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DOI: 10.1055/a-1989-0692
Corona, palliativmedizinische Versorgung und religiöse Glaubensprozesse
Liebe Leserin, lieber Leser,
es gehört zu den guten Traditionen der Nervenheilkunde neben den themenbezogenen Heften gelegentlich auch ein Heft mit Arbeiten aus sehr unterschiedlichen Gebieten der Neurologie und Psychiatrie zu präsentieren. Mit diesem Heft halten Sie wieder eine solche Ausgabe in der Hand.
Dennoch können übergeordnete Themen identifiziert werden, die einige Artikel verbinden. So geht es in 2 Beiträgen um mögliche Begleiterscheinungen der COVID-19-Infektion. Die Kasuistik von Ralf Kozian und Alexandra Chaaban beschreibt einen Fall, bei dem möglicherweise durch eine COVID-19-Infektion eine antikörpervermittelte Epilepsia partialis continua ausgelöst worden ist. Dieser Fall trägt bei zu der zunehmenden Erkenntnis, dass die Epilepsie partialis continua im Allgemeinen eine oft antikörpervermittelte Form der Epilepsie darstellt. In dem Beitrag von Thomas Schilling et al. geht es um ganz andere Folgen der COVID-19-Infektion, nämlich die häufig zu beobachtenden neuropsychiatrischen Folgen. Wir alle sehen im klinischen Alltag Betroffene, die noch über Monate hinweg unter kognitiven und affektiven Störungen nach Abklingen der Infektion leiden. Hier wird nun ein Gruppentherapie-Programm vorgestellt, das diesen Betroffenen helfen soll. Eine bessere Versorgung dieser Betroffenen ist dringend erforderlich, das Problem wird uns sicherlich noch lange begleiten, auch wenn die Infektionszahlen aktuell abklingen.
Ein anderer übergeordneter Themenbereich ist die Versorgung von psychiatrisch kranken Menschen am Lebensende. Die Arbeit von Magdalena Seethaler und Kollegen fasst hierzu die publizierten Ansätze einer solchen palliativmedizinischen Versorgung zusammen. Sie stellen dann auch das Konzept der eigenen Klinik vor. Es ist in der palliativmedizinischen Versorgung von psychiatrisch kranken Menschen wenig beachtet worden, inwieweit die psychischen Beeinträchtigungen in dem palliativmedizinischen Konzept berücksichtigt werden sollen. Durch die zunehmende Zahl von alten Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen wird dies aber in Zukunft noch notwendiger sein. Daher wird in dem Artikel zum einen zusammenfassend narrativ und zum anderen exemplarisch an einer bestimmten Klinik dargestellt, wie eine solche Integration von Palliativmedizin und Versorgung psychiatrisch kranker Menschen am Lebensende gelingen kann. In dem zweiten Artikel von Magdalena Seethaler und Mitarbeitern geht es dann um konkrete Beispiele, welche Herausforderungen bei der Versorgung von psychisch kranken alten Menschen bestehen, wenn diese palliativmedizinisch betreut werden müssen. Diese Kasuistiken sind vor dem Hintergrund des ersten Artikels mit der theoretischen Fundierung dieses Konzeptes zu sehen.
Letztlich stellt auch der Artikel von Juan Valdés-Stauber einen Beitrag zu diesem Problemfeld dar. Hier geht es um die Frage, ob narrative Techniken, das heißt, Erzählungen in Zusammenhang von Menschen am Lebensende, therapeutisch genutzt werden können. Der Autor nimmt hier eine literaturwissenschaftliche Perspektive ein, die über die klassischen psychotherapeutischen Techniken hinausgeht.
Schließlich widmet sich der Artikel von Rüdiger Seitz noch einem ganz anderen Thema, nämlich der neurowissenschaftlichen Fundierung des religiösen Glaubens. Hier wird aus rein neurowissenschaftlich-kognitiver Sicht beschrieben, wie Glaubensprozesse ablaufen. Es wird versucht, den Glauben als erklärbares neurowissenschaftliches Phänomen darzustellen. Hierzu ließe sich aus theologischer Sicht mancherlei kritische Anmerkung machen. Insofern wäre es wünschenswert, wenn dieser Artikel auch über die Grenzen der Nervenheilkunde hinaus von einer interessierten Öffentlichkeit wahrgenommen werden würde. Dieser Artikel ist ein Beispiel dafür, dass manche Themen unserer Zeitschrift nicht nur aus rein neurologischer-psychiatrischer Sicht gesehen werden sollten, sondern auch im fachfremden Freundes- und Bekanntenkreis weitergegeben und diskutiert werden können.
Ich hoffe, Sie sind mit mir einer Meinung, dass es für uns als Neurologen und/oder Psychiater gewinnbringend ist, eine Mischung von so verschiedenen Themen in einem Heft zu finden, da dies immer wieder neue Anregungen bringt. In diesem Sinne: Viel Spaß bei der Lektüre!
Stefan Evers, Coppenbrügge
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Publication History
Article published online:
03 May 2023
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© Georg Thieme Verlag KG
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