (siehe [ Abb. 12 ]) und Zusammenhangsbeurteilung. Die Einwirkungskausalität (unfallversicherte Person mit gefährdender Exposition/Tätigkeit) muss gegeben, das Krankheitsbild mit seinen Folgeschäden ebenfalls gesichert sein. Die Zusammenhänge zwischen der Exposition und dem Krankheitsbild und zwischen Letzterem und dem Folgeschaden müssen hinreichend wahrscheinlich sein.

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Abb. 12 Ablauf des Begutachtungsverfahrens mit den zu beweisenden Parametern und dem als wahrscheinlich geforderten Zusammenhang zwischen gesicherter Einwirkungskausalität und der Krankheit mit ihrem Folgeschaden (Funktionsstörung) [394]. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]

Vorrangig kommen 3 Berufskrankheiten der Anlage der Berufskrankheitenverordnung (BKV) in Betracht (Box 7). Die formale Voraussetzung für deren Anerkennung war bis zum 01.01.2021 die Aufgabe der schädigenden Exposition bzw. Tätigkeit, dieser sog. „Unterlassungszwang“ gilt seitdem nicht mehr. Oftmals gelingt es durch geeignete Karenzmaßnahmen im Betrieb unter Beteiligung des Unfallversicherungsträgers bereits Erkrankte an ihrem Arbeitsplatz zu halten, ohne dass eine weitere Gefährdung besteht. Rechtsgrundlage hierfür ist der § 3 BKV: „Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die Unfallversicherungsträger dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken …“. Auch finanzielle Unterstützung durch die Unfallversicherungsträger, z. B. zur Ermöglichung eines früheren Eintritts in den Ruhestand durch sog. „Übergangsleistungen“, kann eine vollständige Karenz ermöglichen.

Box 7

In Zusammenhang mit Asthma relevante Berufskrankheiten

  • BK Nr. 4301: „Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie)“

  • BK Nr. 4302: „Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen“

  • BK Nr. 1315: „Erkrankungen durch Isocyanate“


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7.2.4 Verlauf, Prognose und Therapie

Die meisten Patienten, bei denen sich ein arbeitsbedingtes allergisches Asthma entwickelt, erleben dies in den ersten ein bis zwei Jahren nach Expositionsbeginn. Die Latenzperiode kann auch deutlich länger sein, insbesondere bei den irritativen Asthmaformen. Bei einer allergischen Genese geht der Asthmamanifestation häufig eine Rhinokonjunktivitis voraus.

Die Prognose des Berufsasthma ist oftmals ungünstig. Bei etwa 70 % aller Patienten mit Berufsasthma persistiert die Symptomatik trotz Expositionskarenz, vielfach bleibt eine unspezifische Atemwegsüberempfindlichkeit bestehen [402]. Die medikamentöse Therapie ist nur in Verbindung mit einer konsequenten Karenz bzgl. des krankheitsauslösenden Agens sicher erfolgversprechend. Es ist wichtig, bei Verdacht auf ungünstige berufliche Einflüsse am Arbeitsplatz keine überstürzte Tätigkeitsaufgabe vorzunehmen, bevor nicht die Diagnostik sorgfältig und vollständig vorgenommen wurde. Die vollständige Tätigkeitsaufgabe ist jedoch mit erheblichen sozioökonomischen Folgen für die Betroffenen verbunden [403]. Daher entscheiden sich Betroffene oftmals dazu, im Beruf zu verbleiben und das Fortschreiten der Erkrankung durch technische, organisatorische und persönliche Präventionsmaßnahmen sowie weitere Maßnahmen der Individualprävention (s. o.) so weit wie möglich zu begrenzen.


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7.2.5 Prävention

Einen Überblick über die vorhandene aktuelle Literatur zur Effektivität von Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz bei allergisch bedingtem Asthma auf Berufsstoffe liefern zwei Übersichtsarbeiten [404] [405]. In den Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit zu einer Verbesserung der Asthmasymptome, Lungenfunktion und der BHR geführt hat, verglichen mit Personen, die unverändert allergenexponiert gearbeitet haben. Die Übersichtsarbeiten zeigten darüber hinaus, dass der Verbleib im Beruf bei Reduktion der Allergenexposition durch verschiedene betriebliche Präventionsmaßnahmen mit positiven gesundheitlichen Effekten im Vergleich zu einer unverändert fortgesetzten schädigenden Berufstätigkeit vergesellschaftet ist, wobei jedoch die komplette Allergenkarenz das beste Outcome zeigte [404]. Eine Reduktion der Allergenexposition führt zu einer Verringerung der Asthmasymptome und Verbesserung der Asthmakontrolle. Nur durch Allergenkarenz wird jedoch eine signifikant nachweisbare Verbesserung der Lungenfunktion erreicht; eine Reduktion der Exposition scheint nach der aktuellen Datenlage hierfür nicht auszureichen [405].

Das Schlüsselprinzip der Primärprävention des Berufsasthma ist somit die Vermeidung oder zumindest wesentliche Reduktion der Exposition gegenüber Asthmaauslösern [406]. Sekundärpräventive Maßnahmen beinhalten regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgen in Risikobereichen und von Risikopersonen [391], die Frühdiagnostik bei arbeitsplatzbezogenen Atembeschwerden oder Sensibilisierungen. Wenn die Erkrankung gesichert ist, ist eine im Krankheitsverlauf frühzeitige Expositionskarenz der beste Prädiktor für eine gute Prognose [402] [406] [407]. Die Effizienz von Atemschutzgeräten ist nicht gesichert, sie sind allenfalls zur initialen und sofortigen Intervention sinnvoll. Entscheidet sich die betroffene Person trotz Erkrankung für einen Verbleib im Betreib oder am Arbeitsplatz (aus wirtschaftlichen, persönlichen oder anderen Gründen), so sollen ihr alle Möglichkeiten der Individualprävention angeboten werden, für eine Reduktion der Symptome und Gewährleistung einer guten Surveillance ([ Abb. 10 ]) [392].


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8 Asthma in der Schwangerschaft

E72: Patientinnen mit Asthma sollen vor einer geplanten Schwangerschaft bzw. spätestens zu Beginn einer Schwangerschaft über den hohen Stellenwert einer guten Asthmakontrolle beraten werden.

E73: Bei Frauen mit Asthma soll bei Kontrolluntersuchungen in der Schwangerschaft auch die Asthmakontrolle überprüft werden. Schwangere Patientinnen mit unzureichender Asthmakontrolle sollen in enger Abstimmung von Pneumologen und Gynäkologen gemeinsam betreut werden.

E74: Die Langzeittherapie und die Bedarfstherapie des Asthma sollen während der Schwangerschaft in gewohnter Weise fortgeführt werden.

E75: Die Reduktion einer effektiven Langzeittherapie, insbesondere der ICS-Dosen, sollte möglichst nicht während der Schwangerschaft, sondern besser nach der Geburt vorgenommen werden.

E76: Eine Therapie mit Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten soll während der Schwangerschaft nicht begonnen werden.

E77: Eine Schwangerschaft gilt als Kontraindikation für den Beginn einer AIT. Die AIT kann bei guter Verträglichkeit während der Schwangerschaft fortgeführt werden.

E78: Bei schwangeren Patientinnen mit einem Asthmaanfall soll die Sauerstoffsättigung umgehend bestimmt und bei erniedrigten Werten eine Sauerstoffbehandlung frühzeitig eingeleitet werden (Zielsättigung: SaO2 > 92 %) und eine Überwachung des Feten erfolgen.

E79: Asthma soll nicht als primäre Indikation für eine Sectio oder als Begründung für diese herangezogen werden.

E80: Bei Frauen mit Asthma soll Oxitocin als Mittel der ersten Wahl für eine etwaige Geburtseinleitung und Behandlung der postpartalen Uterusatonie verabreicht werden.

S16: Bei einer guten Kontrolle des Asthma in der gesamten Schwangerschaft ist die perinatale Prognose der Kinder denen von nicht asthmatischen Müttern vergleichbar.

Die physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft können den Asthma-Verlauf sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. In etwa einem Drittel der Fälle verbessern sich die Asthma-Symptome, bei einem weiteren Drittel tritt keine Änderung auf, in ebenfalls etwa einem Drittel verschlechtert sich die Symptomatik, insbesondere bei weiblichen Feten [408] [409] [410]. Exazerbationen können in der Schwangerschaft gehäuft auftreten, insbesondere am Ende des 2. Trimenons [411]. Als Ursachen für Exazerbationen und eine schlechte Asthma-Kontrolle kommen mechanische, hormonelle und immunologische Veränderungen während der Schwangerschaft in Betracht, aber auch die Reduktion der notwendigen Asthma-Medikation, insbesondere der Kortikosteroide, durch die Schwangere und/oder die behandelnden Ärzte infolge von Verunsicherungen über potenzielle Gefahren der Asthmamedikamente [412]. Schwangere mit Asthma zeigen sich besonders anfällig gegen über viral bedingten Atemwegsinfekten [413]. Infekte [413] und eine schlechte Asthma-Kontrolle können zu Komplikationen in der Schwangerschaft und in der Entwicklung des Feten führen. So finden sich bei Schwangeren mit Asthma höhere Raten an Präeklampsie, Schwangerschaftsdiabetes, Plazentaablösung, Plazenta prävia und Frühgeburten [414]. Ein unkontrolliertes Asthma der Schwangeren ist für den Feten mit einem erhöhten Komplikationsrisiko verbunden, wie intrauteriner Wachstumshemmung, vaginalen Blutungen, Frühgeburt und Hypoxie des Neugeborenen [411] [414]. Wenn das Asthma während der Schwangerschaft gut kontrolliert ist, ist das Risiko mütterlicher und fetaler Komplikationen gegenüber Schwangeren ohne Asthma nicht oder allenfalls gering erhöht [415]. Daher kommt einer guten Asthma-Kontrolle in der Schwangerschaft zur Vermeidung von Exazerbationen und Komplikationen große Bedeutung zu.

8.1 Beratung

Zu Beginn einer Schwangerschaft sollte ein Beratungsgespräch zur Bedeutung und Sicherheit der während der Schwangerschaft fortzuführenden Asthmatherapie mit dem Ziel einer guten Asthma-Kontrolle angeboten werden. Chronischer Zigarettenkonsum führt bei rauchenden Schwangeren zu ungünstigen Auswirkungen auf den Feten bzw. das Kind (Reduktion der neonatalen Immunfunktion, erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod, niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburt, Lungenfunktionseinschränkungen, höhere Rate an Atemwegsinfektionen, psychische Auffälligkeiten, Asthma). Zudem ist die Gefahr größer für eine Plazentaablösung, eine Placenta praevia und Uterusblutungen [416] [417]. Der Nutzen einer Raucherentwöhnung steht daher für die werdende Mutter und das werdende Kind außer Frage [418]. Schwangere mit Asthma haben oft Sorge vor einer Allergie- bzw- Asthmaentwicklung beim Neugeborenen: Bezüglich sinnvoller präventiver Maßnahmen wird auf die aktuelle Leitlinie „Allergieprävention“ verwiesen [46].


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8.2 Kontrolluntersuchungen

Schwangere mit Asthma sollten engmaschig kontrolliert werden, um bei jeder Verlaufsänderung die Therapie angemessen anpassen zu können. Neben der Anamnese, der Ermittlung der Asthmakontrolle und der klinischen Untersuchung können die Lungenfunktionsprüfung, das FeNO [126] und eventuell die Blutgasanalyse eingesetzt werden. Auch die Überprüfung der Asthma-Medikation durch kompetente Apotheker kann hilfreich sein [419]. Bei schwerem Asthma wird eine engmaschige Überwachung auch des Ungeborenen empfohlen. Frauen mit schlecht einstellbarem Asthma sollten vom Pneumologen und Gynäkologen gemeinsam in enger Abstimmung betreut werden.


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8.3 Pharmakotherapie

Ein unkontrolliertes Asthma schadet der Schwangeren und dem ungeborenen Kind. Die Gefahren einer unzureichenden Asthma-Kontrolle überwiegen bei weitem befürchtete Medikamentennebenwirkungen, die eher überschätzt werden und zu unzureichender Therapieadhärenz Anlass geben. Für die Asthmabehandlung gelten folgende allgemeine Empfehlungen:

  • optimierte Patientenbetreuung durch Pneumologen und Gynäkologen,

  • strukturierte Patientenschulung,

  • leitliniengerechte Asthmatherapie.

Da der Fetus in einer Umgebung niedriger Sauerstoffpartialdrücke aufwächst, stellt der Asthmaanfall sowohl für die Schwangere als auch für das ungeborene Kind einen Notfall dar und ist im Krankenhaus unter fetalem Monitoring zu behandeln. Im Anfall ist eine (meist nasale) Sauerstoffgabe zur Vermeidung einer Hypoxämie obligat. Die Asthma-Basistherapie sollte nicht wegen des Eintritts einer Schwangerschaft geändert werden. Der Einsatz von ICS, Beta-2-Sympathomimetika, Montelukast oder Theophyllin ist nicht mit einer erhöhten Inzidenz von fetalen Abnormitäten assoziiert [420]. Die Inhalation von ICS beugt Asthma-Exazerbationen in der Schwangerschaft vor [421] [422], das Absetzen von ICS während der Schwangerschaft ist hingegen ein signifikanter Risikofaktor für das Auftreten von Exazerbationen [411]. Bei Abwägung der Evidenz für ungünstige Auswirkungen von Exazerbationen und der Sicherheit üblicher Dosierungen von ICS und LABA sollte die Asthmabehandlung während der Schwangerschaft besser nicht mit einer Dosisreduktion dieser Substanzen einhergehen [420]. Der Einsatz von monoklonalen Antikörpern (Biologika) während der Schwangerschaft kann aufgrund der schwachen Datenlage nicht mit hinreichender Validität bewertet werden [423]. Es wird daher empfohlen, auf den Einsatz während der Schwangerschaft, wenn möglich, zu verzichten: Eine individuelle Abwägung der Risiken gemeinsam mit der Patientin ist jedoch geboten [424]. In einer großen Registerstudie wurden unter Therapie mit Omalizumab in der Schwangerschaft keine kongenitalen Malformationen bei den Neugeborenen beobachtet [425] [426]: Laut Fachinformation kann daher eine Therapie mit Omalizumab während der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden. Zur Risikoeinschätzung der medikamentösen Therapie des Asthma in der Schwangerschaft wird außerdem auf das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxizität der Charité-Universitätsmedizin in Berlin (www.embryotox.de) verwiesen.


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8.4 Allergen-Immuntherapie (AIT)

Zur AIT während der Schwangerschaft gibt es keine verlässlichen Daten. Eine AIT sollte aufgrund des möglichen Auftretens von systemischen Reaktionen nicht während der Schwangerschaft begonnen, kann aber bei guter Verträglichkeit und bei bisher problemlosen Verlauf der AIT während der Schwangerschaft fortgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die AIT bei Hymenopterengiftallergie [53].


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8.5 Schutzimpfungen

Wegen unzureichender Daten bezüglich des Einsatzes der Influenza- und Pneumokokkenschutzimpfung während der Schwangerschaft sollten diese Impfungen möglichst vor Beginn einer Schwangerschaft durchgeführt werden.


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8.6 Behandlung von Atemwegsinfekten

Pulmonale Infekte sind bei Schwangeren mit Asthma häufig. Bei den meist viralen Infekten ist der Einsatz von Antibiotika nicht erforderlich. Da durch den Einsatz von Antibiotika das Risiko eines Asthma für die Nachkommen möglicherweise erhöht ist [427], sollte die Gabe von Antibiotika auf die notwendigen Indikationen beschränkt werden. Vorgeschlagen werden Penicilline und Cephalosporine für den Einsatz während der Schwangerschaft, wenn keine Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber diesen Substanzen bekannt sind [427]. Erythromycin erscheint sicher, kann aber gastrointestinale Nebenwirkungen, insbesondere Übelkeit hervorrufen. Aminoglykoside sollten wegen ihrer Oto- und Nephrotoxizität, Tetrazykline wegen ihrer wachstumshemmenden Effekte sowie Chinolone wegen der Auslösung von Knochendefekten vermieden werden.


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8.7 Behandlung des Asthmaanfalls

Die medikamentöse Therapie des Asthmaanfalls in der Schwangerschaft sollte wie bei Nicht-Schwangeren erfolgen, eine Untertherapie aus Furcht vor unerwünschten Effekten der Medikation ist zu vermeiden [411]. Ein schwerer Asthmaanfall in der Schwangerschaft soll immer als stationär zu behandelnder Notfall – in der zweiten Schwangerschaftshälfte unter Konsultation eines Gynäkologen – angesehen werden. Um eine Hypoxie des Feten zu vermeiden, ist der frühzeitige Einsatz von FABA, systemischen Glukokortikosteroiden und von Sauerstoff zu empfehlen mit dem Ziel, eine Sauerstoff-Sättigung von mindestens 92 % [428] und einen PaCO2 von weniger als 35 mmHg zur Verbesserung der fetalen Sauerstoff-Utilisation zu erreichen. In schweren Fällen können bei entsprechender Indikation inhalativ Ipratropiumbromid und intravenös Beta-2-Sympathomimetika eingesetzt werden.


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8.8 Management während der Geburt

Die Empfehlung, Asthma als Indikation für eine Sectio oder als Begründung für diese anzusehen, ist unbegründet. Asthmaanfälle während der Entbindung sind selten. Einen Schutz vor Asthmaanfällen bietet neben der während der Geburt angewandten Langzeittherapie auch die endogene Cortisolproduktion. Gemäß S3-Leitlinie „Allergieprävention“ [46] gibt es Hinweise dafür, dass eine Sectio das zukünftige Risiko für Allergien bei den Kindern erhöhen kann. Eine während der Entbindung auftretende Hyperventilation kann zu einer Bronchokonstriktion führen, die durch Inhalation von SABA behandelt werden kann. Falls die Schwangere mit Asthma präpartal mit mehr als 7,5 mg Prednisolon/Tag über einen Zeitraum von mehr als 2 Wochen behandelt wurde, ist bei der Entbindung die parenterale Applikation von 100 mg Hydrocortison in 6- bis 8-stündigen Abständen zu empfehlen. Falls eine Narkose erforderlich ist, ist eine Regionalanästhesie gegenüber einer Vollnarkose zu bevorzugen. Empfehlenswert zur Anästhesie sind Fentanyl, zur Narkose Propofol und Ketamin. Zur intrapartalen Wehenhemmung können Beta-2-Sympathomimetika wie bei Schwangeren ohne Asthma eingesetzt werden. Für die Behandlung einer vorzeitigen Wehentätigkeit kann der Oxytocinantagonist Atosiban aufgrund geringer Nebenwirkungen auch bei Schwangeren mit Asthma eingesetzt werden. Falls hohe Dosen von SABA während der letzten 48 Stunden vor der Entbindung eingesetzt wurden, kann eine neonatale Hypoglykämie auftreten, insbesondere bei Frühgeborenen. Daher sollte bei diesen Babies innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt der Blutzucker kontrolliert werden.


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8.9 Geburtseinleitung bei Asthma

Bei einer Geburtseinleitung mit Prostaglandinen ist deren bronchokonstriktorische Wirkung zu berücksichtigen. In der medikamentösen Therapie der postpartalen Uterusatonie ist Oxytocin das Medikament der ersten Wahl. Prostaglandin F2a und Sulproston sind bei Asthma kontraindiziert.


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8.10 Stillzeit

Die zur Behandlung von Asthma angewandten Medikamente können auch bei stillenden Müttern eingesetzt werden. Der in der Muttermilch gefundene Anteil einer intravenösen oder oralen Prednisolongabe beträgt weniger als 0,1 %. Damit wird der gestillte Säugling nur minimalen Steroidmengen und damit keinem klinisch bedeutsamen Risiko ausgesetzt.


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9 Komorbiditäten

E81: Bei Patienten mit Asthma sollte an eine Refluxerkrankung gedacht und diese diagnostiziert werden. Nur eine symptomatische Refluxerkrankung soll behandelt werden.

E82: Asthma und obstruktives Schlafapnoe-Hypopnoe-Syndrom (OSAHS) sind in epidemiologischen Studien miteinander assoziiert. Bei Patienten mit Asthma sollte die Schlafapnoe leitliniengerecht behandelt werden.

E83: Adipositas und Asthma sind in epidemiologischen Studien miteinander assoziiert. Die Therapie einer begleitenden Adipositas soll mit verschiedenen Modalitäten durchgeführt werden, um eine Verbesserung der Asthmakontrolle zu erreichen.

E84: Bei Patienten mit Asthma und bei Patienten mit chronischer Rhinosinusitis sollte immer nach der jeweiligen Komorbidität gesucht werden.

E85: Im Rahmen der Primärprävention des Asthma soll bei Kindern die Indikation zur Allergen-Immuntherapie geprüft werden.

E86: In Anamnese und Behandlungskonzept des Asthma sollten psychische Komorbiditäten und psychosoziale Problemkonstellationen berücksichtigt werden und ggf. psychologische bzw. psychotherapeutische Hilfen angeboten werden.

S17: Dysfunktionale Atmung (z. B. Vocal cord dysfunction, VCD) und Asthma sind in epidemiologischen Studien miteinander assoziiert bzw. schwierig gegeneinander abzugrenzen. Eine dysfunktionale Atmung ist als möglicher aggravierender Faktor bei schwierigem Asthma zu berücksichtigen.

S18: Asthma und Psyche stehen untrennbar in einem vielfältigen Zusammenhang. In der Diagnostik und Therapie gilt es, diesen Zusammenhang (ICF-orientiert) im Sinne des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells für die Patienten und die Familien transparent und nutzbar zu machen. Die Erfassung der psychosozialen Einfluss- und Belastungsfaktoren schafft das Verständnis für die individuelle Bedeutungsgebung von Symptomen und ist gleichzeitig eine wesentliche Voraussetzung für eine stabile Therapie-Adhärenz.

Die Erkrankung Asthma ist oft mit typischen somatischen Komorbiditäten und/oder psychischen Besonderheiten vergesellschaftet, die im Folgenden dargelegt werden sollten. Die Behandlung von Komorbiditäten ist wesentlicher Bestandteil des Asthma-Managements [429].

9.1 Reflux

In mehreren großen epidemiologischen Studien konnte gezeigt werden, dass Asthma und gastroösophagealer Reflux miteinander assoziiert sind. Die Prävalenz von Reflux ist bei asthmatischen Patienten etwa 1,5–2 Mal höher als bei nicht-asthmatischen Patienten [430] [431]. Daher sollte bei Patienten mit Asthma auch an eine Reflux-Erkrankung gedacht und diese diagnostiziert werden. Eine symptomatische Reflux-Erkrankung sollte adäquat behandelt werden. Die Behandlung eines asymptomatischen Refluxes kann nach evidenzbasierten Kriterien nicht empfohlen werden [432] [433] [434] [435].


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9.2 Adipositas

Adipositas und Asthma sind in epidemiologischen Studien miteinander assoziiert, eine Adipositas geht mit vermehrter Atemwegsentzündung [436], BHR [437] [438] und schlechterer Asthmakontrolle einher [439] [440] [441] [442] [443], wobei Frauen hier empfindlicher zu sein scheinen [444]. Bei Kindern spielt v. a. eine stammbetonte Adipositas eine Rolle [445], das Ansprechen auf ICS ist vermindert [446]. Insulinresistenz ist ein zusätzlicher Faktor in der Interaktion zwischen Adipositas und Asthma [447]. Die Behandlung einer ausgeprägten Adipositas durch bariatrische Therapie hat einen positiven Effekt auf die Kontrolle eines Asthma [448].


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9.3 Obstruktives Schlafapnoe-Hypopnoesyndrom (OSAHS)

Asthma und OSAHS sind in epidemiologischen Studien miteinander assoziiert, OSAHS ist eine mögliche Ursache für eine schlechte Asthmakontrolle [449] [450]. Gemäß schlafmedizinischer Leitlinien sollte die symptomatische Schlafapnoe diagnostiziert und behandelt werden [451]. Die Behandlung einer asymptomatischen Schlafapnoe zur Verbesserung Asthma-bezogener Zielparameter ist durch Daten nicht ausreichend belegt.


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9.4 Endokrinologische Störungen

Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel und Asthma, insbesondere schweres Asthma, sind in epidemiologischen Studien miteinander assoziiert [452]. Vitamin-D-Supplementierung verbessert aber nicht die Asthma-Kontrolle, weder bei Kindern [453] noch bei Erwachsenen [39]. Bei Patienten mit Zustand nach langjähriger Prednisolontherapie kommt es oft zu einer tertiären Nebenniereninsuffizienz, diese ist im Kapitel 4.5.2 dargelegt.


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9.5 COPD

Bei den zahlreichen Phänotypen von obstruktiven Atemwegs- und Lungenerkrankungen gibt es zunehmend Hinweise dafür, dass die Schnittmenge von COPD und Asthma klinisch relevant ist. Zudem können bei einigen Patienten gleichzeitig typische COPD-Charakteristika und typische Asthma-Charakteristika auftreten [454]. Der zwischenzeitlich vorgeschlagene Terminus „Asthma-COPD-Overlap“ („ACO“) wurde jedoch wieder verlassen, da der Begriff zu unscharf definiert ist und sich auf eine Vielzahl von Überlappungen unterschiedlicher Charakteristika anwenden lässt. Die große Bandbreite der berichteten Prävalenz einer Ko-Existenz von Asthma und COPD ist Folge der heterogenen Definitionen, welche für die jeweiligen Untersuchungen verwendet wurden [455] [456]. Die klinische Relevanz des gemeinsamen Auftretens eines Asthma und einer COPD ergibt sich aus einer Vielzahl an Daten, die eine erhöhte Symptomlast, vermehrte Exazerbationen und vermehrte Hospitalisierungen bei solchen Individuen feststellen, die unter beiden Erkrankungen leiden [457]. Darüber hinaus gibt es Anzeichen dafür, dass diese Patienten auch eine gegenüber den beiden Einzelerkrankungen erhöhte Mortalität aufweisen [458]. Bezüglich der Therapie gibt es Hinweise dafür, dass COPD mit einer begleitenden asthmatischen Komponente durch ein besseres Ansprechen auf ICS gekennzeichnet ist [459]. Deutlich erhöhte Bluteosinophilenzahlen [460] und/oder erhöhtes FeNO [461] können, in Zusammenschau mit anamnestischen Hinweisen, Indikatoren für eine Asthma-Komponente bei einer COPD sein.


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9.6 Allergische Rhinitis und chronische Rhinosinusitis

Asthma und chronisch-entzündliche Erkrankungen der oberen Atemwege (EOA) sind häufig miteinander vergesellschaftet [462]. Mehr als 80 % der Patienten mit Asthma haben eine EOA und bis zu 40 % der Patienten mit EOA ein koexistierendes Asthma [463]. Daher sollte bei Patienten mit Asthma immer auch eine Beteiligung der oberen Atemwege abgeklärt werden (sowie umgekehrt) [463]. Abzugrenzen ist die allergische Rhinitis (AR), welche mit Allergien gegen typische Aeroallergene einhergeht und oft mit einem Asthma mit Erkrankungsbeginn in der Kindheit oder Jugend (Early-onset-Asthma) assoziiert ist [49], von der chronischen Rhinosinusitis (CRS), welche meist keine allergische Ursache hat und oft mit einem Adult-onset-Asthma vergesellschaftet ist [70]. Die CRS wird unterschieden in eine Erkrankung ohne Nasenpolypen (sine polyposis nasi, CRSsNP) und mit Nasenpolypen (with polyposis nasi, CRSwNP) [464]. Einige Autoren gehen so weit, bestimmte Untergruppen von Asthma, AR und CRS nicht als getrennte Erkrankungen zu definieren, sondern als Schleimhauterkrankungen mit gleichartiger Pathophysiologie im Bereich der oberen und unteren Atemwege („United Airways“-Konzept) [465]. Entzündliche Erkrankungen im Bereich der oberen und unteren Atemwege können IgE-vermittelt auftreten und durch identische Trigger (Allergene oder Erreger) ausgelöst werden [49]. Bei der Kombination aus CRSwNP und Asthma können nicht-allergische Typ-2-Entzündungsvorgänge sowohl in den unteren und als auch in den oberen Atemwegen (und z. T. auch im Mittelohr) auftreten.

Erkrankungen der oberen Atemwege sind ein Risikofaktor für die Entstehung eines Asthma bzw. können den Verlauf eines Asthma negativ beeinflussen und sollten daher adäquat diagnostiziert und therapiert werden. Oft geht die Entwicklung einer AR der Asthmaentstehung voraus, in 25 % entwickeln sich AR und Asthma gleichzeitig [463]. Eine finnische Zwillingsstudie zeigte, dass männliche EOA-Patienten ein 4-fach höheres Risiko für eine Asthmaentstehung hatten, die weiblichen ein 6-fach höheres Risiko [466]. Auch unabhängig von der Atopie als gemeinsame Grundlage waren EOA und Asthma statistisch hochsignifikant verbunden [467]. Bei 4-jährigen Kindern mit dem gleichzeitigen Auftreten von Asthma, AR und Ekzemen konnte eine IgE-vermittelte Erkrankung nur bei 38 % der Kinder nachgewiesen werden, weshalb weitere Mechanismen für die hohe Komorbidität der Erkrankung angenommen werden [468].

Bei der Mehrzahl der Patienten mit manifester AR, aber ohne klinisches Asthma, findet sich eine BHR und ein (bei normwertiger FEV1) positiver Bronchospasmolyse-Test [469] [470]. Nach nasaler Allergenprovokation kommt es zur Einwanderung von Eosinophilen in die Bronchien, umgekehrt führen bronchiale Allergenprovokationen bei nicht-asthmatischen Patienten mit AR auch zu einer inflammatorischen Veränderung der Nasenschleimhaut [471] [472]. Auch bei Asthmapatienten ohne EOA sind erhöhte Eosinophilenzahlen in nasalen Biopsien nachweisbar [473].

Leitlinien empfehlen topische nasale Glukokortikoide als Basis der Therapie einer AR und CRS [463]. Die Therapie einer AR bzw. einer CRS oder eines Asthma können die jeweils andere koexistente Erkrankung positiv beeinflussen hinsichtlich Symptomatik, Krankheitskosten, Exazerbationen, Notfallbesuchen oder Arbeitsausfällen [463]. Die AR-Behandlung mit topischen Steroiden bei Patienten mit Asthma kann Krankheitskosten, Krankenhauseinweisungen und Notfallbehandlungen reduzieren [474] [475]. Während H1-Antihistaminika zu den Standardtherapeutika in der Therapie der AR gehören, spielen sie in der Behandlung von Asthma keine Rolle [463]. Zur Behandlung einer trotz topischer nasaler Steroidtherapie unkontrollierten CRSwNP [464] sind folgende Biologika zugelassen: Dupilumab [73], Omalizumab [476] und Mepolizumab [258]. Bei Patienten mit schwerem Asthma sollte bei der Wahl des Biologikums auch das mögliche Vorliegen einer CRSwNP berücksichtigt werden (siehe Kapitel 4).


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9.7 Nahrungsmittelallergie

Sowohl jüngere als auch ältere Kinder mit einer Nahrungsmittelallergie haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Asthma und eines schweren Asthma. Diese Assoziation ist stärker ausgeprägt bei Kindern mit mehreren oder mit schweren Nahrungsmittelallergien [477]. Des Weiteren tritt eine Asthmaentwicklung bei Kindern mit einer Nahrungsmittelallergie frühzeitiger auf als bei Kindern ohne Nahrungsmittelallergie [478]. Kinder mit Nahrungsmittelallergie und einer Sensibilisierung gegen mindestens ein Nahrungsmittel (wie Hühnerei, Soja, Milcheiweiß, Erdnuss oder Weizen) entwickeln eine schlechtere Lungenfunktion und werden häufiger notfallmäßig vorgestellt oder stationär aufgenommen [479]. Ferner weisen sie einen höheren Bedarf an systemischen Steroiden [480] sowie eine höhere Rate invasiver Beatmungsepisoden auf [481]. Auch im Erwachsenenalter beeinflusst das Vorhandensein einer Nahrungsmittelallergie die Asthmamorbidität [482].


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9.8 Atopische Dermatitis

Die atopische Dermatitis geht häufig der Manifestation des Asthma im Kindesalter voraus, dies ist aber keine Gesetzmäßigkeit [468]. Relevante Einflussfaktoren sind der frühe Beginn einer atopischen Dermatitis, ihr höherer Schweregrad, eine familiäre Atopieanamnese und ein männliches Geschlecht [483] [484]. Die atopische Dermatitis als Komorbidität geht mit einem höheren Schweregrad des Asthma einher [485].


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9.9 Asthma und Psyche

9.9.1 Bedeutung psychosozialer Belastungsfaktoren

Psychosoziale Belastungsfaktoren sind für Genese, Exazerbationen und Prognose des Asthma relevant: Eine Metaanalyse bestätigte den bidirektionalen Zusammenhang zwischen psychologischen Faktoren und Asthma [486]. Es scheint auch einen genetischen Link zwischen Atopie und psychosozialer Belastbarkeit zu geben [487]. Die Beeinflussung der Asthmamorbidität durch psychosoziale Belastungsfaktoren erfolgt über drei Mechanismen: genetische/epigenetische Veränderungen, Beeinflussung der Immunantwort und Störung des Therapieansprechens [488] [489]. Unter den psychosozialen Belastungen spielen die Faktoren Stress (insbesondere Dysstress), einschneidende Lebensereignisse („major life events“) und Traumatisierungen eine wichtige Rolle [490]. Dysstress (Reaktion auf negative, d. h. unangenehme, bedrohliche oder überfordernde Reize, oft im Zusammenhang mit fehlenden Bewältigungsstrategien) hat den stärksten Effekt aller psychosozialen Belastungsfaktoren auf die Asthma-Entwicklung (Effektstärke stärker bei Kindern als bei Erwachsenen) [486] [491]. Stress erhöht die Wahrscheinlichkeit, ein Asthma zu entwickeln, um das 2,2-Fache [492]. Die Stressantwort bei Asthma ist objektivierbar durch den Anstieg des FeNO unter Stressbedingungen [493] [494] [495]. Zudem zeigen sich auch Auswirkungen von Stress auf das krankheitsbezogene Verhalten von Patienten und Familien (z. B. Diäten, Bewegungsmangel, verändertes Hygieneverhalten). Auch die stressbedingte Schlafstörung wie auch eine unter Stress veränderte Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsangebote beeinflussen die Erkrankung [486]. Bei den „Major life events“ in der Kindheit korreliert besonders die Trennung der Eltern mit der Asthma-Entstehung [496] [497].

Traumatisierungen stellen einen weiteren Belastungsfaktor dar, besonders dann, wenn diese zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen. Personen mit einer PTBS-Anamnese haben signifikant häufiger Asthma und asthmaähnliche Symptome als Personen ohne PTBS [498]. Auch Traumatisierung im Kindesalter führte zu einem höheren Asthma-Risiko [499]. Bestätigt wurde der Zusammenhang zwischen PTSB und Asthma im Rahmen von Nachuntersuchungen bei Überlebenden des Angriffs auf das World Trade Center [500] bzw. bei Betroffenen des Irak-Krieges [501]. Bei Kindern spielt die Art der Traumatisierung eine entscheidende Rolle: Gewalterfahrungen in der Familie stellen hier den höchsten Risikofaktor dar [502] [503]. Auch pränatale psychosoziale Belastungen der Mutter (insbesondere Angst, Depression, Trauma) haben einen Einfluss [504]. Es gibt eine enge Korrelation zwischen pränatalen mütterlichen Angstsymptomen und der Asthmaprävalenz im Alter von 7,5 Jahren: Kinder von Müttern mit der höchsten pränatalen Angststufe hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit (OR 1,64) im Vergleich zu Kindern von Müttern mit dem niedrigsten pränatalen Angstniveau [505]. Stresserleben der Mutter (z. B. durch Trauerfall, Scheidung oder Jobverlust) in der Schwangerschaft ist verbunden mit erhöhtem Risiko für späteres Giemen und Asthma [506] [507] [508]. Die Datenlage ist so deutlich, dass alle Strategien, die geeignet sind, Schwangere vor zusätzlichen Stressoren zu schützen, auch präventiv in Bezug auf Asthma wirksam sind.

Persönlichkeitsmerkmale und prämorbide Psychopathologien spielen eine wichtige Rolle für Entstehung, Verlauf und Prognose von Asthma: insbesondere Angst, emotionale Instabilität und depressives Erleben sind Risikofaktoren [509] [510]. Patienten mit Asthma weisen i. d. R. hohe Beeinträchtigungen der Lebensqualität auf, außerdem überdurchschnittliche diagnostische und therapeutische Eigenaktivitäten sowie sekundäre Verhaltensauffälligkeiten, häufig als Folge von symptombedingten Schlafstörungen [511]. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist ein ADHS mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Asthma verbunden [512] [513]. Sowohl depressives Erleben [514] als auch das Angstniveau [515] der Patienten beeinflussen die Symptomwahrnehmung (so hing bei der Methacholin-Provokation die Wahrnehmung der Symptome direkt vom Angstniveau ab [515]). Psychologische Störungen sind häufig assoziiert mit unzureichendem Selbstmanagement der Erkrankung [516]: Deshalb könnte prinzipiell auch jeder gemessene Effekt einer psychopathologischen Störung auf das Asthma Ausdruck eines schlechteren Selbstmanagements sein [503].


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9.9.2 Asthma und psychische Entwicklung

Asthma bei Kindern und Jugendlichen beeinflusst immer sowohl die Entwicklung des Kindes als auch die Pädagogik der Eltern [511]. Im Rahmen der Erkrankung verändern sich kognitive, emotionale und verhaltensbezogenen Kompetenzen durch die zusätzlichen krankheitsbedingten Anforderungen. Wenn es der Familie nicht gelingt, die Anforderungen anzunehmen, kann die Entwicklung gerade in vulnerablen Phasen gestört werden. Folgen sind dann z. B. Schlafstörung, Konzentrationsschwäche, nachlassende Schulleistungen, Ausgrenzung, Selbstzweifel, Unsicherheiten mit Auswirkungen auf Stimmung und Lebensqualität. Auf der anderen Seite kann die bei der Bewältigung von Symptomen entstehende Freude eine wichtige Unterstützerfunktion übernehmen [511]. Eine Herausforderung stellt hier das Jugendalter dar: Krankheits-Akzeptanz und -Management verbunden mit dem Kontrollbedürfnis der Eltern stehen häufig der notwendigen Autonomieentwicklung entgegen. Das Ausmaß der zusätzlichen Belastung bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben des Kindes mit Asthma spiegelt sich im Belastungserleben von Kind und Familie wider (für dieses sind weniger die konkreten Krankheitsvariablen, sondern vielmehr die personalen und familiären Ressourcen entscheidend).

Erziehung und Erziehungsstile der Eltern sind durch zwei grundsätzliche Achsen gekennzeichnet: Empathische Nähe (Fürsorge) und haltgebende Grenzsetzung (Regulation). Asthma führt (wie andere chronische Erkrankungen) sowohl zu hilfreichen als auch zu hinderlichen Veränderungen der Wichtung dieser beiden Erziehungsachsen. Dies zu erkennen, ist für eine ganzheitliche Betreuung von Patienten mit Asthma entscheidend, weil sich hier Ressourcen, aber auch hinderliche Copingstrategien entdecken lassen. Die grenzsetzenden und regulierenden Maßnahmen nehmen im Sinne der Gesundheit des Kindes i. d. R. zu. Diese Anpassung stellt eine wichtige Bewältigungsstrategie der Familie dar, führt aber gleichzeitig zu Verschiebungen des intrafamiliären Gleichgewichts. Leitgefühl ist dabei die Angst (i. d. R. der Eltern) vor Asthmaanfällen, aber auch „nicht zu genügen“, „es nicht zu schaffen“. Dabei sind diese Ängste meist nicht gleichmäßig in der Familie verteilt: Dies wiederum gefährdet die kindliche Akzeptanz von mehr Fürsorge und Regulierung. Dies zeigt sich besonders in oppositionell geprägten Lebensphasen wie der Pubertät.


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9.9.3 Asthma und psychische Komorbidität

Als chronische Erkrankung beeinflusst Asthma die Lebensqualität und das Auftreten psychischer Auffälligkeiten bis hin zu psychopathologischen Komorbiditäten. Typische psychosoziale Folgeprobleme von Asthma sind eine maladaptive Krankheitsbewältigung („Adhärenzstörung“), die Entwicklung einer Anpassungsstörung mit anhaltenden krankheitsbezogenen Ängsten, das Auftreten psychischer Symptome und Komorbiditäten (depressive Entwicklung, Angststörung, Konzentrationsstörung). Immer wird die Lebensqualität beeinflusst. Dabei bestehen klare Abhängigkeiten zum Schweregrad der Erkrankung, zur klinischen Manifestation und zum Ausmaß von Begleitsymptomen [517] [518]. Die Erkrankung Asthma und die psychosozialen Folgeprobleme führen wiederum zu Verhaltensänderungen des sozialen Umfeldes (z. B. Unruhe, Konfliktvermeidung, Overprotection, passive Veränderungserwartungen), um die Homöostase des sozialen Systems aufrecht zu erhalten. Die Folgen können gerade bei Kindern Bindungsunsicherheiten, Selbstwertprobleme, und Schuldgefühle gerade im Zusammenhang mit Auflösungen sozialer Bindungen (z. B. Trennung der Eltern) sein.

Patienten mit Asthma haben ein höheres Risiko, psychische Störungen zu entwickeln [519], wobei dann häufig bereits prämorbide Psychopathologien bestanden. Ein zentrales Phänomen der psychischen Komorbidität ist dabei die Angst. Diese kann im ärztlichen Gespräch dominieren und auch ein Hindernis darstellen, wenn der Untersucher sich dessen nicht bewusst ist. Kinder und Jugendliche mit Asthma haben ein erhöhtes Risiko, eine Konzentrationsstörung und auch ein ADHS zu entwickeln [520] [521]. Es wird empfohlen, diese Assoziation zeitig in der Diagnostik zu berücksichtigen. Ein Nichterkennen dieser Komorbidität kann sowohl den Therapiererfolg als auch die Adhärenz negativ beeinflussen [520]. Besonders in der Adoleszenz haben Patienten mit Asthma ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von depressiven Episoden oder einer manifesten Depression [510] [522]: dieses Risiko erhöht sich weiter, wenn die Patienten vorab auch ein ADHS entwickelt hatten [522].


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9.9.4 Konsequenzen für die Praxis

  1. Die individuelle Bedeutung der Asthma-Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen ist immer vor dem Hintergrund von Entwicklungsstand und den Bewältigungsmöglichkeiten von Kind und Familie zu sehen. Die Diagnostik sollte dahingehend erweitert werden: Durch Erfassung von krankheits- und entwicklungsbezogenen Risiko- und Schutzfaktoren kann individualisierte Therapie gelingen.

  2. Asthma ist sowohl Störfaktor und Bedrohung als auch Stressor der normalen Entwicklung. Für langfristige Behandlungsprozesse ist es wichtig, das individuelle Ausmaß des Stresses für die Familie wahrzunehmen. Die Belastung durch das Asthma entsteht nicht nur durch die Symptome und die damit verbundene Beeinträchtigung der Lebensqualität, sondern auch durch die zusätzlichen Anforderungen bei der Bewältigung der Entwicklungsanforderungen des Kindes.

  3. Über die gesamte Kindheit hinweg kann beobachtet werden, dass im Laufe der Entwicklung die Fähigkeiten kontinuierlich zunehmen, mit den Belastungen des Asthma fertig zu werden. Im Gegenzug wird Asthma mit seinen Folgen als zunehmend einengend empfunden. Für die Beratung und Therapie bedeutet dies, dass unabhängig von der objektiven Symptomatik mit dem Älterwerden sowohl die Bewältigungsfähigkeiten der Kinder als auch das Belastungserleben zunehmen. Das Erstere sollte genutzt und gefördert werden, das Zweitere zumindest verstanden werden.

  4. Asthma kann in der Entwicklung auch eine Chance darstellen (Erweiterung der Ressourcen, Aufbau eines eigenen sozialen Netzes, Stärkung der Selbstkompetenz durch Annahme der Herausforderung). Diese „positive“ Seite der Allergie gilt es gemeinsam mit der Familie zu entdecken. Ziel ist es, das Belastungserleben in eine Herausforderung umzudefinieren.

  5. Asthma führt zu Stress- und Störfaktoren der Entwicklung des Kindes und behindert die eigentlichen Entwicklungsaufgaben. Dies stellt (bewusst oder unbewusst) eine Bedrohung dar. Diese Bedrohung muss (um sie auszuhalten) abgewehrt werden. Die Identifikation dieser Abwehrmechanismen (Aggression, Intellektualisierung, Verdrängung, Spaltung) erleichtert den Zugang zur Familie und die Therapie [511].

  6. Asthma führt auch zu Veränderungen in der Erziehung: Diesen unweigerlich eintretenden Prozess gilt es wahrzunehmen. I. d. R. verschieben sich die Erziehungsstile hin zu mehr Regulation (Kontrolle) und Fürsorge (Nähe). Gerade bei älteren Kindern und Jugendlichen kann dies zu Abwehrhaltungen führen, die scheinbar als Abwehr oder Negieren der Therapie an sich imponieren. Um Kränkungen zu vermeiden und Therapiehindernisse anzubauen, sollten diese Abwehrphänomen angesprochen werden [511].

  7. Das Auftreten psychosozialer Folgeprobleme von Asthma kann durch eine Entängstigung der Patienten und der Familie durch sichere Diagnostik und eine adäquate Beratung, durch Förderung des Selbstmanagements mittels wissenschaftlich begründeter Therapie, Schulung und Förderung der individuellen Bewältigungsstrategien [332] und durch frühzeitiges Erfassen von psychosozialen Risiko- und Belastungsfaktoren [511] erfolgen.


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10 Digitale Unterstützungssysteme in der Diagnostik und Therapie von Asthma

E87: Im Fokus moderner Telemedizin sollen immer die Patientin/der Patient und die Vereinfachung und Verbesserung von Behandlungsprozessen für Arzt und Patient sein. Sie sollte zur Ergänzung und nicht als Ersatz für eine direkte Arzt-Patienten-Beziehung dienen.

10.1 Definition Telemedizin

Die AG Telemedizin der Bundesärztekammer schlug 2015 folgende Definition vor: „Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt.“


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10.2 Evidenz bei Asthma

Studien zum Asthma zeigen aktuell eine starke Heterogenität der untersuchten Patientenkollektive, Messparameter und Interventionen, daher ist eine klassische Evidenzbeurteilung noch schwierig [523]. Bereits 2019 waren mehr als 500 Asthma-bezogene Gesundheits-Apps verfügbar [524]. Durch die COVID-19-Pandemie ist seit 2020 ein weiterer Entwicklungssprung eingetreten [525]. Der überwiegende Anteil der Literatur zu digitalen Unterstützungs-Systemen bei Patienten mit Asthma zieht ein positives Fazit zu den Einsatzmöglichkeiten von telemedizinischen Anwendungen, insbesondere zur Verbesserung der Adhärenz und zum verbesserten Monitoring der Patienten mit Asthma [195] [523] [526] [527] [528] [529] [530] [531] [532] [533] [534].


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10.3 Beschreibung der digitalen Unterstützungssysteme

Digitale Unterstützungssysteme zur Überwachung von Asthmasymptomen und der Inhalationstechnik und zur Prävention von Exazerbationen und Verbesserung der Therapietreue sind bereits einsetzbar und werden meist in Studien auch schon verwendet. Unter digitalen Unterstützungssystemen werden Apps, Websites und elektronische Geräte verstanden, mit welchen sich der Patient außerhalb einer medizinischen Einrichtung informieren, Messwerte erheben und/oder mit dem Behandlungsteam kommunizieren kann. So können Patienten sich zu einer Zeit und an einem Ort ihrer Wahl (bspw. zu Hause) über ihre Diagnose informieren, ihre Therapie anhand ihrer aktuellen Symptomen und Messwerte anpassen und ihre Inhalationstechnik überprüfen. Bei einzelnen telemedizinischen Anwendungen können die durch den Patienten erfassten Daten (z. B. ein ACT und/oder eine Medikationsänderung) nach Zustimmung an den Arzt weitergeleitet werden. Zur besseren Orientierung (sowohl für Patienten als auch Ärzte) in der Fülle an Gesundheits-Apps und -Plattformen wurden Orientierungshilfen erarbeitet. Beispiele hierfür sind:

Für pneumologische Fragestellungen hat die Deutsche Atemwegsliga eine Liste mit geprüften Apps zusammengestellt (www.atemwegsliga.de/pneumo-digital-apps.html). Die Apps werden umfangreich auf ihre Qualität und Vertrauenswürdigkeit geprüft (Box 8).

Box 8

Kriterien der Deutschen Atemwegsliga zur Beurteilung von Gesundheits-Apps

Überprüfung durch das Zentrum für Telematik und Telemedizin in Bochum (ZTG): technische Anwendbarkeiten; Datenverschlüsselung; Notwendigkeit, einen Account zu erstellen und persönliche Angaben zu teilen; Anlage von Cookies; Analysedienste; Server-Ort der gespeicherten Daten; Daten-Zugriffsrechte; Account-Löschbarkeit; Aufklärung über Grenzen der App (bspw. durch eine Aufforderung zu einer ärztlichen Konsultation).

Individuelle Prüfung: Zielgruppen; Übermittlung personenbezogener Daten; Möglichkeit persönlicher Kommunikation mit dem Behandlungsteam; Intuitivität der Bedienung; Erfassung von Lungenfunktionswerten; Vorliegen eines Tutorial; angebotene Unterstützung für den App-Gebrauch; Korrektheit berechneter Scores; Angebote zur Verbesserung der Therapietreue; Feedback-Möglichkeiten; Vorhandensein von Schulungsmodulen; Förderung von Selbstmanagement und Motivation; Formulierung medizinischer Ziele; Benennung von Risiken einer Fehldiagnose durch die App.

Innerhalb der Liste der Atemwegsliga kann man die Apps in nachfolgende Funktionen einteilen:

  • Patientenschulung und Training ohne Kommunikation

  • Inhalationsschulung/Überwachung ohne Kommunikation

  • Telemedizinische Überwachung inkl. Sensorik mit Kommunikation mit dem Arzt


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10.4 Ausblick

Digitale Gesundheitsanwendungen der Zukunft sollten über eine integrierte Schnittstelle im Arztinformations-System (AIS) der Praxis/des Krankenhauses die elektronische Patientenakte (ePA), das e-Rezept sowie die telemedizinische Betreuung miteinander verbinden und effektiv dem Patienten und Arzt zur Verfügung stellen. Diese Anwendungen sollten möglichst viele und einfach zu bedienende Funktionen integrieren. Dazu sollten gehören:

  • die Erfassung von Vitalparametern und Fragebögen durch den Patienten,

  • die Erfassung der Medikamententreue,

  • das Inhalations-Monitoring,

  • die Datenschutzkonforme Kommunikation zwischen Arzt und Patient (im Bedarfsfall auch via Video-Konsultation).

Arzt und Patient sollten auf einer gesicherten Plattform auf diese Informationen zurückgreifen können. Weitere Funktionen könnten eine integrierte Wissensplattform sein, über die Patienten Informationen und Schulungsinhalte (in verschiedenen Sprachen) über ihre Krankheit vom Arzt zugewiesen bekommen können. Die Leitliniengruppe spricht sich dafür aus, dass im Fokus moderner Telemedizin immer der Patient und die Vereinfachung und Verbesserung von Behandlungsprozessen für Arzt und Patient stehen sollte. Sie sollte zur Ergänzung und nicht als Ersatz für eine direkte Arzt-Patienten-Beziehung dienen.

Abkürzungen

ABPA: Allergische Broncho-Pulmonale Aspergillose
ACT: Asthma Control Test
ACQ: Asthma Control Questionnaire
ADHS: Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Störung
AERD: Aspirin-exacerbated respiratory disease
AGW: Arbeitsplatzgrenzwert
Anti-IL-5-(R): Anti-Interleukin-5-(Rezeptor)
AIT: Allergenimmuntherapie
ASS: Acetylsalicylsäure
AR: Allergische Rhinitis
ATS: American Thoracic Society
AWMF: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
BHR: Bronchiale Hyperreagibilität
BK: Berufskrankheit
BKV: Berufskrankheitenverordnung
CCD: Cross-reactive Carbohydrate Determinants (Kreuzreagierende Kohlehydrat-Determinanten)
CF: Cystische Fibrose
COPD: Chronic obstructive pulmonary disease
COX-1: Cyclooxygenase-1
CRS: Chronic Rhinosinusitis
CRSwNP: Chronic Rhinosinusitis with Nasal Polyps
CRSsNP: Chronic Rhinosinusitis without Nasal Polyps
DATIV: Dysfunktionelle Atmung vom thorakalen Typ mit insuffizienter Ventilation
DLCO: Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (CO)
ERS: European Respiratory Society
EIB: Exercise-induced Bronchoconstriction
EGPA: Eosinophile Granulomatose mit Poly-Angiitis
EPAP: Expiratory Positive Airway Pressure
EOA: Erkrankungen der oberen Atemwege
FABA: Fast-Acting Beta-Agonist (Raschwirksames Betamimetikum)
FDA: Food and Drug Association
FeNO: Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxid (NO)
FEV1: Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde der Ausatmung
FVC: Forced Vital Capacity (Forcierte Vitalkapazität)
GERD: Gastroesophageal Reflux Disease
GINA: Global Initiative for Asthma
GKV: Gesetzliche Krankenversicherung
GLI: Global Lung Initiative
HFT: High-Flow-Therapy
ICS: Inhaled Corticosteroid (Inhalatives Kortikosteroid)
IPAP: Inspiratory Positive Airway Pressure
IgE: Immunglobulin E
ILC2: Innate lymphoid cell type 2
ILO: Induced Laryngeal Obstruction
ICD: International Classification of Diseases
ICF: International Classification of Functioning
LABA: Long-Acting Beta-Agonist (Langwirksames Beta-Mimetikum)
LAMA: Long-Acting Muscarinic Agonist (Langwirksames Anticholinergikum)
LTRA: Leukotrien-Rezeptor-Antagonist
LLN: Lower Limit of Normal
NIV: Non-Invasive Ventilation (Nichtinvasive Beatmung)
NNI: Nebenniereninsuffizienz
NNR: Nebennierenrinde
N-ERD: NSAID-exacerbated respiratory disease
NSAID: Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drug
NSAR: Nicht-Steroidales Anti-Rheumatikum
NVL: Nationale Versorgungsleitlinie
OCS: Orales Corticosteroid
OR: Odds Ratio
OSAHS: Obstruktives Schlafapnoe-Hypopnoe-Syndrom
PCD: Primäre ziliäre Dyskinesie
PEEP: Positive End-Expiratory Pressure
PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung
PEF: Peak expiratory flow
PM 2,5: Particulate matter (Partikel) mit einem Durchmesser ≤ 2,5 µm
PR: Pneumologische Rehabilitation
SABA: Short-acting Beta-agonist
SAFS: Severe asthma with Fungal Sensitization
sRaw: Specific airway Resistance (spezifischer Atemwegswiderstand)
SAMA: Short-Acting Muscarinic Antagonist (kurzwirksames Anticholinergikum)
(S)MART: (Single inhaler) Maintenance And Reliever Therapy
STIKO: Ständige Impfkommission
SCIT: Subcutane Allergenimmuntherapie
SLIT: Sublinguale Allergenimmuntherapie
RCT: Randomized controlled trial (Randomisierte kontrollierte Studie)
Th2: T-Helfer 2
TSLP: Thymic Stromal Lymphopoietin
UKSAR: United Kingdom Severe Asthma Registry
VC: Vital Capacity (Vitalkapazität)
VCD: Vocal Cord Dysfunction

Erratum

Lommatzsch M, Criée CP, de Jong CCM et al. S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023 Pneumologie 2023; 77: 461–543, DOI 10.1055/a-2070-2135
Im oben genannten Artikel hat sich in Abbildung 6 ein Fehler eingeschlichen. Die Angaben zur Stufe 4 der Langzeittherapie wurden korrigiert.


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Interessenkonflikt

Eine Übersicht der Interessenkonflikte findet sich im Internet unter http://awmf.org; AWMF-Registriernummer 020-009.

* Verabschiedet von den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen am 06. 03. 2023.



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Marek Lommatzsch
Abteilung für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin
Zentrum für Innere Medizin
Universität Rostock
Ernst-Heydemann-Str. 6
18057 Rostock

Publication History

Article published online:
05 July 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Asthmaformen je nach Alter bei Erstmanifestation, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Neben transienten Formen von Giemen/Asthma in der Kindheit und Jugend werden 2 wesentliche Formen eines persistierenden Asthma unterschieden: Early-onset-Asthma (Beschwerdebeginn im Kindes- oder Jugendalter, fast immer assoziiert mit Allergien bzw. allergischen Komorbiditäten) und Adult-onset-Asthma (Beschwerdebeginn ab dem 18. Lebensjahr, seltener mit Allergien assoziiert). Bei einigen Patienten tritt sequenziell ein (oft allergisches) Asthma in der Kindheit und ein (oft intrinsisches) Asthma im Erwachsenenalter auf („gemischtförmiges Asthma“): Ob hier ein pathogenetischer Zusammenhang besteht, ist aktuell hypothetisch. Generell gibt es aktuell wenig Daten über die pathophysiologischen Zusammenhänge oder Übergänge zwischen den Atemwegserkrankungen des Kindes- und Jugendalters und des Erwachsenenalters: Dies ist als „Black box“ gekennzeichnet. Adaptiert nach [11].
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Abb. 2 Definition von schwerem Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Bei Patienten mit nicht gut kontrolliertem Asthma unter maximaler inhalativer Therapie gemäß Stufenschema soll zunächst geprüft werden, ob die Diagnose Asthma wirklich vorliegt (ggf. sollten asthmaimitierende Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden). Bei Bestätigung der Diagnose Asthma soll dann geprüft werden, ob alle Asthma-Basismaßnahmen lege artis erfolgen: Falls dies der Fall ist und trotzdem ein nicht gut kontrolliertes Asthma persistiert, wird von „Schwerem Asthma“ gesprochen. * Unterschiedliche Definitionen einer maximalen inhalativen Therapie für Kinder/Jugendliche und Erwachsene (siehe ICS-Dosis-Tabellen und Text). ** Falls möglich: Die Einleitung einer dringend indizierten Biologika-Therapie soll durch eine noch nicht bewilligte oder durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme nicht verzögert werden.
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Abb. 3 Klinischer Algorithmus der Asthmadiagnostik bei Kindern und Jugendlichen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. FEV1: Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde der Ausatmung, FVC: Forcierte exspiratorische Vitalkapazität, FeNO: Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxids, BHR: Bronchiale Hyperreagibiltät, LLN: Lower Limit of Normal (entspricht einem z-Score von –1,645), ppb: parts per billion. * Falls FeNO-Messung verfügbar (aktuell keine Rückvergütung durch die GKV); Messung muss vor oder 1 Stunde nach der Lungenfunktionsprüfung erfolgen. ** Falls ein BHR-Test negativ ist, soll ein erneuter BHR-Test mit einer anderen Methode an einem anderen Tag erfolgen (empfohlene Reihenfolge: 1. Laufbandbelastung, 2. Methacholinprovokation). *** Falls kein BHR-Test aktuell möglich ist. **** Subjektive Besserung und Erniedrigung des FeNO bzw. Besserung der Lungenfunktion.
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Abb. 4 Klinischer Algorithmus der Asthmadiagnostik bei Erwachsenen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Blut-Eos: Eosinophilenkonzentration im Blut, FEV1: Forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde der Ausatmung, FVC: Forcierte exspiratorische Vitalkapazität, FeNO: Fraktion des exhalierten Stickstoffmonoxids, LLN: Lower Limit of Normal (entspricht einem z-Score von –1,645), PEF: exspiratorischer Spitzenfluss, ppb: parts per billion. * IGeL (individuelle Gesundheitsleistung).
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Abb. 5 Stufenschema der Asthma-Therapie bei Erwachsenen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Abkürzungen: ICS: Inhalative Kortikosteroide, IgE: Immunglobulin E, IL-5: Interleukin-5, LABA: Langwirksame Beta-2-Sympathomimetika, LAMA: Langwirksame Anticholinergika, LTRA: Leukotrienrezeptorantagonisten, OCS: Orale Kortikosteroide, SABA: Kurzwirksame Beta-2-Sympythomimetika. § Eine Rehabilitationsmaßnahme sollte spätestens ab Stufe 4 angestrebt werden. * Bislang als Bedarfstherapie formal nicht zugelassen, aber seitens der GINA (als präferierte Option) und seitens der NVL Asthma empfohlen. ** Eine SABA-Bedarfs-Therapie ist einer ICS/Formoterol-Bedarfs-Therapie seitens der Prävention von Exazerbation unterlegen. # Gemäß ICS-Dosierungstabelle.
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Abb. 6 Stufenschema der Asthma-Therapie bei Kindern und Jugendlichen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Abkürzungen: ICS: Inhalative Kortikosteroide, LABA: Langwirksame Beta-2-Sympathomimetika, LAMA: Langwirksame Anticholinergika, LTRA: Leukotrienrezeptorantagonisten, OCS: Orale Kortikosteroide, SABA: Kurzwirkende Beta-2-Sympythomimetika. § Eine Rehabilitationsmaßnahme sollte spätestens ab Stufe 4 angestrebt werden. * Bislang als Bedarfstherapie formal nicht zugelassen, aber seitens der GINA (als präferierte Option) und seitens der NVL Asthma empfohlen. Hinweis bezüglich SABA: Die Autoren der aktuellen GINA-Leitlinien [56] empfehlen bereits in Stufe 1 für Kinder ab 6 Jahre als Alternative zu SABA bei Bedarf eine Kombination aus ICS und SABA bei Bedarf. Dazu nehmen die Autoren der vorliegenden Leitlinie ausführlich im Hintergrundtext (siehe Abschnitt 4.4) Stellung. Die Schwelle zur Stufe 2 mit obligater antiinflammatorischer Therapie ist niedrig, da jegliche wiederkehrenden Symptome bereits eine Stufe-2-Therapieempfehlung rechtfertigen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Evidenz für eine bedarfsorientierte ICS-Therapie bei Kindern gering ist und Präparate mit einer Kombination aus ICS und SABA bzw. FABA in dieser Altersgruppe für den deutschen Markt nicht zugelassen sind. Aus Sicht der Mehrzahl der pädiatrischen Autoren dieser Leitlinie ist es aber wahrscheinlich, dass auch für Kinder gilt, dass eine Monotherapie mit SABA nicht sinnvoll ist.
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Abb. 7 Algorithmus zur Biologikatherapie bei schwerem Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]. Abkürzungen: ICS: Inhalative Kortikosteroide, OCS: Orale Kortikosteroide, IgE: Anti-Immunglobulin E, Anti-IL-5-(R): Anti-Interleukin-5-(Rezeptor), Anti-IL-4-R: Anti-Interleukin-4-Rezeptor alpha, Anti-TSLP: Anti-Thymic stromal lymphopoietin, CRSwNP: Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen, EGPA: Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, EoE: eosinophile Ösophagitis, HES: Hypereosinophiles Syndrom, PN: Prurigo nodularis. * Unterschiedliche Bluteosinophilen-Grenzwerte in den Zulassungsstudien von Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab. ** Eine Dupilumab-Therapie-Einleitung sollte aufgrund der Gefahr schwerer Hypereosinophilien bei Bluteosinophilen-Ausgangswerten > 1500/µl nur in begründeten Fällen erfolgen [127]. & Omalizumab ist für die Behandlung der chronisch spontanen Urtikaria ab einem Alter von 12 Jahren und für die Behandlung der CRSwNP ab 18 Jahren zugelassen. # Mepolizumab ist für Behandlung der EGPA ab einem Alter von 6 Jahren und für die Behandlung der CRSwNP und des HES ab 18 Jahren zugelassen. § Dupilumab ist für die Behandlung der Neurodermitis ab einem Alter von 6 Jahren, für die Behandlung der EoE ab 12 Jahren (Körpergewicht mindestens 40 kg) und für die Behandlung der CRSwNP und der PN ab 18 Jahren zugelassen.
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Abb. 8 Berufswahl und Risiko von Allergie und Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].
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Abb. 9 Unterteilung des arbeitsbedingten Asthma und zugrundeliegende Pathomechanismen, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].
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Abb. 10 Surveillance (arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen) von Asthma-gefährdeten Arbeitnehmern (AN) mit Stratifizierung des Procedere in Abhängigkeit vom Befund (Risiko-Score). Modifiziert nach [391] [392] [393] [394], https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].
Abkürzungen: S = Nachweis einer Sensibilisierung (z. B. Prickhauttest); P = positiver Befund; HS = stärker ausgeprägte Symptome; IS = mäßiggradig ausgeprägte Symptome.
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Abb. 11 Stufenschema zur Diagnostik des arbeitsbedingten Asthma, https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif].
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Abb. 12 Ablauf des Begutachtungsverfahrens mit den zu beweisenden Parametern und dem als wahrscheinlich geforderten Zusammenhang zwischen gesicherter Einwirkungskausalität und der Krankheit mit ihrem Folgeschaden (Funktionsstörung) [394]. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009 [rerif]