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DOI: 10.1055/a-1948-8247
Ulmer Heft 2023


Wieder einmal ist das vorliegende Heft verschiedenen Forschungsthemen gewidmet, die uns aktuell in der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm beschäftigen. Gleich 4 Beiträge stammen aus der Arbeitsgruppe von Oberärztin Prof. Birgit Abler, der ich an dieser Stelle für ihren Einsatz ausdrücklich danken möchte.
David Mikusky und Mitarbeiter berichten über eine klinische Studie aus dem Haus, die sich mit der problematischen Nutzung digitaler Spiele beschäftigt. Die Diagnose „Gaming Disorder“ ist sowohl im DSM-5 als auch in der neuen ICD-11 aufgeführt. Über einen Fragebogen wurden in unserer Ambulanz 15 Personen mit problematischen Spielverhalten identifiziert und mit 136 nicht problematischen Spielern verglichen. Im Fokus stand die Frage, in welchem Umfang und Form die Spieler Geldbeträge beim Spielen einsetzen. Es zeigte sich, dass die problematischen Spieler wesentlich häufiger in glücksspielartige Elemente investieren.
Sandra Nickel und Birgit Abler beschäftigen sich mit Störungsbildern der Emotionsregulation, insbesondere mit selbstverletzendem Verhalten, und dem möglichen Einfluss auf einen vegetativen Biomarker, die Herzfrequenzvariabilität. Die zugrunde liegende Psychophysiologie und das Modell der neuroviszeralen Integration werden vorgestellt, und die vorhandenen klinischen Daten zu Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung und anderen Störungen mit selbstverletzendem Verhalten werden zusammengefasst. Da sich für diesen Marker einfach ein Biofeedback-Verfahren etablieren lässt, wird auch das therapeutische Potenzial beleuchtet. Klinische Studien zu diesem Thema stehen allerdings noch aus.
Der Beitrag von Jennifer Spohrs und Mitarbeitern behandelt das gleiche klinische Spektrum der Emotionsregulationsstörung mit selbstverletzendem Verhalten, insbesondere die Borderline-Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit dem Endocannabinoidsystem. Ein Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Betroffene häufig Cannabis konsumieren, möglicherweise im Sinne einer Selbstmedikation. Neue Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen des Endocannabinoidsystems mit der endokrinen HPA-Achse werden dargestellt und es wird das Potenzial für neue Therapieansätze diskutiert.
Im vierten Betrag von Ana Macchia und Kollegen geht es um das klinische Phänomen der Dissoziation, wie es häufig bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung oder PTBS beobachtet wird. Der Begriff der Dissoziation wird in der Psychopathologie nicht einheitlich verwendet. Der Beitrag beschäftigt sich mit den Problemen der Definition und den daraus erwachsenden Schwierigkeiten für die klinische Forschung. Die verfügbaren Fragebögen und Ratingskalen zur Dissoziation werden aufgelistet. Die vorliegenden Untersuchungen zur Prävalenz des dissoziativen Geschehens in der Patientengruppe werden vorgestellt, ätiologische Aspekte und therapeutische Implikationen werden diskutiert.
Aus der Arbeitsgruppe von Prof. Markus Kiefer berichten Simon Sanwald und Mitarbeiter über die Rolle des Hormons Oxytocin bei Depression. Auch wenn dieses Neuropeptid im Zusammenhang mit körperlicher Zuwendung ausgeschüttet wird, greift die Bezeichnung „Kuschel-Hormon“ zu kurz. Assoziationsbefunde legen nahe, dass frühkindliche Bindung über Oxytocin zu Stressresilienz führt. Umgekehrt können belastende Ereignisse über epigenetische Modulation die Wechselwirkung von Oxytocin und der HPA-Achse ungünstig beeinflussen. Über diese Mechanismen wird ein Beitrag zur Genese der Depression vermutet. Aufgrund der komplexen und nicht vollständig verstandenen Regelmechanismen ist bisher keine wirksame antidepressive Therapie mit Hilfe von Oxytocin etabliert. Zu diesem Beitrag werden Fragen für CME-Punkte angeboten.
Thomas Kammer, Ulm
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
03. März 2023
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