Aktuelle Rheumatologie 2023; 48(02): 116-117
DOI: 10.1055/a-1992-8100
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Autoimmunarthritis: Krankheitsschübe betreffen häufig vorgeschädigte Gelenke

Chang MH. et al.
Joint-Specific Memory and Sustained Risk for New Joint Accumulation in Autoimmune Arthritis.

Arthritis Rheumatol 2022;
74 (11) 1851-1858
DOI: 10.1002/art.42240.
 

Obwohl die verschiedenen autoimmunen Arthritiden prinzipiell einem typischen Verteilungsmuster folgen, variiert der Gelenkbefall bei den einzelnen Betroffenen erheblich. Ein Forscherteam aus den USA ging nun der Frage nach, ob initial entzündete Gelenke im weiteren Krankheitsverlauf, also nach einer zwischenzeitlichen Remission, anfälliger für Arthritisschübe bleiben.


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Einem solchen gelenkspezifischen „Entzündungsgedächtnis“ liegen, sofern es tatsächlich existiert, vermutlich lokale Pathomechanismen zu Grunde, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Hier bieten sich ihrer Einschätzung zu Folge möglicherweise gezielte therapeutische Ansatzpunkte. Um die Bedeutung der lokalen, gelenkspezifischen gegenüber den systemischen autoimmunologischen Krankheitsfaktoren besser einordnen zu können, werteten sie die Daten von 95 Patientinnen und Patienten mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) aus, die seit der Erstdiagnose bis ins Erwachsenenalter ohne Unterbrechung am Boston Children's Hospital und am Center for Adults with Pediatric Rheumatic Illness (CAPRI) am Brigham and Women's Hospital, ebenfalls in Boston, betreut worden waren. Anhand der medizinischen Dokumentationen objektivierten die Forschenden das Alter der Betroffenen bei der JIA-Diagnose, die JIA-Klassifikation sowie die verabreichten Therapien und prüften, welche Gelenke im Einzelnen bei den verschiedenen Kontrolluntersuchungsterminen entzündlich verändert gewesen waren. Einen Arthritisschub definierten sie dabei als eine Gelenkentzündung nach vorangegangener Inaktivitätsphase.

Ergebnisse

77% der analysierten Personen waren Frauen. Die JIA-Diagnose war durchschnittlich mit 11,5 Jahren gestellt worden und die Überweisung an das CAPRI-Zentrum erfolgte im Schnitt im Alter von 21,5 Jahren. Während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 12,5 Jahren erreichten 90 Patientinnen und Patienten (95%) eine inaktive Krankheitsphase. 73 von ihnen (81%) erlitten allerdings im Verlauf mindestens einen Arthritisschub. Insgesamt verzeichneten die Forschenden 253 Krankheitsschübe an 940 Gelenken, wobei 698 (74%) dieser Gelenke in der Vergangenheit – vor Eintritt in eine Remissionsphase – bereits schon einmal inflammatorische Veränderungen gezeigt hatten. Die übrigen 242 (26%) Gelenkschübe betrafen dagegen zuvor unbeeinträchtigte Lokalisationen. Ob tatsächlich ein gelenkspezifisches „Entzündungsgedächtnis“ existiert, überprüften die Forschenden anhand von 86 unilateralen Schüben an paarigen Gelenken, wobei im Vorfeld nur eines dieser beiden Gelenke betroffen gewesen war. Hier zeigte sich: In mehr als 80% der Fälle betraf der Arthritisschub das zuvor bereits geschädigte Gelenk (p<0,0001). Ein erheblicher Anteil der Patientinnen und Patienten entwickelte allerdings auch Schübe in zuvor unbeteiligten Gelenken: 60 der 73 Personen (82%) mit mindestens einem Schubereignis waren hiervon betroffen. Unabhängig davon, wie viel Zeit seit der Diagnose vergangen war, bezogen etwa 40% der Schübe mindestens ein neues Gelenk mit ein. Dieses erhöhte Risiko blieb im Zeitverlauf stabil und betraf überproportional häufig Personen, die zum Zeitpunkt des Schubs keine Medikation erhielten (54% vs. 36% bei Schüben unter Therapie; Odds Ratio 2,09; 95% KI 1,16–3,80).

Fazit

Die Forschenden sehen ihre Hypothese eines synovialen „Entzündungsgedächtnisses“ bestätigt: Entzündlich veränderte Gelenke stellen offenbar Prädilektionsstellen für spätere Arthritisschübe dar, meinen sie. Zusätzlich besteht allerdings ein hohes Risikos für die Ausweitung der Erkrankung auf weitere Gelenke: Hier sehen sie ebenfalls einen wichtigen Ansatzpunkt für Therapiestrategien.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
03 April 2023

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