Rofo 2023; 195(06): 546-551
DOI: 10.1055/a-2066-3898
DRG-Mitteilungen

KI-basierte Medizinprodukte in der Radiologie, 2. Teil

 

Der 1. Teil dieses Beitrags stellte die Funktionsweise KI-basierter Softwareapplikationen in der radiologischen Diagnostik dar und beschäftigte sich mit den regulatorischen Vorgaben für die Leistungserbringung (vgl. Fortschr Röntgenstr 2023; 195: 454–460). Der hier folgende 2. Teil setzt sich mit Fragen der Patientenaufklärung und den Abrechnungsmöglichkeiten KI-basierter Softwareapplikationen auseinander.

IV. Die Aufklärung des Patienten

Die Aufklärung des Patienten ist Voraussetzung für seine wirksame Einwilligung in den ärztlichen Eingriff. Diese richtet sich bei allen ärztlichen Leistungen nach den für die Patientenaufklärung allgemein geltenden Regelungen, insbesondere des Behandlungsvertrages gemäß §§ 630c, 630e BGB. Diese Regelungen gelten für alle Patienten gleichermaßen, unabhängig davon, ob diese gesetzlich oder privat versichert sind und damit auch für ärztliche Leistungen, die nicht Gegenstand des GKV-Leistungskataloges sind. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen drei Arten der Aufklärung.

1. Selbstbestimmungsaufklärung gemäß § 630e BGB

Gemäß § 630e BGB ist der Behandler verpflichtet, den Patienten vor Behandlungsbeginn über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Es handelt sich hierbei um eine sog. Selbstbestimmungs- oder Risikoaufklärung, damit der Patient seine Einwilligung wirksam im Bewusstsein über Gegenstand und Tragweite seines Rechtsgutsverzichts erteilen und damit sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Dazu muss er insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie aufgeklärt werden. Die Selbstbestimmungsaufklärung ist gemäß § 630 d Abs. 2 BGB immer dann erforderlich, wenn der Eingriff eine wirksame Einwilligung des Patienten voraussetzt. Denn auch der lege artis ausgeführte ärztliche Heileingriff stellt als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten grundsätzlich eine objektiv tatbestandliche Körperverletzung dar.

Unter Umständen muss der Patient überhaupt nicht gemäß § 630e BGB aufgeklärt werden. Dies würde voraussetzen, dass durch die Leistung der App gerade kein Eingriff in die körperliche Integrität erfolgt. Der Eingriffscharakter beurteilt sich im Wesentlichen danach, ob ein Schaden an Körper und Gesundheit des Patienten auch nachweislich kausal auf die ärztliche Behandlung zurückzuführen ist[1].

Bei Leistungen der radiologischen Diagnostik wird nach Auffassung des BGH[2] ein nachweisbarer Zurechnungszusammenhang zwischen einer fehlenden Aufklärung und dem Auftreten einer Schädigung gefordert, um eine zivilrechtliche Haftung des Arztes zu begründen. Dies hat der Senat in einer Entscheidung über die Aufklärungspflichtverletzung eines Arztes bei Telekobaltbestrahlung bestätigt und festgestellt, dass eine Aufklärungsplicht auch nicht aufgrund der „spezifischen Gefahren“ der Strahlentherapie bestand. Aus den in den Entscheidungsgründen dargestellten Grundsätzen lässt sich ableiten, dass ein Patient über die allenfalls theoretisch denkbaren Strahlenschäden, die er aufgrund einer einzeln durchgeführten Röntgenaufnahme erleiden könnte, auch nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht aufzuklären ist. In einer weiteren Entscheidung stellte der BGH klar, dass

„die einmalige, kurzzeitige oder nur gelegentlich wiederholte ordnungsgemäße Anwendung von Röntgenstrahlen […] in der Regel noch nicht als Körperverletzung zu beurteilen sein [mag].“[3]

Für die Aufklärung besteht daher nur dann eine Notwendigkeit, wenn durch die ärztliche Maßnahme ein Körper- oder Gesundheitsschaden des Patienten überhaupt kausal begründet werden kann. Derartige Kausalfeststellungen sind bei einem einmaligen Röntgen nicht feststellbar, zumal es keine Dosisgrenzwerte gibt, da die Strahlenanwendung nicht nur ein Risiko, sondern auch einen medizinischen Nutzen bringt.[4] Einen Kausalzusammenhang hat der BGH dort angenommen, wo der Arzt „in zahlreichen Fällen Patienten in exzessiver Weise geröntgt“ und für diese Röntgenuntersuchungen keine medizinische Indikation bestanden hat.[5] In einem neueren Urteil des AG Paderborn[6], welches den Fall einer postoperativen Röntgenuntersuchung behandelt, hat das Gericht das Erfordernis einer Abwägung ebenfalls bestätigt. Aus der Feststellung, dass die zugrundeliegende einzelne Röntgenuntersuchung zu einer derart geringen Zusatzbelastung führt, diese aber aufgrund des Mehrwerts für den Patienten gerechtfertigt sind und hierdurch kein kausaler Körper- oder Gesundheitsschaden begründet werden kann, folgt, dass im Grundsatz keine Aufklärung über eine solche Untersuchung erforderlich ist.

Soweit man dieser Auffassung folgt, besteht keine grundsätzliche zivilrechtliche Pflicht des Radiologen, vor der Durchführung einer einzelnen, indizierten Röntgenaufnahme den Patienten mündlich über das Risiko der Anwendung ionisierender Strahlung im Rahmen des § 630e BGB aufzuklären. Dies gilt damit erst recht für die Durchführung einer MRT-Untersuchung, da diese nicht mittels ionisierender Strahlung, sondern unter Anwendung von Magnetfeldern erfolgt, sowie für die Leistung einer KI-basierten App, da diese schon keine eigene Eingriffsqualität besitzt.


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2. Therapeutische Sicherungsaufklärung gemäß § 630c Abs. 2 BGB

Neben der Selbstbestimmungsaufklärung gemäß § 630e BGB bestehen weitere Informationspflichten, die in § 630c BGB zusammengefasst sind. Gemäß § 630c Abs. 2 BGB ist der Behandelnde verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.

Diese sog. therapeutische Sicherungsaufklärung[7] entspricht zwar inhaltlich der Selbstbestimmungsaufklärung nach § 630e BGB, unterscheidet sich allerdings funktional von dieser. Im Gegensatz zur Selbstbestimmungsaufklärung, die primär dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten dient und die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in den körperlichen Eingriff darstellt, dient die therapeutische Aufklärung in erster Linie der Sicherung des Behandlungserfolgs.

Bei den Informationspflichten im Rahmen der therapeutischen Aufklärung nach § 630c Abs. 2 BGB sind insbesondere bei der Durchführung und Erbingung privatärztlicher Leistungen gegenüber GKV-Patienten, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind (sog. IGeL-Leistungen) weitere ungeschriebene Aufklärungspflichten zu beachten, die sich aus deren Rechtsnatur ergeben.

Ergänzend zur den in § 630c Abs. 2 BGB normierten Informationspflichten sollte die Aufklärung über IGeL-Leistungen insbesondere die Begründung umfassen, weshalb diese nicht nur als medizinisch empfehlenswert, sondern auch als medizinisch zweckmäßig erachtet werden, obwohl diese nicht im GKV-Leistungskatalog enthalten sind. Hier ist auf eine besonders genaue und transparente Darstellung der Indikation gegenüber dem Patienten zu achten. Denn nur so können die Patienten verstehen, dass keine entsprechende Indikation vorliegt und eigenverantwortlich über die Inanspruchnahme der jeweiligen Gesundheitsleistung entscheiden. Auch sollte dem Patienten vor der Behandlung eine ausreichende Bedenkzeit gewährt werden, vorzugsweise verbunden mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Einholung einer Zweitmeinung.


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3. Wirtschaftliche Aufklärung gemäß § 630c Abs. 3 BGB

Insbesondere im Rahmen der Erbringungvon IGeL-Leistungen ist auch die wirtschaftliche Aufklärung des Patienten zu beachten. Hierzu regelt § 630c Abs. 3 BGB:

„Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.“

Soweit es sich um eine privatärztliche Leistung handelt, der Patient die Behandlungskosten somit selbst zu tragen hat, ist der Behandler verpflichtet, den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung zu informieren. Dies gilt gleichermaßen für GKV-Patienten als auch Privatpatienten.


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4. Form der Aufklärung

Die wirtschaftliche Aufklärung gemäß § 630c Abs. 3 BGB erfordert zunächst nach ihrem gesetzlichen Wortlaut die Textform im Sinne des § 126b BGB. § 630c Abs. 3 S. 2 regelt aber zugleich, dass weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften unberührt bleiben. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die folgenden Vorschriften:

§ 12 Abs. 5 MBO-Ä regelt:

„Vor dem Erbringen von Leistungen, deren Kosten erkennbar nicht von einer Krankenversicherung oder von einem anderen Kostenträger erstattet werden, müssen Ärztinnen und Ärzte die Patientinnen und Patienten schriftlich über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber informieren, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben oder nicht sicher ist.“

§ 3 Abs. 1 S. 3 BMV-Ä regelt für Leistungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung:

„Leistungen, für die eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht besteht, können nur im Rahmen einer Privatbehandlung erbracht werden, über die mit dem Versicherten vor Beginn der Behandlung ein schriftlicher Behandlungsvertrag abgeschlossen werden muss.“

§ 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 3 BMV-Ä bestimmt überdies:

„Der Vertragsarzt darf von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern,

3. wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde.“

Zusammenfassend ist danach festzuhalten, dass der GKV-Patient vor der Erbringung privatärztlicher Leistungen über die voraussichtlichen Kosten informiert und mit ihm ein Behandlungsvertrag abgeschlossen werden muss. Hinsichtlich der Formerfordernisse (schriftlich oder in Textform) unterscheiden sich die einzelnen Vorschriften.

Während für die wirtschaftliche Aufklärung gemäß § 630 Abs. 3 BGB eine Information in Textform nach § 126b BGB genügt, ist gemäß § 12 Abs. 5 MBO-Ä der Patient schriftlich zu informieren. Von Bedeutung ist dabei, ob hierbei berufsrechtlich die zivilrechtliche Schriftform gem. § 126 Abs. 1 und 2 BGB angesprochen wird und welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind. Eine definitive Aussage darüber, ob die Berufspflicht aus § 12 Abs. 5 MBO-Ä die zivilrechtliche Schriftform fordert, lässt sich ihrem Wortlaut nach indes nicht treffen.

Die MBO-Ä hat zur Fassung des § 12 Abs. 5 MBO-Ä die Entschließung des 109. Deutschen Ärztetages übernommen, wonach davon auszugehen ist, dass „schriftlich“ gem. § 12 Abs. 5 MBO-Ä die zivilrechtliche Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB meint. Denn die Entschließung des 109. Deutschen Ärztetages war der Auffassung, dass ein schriftlicher Behandlungsvertrag auch in Fällen geschlossen werden sollte, in denen er zwingend vorgeschrieben ist. Zu beachten ist aber, dass § 12 Abs. 5 MBO-Ä nur die schriftliche Information, mithin eine einseitige Erklärung des Arztes, und keinen zweiseitigen Vertrag fordert. Die ausschließlich für Verträge geltende Sondervorschrift des § 126 Abs. 2 BGB findet in diesem Fall mithin keine Anwendung. Es gilt insoweit die Regelung der Grundvorschrift des § 126 Abs. 1 BGB:

„Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.“

Dagegen fordert die sozialrechtliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 S. 3 BMV-Ä jedoch ausdrücklich einen schriftlichen Behandlungsvertrag. Voraussetzung dafür, dass der Vertragsarzt für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, eine Vergütung fordern darf, ist, dass er den Versicherten auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen und mit ihm vor Beginn der Behandlung einen schriftlichen Behandlungsvertrag abgeschlossen hat[8]. Weitere Voraussetzung für die Privatliquidation ist die vorherige Einholung einer schriftlichen Zustimmungserklärung des Versicherten. Danach ist ein schriftlicher Behandlungsvertrag abzuschließen[9].

Auch die Begründung zum Gesetzentwurf des Patientenrechtegesetzes vom 15.08.2012[10] geht davon aus, dass ein schriftlicher Behandlungsvertrag i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä ein „Mehr“ als die zivilrechtliche Textform darstellt, indem dort zu § 630c Abs. 3 S. 2 BGB folgendes ausgeführt wird:

„Absatz 3 Satz 2 stellt schließlich klar, dass über das Textformerfordernis hinausgehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften, z. B. nach § 17 Absatz 2 des Krankenhausentgeltgesetzes oder bei gesetzlich Krankenversicherten nach § 3 Absatz 1 und § 18 Nummer 8 des Bundesmantelvertrags-Ärzte für Leistungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, unberührt bleiben.“

Um eine Nichtigkeit der Vergütungsabrede zu verhindern, sollte daher die strenge zivilrechtlichen Schriftform des § 126 Abs. 1 und 2 BGB eingehalten werden. Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass das Schriftformerfordernis das Rechtsgeschäft, mithin den Behandlungsvertrag für die konkrete Behandlungsmaßnahme erfasst. Daher gilt auch die Sondervorschrift des § 126 Abs. 2 BGB. Dieser regelt:

„Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.“

Auf Grund von berufs- und sozialrechtlichen Vorgaben ist daher davon auszugehen, dass es eines schriftlichen Behandlungsvertrages bedarf, der die zivilrechtlichen Anforderungen aus § 126 Abs. 1 und 2 BGB erfüllt. Im Rahmen dieses schriftlichen Behandlungsvertrages kann die Informationspflicht aus § 12 Abs. 5 MBO-Ä und § 630c Abs. 3 BGB sowie die Information zur therapeutischen Sicherungsaufklärung gemäß § 630c Abs. 2 BGB mit erfüllt werden.


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V. Abrechnungsmöglichkeiten nach der Gebührenordnung für Ärzte

Die Leistungen KI-basierter Softwareapplikationen sind derzeit nicht Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung und stellen damit eine privatärztliche Leistung dar. Daher wird auch der in der GKV versicherte Patient in Bezug auf diese Leistungen wie ein Privatpatient behandelt. Der Vergütungsanspruch ergibt sich aus § 630a Abs. 1 BGB, wonach der Patient zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist.

Die Höhe der Vergütung und die Abrechnungsmodalitäten der Leistung im ambulanten Bereich erfolgen auf Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ bestimmen sich die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Daraus ergibt sich, dass die GOÄ auch für alle privatärztlichen Leistungen gegenüber GKV-Patienten zur Anwendung kommt.

1. Abrechenbarkeit in der Magnetresonanztomographie

Die konkrete Abrechnungsmöglichkeiten KI-basierter Softwareapplikationen werden nachfolgend exemplarisch am Beispiel der Anwendung im Rahmen von MRT-Aufnahmen der Wirbelsäule und des Kopfes dargestellt.

a. Magnetresonanztomographie im Bereich der Wirbelsäule

Die Magnetresonanztomographie im Bereich der Wirbelsäule in zwei Projektionen kann nach der Gebührenziffer 5705 GOÄ abgerechnet werden. Sie ist je Sitzung nur einmal berechnungsfähig.

„5705 Magnetresonanztomographie im Bereich der Wirbelsäule, in zwei Projektionen“

Ergänzend zu dieser Hauptleistung ist nach der Gebührenziffer 5733 GOÄ die Berechnung eines Zuschlages für eine computergesteuerte Analyse (z. B. Kinetik, 3D-Rekonstruktion) möglich. Sie ist je Sitzung nur einmal, sowie auch nur mit einem einfachen Gebührensatz abrechnungsfähig.

„5733 Zuschlag für computergesteuerte Analyse (z. B. Kinetik, 3D-Rekonstruktion)“

Um die Leistung einer KI-basierten App über die Zuschlagsziffer 5733 GOÄ abrechnen zu können, müsste es sich bei der Leistung um eine computergestützte Analyse handeln. Beispielhaft aufgezählt sind hier die Kinetik und die 3D-Rekonstruktion. Die computergesteuerte Analyse setzt die Durchführung von Rechenprozessen voraus, deren Ergebnisse diagnostische relevante Daten erwarten lassen. Die Aufarbeitung und Auswertung der erhobenen Datensätze erfolgen durch den befundenden Arzt. Die computergesteuerte Analyse geht über die in der Hauptleistung inbegriffene Befundung dadurch hinaus, dass metrische Werte erhoben und spezielle Betrachtungen erfolgen, indem durch Software bereitgestellte Leistungen eingesetzt werden.

Bei einer KI-basierten App handelt es sich um ein auf maschinellem Lernen basierendes, computergestütztes Diagnosesystem. Sie ermöglicht eine Bilderkennung und eine anschließende Segmentierung des Bildes in mehrere Schichten. Basierend auf diesen Schichten werden unterschiedliche Merkmale extrahiert und basierend auf diesen erfolgt eine Klassifizierung der Aufnahmen hinsichtlich gut- oder bösartiger Segmente in einer farblichen Darstellung[11].

Unter Zugrundlegung der Funktionsweise der App ist davon auszugehen, dass es sich bei deren Leistung um eine computergestützte Analyse von Aufnahmen handelt. Die Auswertung und Diagnosestellung erfolgen durch den befundenden Radiologen. Da die Kinetik und 3D-Rekonstruktion hier nur beispielhaft aufgezählt sind, ist folglich davon auszugehen, dass die computergestützte Analyse auch mittels KI-basierter Software erfolgen kann und diese Leistung mithilfe der Zuschlagsziffer 5733 GOÄ zusätzlich zur Hauptleistung nach der Gebührenziffer 5705 GOÄ ebenfalls abgerechnet werden kann.

Selbst für den Fall, dass eine direkte Abrechnung nicht in Betracht kommen sollte, kann die Leistung analog abgerechnet werden. Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ kann die Leistung entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Eine gleichwertige Leistung i. S. d. § 6 Abs. 2 GOÄ liegt nach der Rechtsprechung[12] dann vor, wenn der einen Leistung der gleiche Wert beigemessen werden kann wie der anderen Leistung. Bei der Vergleichbarkeit der Art der Leistung steht das Ziel der Leistung oder der Ablauf der Behandlung im Vordergrund. Gleichrangig sind hierzu der Zeit- und Kostenaufwand zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die Analogleistung und die Vergleichsleistung durch vergleichbaren Aufwand an Geräte- und Materialkosten gekennzeichnet und vom durchschnittlichen Arzt in annähernd gleicher Zeit zu erbringen sein müssen.

Die computergestützte Analyse erfordert die Durchführung von Rechenprozessen, deren Ergebnisse diagnostisch relevante Daten erwarten lassen[13]. Sie setzt zwar die Auswertung der erhobenen Datensätze durch den befundendenden Arzt voraus, der Leistungsinhalt des Zuschlags wird jedoch nicht allein schon durch die herkömmliche Befundung der Aufnahmen am Monitor erfüllt. Eine KI-basierte App wertet die MRT-Aufnahmen ebenfalls aus und visualisiert im Anschluss für die Diagnostik relevante Ergebnisse. Ziel der Leistung und Ablauf der Behandlung sind somit nahezu identisch. Die Auswertung basiert zwar auf Machine-Learning-Methoden, ist aber in ihrer Art mit der computergestützten Analyse vergleichbar und bietet ebenso einen Mehrwert zur üblichen Monitorbefundung. Von einem vergleichbaren Kosten- und Zeitaufwand dürfte hier ebenfalls auszugehen sein.

Eine Abrechnung der Leistung einer KI-basierten App dürfte folglich nach der Gebührenziffer 5733 GOÄ direkt oder zumindest analog mit einem einfachen Gebührensatz i. H. v. 46,63 Euro abgerechnet werden können. Die Rechnungsstellung hat dabei den Vorgaben des § 12 GOÄ zu entsprechen.


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b. Magnetresonanztomographie im Bereich des Kopfes

Die Magnetresonanztomographie im Bereich des Kopfes kann nach der Gebührenziffer 5700 GOÄ abgerechnet werden. Sie ist je Sitzung nur einmal berechnungsfähig.

„5700 Magnetresonanztomographie im Bereich des Kopfes – gegebenenfalls einschließlich des Halses -, in zwei Projektionen, davon mindestens eine Projektion unter T2-gewichteter Aufnahmen“

Ergänzend zu dieser Hauptleistung ist nach der Gebührenziffer 5733 GOÄ die Berechnung eines Zuschlages für eine computergesteuerte Analyse (z. B. Kinetik, 3D-Rekonstruktion) möglich. Sie ist je Sitzung nur einmal sowie auch nur mit einem einfachen Gebührensatz abrechnungsfähig.

„5733 Zuschlag für computergesteuerte Analyse (z. B. Kinetik, 3D-Rekonstruktion)“


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2. Abrechenbarkeit in der Computertomographie

Eine KI-basierte App kann ebenfalls in der Auswertung von CT-Aufnahmen eingesetzt werden.

Für eine Computertomographie im Bereich der Wirbelsäule sieht die GOÄ entweder für eine CT des Skeletts die Ziffer 5373 oder für eine CT der Zwischenwirbelräume im Bereich im Bereich der Hals-, Brust- und/oder Lendenwirbelsäule die Ziffer 5374 vor.

„5373 Computergesteuerte Tomographie des Skeletts (Wirbelsäule, Extremitäten oder Gelenke bzw. Gelenkpaare)“

„5374 Computergesteuerte Tomographie der Zwischenwirbelräume im Bereich der Hals-, Brust- und /oder Lendenwirbelsäule – gegebenenfalls einschließlich der Übergangsregionen“

Zusätzlich zu diesen Gebührenziffern kann als Zuschlag für die computergesteuerte Analyse die Gebührenziffer 5377 GOÄ berechnet werden. Sie ist nur mit einem einfachen Gebührensatz berechnungsfähig.

„5377 Zuschlag für die computergesteuerte Analyse – einschließlich speziell nachfolgender 3D-Rekonstruktion –

Der Zuschlag nach Nummer 5377 ist nur mit dem einfachen Gebührensatz berechnungsfähig.“

Die Leistungslegende der Zuschlagsziffer erfordert nach ihrem Wortlaut eine 3D-Rekonstruktion. Obligate Leistungsbestandteile sind neben der computergestützten Analyse die speziell nachfolgende 3D-Rekonstruktion. Anders verhält es sich bei der Zuschlagsziffer 5733 GOÄ bei der Magnetresonanztomographie. Deren Leistungslegende sieht die 3D-Rekonstruktion lediglich beispielhaft, aber nicht als obligaten Leistungsinhalt vor.

Da die Leistung einer KI-basierten App keine klassische 3D-Rekonstruktion im Sinne der Gebührenziffer 5377 GOÄ vorsieht, ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Leistung auch analog der Ziffer 5377 GOÄ abgerechnet werden könnte. Dann müsste es sich gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ um eine selbstständige ärztliche Leistung handeln, die entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden kann. Nach der Rechtsprechung[14] liegt eine gleichwertige Leistung dann vor, wenn der Summe der Tatbestandsmerkmale – bedeutet der Leistungslegende – der einen Leistung der gleiche Wert beigemessen werden kann wie der anderen Leistung. Dabei steht bei der Vergleichbarkeit der Leistung das Ziel der Leistung oder der Ablauf der Behandlung im Vordergrund. Gleichrangig sind hierzu der Kosten- und Zeitaufwand zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass die Leistung durch vergleichbaren Aufwand an Geräte- und Materialkosten gekennzeichnet ist und in annähernd gleicher Zeit erbracht werden kann.

Unproblematisch zu bejahen ist hier der vergleichbare Aufwand an Kosten und Zeit. Bei der Auswertung der Bilder mithilfe einer KI-Softwareapplikation dürfte in etwa derselbe Aufwand zugrunde gelegt werden. Dies gilt ebenso für das Ziel und den Ablauf der Behandlung. Der Ablauf besteht in der Auswertung bzw. Befundung der CT-Aufnahmen mit dem Ziel, eine entsprechende Diagnose durch den Radiologen stellen zu können. Die Diagnosestellung soll auch im Vergleich zur einfachen Befundung am Monitor und der herkömmlichen zweidimensionalen Darstellung in der Computertomographie durch die computergesteuerte Analyse in Kombination mit einer 3D-Darstellung insoweit verbessert werden, dass diese zu besseren und aussagekräftigeren Ergebnissen für den Patienten führt. Zugleich soll diese den befundenden Arzt in seiner Diagnosestellung und seiner weiteren Entscheidung über den Therapieverlauf zusätzlich unterstützen.

Vergleichbar müssen allerdings auch die Bestandteile der Leistungslegende sein. Dabei ist auf ihren Wert abzustellen. Soweit die „Analogieleistung“ eine klassische 3D-Darstellung erfasst, wird eine wertmäßige Vergleichbarkeit zur „Vergleichsleistung“, deren Leistungslegende lediglich eine zweidimensionale Darstellung beinhaltet, in der Regel bejaht. Dies hat das VG Köln[15] für die Sonographie in 2D-Ebenen bejaht. In diesem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stellte das Gericht auf die Vergleichbarkeit der Vorgänge ab. Nach dessen Auffassung würden bei der Analogieleistung zusätzliche begleitende Möglichkeiten hinzukommen, wenn etwa die Software durch das Herausrechnen überlagernder anderer Strukturen eine isolierte Darstellung des untersuchten Bereichs ermöglicht. Die Anwendung einer KI-Leistung kann durch zusätzliche begleitende Möglichkeiten einer 3D-Darstellung in Ziffer 5377 GOÄ entsprechen. Sie funktioniert ebenfalls mit einer Bilderkennung und einer anschließenden Segmentierung des Bildes in mehreren Schichten. Anschließend werden die Ergebnisse ebenfalls auf besondere Weise visualisiert, um eine für den Patienten genauere Diagnose zu ermöglichen. Damit kann einer KI-Leistung der gleiche Wert beigemessen werden wie einer herkömmlichen 3D-Darstellung, die Gleichwertigkeit der Leistung und damit eine Analogie i. S. d. § 6 Abs. 2 GOÄ wäre somit gegeben.

Zu berücksichtigen sind jedoch auch vereinzelte gegenteilige Abrechnungsempfehlungen der privaten Krankenkassen und Ärztekammern. Eine analoge Anwendung der Ziffer 5377 GOÄ wurde z. B. für das CAD-System bei Mammographien von einigen privaten Versicherungen abgelehnt und wird daher von der Ärztekammer Hamburg nicht mehr zur Abrechnung empfohlen. Dabei wurde allerdings grundsätzlich in Frage gestellt, ob es sich hierbei um eine wissenschaftlich fundierte Leistung handelt. Davon ist bei einer Softwareapplikation, der ein Machine-Learning-Algorithmus zugrunde liegt, auszugehen. Mangels gerichtlicher Entscheidungen besteht jedoch keine absolute Rechtssicherheit.


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VI. Fazit

KI-basierte Softwareapplikationen in der radiologischen Diagnostik sind in der ambulanten Versorgung derzeit noch nicht Bestandteil des Leistungskataloges der GKV. Diese Leistungen könne daher nur privatärztlich erbracht und über die GOÄ gegenüber dem Patienten abgerechnet werden. Dabei sind erhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Aufklärung des Patienten zu beachten.

Um eine Einbeziehung der KI-basierten Softwareapplikationen in den Leistungskatalog zu erreichen, können die Hersteller eines Medizinprodukts, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode maßgeblich beruht, gem. § 137e Abs. 7 SGB V einen Antrag auf Erprobung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode beim G-BA stellen[16]. Durch die Erprobungsstudie kann der Nutzen der neuen Methode belegt werden. Eine Erprobung kann dabei ein Zwischenergebnis in einer laufenden Bewertung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode oder unabhängig von einem Bewertungsverfahren sein. Beschließt in diesem Fall der G-BA eine Erprobung, entscheidet er im Anschluss an die Erprobung auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse unverzüglich über eine Richtlinie nach § 135 SGB V. Damit würde die KI-Leistung auch Einzug in die ambulante vertragsärztliche Versorgung über die Aufnahme in den EBM finden.

Die Möglichkeit der Erbringung KI-basierter Softwareapplikationen in der stationären Versorgung ist nicht Gegenstand dieses Beitrages. Voraussichtlich könnte die KI-Leistung als medizinische Wahlleistung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG angeboten und abgerechnet werden, solange es sich nicht um eine allgemeine Krankenhausleistung handelt oder im Einzelfall eine Erbringung der Leistung medizinisch notwendig ist. In diesem Fall besteht auch die Möglichkeit die Leistung als neue Untersuchung- und Behandlungsmethode im Krankenhaus gemäß § 137c, e SGB V und § 6 Abs. 2 KHEntgG zu erbringen und abzurechnen, soweit auch hier das Verfahren zur Genehmigung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode erfolgreich durchgeführt wurde.

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Christiane Dieckmann
Rechtsanwältin

Rechtsanwälte Wigge
Scharnhorststraße 40
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Telefax: (0251) 53 595–99
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1 Vgl. Wigge/Loose, Fortschr Röntgenstr 2016, 218, 220.


2 BGH NJW 1990, 1528, 1529


3 BGH MedR 1998, 326, 329.


4 Wigge/Loose, Fortschr Röntgenstr 2016, 218, 220.


5 BGH MedR 1998, 326, 329.


6 AG Paderborn, Urteil vom 15.03.2019, Az.: 58a C 155/17 – juris – Rn. 26.


7 Gutmann, in: Staudinger, BGB 2021, § 630c Rn. 1.


8 Schiller, Bundesmantelvertrag Ärzte, 2021, § 3 Rn. 5.


9 Schiller, Bundesmantelvertrag Ärzte, 2021, § 18 Rn. 33.


10 BT-Drs. 17/10 488, S. 22.


11 https://www.atlas-digitale-gesundheitswirtschaft.de/computergestuetzte-befundung-im-kontext-der-magnetresonanztomographie.


12 OLG Braunschweig, Urteil vom 05.04.2018, Az.: 11 U 37/17.


13 Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur GOÄ, 2022, 1204.76.


14 z. B. OLG Braunschweig, Urteil vom 05.04.2018, Az.: 11 U 37/17 – juris – Rn. 9.


15 VG Köln, Urteil vom 23.02.2017, Az.: 1 K 3485/16 – juris – Rn. 26.


16 http://www.g-ba.de/richtlinien/anlage/172.



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Article published online:
24 May 2023

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