Handchir Mikrochir Plast Chir 2023; 55(04): 315-323
DOI: 10.1055/a-2057-6192
Übersichtsarbeit

Abrechnung der chirurgischen Therapie des Lipödems

Settlement of the surgical treatment of lipoedema
Melodi Motamedi
1   Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie, Sana Klinikum Hameln-Pyrmont, Hameln, Germany
,
Matthias H. L. Gensior
2   CG Lympha, Fachklinik für Operative Lymphologie, Köln, Germany
,
Mojtaba Ghods
3   Plastic and Reconstructive, Hand and Micro Surgery, Ernst von Bergmann Hospital, Potsdam, Germany
,
Anja M. Boos
4   Department of Plastic Surgery, Hand Surgery - Burn Center, University Hospital RWTH Aachen, Aachen, Germany
,
Philipp Kruppa
3   Plastic and Reconstructive, Hand and Micro Surgery, Ernst von Bergmann Hospital, Potsdam, Germany
,
Sixtus Allert
1   Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie, Sana Klinikum Hameln-Pyrmont, Hameln, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die Abrechnung der Liposuktion des Lipödems gestaltet sich mittlerweile mannigfaltig. Grundlage hierfür ist die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), das Lipödem Stadium III bis zum Abschluss der Erprobungsstudie zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) abrechenbar zu machen, sofern die Qualitätssicherungsrichtlinien erfüllt sind. Demnach kann die operative Therapie bei Lipödem Stadium III sowohl stationär, wie auch ambulant abgerechnet werden, während die Übernahme der operativen Behandlung der anderen beiden Stadien weiterhin einer Einzelfallentscheidung der GKV vorbehalten bleibt und aktuell fast immer abgelehnt wird. Daher werden die Behandlungskosten von den Betroffenen häufig privatärztlich oder als Selbstzahler beglichen. Im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen stellt sich immer wieder die Frage nach der korrekten Abrechnung des Lipödems, welche Gutachter und Gerichte wiederholt vor eine schwierige Aufgabe stellt. Im folgenden Artikel stellen wir als AG Lipödem der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie eine Übersicht über die verschiedenen Abrechnungsmodalitäten dar und stellen einen Vorschlag zur korrekten Abrechnung der Liposuktion des Lipödems im Rahmen der GOÄ vor.


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Abstract

The billing of lipoedema treatment in Germany has come to be heterogeneous. This is due to the decision of the Federal Joint Committee (“Gemeinsamer Bundesausschuss”, G-BA) to acknowledge lipoedema stage III as a treatment to be paid by the statutory health insurance funds (“Gesetzliche Krankenversicherung”, GKV) until the completion of the trial study “LipLeg” at the end of 2024. Based on this decision, inpatient and outpatient surgical treatment of stage III lipoedema can be billed to the GKV, while the reimbursement of costs for surgical treatment of the other two stages remains a case-by-case decision of the GKV and is currently often rejected. Therefore, treatment costs are often paid by patients themselves. The question of the correct settlement of lipoedema treatment repeatedly arises in the context of legal disputes, which, in turn, repeatedly faces experts and courts with a major challenge. In the following article, the Task Force Lipoedema of the German Society for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery presents an overview of the various billing modalities and presents a proposal for the correct billing of lipoedema within the framework of the German medical fee schedule (“Gebührenordnung für Ärzte”, GOÄ).


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Einleitung

Bisher ist die operative Therapie des Lipödems seitens des G-BA noch nicht abschließend als Behandlungsalternative zur Therapie von Lipödemerkrankten positiv bewertet worden. Daher ist eine Leistungserbringung zu Lasten der GKV immer noch eine Einzelfallentscheidung, welche gesondert von den Patientinnen in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Plastischen Chirurgen beantragt werden muss. Im Juli 2017 hatte der G-BA festgestellt, dass Erkenntnisse über Vor- und Nachteile einer Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems im Vergleich zu nichtoperativen Therapieansätzen nicht im ausreichendem Maße vorhanden seien. Im Zuge dessen wurde vom G-BA am 18. Januar 2018 eine multizentrische, randomisierte und kontrollierte Studie zur Liposuktion bei Lipödemen eingeleitet [1]. Laut G-BA sei diese Studie nötig, um eine abschließende Entscheidung darüber treffen zu können, ob die Liposuktion künftig als operative Therapieoption zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen erbracht werden könne. Mit Beschluss des Gremiums vom 19.09.2019 soll zumindest eine Lipödemerkrankung im Stadium III nach festgelegten Qualitätssicherungsrichtlinien operativ zulasten der GKV operiert werden dürfen.

Grundsätzlich stellt die operative Behandlung des Lipödems in allen Stadien aktuell keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen dar. Um Kostenrisiken zu vermeiden, sollte die Kostenübernahme für eine Liposuktion nach einer gutachterlichen Untersuchung beantragt werden [2]. Für einen bis Dezember 2024 begrenzten Zeitraum können jedoch Patientinnen mit einem Lipödem Stadium III durch eine Sonderverfügung unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen operiert werden. Alle anderen Stadien bleiben weiterhin einer Einzelfallprüfung vorbehalten. Die Krankenkassen sehen sich derzeit konfrontiert mit einer dramatisch steigenden Zahl an Kostenübernahmeanträgen zur operativen Behandlung eines Lipödems. Diese werden häufig abschlägig beschieden, weil die Indikation nicht gesichert ist, im weiteren Verlauf kommt es dann zu Klagen [3]. Daneben werden häufig die Kosten der operativen Behandlung von den Betroffenen im Rahmen privatärztlicher Leistungen oder als Selbstzahlerleistung getragen.

Hierdurch ergeben sich nun verschiedene Abrechnungsarten des Lipödems: über die GKV im stationären und damit im DRG-System oder im ambulanten Setting für Niedergelassene, KV-Ermächtigte oder Belegärzte über die EBM-Ziffern. Einen Sonderfall stellt auch die privatärztliche Abrechnung über die GOÄ dar, welche seit einigen Jahren die Gerichte beschäftigt. Grund hierfür ist unter anderem auch ein im Jahr 2014 veröffentlichtes, rückblickend betrachtet nicht vollständig durchdachtes Abrechnungsbeispiel eines Referenten der Ärztekammer Nordrhein, welches in der Kommentarspalte des Deutschen Ärzteblattes veröffentlicht wurde [4]. Aufgrund mangelnder Alternativen wurde dieser Vorschlag zur Abrechnung der Liposuktion mittlerweile auch von einigen Gerichten als Bemessungsgrundlage für gutachterliche Streitfragen zur korrekten Abrechnungsweise bei einer Liposuktion zur Behandlung des Lipödems herangezogen.

Des Weiteren wird das Lipödem noch sehr häufig auf dem „freien Markt“ operiert, hier sind Pauschalpreise im Rahmen von Honorarvereinbarung vielfach üblich.

Durch diese unterschiedlichen Abrechnungsarten klafft mittlerweile eine erhebliche Erlösdiskrepanz zwischen den verschiedenen Abrechnungsarten, die keinerlei Rückschlüsse auf die Art der Behandlung, den Schwierigkeitsgrad der Operation oder gar auf die Qualifikation des Behandlers zulassen.

Ziel dieser Arbeit ist es einen Überblick über die Abrechnungsmöglichkeiten im Rahmen des Krankenversicherungssystems zu bieten, sowie im Rahmen der GOÄ ein einheitliches Abrechnungsbeispiel zu etablieren, welches den Kosten- und Zeitaufwand einer vollumfänglichen Liposuktion tatsächlich auch abbildet.


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Methoden

Aus den aktuell gültigen Vorgaben unterschiedlicher Abrechnungssysteme haben wir die nachfolgende Übersicht unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben des G-BA zusammengestellt.

Das Lipödem Stadium III kann derzeit im stationären Rahmen nach dem DRG-System abgerechnet werden. Die Quelle des Datensatzes für die vorliegende Arbeit war das Medizincontrolling eines Krankenhauses der Schwerpunktversorgung mit 1100 Betten in Potsdam Stand 2022.

Ambulante Operationen werden über die EBM-Ziffern (EBM=Einheitlicher Bewertungsmaßstab) zur Abrechnung gebracht. Diese wurden im Dezember 2019 um die Ziffern für das Lipödem erweitert. Als Quelle dieses Datensatzes diente die schriftliche Beschlussfassung des Bewertungssausschuss nach §87 Absatz 1 Satz 1 SGB V in seiner 455. Sitzung am 11. Dezember 2019.

Im privatärztlichen Rahmen erfolgen die Abrechnungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Wir haben für die vorliegende Arbeit den Band „GOÄ 2022 Kommentar, IGeL-Abrechnung“ von Hermanns aus dem Jahr 2022 herangezogen [5].

Viele Lipödem-Patientinnen lassen die operative Therapie als sogenannte „Selbstzahlerleistung“ durchführen, wo Pauschalpreise immer noch üblich sind. Den Rahmen für diese Pauschalpreise haben wir nach einer Google-Suche mit den Suchwörtern Lipödem, Operation und Kosten im Zeitraum September 2022 bis Dezember 2022 ermittelt. Eingeschlossene Online-Quellen für die Erhebung eines Preisrahmens waren Informationsseiten über das Lipödem sowie ein Beitrag der Sendung „Visite“ zum Thema Lipödem vom 29.11.2022, ausgestrahlt vom NDR [6] [7]. Darüberhinaus erfolgten persönliche Mitteilungen innerhalb der Fachgesellschaft der DGPRÄC. Eine entsprechende Umfrage fand während der Jahrestagung der DGPRÄC im September 2022 statt und bezog 5 Mitglieder ein, deren Haupttätigkeit die Behandlung von Lipödem-Patientinnen im privatärztlichen Rahmen in Köln, Hamburg, Hannover, Berlin und München ist. Die Befragten wünschen anonym zu bleiben.


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Ergebnisse

Stationär

Operationen, welche über die GKV im stationären Rahmen stattfinden, werden über das DRG-Abrechnungssystem abgerechnet. Die ICD 10 Ziffern E88.20–22 stehen für das Lipödem in verschiedenen Stadien. Die OPS-Ziffern sind die 5–911. 1 ff, welche die Liposuktion abbilden. Die DRG ist die Z01B mit einer Bewertungsrelation von 0,898 (Stand: 2022). Das DRG-System unterscheidet im Erlös grundsätzlich nicht zwischen den verschiedenen Lipödemstadien. Der Erlös bleibt immer der Gleiche, selbst wenn der operative Aufwand zwischen den verschiedenen Stadien erheblich variieren kann. Der Gesamterlös liegt derzeit bei Erreichen der mittleren Verweildauer bei 3617,01€ (Grundlage: Basisfallwert 3827,78€ aus Brandenburg 2022), wobei der Erlös jährlich und auch zwischen den Bundesländern aufgrund des Basisfallwertes minimal variiert.

Bei Entlassung der Patientinnen am ersten postoperativen Tag, bzw. vor Erreichen der unteren Grenzverweildauer von 2 Belegungstagen, kann es zu erheblichen Abschlägen bis zu 35% vom Gesamterlös kommen. Bis zum Erreichen der oberen Grenzverweildauer (>9 Tage) verbleibt der Erlös unverändert. Gemäß den Daten einer spezialisierten Klinik lag im Jahr 2018 bei Indikation zur stationären Liposuktion eine durchschnittliche Verweildauer von 1,7 Tagen vor. Eine Fallkostenkalkulation dieser Klinik ergab für diese Aufenthaltsdauer einen Betrag von 3280,98€ [8]. Zieht man diese Gesamtaufwendungen vom Erlös bei Erreichen der unteren Grenzverweildauer ab, so verbleibt ein Gewinn von 336,03€. Damit wird deutlich, dass der höchste Kosten-Nutzen-Faktor bei einer Entlassung am 2. postoperativen Tag besteht. Dies korreliert im Übrigen auch mit dem regelhaften HB-Abfall dieser Patientinnen und der damit verbundenen Kreislaufschwäche, welche häufig eine frühe Mobilisation postoperativ erschwert und einen zweitägigen stationären Aufenthalt medizinisch hinreichend begründet [9]. Bei Entlassung am 1. postoperativen Tag (Erlös Brandenburg 2022: 2315,56 €) oder ab dem 3. postoperativen Tag (Fallkosten pro Tag>336€) ist die Liposuktion bei Lipödem somit möglicherweise für die stationäre Behandlung nicht rentabel.


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Ambulant

Sofern die Patienten bei Niedergelassenen, KV-Ermächtigten oder Belegärzten ambulant operiert werden, so wird das Abrechnungssystem der EBM-Ziffern (EBM=Einheitlicher Bewertungsmaßstab) angewandt. Dafür haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband neue Gebührenordnungspunkte im EBM aufgenommen. Der Bewertungsausschuss hat diese Leistungen zeitlich vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2024 begrenzt.

Die Operationen sind als dermatochirurgische Eingriffe klassifiziert und in zwei OP-Kategorien eingeteilt. OP-Kategorie AA6 beinhaltet Operationen mit einer Dauer von 90–120 min. Die OP-Kategorie AA7 steht für zeitaufwändigere Operationen mit einer Dauer von mehr als 120 min. Lediglich die Liposuktion der Oberschenkel wird im EBM-Katalog der OP-Kategorie AA7 zugeteilt, alle anderen Areale wie Ober- und Unterarm und auch die Unterschenkel sind in die OP-Kategorie AA6 eingeordnet. Es können die Liposuktion selbst sowie die Absaugkanülen und die Tumeszenzlokalanästhesie (TLA) abgerechnet werden.

Die EBM-Ziffer 31096/31097 (Belegärzte: 36096/36097) je nach OP-Kategorie stehen für die Liposuktion an einer Extremität. Da in der Regel zwei Extremitäten operiert werden, kann die Operation für die zweite Extremität mit der Ziffer 31098 (Belegärzte: 36098) als Zuschlag für den Simultaneingriff abgerechnet werden. Hier ist es möglich, jeden weiteren „15 Minuten OP-Block“ mit zusätzlichen 67,19€ (41,37€) abzurechnen. Die Beendigung des ersten Eingriffs sowie der Beginn und das Ende des zweiten Eingriffs müssen im Anästhesie- oder OP-Protokoll dokumentiert werden. Auch die TLA 31802 (36802) kann mit einem Erlös von 284,79€ (177,83€) aufgeführt werden ([Tab. 1]). Entsprechende Ziffern für den Sprechstundenbedarf 61016–61018 (Kategorie AA6) bzw. 61027–61029 (AA7) sowie die Abrechnung der verwendeten Absaugkanülen mit der EBM-Ziffer 40165 können ebenfalls in Rechnung gestellt werden ([Tab. 1]). Selbstverständlich kann üblicherweise auch die Regionalanästhesie sowie die intra- und postoperative Überwachung sowohl anästhesiologisch, wie auch chirurgisch mit den entsprechenden Ziffern abgerechnet werden ([Tab. 2] und [3]) [10]. Kommen TLA und eine Regionalanästhesie gleichzeitig zur Anwendung, so wird ein Abschlag von 1896 Punkten auf die TLA vorgenommen, was knapp 200€ entspricht.

Tab. 1 In nachfolgender Tabelle sind alle neuen Leistungen für die Liposuktion beim Lipödem Stadium III als ambulante Operation mittels EBM-Ziffern zusammengefasst

GOP

Beschreibung

Bewertung ambulante OP

Bewertung belegärztliche OP

Ambulante und belegärztliche Operationen an der Körperoberfläche

31096/36096 Liposuktion bei Lipödem im Stadium III

Eingriff der Kategorie AA6

6.037 Punkte/ 663,24 Euro

3.822 Punkte/419,93 Euro

31097/36097 Liposuktion bei Lipödem Stadium III

Eingriff der Kategorie AA7

6.444 Punke/ 707,95 Euro

4.118 Punkte/ 452,39 Euro

31098/36098 Zuschlag zur GOP 31096 bei Simultaneingriffen sowie zur GOP 31097

Schnitt-Naht-Zeit je weitere vollende 15 Min. Nachweis der Schnitt-Naht-Zeit über das Anästhesieprotokoll oder den OP-Bericht

612 Punkte/ 67,19 Euro

377 Punkte/ 41,37 Euro

Ambulante und belegärztliche Lokalanästhesien durch den Operateur

31802/36802 Tumeszenzlokalanästhesie durch den Operateur

Tumeszenzlokalanästhesie der Haut und des subkutanen Fettgewebes Überwachung und Dokumentation der Vitalparameter
Pulsoxymetrie
EKG-Monitoring
i. v.-Zugang
Infusion(en)
Verabreichung von Analgetika/Sedativa

2.592 Punkte/ 284,79 Euro

1.619 Punkte/ 177,83 Euro

Kostenpauschale bei Durchführung der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III

40165

Entsprechend der bei den GOP 31096 und 31097 für die beim Eingriff eingesetzte(n) Absaugkanüle(n)

72 Euro

*Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg; EBM 17.01.2020 Änderung zum 1. Januar 2020.

Tab. 2 In folgender Tabelle sind die Ziffern für die Kostenpauschalen nach EBM dargestellt

61 016

Kostenpauschale für den Sprechstundenbedarf im Zusammenhang mit der Durchführung der Leistungen aus Abschnitt 61.1.2.1

61 017

Kostenpauschale bei Durchführung der Liposuktion beim Lipödem entsprechend der Gebührenordnungsposition 61 010 für die beim Eingriff eingesetzte(n) Absaugkanüle(n)

61 018

Pauschale für Begleitleistungen und Auftragsleistungen in Zusammenhang mit Leistungen des Abschnitts 61.1.2.1

61 027

Kostenpauschale für den Sprechstundenbedarf im Zusammenhang mit der Durchführung der Leistungen aus Abschnitt 61.1.2.2

61 028

Kostenpauschale bei Durchführung der Liposuktion beim Lipödem entsprechend der Gebührenordnungsposition 61 020 für die beim Eingriff eingesetzte(n) Absaugkanüle(n)

61 029

Pauschale für Begleitleistungen und Auftragsleistungen in Zusammenhang mit Leistungen des Abschnitts 61.1.2.2

Tab. 3 Ambulante Abrechnung des Lipödems

OPS 2019

Seite

Bezeichnung OPS 2019

Kategorie

OP Leistungen

Überwachung

Nachbeh. Überw.

Nachbeh. Operat.

Narkose

5–911.17

Absaugen von Fettgewebe [Liposuktion]: Oberarm und Ellenbogen

AA6

31096/36096

31506/36506

31612

31613

31826/36826

5–911.18

Absaugen von Fettgewebe [Liposuktion]: Unterarm

AA6

31096/36096

31506/36506

31612

31613

31826/36826

5–911.1e

Absaugen von Fettgewebe [Liposuktion]: Oberschenkel

AA7

31097/36097

31507/36507

31612

31613

31827/36827

5–911.1 f

Absaugen von Fettgewebe [Liposuktion]: Unterschenkel

AA6

31096/36096

31506/36506

31612

31613

31826/36826

*Quelle: Bewertungssausschuss nach §87 Absatz 1 Satz 1 SGB V in seiner 455. Sitzung am 11. Dezember 2019, Geschäftsführung des Bewertungssauschuss.

Wichtig zu beachten ist, dass all diese Ziffern zuvor bei der Kassenärztlichen Vereinigung beantragt werden müssen, damit diese auch nach einer Operation abgerechnet werden können. Für die Zulassung gelten die in der Qualitätssicherungs-Richtlinie verankerten Anforderungen an den Behandler [11].

Am Beispiel einer ambulanten Liposuktion beider Oberschenkel einer Patientin mit einer OP-Dauer von 120 Minuten mit TLA ohne Narkose läge der Erlös bei 1699,95€.


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Privatärztlich GOÄ

Eine Liposuktion zur Behandlung des Lipödems im privatärztlichen Rahmen wird nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet. Viele private Krankenversicherer sind dazu übergegangen, immer häufiger die Rückforderungsansprüche ihrer Versicherten wegen einer angeblichen Überbezahlung der Behandler abzutreten. Die wesentlichen Anteile der noch geltenden GOÄ stammen aus dem Jahr 1982. Die letzte Änderungsverordnung stammt aus 1995 und betraf nur einen kleinen Teil der GOÄ. Der Fortschritt der Medizin in den letzten Jahrzehnten ist somit systematisch nicht in die GOÄ miteinbezogen worden [12]. Damit sind die in der GOÄ aufgeführten Behandlungsmaßnahmen fast 40 Jahre alt, es verwundert daher wenig, dass die Liposuktion zur Behandlung des Lipödems als eigenständige Ziffer nicht aufgeführt ist.

2014 veröffentlichte ein Referent der Ärztekammer Nordrhein ein Abrechnungsbeispiel im Deutschen Ärzteblatt (DÄB) zur korrekten Abrechnung der Liposuktion [4]. Darin führte er aus, dass die GOÄ-Ziffer 2454 („Operative Entfernung von überstehendem Fettgewebe an einer Extremität“) vollumfänglich die Liposuktion eines gesamten Beines abbilden würde. Zudem hielt er fest, dass die Ziffer gemäß ihrer Leistungslegende nur einmalig pro Bein abrechnungsfähig sei und dass zeitaufwändigere Operation schließlich gemäß §5 Absatz 2 des GOÄ über einen höheren Steigerungssatz abgebildet werden könnten. Seither häufte sich die Anzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen behandelnden Ärzten und den zahlungspflichtigen Parteien. Aus Mangel an alternativen Abrechnungsbeispielen orientierten sich viele Gerichte bei der Urteilsfindung am o.g. DÄB-Artikel.

Dies führte zu vielen Klagen ärztlicherseits, da dieses Abrechnungsbeispiel den Zeit- und insbesondere Kostenaufwand derartiger Operation nicht korrekt darstellen würde. Hinzu kommt, dass nicht definiert ist, was eigentlich „überstehendes Fettgewebe“ sein soll. Die Symptome des Krankheitsbildes des Lipödem werden durch diesen Terminus nicht dargestellt. Verschiedene Ziffern der GOÄ von 2452–2454 werden mittlerweile zur Abrechnung gebracht. Die Ziffern unterscheiden sich in einem erlösrelevanten Ausmaß. Strittig ist zudem noch, ob die Mehrfachberechnung einer Ziffer in einer Region möglich ist. Hierzu gab es in der Vergangenheit widersprüchliche untergerichtliche Entscheidungen [13] [14]. Eine obergerichtliche Entscheidung hierzu existiert bisher noch nicht.

2019 hat die AG Liposuktion des Berufsverbandes der Phlebologen (BVP) bereits die vorherrschenden Probleme im Rahmen eines Artikels angesprochen [15]. Darin verdeutlichen Hartmann et al., dass dem Abrechnungsbeispiel des DÄB folgend, der Erlös einer operativen Behandlung des Lipödems bei ca. 922,55€ läge und somit derart gering sei, dass ein kosteneffizientes Arbeiten und damit eine operative Behandlung Betroffener nicht möglich sei. Die Autoren führen aus, dass die Analogziffer 2454 bereits aufgrund der Nomenklatur nicht korrekt sei. Beim Lipödem würde im Gegensatz zur Entfernung eines Lipoms nicht nur überstehendes Fettgewebe, sondern auch tiefreichendes, nicht-überstehendes Fettgewebe entfernt werden, welches zudem lipödemerkrankt sei. Ferner würde diese Ziffer bei weitem nicht den tatsächlich benötigten Zeit- und Kostenaufwand der Operation abbilden, somit greife hier §6 Absatz 2 der GOÄ. Hiernach können selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend nach einer hinsichtlich Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrades und des erhöhten Zeitaufwandes schlug die AG Liposuktion die GOÄ-Ziffer 2452 („Exstirpation einer Fettschürze- einschließlich plastischer Deckung des Grundes“) zur Abrechnung des Lipödems vor. Ferner sollte auch die verwendete Tumeszenzlokalanästhesie (TLA), die ebenfalls sehr zeitaufwändig ist und OP-Kapazitäten binde, zur Abrechnung gebracht werden dürfen. Die Ziffer 491 („Infiltrationsanästhesie großer Bezirke“) würde den Zeitaufwand der TLA nicht korrekt abbilden, daher empfehlen die Autoren die Hinzunahme der Analogziffer 478 („Intravenöse Anästhesie einer Extremität, bis zu einer Stunde“).

Da beim Lipödem nicht nur eine gewöhnliche Fettabsaugung durchgeführt, sondern eine lymphbahnengerechte Absaugung in besonderer Technik unter Verwendung feiner Absaugkanülen und ggf. auch mit speziellen Systemen (wasserstrahlassistiertes System (WAL) sowie vibrationsassistiertes System (PAL)) vorgenommen werde, müsse auch die GOÄ-Ziffer 2453 („Operation des Lymphödems einer Extremität“) ebenfalls in die Abrechnung aufgenommen werden.

Die Mehrfachberechnung einer Ziffer in einer Region begründen Hartmann et al. damit, dass es nach der GOÄ durchaus üblich sei, eine Körperregion in eigenständige Funktionseinheiten zu unterteilen, wie es beispielsweise bei der Ultraschalldiagnostik häufig erfolgt (GOÄ Kapitel C VI. Ziffer 6 S.1) und es somit nicht der Logik der GOÄ widerspreche, eine GOÄ-Ziffer mehrfach in einer Region zu verwenden. Die Autoren machen ebenfalls konkrete Vorschläge dazu, wie man die verschiedenen Körperregionen unterteilen könnte, um eine Mehrfachberechnung zu kennzeichnen.

Es ist selbstverständlich auch möglich, den Zeit- und Kostenaufwand nach §2 GOÄ mit einem höheren Steigerungssatz über eine Honorarvereinbarung abzubilden. Hierzu ist zwingend erforderlich, die rechtliche Form von Honorarvereinbarungen einzuhalten, welche von der GOÄ vorgegeben ist. Die jüngsten obergerichtlichen Urteile des OLG Köln vom 14.01.2020 sowie des OLG Nürnberg vom 30.11.2020 haben bestätigt, dass es nicht zulässig sei, nach Abschluss einer Individualvereinbarung dem Arzt aufzuerlegen zu begründen, weshalb er den vereinbarten Steigerungsfaktor nach Abschluss der Behandlung auch zur Abrechnung bringe [16] [17]. Selbstverständlich haben die Gerichte beim Steigerungsfaktor auch die Grenzen der Sittenwidrigkeit festgelegt. Diese ist üblicherweise erreicht, wenn das doppelte Honorar des marktüblichen Honorars verlangt wird. Demnach ist es denkbar, dass ein Steigerungsfaktor von 4–6,5fach durchaus noch als „unproblematisch“ einzuschätzen ist. Wobei in jedem Falle die Beweislast immer beim Zahlungspflichtigen liegt.


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Privatärztlich Selbstzahler

Auf dem freien Markt herrschen üblicherweise Pauschalpreise. Recherchiert man die Kosten einer operativen Behandlung des Lipödems im Internet, so rangieren die Preise zwischen 1500€ bis 10000€. Marktübliche Preise für Ärzte, die sich auf die Lipödembehandlung spezialisiert haben, betragen pro Operation inklusive Narkose und Übernachtung, zwischen 6500€ bis 10000€. Üblich sind in der Regel 3–5 Operationen zur Komplettierung des Ergebnisses ohne Hautstraffung. Die Nutzung von hautstraffenden Gerätschaften, wie z. B. Renuvion und Bodytite, wird dann nochmals zusätzlich mit 2000–3000€ berechnet.

Zu Pauschalpreisen hat der BGH mit seinem Urteil im März 2006 entschieden, dass alle ärztlichen Leistungen der Abrechnungssystematik der GOÄ unterliegen. Dies gilt auch für medizinisch nicht-notwendige Operationen, sprich „Schönheitsoperationen“ [18]. Demnach sind nach §2 GOÄ Pauschalpreise im Rahmen der Honorarvereinbarungen unzulässig, genauso wenig wie Rabattaktionen nach §5 GOÄ. Das LG München hat mit seinem Urteil vom Dezember 2019 zudem festgestellt, dass alle ärztlichen Leistungen der GOÄ unterstellt seien, selbst dann, wenn es sich um eine nicht-ärztlich geführte GmbH handele, in der eine juristische Person die Geschäfte führe. Lediglich im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages gelte die GOÄ nicht, dieses gelte in der Regel für Krankenhäuser und §30-Kliniken [19].


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Diskussion

DRG

Die Erlöse für die Behandlung des Lipödems haben eine erhebliche Spannbreite. Es fällt dabei auf, dass insbesondere die von der GKV und der PKV vergüteten Leistungen nicht den tatsächlichen Zeit-und Kostenaufwand abbilden und sich deutlich von den Preisen auf dem freien Markt unterscheiden ([Tab. 4]).

Tab.4 Erlösvergleich verschiedener Abrechnungsarten

DRG

EBM

GOÄ

GOÄ (Vorschlag)

Selbstzahler

3617,01€*

1699,95€** 

900–1000€***

4782,80€**** 

6000–7000€

DRG=diagnosis-related groups; EBM=Einheitlicher Bewertungsmaßstab; GOÄ=Gebührenordnung für Ärzte. *Datengrundlage: Bewertungsrelation 0,898 und Basisfallwert 3827,78€ in Brandenburg 2022. **Bei Liposuktion beider Oberschenkel, OP Dauer 120 min, TLA ohne Narkose. ***Gemäß Abrechnungsbeispiel Stefan Gorlas 2014 (4). *** * Bei hälftiger Liposuktion beider Beine, OP Dauer 120 min, TLA ohne Narkose

Zudem ist die Abrechnung der Liposuktion bei Lipödem unter stationären Bedingungen nach G-DRG System häufig defizitär. Bei stationärer Leistungserbringung fallen Personal- und Infrastrukturkosten in besonderem Maße an, die z. B. für die Möglichkeit einer postoperativen Überwachung unter Nutzung intensivmedizinischer Ressourcen unabdingbar sind. Eine stationäre Leistungserbringung erfolgt in der Regel bei großvolumigen Liposuktionen (>5000 ml Gesamtaspirat), bei fortgeschrittenen Erkrankungsstadien mit ausgeprägten klinischen Befunden, bei Revisionsoperationen mit höherem Blutungsrisiko und bei Patientinnen mit relevanten Nebendiagnosen (z. B. Gerinnungsstörungen). Grade im Hinblick auf dieses selektive Patientenklientel sollte eine attraktive Erlössituation nicht, wie oben aufgezeigt, primär von der Dauer des Krankenhausaufenthaltes abhängig sein. Eine subtilere Staffelung der Bewertungsrelationen nach Belegungstagen würde absichern, dass auch zukünftig Risikopatientinnen mit Lipödem eine medizinisch indizierte Liposuktion bei ausreichender perioperativer Sicherheit erhalten können.


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EBM

Die Durchführung der operativen Lipödemtherapie im ambulanten Rahmen als ermächtigter Arzt oder Belegarzt erscheint ebenfalls als defizitär. Im Vergleich zu allen übrigen Abrechnungsmöglichkeiten ist diese Art der Abrechnung am schlechtesten vergütet, es ist kaum vorstellbar, dass die tatsächlichen Behandlungskosten hierdurch abgedeckt werden können. Der Umstand, dass die TLA in diesem Abrechnungssystem als Teil der Regionalanästhesie angesehen wird und entsprechende Abschläge zur Folge hat, sofern die Liposuktion in Wet-Technik kombiniert mit einer Vollnarkose durchgeführt wird, erscheint nicht plausibel. Die Wet-Technik wird in den Qualitätssicherungs-Richtlinien des G-BA als obligat durchzuführende Operationstechnik angeführt. Die Nutzung der TLA hat in der Wet-Technik weniger mit der lokalen Anästhesie zu tun als mit dem Umstand, dass diese Art der Liposuktion gewebeschonender ist und die Fettzellen so besser aus dem Bindegewebe herausgelöst und abgesaugt werden können. Die lokale Analgesie ist lediglich ein positiver „Nebeneffekt" dieser Operationsmethode.


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GOÄ

Nach dem GOÄ Kommentar von Hermanns können die Analogziffern 2452–2454 zur Liposuktion angewandt werden [5]. Es findet sich dabei ausdrücklich unter der Ziffer 2454 der Hinweis, dass es sich bei der IGeL Leistung dieser Ziffer um eine „Ästhetische Fettabsaugung“ handelt.

Die Ziffer 2452 wird häufig für „ästhetische Abdominoplastiken“ verwendet, kann allerdings laut Hermanns auch zur Liposuktion angewandt werden. Allerdings wird auch hier in den Kommentaren der Ausdruck „Ästhetische Operation“ angeführt. Übereinstimmend mit der AG Liposuktion des BVP stellt unserer Ansicht nach die Analogziffer 2454 den regelhaften Aufwand derartiger Liposuktionen nicht korrekt dar, daher kommt der §6 Abs. 2 des GOÄ zur Anwendung, bei der selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend nach einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können [15]. Des Weiteren halten wir die Verwendung von Analogziffern, die ästhetischen Operationen zugeordnet sind, für nicht korrekt, da es sich bei der Liposuktion des Lipödems nicht um eine ästhetische Fettabsaugung/Operation handelt, sondern um eine operative Therapie einer im ICD 11 aufgeführten Erkrankung. Beim Lipödem handelt es sich um eine Erkrankung, bei der sich Fettzellen hyperplastisch verändern und es zu einer Schädigung der Lymphbahnen kommen kann. Da zum Schutze der Lymphbahnen in der Regel in mehreren Sitzungen in besonderer Technik mit speziell dünnen Absaugkanülen und ggf. auch besonderen Gerätschaften aufwendig lymphbahnengerecht abgesaugt werden muss, empfehlen wir zur Liposuktion bei Lipödem die Analogziffer 2453 („Operation des Lymphödems einer Extremität“) zu verwenden [20] [21] [22]. Die Liposuktion bei Lipödem stellt häufig eine erheblich schwierigere und zeitaufwändigere Behandlung dar als eine rein ästhetische Liposuktion, da es sich hierbei auch um die Behandlung einer chronisch-progredienten Erkrankung handelt.

Des Weiteren muss ebenfalls die TLA als wichtiger und zeitaufwendiger Zwischenschritt zur leitliniengerechten Absaugung des Lipödems in Wet-Technik angesetzt werden [13] [20] [21] [22] [23]. Die Nutzung der Analogziffer 478 („intravenöse Anästhesie einer Extremität…“) neben der Ziffer 491 („Infiltrationsanästhesie großer Bezirke“) ist unserer Ansicht nach begründet, allerdings kann es möglich sein, dass im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung „Anästhesieziffern“, die durch den Chirurgen erbracht wurden, gestrichen und hierfür die Anwendung eines höheren Steigerungssatzes vorgeschlagen wird.

Im Abrechnungsbeispiel des DÄB wurde angeführt, dass die Analogziffern zur Absaugung nur einmalig pro Extremität abzurechnen seien [4]. Die einmalige Verwendung einer Analogziffer für ein gesamtes Bein stellt mit keinem nach §5 Abs. 2 GOÄ zu verwendetem Steigerungssatz auch nur annähernd den Zeit- und Kostenaufwand einer derartigen Operation dar. Die Vorstellung, dass allein aus der Nomenklatur hervorginge, dass die Ziffer 2453 nur einmalig pro Extremität zu verwenden sei, ist nicht korrekt. Lymphödemoperationen, die häufig sehr aufwendige Operation mit zum Teil mikrochirurgischer Technik darstellen, finden regelhaft in mehreren Ebenen (Leiste, Knie etc.) statt. Grundsätzlich ist die mehrfache Verwendung einer Analogziffer in einer Region nicht ungewöhnlich. Neben der bereits erwähnten Ultraschalldiagnostik ist es auch bei handchirurgischen Operationen wie beispielsweise der Dupuytren´schen Kontraktur üblich, dass mehrere Z-Plastiken an einem Finger ihrer Anzahl nach abgerechnet werden dürfen [24]. Daher stimmen wir auch hier den Kollegen der AG Liposuktion des BVP zu, dass diese Ziffern zur korrekten Darstellung des Zeit- und Kostenaufwandes mehrfach zur Abrechnung kommen müssen, da bei einer Liposuktion, insbesondere bei einer lymphbahnenschonenden Liposuktion bei Lipödem, regelhaft das Bein in Untereinheiten (medial/lateral, ventral/dorsal) und tiefe und oberflächliche Schichten eingeteilt wird. Es ist bekannt, dass insbesondere an den Extremitäten eine tiefes und ein oberflächliches Fettkompartiment existiert, welche bei einer vollumfänglich operativen Behandlung des Lipödems auch beide adressiert werden müssen [25]. Zum einen dient dies dazu, alle Ebenen und Areale des Beines symmetrisch abzusaugen, das gesamte lipödemerkrankte Fett zu entfernen und zum anderen auch lymphbahnenschonend vorgehen zu können.

Die AG Liposuktion hat in ihrem Artikel aus 2019 bereits eine Einteilung der Extremitäten vorgenommen, die wir weitestgehend für sinnvoll halten. Analog hierzu unser Vorschlag ([Abb. 1] und [2]):

Einteilung Oberschenkel: medial superfiziell/profund, ventral superfiziell/profund, lateral superfiziell/profund, dorsal superfiziell/profund.

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Abb. 1 Einteilung der unterschiedlichen Areale einer Extremität zur Behandlung des Lipödems in der Körpervorderansicht. Jedes Areal wird nochmals in superfiziell und profund unterteilt.
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Abb. 2 Einteilung der unterschiedlichen Areale einer Extremität zur Behandlung des Lipödems in der Körperrückansicht. Jedes Areal wird nochmals in superfiziell und profund unterteilt.

Daraus ergeben sich pro Oberschenkel 8 abzusaugende Areale.

Einteilung Unterschenkel: medial superfiziell/profund, ventral superfiziell/profund, lateral superfiziell/profund, dorsal superfiziell/profund.

Daraus ergeben sich pro Unterschenkel 8 abzusaugende Areale.

Die hälftige Liposuktion eines Beines würde demnach die 8fache Verwendung der Analogziffer 2453 umfassen.

Einteilung Oberarm: medial (Flügellappen) superfiziell/profund, ventral (Bizepsregion) superfiziell/profund, dorsal (Deltoideusregion) superfiziell/profund. Die Axilla ist eine gesonderte Region, die regelhaft nur oberflächlich abgesaugt wird aufgrund der tiefliegenden Gefäße und Nerven des Armes.

Daraus ergeben sich pro Oberarm 6 abzusaugende Areale sowie ein Areal für die Axilla.

Einteilung Unterarm bis Handgelenk: palmar superfiziell/profund, dorsal superfiziell/profund.

Daraus ergeben sich für den Unterarm 4 Areale.

Regelhaft wird bei Lipödem-Patientinnen über die untere Extremität hinaus angleichend auch die Gluteal- sowie die Hüft-/Flanken-und Taillenregion abgesaugt, um eine angemessene Körperkonturierung und Silhouette erzielen zu können. Dies dient vor allem der ästhetischen Ergänzung der Behandlung der Erkrankung des Lipödems. Da es sich bei der Liposuktion dieser Regionen nicht um die Behandlung des Lipödems an sich, sondern um eine Ergebnisoptimierung handelt, kommt unserer Meinung nach in diesen Arealen eine andere Art der Abrechnung zur Anwendung.

Die verwendete TLA (Ziffer 491) sollte ebenfalls mehrfach abzurechnen sein. Unserer Ansicht nach stellt die TLA einen wichtigen Bestandteil der Operation dar. Auch wenn es sich bei der TLA laut GOÄ-Katalog um eine Anästhesieziffer handelt, so dient sie bei der Liposuktion nur zweitrangig als Anästhesiemaßnahme, viel mehr ist sie ein wichtiger Schritt der Operation bei der sowohl durch die Kanüle selbst als auch durch die eingebrachte Tumeszenzlösung eine Vorpräparation des Gewebes stattfindet. Daher empfehlen wir die gleiche anatomische Einteilung der Areale zur Mehrfach-abrechnung wie bei der Liposuktion selbst.

Die Hinzunahme der Analogziffer 478 für die TLA ist unserer Ansicht nur mit Vorbehalt zu empfehlen, daher werden wir diese in unserer Beispielrechnung nicht verwenden.

Aus den o.g. Überlegungen ergibt sich unser Abrechnungsbeispiel einer hälftigen Liposuktion zweier Beine (Ober-und Unterschenkel) in TLA gemäß den Empfehlungen zur Liposuktion bei Lipödem, welche in [Tab. 5] dargestellt ist [23]. Selbstverständlich gehören zur ordnungsgemäßen Behandlung des Lipödems auch die postoperative stationäre und ambulante Therapie. Die hierbei verwendeten Abrechnungsziffern sind jedoch kaum umstritten, daher werden sie an dieser Stelle auch nicht weiter thematisiert.

Tab. 5 Abrechnungsbeispiel der Liposuktion des Lipödems hälftig an zwei Beinen in TLA ohne Narkose nach GOÄ

Ziffer

Text

Betrag €

Faktor

OP-Bereich

Areale(Anzahl)

Summe

1

Beratung

4,66

2,3

10,72

7

Untersuchung

9,33

2,3

21,46

5

Symptombezogene Untersuchung (präoperative Anzeichnung)

4,66

2,3

10,72

491

Infiltrationsanästhesie gr.Bezirke

7,05

2,3

Hälftig Ober- und Unterschenkel bds.

16

259,44

2453

Operation des Lymphödems einer Extremität

116,57

2,3

Hälftig Ober- und Unterschenkel bds.

16

4289,78

445

Zuschlag ambulante OP >1200 Punkte

128,23

128,23

448

Postoperative Überwachung

34,97

34,97

204

Zirkulärer Verband

5,54

2,3

12,74

252

Injektion niedermolekularen Heparins s.c.

2,33

2,3

5,36

45

Visite

4,08

2,3

9,38

Gesamt

4782,80


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Schlussfolgerung

Die Abrechnung der operativen Therapie des Lipödems in Deutschland ist nicht einheitlich geregelt. Der tatsächliche Kosten- und Zeitaufwand wird durch die bestehenden kassen- und privatärztlichen Abrechnungssysteme nicht korrekt dargestellt. Unserer Ansicht nach sollte im DRG-System die perioperative Sicherheit der Lipödem-Patienten nicht durch eine Erlössituation gefährdet werden, die in erster Linie durch eine möglichst kurze Verweildauer bestimmt wird. Desweiteren sind die Abrechnungsmöglichkeiten mit den EBM-Ziffern im ambulanten Rahmen derart defizitär, so dass viele Operateure grundsätzlich von einer ambulanten Behandlung im kassenärztlichen Rahmen absehen oder sogar gänzlich die operative Behandlung des Lipödems nicht mehr anbieten wollen. Wie in Zukunft diese Abrechnungsarten zu bewerten sind und in wieweit das Lipödem zukünftig überhaupt noch über das allgemeine Krankeversicherungssystem abrechenbar sein wird, hängt stark vom Ergebnis der von der G-BA in Auftrag gegebenen Erprobungsstudie ab.

Im privatärztlichen Rahmen empfehlen wir zur Abrechnung einer medizinischen Liposuktionstherapie des Lipödems die Analogziffer 2453. Zudem muss bei der vollumfänglichen Behandlung dieser Erkrankung eine Mehrfachabrechnung der selben Analogziffer in einer Region ermöglicht werden.


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Autorinnen/Autoren

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Melodi Motamedi
Dr.med. Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover 2003–2009. Assistenzärztin in der Klinik für Orthopädie/Unfallchirurgie, Sana Klinikum Hameln (CA Prof. Dr. W. Berner) 01/10–01/2011. Assistenzärztin in der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie (CA. Dr.med. S.Allert), Sana Klinikum Hameln. Rotation auf die Verbrennungsintensivstation des Sana Klinikums Offenbach (CA Pro. Dr. H. Menke). 04/2016 Fachärztin für Plastische Chirurgie. Seit März 2017 Oberärztin in der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie des Sana Klinikums Hameln. Oktober 2017 Ernennung zur Leitenden Oberärztin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie des Sana Klinikum Hamelns. 04/2020 Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie (DGPRÄC, vormals Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen VDPC) sowie des BDC (Berufsverband Deutscher Chirurgen) und der ISAPS (International Society of Aesthetic Plastic Surgery).

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Melodi Motamedi
Sana Klinik Hameln Plastische Chirurgie, Plastische Chirurgie, Saint-Maur-Platz 1
Hameln 31785
Germany
Phone: 05151971245   
Fax: 05151972045   

Publication History

Received: 25 November 2022

Accepted: 08 March 2023

Article published online:
20 July 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Melodi Motamedi
Dr.med. Studium der Humanmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover 2003–2009. Assistenzärztin in der Klinik für Orthopädie/Unfallchirurgie, Sana Klinikum Hameln (CA Prof. Dr. W. Berner) 01/10–01/2011. Assistenzärztin in der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie (CA. Dr.med. S.Allert), Sana Klinikum Hameln. Rotation auf die Verbrennungsintensivstation des Sana Klinikums Offenbach (CA Pro. Dr. H. Menke). 04/2016 Fachärztin für Plastische Chirurgie. Seit März 2017 Oberärztin in der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie des Sana Klinikums Hameln. Oktober 2017 Ernennung zur Leitenden Oberärztin der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Handchirurgie des Sana Klinikum Hamelns. 04/2020 Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie (DGPRÄC, vormals Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen VDPC) sowie des BDC (Berufsverband Deutscher Chirurgen) und der ISAPS (International Society of Aesthetic Plastic Surgery).
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Abb. 1 Einteilung der unterschiedlichen Areale einer Extremität zur Behandlung des Lipödems in der Körpervorderansicht. Jedes Areal wird nochmals in superfiziell und profund unterteilt.
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Abb. 2 Einteilung der unterschiedlichen Areale einer Extremität zur Behandlung des Lipödems in der Körperrückansicht. Jedes Areal wird nochmals in superfiziell und profund unterteilt.