Hamostaseologie 2023; 43(02): 155-156
DOI: 10.1055/a-2020-4031
Mitteilungen des Vorstandes des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH)

Fachgespräche zur Plasma-Versorgung in Deutschland und Sachstand zur neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Jürgen Koscielny
1   Charité Universitätsmedizin, Berlin
,
Günther Kappert
4   Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr (GZRR), Duisburg
,
Christoph Sucker
2   Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) COAGUMED Gerinnungszentrum Berlin
3   Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel
› Institutsangaben
 

    Jürgen Koscielny: Fachgespräche zur Plasma-Versorgung, u.a. im Gesundheitsausschuss des Bundestages: Wie können wir eine qualitätsgesicherte und zuverlässige Versorgung mit Plasmaprodukten in Deutschland sicherstellen?

    Hintergrund und Problem Plasmapräparate (Plasmaderivate) sind zentral für die Versorgung von seltenen Erkrankungen (z.B. hereditärer Fibrinogenmangel, Faktor X- und Faktor XIII-Mangel, Hämophilie A und B, von-Willebrand-Syndrom), aber auch z.B. für die Behandlung der Rhesusunverträglichkeit ungeborener Kinder. Des Weiteren werden Plasmaderivate auch für häufigere erworbene Störungen des Gerinnungs- und Immunsystems angewandt, z.B. in der operativen Medizin, Traumatologie und in der Intensivmedizin. In der Regel gibt es keine Alternativen zur Therapie mit Plasmaderivaten.

    Die Verfügbarkeit von Blutplasma ist stark abhängig von der Spendenbereitschaft, den Lieferketten und der endgültigen Preiskalkulation. In Deutschland wird Plasma aus Apherese und Vollblut gewonnen und vom Deutschen Roten Kreuz e.V. (35 %), von staatlich Kommunalen Einrichtungen (6 %) und privaten Spendezentren (58 %) gesammelt. In den vergangenen Jahren kam es zu einer deutlichen Senkung des Spendeaufkommens um 16%; spendeten 2011 noch 95 Spender:innen/1.000 Einwohner sank die Zahl auf 77/1.000 Einwohner im Jahr 2020 (−1,3 Millionen Spenden) (1). Gleichzeitig ist der Verbrauch von Plasmapräparaten gemäß aktueller Zahlen u.a. der Charité, einem Hauptverbraucher in Deutschland (jährliche Meldungen an das PEI nach § 21 des Transfusionsgesetzes), in den vergangenen 10 Jahren dramatisch angestiegen, insbesondere der Verbrauch von Fibrinogen, Humanalbumin und Immunglobulinen. Auch nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) stieg der Verbrauch von Immunglobulinen von 2011 bis 2016 von knapp 4.500 kg auf über 8.100 kg, d.h. um knapp 80 % (2,3). Zuletzt stieg der Verbrauch von Plasmapräparaten während der Corona-Pandemie. Diese Versorgungslücke aus Plasmaspenden und -verbrauch macht es erforderlich, das fehlende Plasma zu importieren. Der deutsche Import aus der EU stieg von 2011 bis 2019 um knapp 90 % und aus dem Nicht-EU-Raum um über 170 % (4).

    In den vergangenen Monaten spitzte sich die Versorgung mit subkutanen Immunglobulinen zu. Es drohte der Marktaustritt eines der letzten verbliebenen Hersteller mit erheblichen Auswirkungen für die Betroffenen. Nur durch das Einlenken des Bundesgesundheitsministeriums und ein verhängtes Preismoratorium konnte die kurzfristige Verfügbarkeit von subkutanen Immunglobulinen sichergestellt werden.

    Aktuelle Kernfragen in den Fachgesprächen, auch unter Mitarbeit des BDDH, sind:

    • ▪ Was sind die Gründe für Versorgungsengpässe in der Plasmaversorgung?

    • ▪ Welche Probleme entstehen durch die hohe Abhängigkeit von anderen Ländern in der Plasmaversorgung?

    • ▪ Wie kann die Spendenbereitschaft in Deutschland gesteigert werden?

    • ▪ Welche gesetzlichen und untergesetzlichen Maßnahmen können zur Sicherung der Plasmaversorgung beitragen?

    Literatur:

    Günther Kappert: Sachstand zur neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ neu)

    Am 17. Januar 2023 fand online eine große Runde mit über 200 Vertretern der medizinischen Berufsverbände, der Bundesärztekammer und deren Vorsitzenden Dr. med. Reinhardt statt. Wie wir bereits berichtet haben, ist der Entwurf einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ neu) unter Mitarbeit des BDHH schon lange fertiggestellt und mit dem Verband der privaten Krankenversicherungen diskutiert worden. Ebenfalls sind die Preise kalkuliert. Der Auftrag an BÄK und PKV, eine GOÄ neu gemeinsam zu arbeiten und dann dem Ministerium für Gesundheit (MFG) vorzulegen stammt noch vom ehemaligen Gesundheitsminister Bahr.

    Eine GOÄ wird üblicherweise vom Bundesgesundheitsminister dem Bundesrat vorgeschlagen und vom diesem dann beschlossen. Der Bundesrat, als Vertretung der Länder mit deren Beamtenbeihilfen, hat dabei auch eigene Interessen. Wann dies in Zukunft geschehen wird, ist leider derzeit nicht abzusehen.

    Die GOÄ neu wurde ohne Bepreisung, aber mit allen exakten Erläuterungen der Gebührenordnungspunkte beim Ärztetag in Bremen dem Gesundheitsminister, Prof. Lauterbach, im Mai 2022 übergeben. Anscheinend hat sich aber bisher die Arbeitsebene des Ministeriums hiermit nicht befasst. Von dessen Seiten ist die Argumentation zu hören, dass sich in der aktuellen Koalition nichts am Verhältnis gesetzlicher zu privater Krankenversicherung ändern solle. Überzeugung der BÄK ist jedoch, dass seit über 30 Jahren keine grundlegende Änderung der GOÄ erfolgte, jedoch am einheitlichen Bewertungsmaßstab (EMB) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in dieser Zeit immer wieder Anpassungen erfolgt sind. Somit hinkt die Vergütung im PKV-Bereich den realen Erfordernissen mit jedem Jahr Warten auf eine neue GOÄ dem gesetzlichen Bereich immer weiter hinterher. Insbesondere die direkt am Patienten erbrachten Leistungen sind derzeit unterbezahlt.

    Die Preiseffekte GOÄ alt zu GOÄ neu wurden anhand von 1500 realen Rechnungen überprüft: Je nach Auffassung kommt man hier zu einer Steigerung um 10% (BÄK) bis 30% (PKV). Die Kalkulation der GOÄ neu beruht aber auf Daten von 2017, allein die letztjährige Inflation hätte damit diesen Preiseffekt schon wieder aufgefressen.

    Ärgerlich ist, dass Ärzte seit über 30 Jahren keine Anpassung der Gebührenordnung erhalten und eine solche Anpassung auch nicht in absehbarer Zeit vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Andere, wie die Veterinärmediziner, haben eine entsprechende Anpassung der Gebührenordnung gerade erst erfolgreich durchgesetzt. Im Schnitt haben andere Gruppen von Freiberuflern alle 6 Jahre eine Anpassung ihrer Gebührenordnung, nicht jedoch die Ärzte.

    Die BÄK prüft jetzt weitere Wege, um mehr Druck auf das BMG auszuüben und eine Akzeptanz der neuen GOÄ nicht nur beim PKV-Verband, sondern auch im Ministerium zu erreichen. Wir als Berufsverband werden dazu noch informiert und eingebunden. Hierzu werden wir Ihnen dann erneut berichten.

    Für den Vorstand der Deutschen Hämostaseologen

    Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Koscielny, Vorsitzender

    Dr. med. Günther Kappert, Stellvertretender Vorsitzender

    Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Sucker, Beisitzer des Vorstandes


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    Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

    Address for correspondence

    PD Dr. med. Jürgen Koscielny (Adj. Professor, MD, PhD)
    Charité - Universitätsmedizin Berlin
    Campus Charité Mitte (CCM), Charitéplatz 1, Durchgang Luisenstr. 13, 10117 Berlin
    Germany   

    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    26. April 2023

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