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DOI: 10.1055/a-1857-5295
Aktuelle Aspekte und Strategien zum Einsatz oraler Antikoagulantien und Plättchenfunktionshemmer in der Praxis
Current Aspects of Oral Anticoagulation and Platelet Inhibition in Clinical Practice- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Orale Antikoagulation
- Nicht-Vitamin K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK)
- Vitamin K-Antagonisten (VKA)
- Differenzialtherapeutische Aspekte der Therapie mit Antikoagulanzien
- Orale Plättchenfunktionshemmung
- Thienopyridine
- Differenzialtherapie mit Plättchenfunktionshemmern
- Literatur
Zusammenfassung
Aufgrund erhöhter venöser und arterieller Risiken und Begleiterkrankungen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind die Grundprinzipien der adäquaten medikamentösen Behandlung auch von Bedeutung in der rheumatologischen Praxis. Bei der oralen Antikoagulation haben die innovativen Nicht-Vitamin K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) die „klassischen“ Antikoagulanzien, die Vitamin K-Antagonisten (VKA), in vielen Indikationen weitgehend verdrängt; allerdings finden sich weiterhin Gründe, Patienten anstelle von NOAK mit VKA zu antikoagulieren. Bei der medikamentösen Hemmung der Plättchenfunktion werden neben ASS die Thienopyridine Clopidogrel und Prasugrel sowie Ticagrelor eingesetzt; von besonderer Bedeutung ist eine duale Plättchenfunktionshemmung (DAPT) mit Kombination verschiedener Plättchenhemmer. In dieser Übersichtsarbeit wird auf wichtige Aspekte der oralen Antikoagulation und der oralen Plättchenfunktionshemmung eingegangen.
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Abstract
As patients with inflammatory rheumatic diseases have increased venous and arterial risks as well as concomitant diseases, the principles of antithrombotic treatment are of major relevance for rheumatologists. In many indications for oral anticoagulation, innovative non-vitamin K-dependent oral anticoagulants (NOAC) have widely replaced vitamin K antagonists (VKA), the traditional anticoagulants. However, there are still some clinical settings in which VKA should be used exclusively or preferentially for anticoagulation. Oral platelet inhibition may be achieved by ASS, thienopyridines (clopidogrel and prasugrel) and ticagrelor; dual antiplatelet treatment (DAPT) with a combination of ASS and other antiplatelet agents is of major importance. This review focuses on some important aspects of oral anticoagulation and oral inhibition of platelet function.
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Schlüsselwörter
orale Antikoagulanzien - Vitamin K-Antagonisten (VKA) - Nicht-Vitamin Kabhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) - PlättchenfunktionshemmerKey words
oral anticoagulants - vitamin K antagonists (VKA) - antiplatelet agents - non-vitamin K-dependent oral anticoagulants (NOAC)online publiziert 2022Einleitung
Antithrombotika sind Medikamente, die der Gerinnselbildung entgegenwirken. Zu unterscheiden sind Antikoagulanzien, welche die Fibrinbildung hemmen, und Plättchenfunktionshemmer (PFH). Wegen erhöhter venöser und arterieller Risiken und Begleiterkrankungen bei entzündlich-rheumatischer Erkrankungen sind die Grundprinzipien der adäquaten medikamentösen Behandlung auch von Bedeutung in der rheumatologischen Praxis.
Bei den Antithrombotika handelt es sich um sehr häufig eingesetzte Medikamente, bei denen sich in den letzten Jahren die medikamentösen Möglichkeiten erweitert haben. Die wichtigsten Indikationen für Antikoagulanzien stellen die Therapie und Sekundärprophylaxe venöser thrombotischer und thromboembolischer Ereignisse, die Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei Patienten mit Vorhofflimmern mit Risikofaktoren sowie die Prophylaxe von Thrombosen bei mechanischen Herzklappen und kardioembolischen Komplikationen dar. Plättchenfunktionshemmer werden ganz überwiegend zur Primär- und Sekundärprophylaxe arteriell-thrombotischer Ereignisse eingesetzt, die wichtigsten Indikationen sind die Verhinderung von Gefäßverschlüssen bei koronarer Herzkrankheit (KHK), peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) und die Vermeidung zerebraler nicht-embolischer Ischämien.
In der vorliegenden Arbeit wird eine aktuelle Übersicht über verfügbare orale Antikoagulanzien und orale Plättchenfunktionshemmer (PFH) in der Praxis gegeben. Parenterale Antithrombotika und Thrombolytika sind nicht Gegenstand dieser Arbeit.
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Orale Antikoagulation
Orale Antikoagulanzien sind Pharmaka, die über unterschiedliche Angriffspunkte die Thrombingenerierung und somit schließlich die Fibrinbildung hemmen. Derzeit stehen zwei Gruppen von oralen Antikoagulanzien zur Verfügung: Die Vitamin K-Antagonisten (VKA) und die Nicht-Vitamin K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK), bei denen wiederum die oralen Xa-Inhibitoren und die direkten oralen Thrombininhibitoren (DTI mit Hemmung des aktivierten Faktor II) zu unterscheiden sind [1] [2].
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Nicht-Vitamin K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK)
Grundlagen
Nicht-Vitamin K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) sind innovative Gerinnungshemmer, die inzwischen seit mehr als 10 Jahren im klinischen Einsatz sind. Im Gegensatz zu den VKA, die den gerinnungshemmenden Effekt indirekt durch eine Beeinflussung der Synthese von Gerinnungsfaktoren ausüben, wirken NOAK direkt spezifisch inhibierend auf aktivierte Gerinnungsfaktoren, so dass die Wirkung unmittelbar nach Einnahme eintritt; daher werden die NOAK auch als direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) bezeichnet. In Abhängigkeit von der Wirkung auf Gerinnungsfaktoren werden zurzeit zwei Gruppen von NOAK unterschieden: die oralen Faktor Xa-Inhibitoren (Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban) und die direkten oralen Thrombininhibitoren (DTI) mit dem derzeit einzigen Vertreter Dabigatran-Etexilat [1] [3].
Anders als bei den VKA werden NOAK in fixen Dosierungen verabreicht, ein therapiebegleitendes Labormonitoring sowie diätetische Maßnahmen sind im Regelfall nicht erforderlich, was als Vorteil angesehen wird. Allerdings sind für alle im klinischen Einsatz befindlichen NOAK inzwischen Labormethoden zur Spiegelbestimmung etabliert. Diese basieren auf einer Bestimmung der Anti-Faktor Xa-Aktivität bei den oralen Xa-Inhibitoren und auf einer Variante der Thrombinzeit bei den DTI; Kalibratoren sind für alle NOAK verfügbar. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit der NOAK ist bei einer Spiegelbestimmung der Abstand zwischen letzter Einnahme des Medikamentes und der Blutentnahme zur Laboruntersuchung entscheidend; etwa 2–4 Stunden nach der Einnahme liegt der höchste Medikamentenspiegel (Peak/Spitzenspiegel) vor, der Spiegel nimmt ab und erreicht sein Minimum (Talspiegel) vor der nächsten planmäßigen Einnahme [4]. Wichtige pharmakologische Eigenschaften der NOAK sind nachfolgend tabellarisch dargestellt ([Tab. 1]). Den Autoren ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass NOAK indikationsgerecht eingesetzt werden; eine reflexmäßige Umstellung der Antikoagulation von VKA durch NOAK ist zu vermeiden [5].
Dabigatran |
Rivaroxaban |
Apixaban |
Edoxaban |
|
---|---|---|---|---|
Gruppe |
direkter oraler Thrombininhibitor (DTI) |
oraler Faktor Xa-Inhibitor |
||
Prodrug |
Dabigatran-Etexilat |
Nein |
Nein |
Nein |
orale Bioverfügbarkeit |
6,5% |
80–100% |
50% |
60% |
Spitzenspiegel (Peak) nach Einnahme |
0,5–2 Stunden |
2–4 Stunden |
2–4 Stunden |
1–3 Stunden |
Halbwertszeit |
14–17 Stunden |
5–9 Stunden |
9–14 Stunden |
9–11 Stunden |
renale Elimination |
80% |
30% |
30% |
33% |
Monitoring |
dilutierte Thrombinzeit |
anti-Faktor-Xa-Aktivität (Kalibration auf jeweiliges Antikoagulans) |
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Direkte orale Thrombininhibitoren: Dabigatran-Etexilat
Der direkte orale Thrombininhibitor (DTI) Dabigatran-Etexilat befindet sich seit 2008 im klinischen Einsatz. Die initiale Zulassung erfolgte zur Antikoagulation bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern sowie zur VTE-Prophylaxe im Rahmen der Implantation einer Knie- oder Hüft-Totalendoprothese (TEP); diese Zulassung wurde später auf die Therapie und Langzeitprophylaxe der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenembolie ausgeweitet [6]. Bei Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz ist Dabigatran, ebenso wie alle anderen NOAK, kontraindiziert [7]. Die Standarddosierungen von Dabigatran-Etexilat sind tabellarisch nachfolgend dargestellt ([Tab. 2]).
Indikation |
Dosierung |
Dabigatran-Etexilat |
Rivaroxaban |
Apixaban |
Edoxaban |
---|---|---|---|---|---|
Vorhofflimmern |
Standard |
2 x 150 mg/d |
1 x 20 mg/d |
2 x 5 mg/d |
1 x 60 mg/d |
reduzierte Dosierung |
2 x 110 mg/d Indikationen: Alter > 80 Jahre und Einnahme von Verapamil, erhöhtes Blutungsrisiko, eingeschränkte Nierenfunktion (CCl 30–50 ml/min) |
1 x 15 mg/d Indikationen: eingeschränkte Nierenfunktion (CCl 15–50 ml/min) |
2 x 2.5 mg/d Indikationen: mindestens zwei der folgenden Kriterien: Alter >80 Jahre, Kreatinin > 1,5 mg/dl, Körpergewicht < 60 kg. |
1 x 30 mg/d Indikationen: eingeschränkte Nierenfunktion (CCl 15–50 ml/min), Körpergewicht < 60 kg, Kombination mit Dronedaron, Ciclosporin, Erythromycin oder Ketoconazol |
|
Venenthrombose/ Lungenembolie |
Standard |
2 x 150 mg/d |
2 x 15 mg/d über drei Wochen, dann 1 x 20 mg/d; nach sechs Monaten ggf. Reduktion auf 1 x 10 mg/d zur Langzeit-Prophylaxe |
2 x 10 mg/d für 7 Tage, dann 2 x 5 mg/d; nach sechs Monaten ggf. Reduktion auf 2 x 2.5 mg/d |
1 x 60 mg/d |
reduzierte Dosierung |
|||||
Besonderheiten |
Vorphase mit parenteralem Antikoagulans über mindestens 5 Tage erforderlich |
– |
– |
Vorphase mit parenteralem Antikoagulans über mindestens 5 Tage erforderlich |
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Orale Faktor Xa-Inhibitoren: Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban
Rivaroxaban war der erste orale Faktor Xa-Inhibitor, der in Deutschland zur Antikoagulation zugelassen wurde. Wie bei Dabigatran-Etexilat erfolgte initial eine Zulassung zur Antikoagulation bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern sowie VTE-Prophylaxe nach Hüft- und Knie-TEP, die Zulassung nachfolgend auf die Therapie und Sekundärprophylaxe venöser thrombotischer und thromboembolischer Ereignisse erweitert [8]. Bei mechanischem Klappenersatz ist Rivaroxaban aufgrund erhobener Studiendaten kontraindiziert [7]. Die Standarddosierungen für verschiedene Indikationen von Rivaroxaban sind tabellarisch aufgeführt; eine Dosisreduktion kann in bestimmten klinischen Situationen erforderlich werden ([Tab. 2]).
Apixaban war der zweite orale Faktor Xa-Inhibitor, der in Deutschland zur Antikoagulation zugelassen wurde. Eine Zulassung besteht zur Antikoagulation bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern mit Risiko, Primärprophylaxe nach Knie- und Hüft-TEP sowie zur Therapie und Sekundärprophylaxe venöser thrombotischer und thromboembolischer Ereignisse [9] [10]. Bei mechanischem Klappenersatz ist Apixaban ebenfalls aufgrund von Studiendaten kontraindiziert [7]. Die Standarddosierungen für die verschiedene Indikationen von Apixaban sind tabellarisch aufgeführt; eine Dosisreduktion ist unter bestimmten klinischen Gegebenheiten erforderlich ([Tab. 3]).
Nierenfunktion ([geschätzte] GFR) |
minimales Blutungsrisiko |
niedriges Blutungsrisiko |
hohes Blutungsrisiko |
---|---|---|---|
≥ 80 ml/min |
Durchführung des Eingriffes nach „langem Intervall“ (Talspiegel) |
≥ 24 |
≥ 48 |
50–80 ml/min |
≥ 24 |
≥ 48 |
|
30–50 ml/min |
≥ 24 |
≥ 48 |
|
15–30 ml/min |
≥ 36 |
≥ 48 |
|
< 15 ml/min |
Kontraindikation |
||
Nierenfunktion ([geschätzte] GFR) |
minimales Blutungsrisiko |
niedriges Blutungsrisiko |
hohes Blutungsrisiko |
≥ 80 ml/min |
Durchführung des Eingriffes nach „langem Intervall“ (Talspiegel) |
≥ 24 |
≥ 48 |
50–80 ml/min |
≥ 36 |
≥ 72 |
|
30–50 ml/min |
≥ 48 |
≥ 96 |
|
< 30 ml/min |
Kontraindikation |
Edoxaban war der dritte in Deutschland zugelassene Faktor Xa-Inhibitor. Eine Zulassung besteht zur Antikoagulation bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern und gleichzeitig vorliegendem Risikofaktor sowie zur Therapie und Sekundärprophylaxe venöser thrombotischer und thromboembolischer Ereignisse [11]. Das Medikament ist nicht zur postoperativen VTE Prophylaxe nach Hüft- bzw. Knie-TEP zugelassen. Bei mechanischem Klappenersatz ist Edoxaban ebenfalls kontraindiziert [7]. Die Standarddosierungen für die verschiedene Indikationen von Edoxaban sind tabellarisch aufgeführt; eine Dosisreduktion ist in bestimmten Situationen erforderlich ([Tab. 2]).
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Perioperatives Management
Kann ein Eingriff aufgrund des Blutungsrisikos nicht unter der Antikoagulation mit NOAK durchgeführt werden, so sind diese passager für den Eingriff auszusetzen. Hierbei richtet sich das Intervall zwischen letzter Einnahme und Durchführung des Eingriffes nach dem verwendeten NOAK, nach der Nierenfunktion des Patienten, dem perioperativen Blutungsrisiko sowie dem geplanten Anästhesieverfahren [12]. Aufgrund des hohen Kumulationsrisikos von Dabigatran-Etexilat bei Niereninsuffizienz ist bei Verwendung dieses NOAK ein längeres Intervall zwischen letzter Einnahme und Durchführung eines Eingriffes erforderlich. Empfohlene Abstände zwischen letzter Medikamenteneinnahme und Durchführung des Eingriffes für Dabigatran-Etexilat ([Tab. 3a]) und orale Xa-Inhibitoren ([Tab. 3b]) sind nachfolgend tabellarisch dargestellt.
Postoperativ wird die Antikoagulation dann in üblicher Dosierung frühestens 6–24 Stunden nach dem Eingriff wieder aufgenommen, insofern eine adäquate Hämostase vorliegt. Ein Bridging ist, anders als beim perioperativen Management der VKA, nicht erforderlich, insofern dieses Vorgehen eingehalten wird. In unabhängigen Untersuchungen wurde gezeigt, dass ein konventionelles Bridging mit Heparin bei NOAK-Behandlung mit einem erhöhten perioperativen Blutungsrisiko assoziiert ist [13]. Falls sich die postoperative Wiedereinstellung auf das NOAK verzögert, wird eine individuell festgelegte passagere parenterale Prophylaxe bzw. Antikoagulation, in der Regel mit einem (niedermolekularem) Heparin, erforderlich.
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Notfallmanagement
Muss der antikoagulatorische Effekt der NOAK im Falle einer Blutung oder bei dringlich erforderlichem Eingriff rasch aufgehoben werden, so stehen verschiedene Antagonisierungen zur Verfügung: Für den DTI Dabigatran-Etexilat ist mit Idarucizumab ein Antidot verfügbar, für die oralen Faktor Xa-Inhibitoren Rivaroxaban und Apixaban steht das Antidot Andexanet alfa zur Verfügung; zwar ist dies nicht zur Antagonisierung des Effektes von Edoxaban zugelassen, allerdings bestehen diesbezüglich positive Erfahrungen. Zudem ist im Notfall auch ergänzend zu allgemeinen Blutstillungsmaßnahmen eine Applikation von Prothrombinkomplexpräparaten (PPSB), aktiviertem Prothrombinkomplex (aPC) oder auch aktivierter Faktor VII („off -label“) möglich, um eine Blutstillung zu erreichen [14]. Zu betonen ist, dass man sich hier, anders als bei Antagonisierung von VKA, nicht an „Quickwert“ oder INR orientieren kann. Dabigatran-Etexilat ist dialysierbar, während die oralen Xa-Inhibitoren aufgrund der hohen Plasmaproteinbindung nicht per Dialyse eliminiert werden können. Das Notfallmanagement oraler Antikoagulanzien ist in [Tabelle 4] dargestellt. Aufgrund der Besonderheiten in der Anwendung gehören diese Antagonisierungsmaßnahmen in die Hände erfahrener Notfallmediziner bzw. Gerinnungsspezialisten.
Phenprocoumon |
Rivaroxaban |
Apixaban |
Edoxaban |
Dabigatran-Etexilat |
|
---|---|---|---|---|---|
Antidot |
--- |
Andexanet alfa |
Andexanet alfa |
Andexanet alfa (?)* |
Idarucizumab |
Hämostyptikum |
PPSB Vitamin K** |
PPSB (rFVIIa)*** |
PPSB (rFVIIa)*** |
PPSB (rFVIIa)*** |
PPSB (rFVIIa)*** |
Hämodialyse |
nein |
nein |
nein |
nein |
möglich |
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Vitamin K-Antagonisten (VKA)
Grundlagen und Pharmakologie
Vitamin K-Antagonisten (VKA) sind die klassischen oralen Antikoagulanzien und seit mehr als 60 Jahren in therapeutischem Einsatz. Die Wirkung beruht auf eine Hemmung des Enzyms Vitamin K-Epoxidreduktase (VKORC), was zu einer verminderten Bildung aktivierbarer Vitamin K-abhängig gebildeter Gerinnungsfaktoren (Faktoren II, VII, IX und X, aber auch Protein C, S und Z) und konsekutiv zu einer verminderten Fibrinbildung führt. VKA wirken nicht direkt gerinnungshemmend, der Effekt der Antikoagulation beruht auf einer hepatischen Synthesestörung von Gerinnungsfaktoren und tritt verzögert ein; es handelt sich daher bei den VKA um indirekt wirkende Antikoagulanzien [2].
Es stehen verschiedene VKA zur Verfügung, wobei in Deutschland das langwirksame Kumarinderivat Phenprocoumon (Marcumar, Falithrom) ganz überwiegend eingesetzt wird. International stellt das mittellang wirksame Warfarin („Wisconsin Alumni Research Foundation“; Coumadin) den am häufigsten eingesetzten VKA dar, in Deutschland beträgt dessen Anteil unter den VKA etwa 5%. Klinisch ist von Bedeutung, dass anders als unter Phenprocoumon keine aktiven Metaboliten von Warfarin in die Muttermilch übergehen; somit ist Warfarin im Gegensatz zu Phenprocoumon in der Stillzeit einsetzbar und induziert dann keine Gerinnungshemmung beim gestillten Kind. In manchen Ländern, etwa Frankreich, wird als VKA ganz überwiegend Fluindion eingesetzt, bei dem es sich nicht um ein Kumarinderivat handelt [2]. In den pharmakologischen Eigenschaften von Phenprocoumon und Warfarin besticht insbesondere die kürzere Halbwertzeit von Warfarin, welche klinische Relevanz haben kann ([Tab. 5]).
Phenprocoumon |
Warfarin |
|
---|---|---|
Halbwertszeit |
90–140 Stunden |
30–50 Stunden |
Abklingdauer |
7–14 Tage |
3–5 Tage |
Metabolisierung |
hepatische Metabolisierung, renale Ausscheidung inaktiver Metaboliten |
|
Monitoring |
INR-Wert |
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Anwendung von Vitamin K-Antagonisten
Vitamin K-Antagonisten (VKA) werden nicht in einer fixen Dosierung verabreicht, vielmehr ist eine individualisierte (personalisierte) Einstellung angezeigt, die sich nach dem gerinnungshemmenden Effekt ausrichtet. Dieser wird durch die den INR-Wert („international normalized ratio“) erfasst; es handelt sich um eine internationale Standardisierung der Prothrombinzeit nach Quick. Diese wiederum erfasst die Vitamin K-abhängig gebildeten Gerinnungsfaktoren II, VII und X und ist somit geeignet, den Effekt der VKA auf die plasmatische Gerinnung zu überprüfen und zu quantifizieren. Anders als die Bestimmung des Quickwertes, die methodenabhängig ist, ist die Bestimmung der INR standardisiert, so dass die in verschiedenen Laboratorien gemessenen INR-Werte vergleichbar sind. Ein Monitoring der Antikoagulation mit VKA über den Quickwert sollte nicht erfolgen [2].
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Monitoring der Antikoagulation
Grundsätzlich sind verschiedene Methoden zur INR-Bestimmung verfügbar, die zum Therapiemonitoring unter VKA obligat sind: Im konventionellen Management erfolgt die INR-Bestimmung nach intravenöser Blutentnahme im Labor; der Patient stellt sich hierfür in regelmäßigen Intervallen sowie bei Bedarf beim betreuenden Arzt vor, der nach der INR-Bestimmung dann die Dosierung des VKA für den Patienten festlegt [2]. Alternativ zur Laborbestimmung ist eine Ermittlung der INR-Werte durch patientennahe Testung mit „Point-of-Care“-Geräten (POCT) möglich, hierfür ist eine Kapillarblutentnahme aus der Fingerbeere ausreichend und eine Blutentnahme entfällt; der INR-Wert steht sehr zeitnah zur Verfügung, was das Prozedere deutlich vereinfacht, da kein Probentransport ins Labor und keine Befundübermittlung von Labor an den betreuenden Arzt mehr erfolgen müssen. Abgesehen von der professionellen Anwendung können POCT-Gerinnungsmonitore auch durch den antikoagulierten Patienten eingesetzt werden, wobei grundsätzlich zwei Methoden zu unterscheiden sind: Im „Patient-Self-Testing“ [PST] führt der Patient nach entsprechender Einweisung selbst die INR-Bestimmungen durch und kommuniziert die Ergebnisse an den betreuenden Arzt, der dann die Antikoagulanzien-Dosierung festlegt; dieses Verfahren ist in Deutschland unüblich. Im Gegensatz dazu erfolgen beim „Patient-Self-Management“ [PSM] nicht nur die INR-Bestimmung, sondern auch das komplette Management der Antikoagulation durch den Patienten. Im Regelfall bestimmt der Patient hierbei einmal wöchentlich seinen INR-Wert selbst und passt die Dosis des VKA dementsprechend an; der betreuende Arzt steht bei Problemen die Antikoagulation betreffend hilfreich zur Seite, ansonsten wird das Management der Antikoagulation durch den Patienten selbst übernommen. Für die Durchführung des INR-Selbstmanagements muss der Patient intellektuell und körperlich geeignet sein, eine Patientenschulung ist für das PSM unerlässlich und stellt die Voraussetzung für eine Kostenübernahme des PSM durch die Krankenkassen dar. In Deutschland besteht für Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz ein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme des PSM durch die Krankenkassen. In allen anderen Szenarien können ggf. die Kosten durch die Krankenkasse übernommen werden, wenn rechtfertigende Umstände vorliegen (z. B. schlechte Venenverhältnisse, die das konventionelle Management erschweren); dies wird nach Antrag durch die Krankenkasse entschieden. Der Benefit im Hinblick auf INR-Einstellungsqualität und Outcome des Patienten unter PSM wurde in Studien nachgewiesen [15] [16].
Der anzustrebende INR-Zielbereich ist indikationsabhängig, liegt jedoch für die meisten Indikationen zwischen 2.0–3.0, in Hochrisikokonstellationen (u. a. einige mechanische Herzklappen in Mitralklappenposition) kann auch eine stärkere Gerinnungshemmung erforderlich sein, so dass ein höherer INR-Zielbereich, z. B. von 2.5–3.5, erforderlich ist. Die Antikoagulation mit einem VKA wird mit einer Aufsättigung mit Verabreichung höherer Dosierungen (z. B. 9 mg Phenprocoumon an Tag 1 und 2, 6 mg Phenprocoumon an Tag 3) begonnen. Nach Erreichen des INR-Zielbereiches wird die Erhaltungsdosis ermittelt, die benötigt wird, den INR-Wert im Zielbereich zu halten; üblich sind Erhaltungsdosen von 1.5–3 mg Phenprocoumon täglich. Dies kann jedoch erheblich zwischen 6–30mg/Woche Gesamtdosis variieren. In Analogie zur Insulintherapie des Diabetes erfolgt hier also eine Biomarker-(INR)-abhängige Behandlung in personalisierter Form und widerspiegelt, wie erfolgreich im Outcome, aber auch aufwändig eine solche Behandlungsstrategie sein kann.
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Zulassungsstatus
Für VKA besteht eine „historisch“ breite Zulassung zur Prophylaxe und Therapie thrombotischer Ereignisse im venösen und arteriellen Bereich [2]. Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind die Antikoagulation bei Vorhofflimmern, wobei im Unterschied zu NOAK die VKA auch bei Patienten mit valvulärem Vorhofflimmern zugelassen sind, zur Antikoagulation bei Patienten mit venösen thrombotischen/ thromboembolischen Ereignissen sowie die Antikoagulation bei Patienten mit mechanischem Herzklappenersatz; in letztgenannter Indikation sind VKA bis heute alternativlos, da alle NOAK bei Vorhandensein einer mechanischen Herzklappe kontraindiziert sind [7].
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Perioperatives Management – Bridging
Bei kleinen Eingriffen mit sehr niedrigem Blutungsrisiko kann ggf. die orale Antikoagulation perioperativ fortgeführt werden; hier ist das Blutungsrisiko deutlich geringer einzuschätzen als das thrombotische bzw. thromboembolische Risiko bei Aussetzen der Antikoagulation. Beispielhaft seien kleine dermatologische Eingriffe, einfache Zahnextraktionen sowie Katarakt-Operationen genannt. Optimalerweise sollte der INR-Wert bei diesen Eingriffen im unteren Zielbereich eingestellt werden.
Eingriffe mit relevantem Blutungsrisiko können hingegen nicht unter oraler Antikoagulation mit einem VKA durchgeführt werden. Etwa 7–10 Tage vor dem jeweiligen Eingriff ist der VKA auszusetzen, damit die Wirkung abklingen kann; der Eingriff kann dann bei einem INR-Wert von ≤ 1.4 durchgeführt werden. Bei Aussetzen der oralen Antikoagulation ist dann zu entscheiden, ob eine medikamentöse Thromboseprophylaxe oder gar ein „Bridging“ der oralen Antikoagulation mit einem parenteralen Antikoagulans in therapeutischer Dosis erforderlich ist. Hierfür ist das thrombotische bzw. thromboembolische Risiko bei Aussetzen der Antikoagulation maßgeblich. Bei geringem Risiko ist es durchaus möglich, die Antikoagulation passager über 7–10 Tage auszusetzen, ohne ein „Bridging“ durchzuführen; in diesem Fall wird lediglich eine allgemein übliche medikamentöse Thromboseprophylaxe, in der Regel mit einem niedermolekularem Heparin (NMH) durchgeführt, insofern eine medikamentöse Thromboseprophylaxe für den entsprechenden Eingriff grundsätzlich empfohlen wird. Bei intermediärem oder hohem thrombotischen bzw. thromboembolischen Risiko ist hingegen eine höherdosierte parenterale Antikoagulation bei Unterschreiten des INR-Zielbereiches nach Aussetzen des VKA erforderlich; bei intermediärem Risiko wird eine halbtherapeutische Dosierung des parenteralen Antikoagulans, bei hohem Risiko ein „Bridging“ mit volltherapeutischer Dosierung des parenteralen Antikoagulans empfohlen. Vor dem Eingriff wird das parenterale Antikoagulans bei therapeutischer Dosierung 24 Stunden vor dem Eingriff pausiert. Postoperativ wird die parenterale Antikoagulation wieder aufgenommen, in der Regel nach sechs Stunden, insofern eine adäquate Hämostase vorliegt. Die orale Antikoagulation mit VKA wird dann durch Verabreichung von Aufsättigungsdosen begonnen; die parenterale Antikoagulation kann beendet werden, wenn der INR-Zielbereich wieder erreicht ist [2]. Unabhängig von diesen generellen Empfehlungen, erfordern die speziellen Thrombose- und Blutungsrisiken der unterschiedlichen Eingriffe aber auch die zur Anwendung kommenden Anästhesieverfahren differenzierte Vorgehensweisen [17].
Bzgl. des Vorgehens hinsichtlich der Antikoagulation bei Eingriffen in der Rheumatologie existieren derzeit weder für VKA noch für NOAK einheitliche Empfehlungen. Das Vorgehen ist abhängig von der Erfahrung des durchführenden Arztes sowie vom angenommenen Blutungsrisiko im Rahmen des jeweiligen Eingriffes; dieses ist bei Gelenk- und Pleurapunktionen zumeist niedrig, bei Leber- und Nierenpunktionen sowie arteriellen Punktionen deutlich höher.
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Notfallmanagement
Im Falle einer Blutung oder eines dringend erforderlichen Eingriffes muss ggf. der antikoagulatorische Effekt der Antikoagulation mit VKA rasch aufgehoben werden. Grundsätzlich stehen hierfür einerseits Prothrombinkomplexpräparate (PPSB), die die Vitamin K-abhängig gebildeten Gerinnungsfaktoren (II, VII, IX und X) enthalten, sowie Vitamin K1 zur Verfügung. Der Effekt von PPSB tritt unmittelbar nach der Applikation ein, ist jedoch nicht lange anhaltend. Hingegen tritt der Effekt von Vitamin K1 verzögert ein, bei intravenöser Gabe nach ca. 6 Stunden, nach peroraler Gabe erst nach ca. 12–24 Stunden. Im Rahmen des Notfallmanagements hat es sich daher bewährt, PPSB und Vitamin K1 in Kombination einzusetzen; hierbei kommt es rasch zu einer Normalisierung der INR-Werte, der Effekt hält durch die gleichzeitige Gabe von Vitamin K1 lange an. Im Falle einer Vitamin K1-Applikation kann die erneute Einstellung auf eine orale Antikoagulation mit VKA erschwert sein und es können höhere als übliche Aufsättigungsdosen erforderlich werden [14]. Eine Übersicht über das Notfallmanagement unter oralen Antikoagulanzien findet sich im [Tabelle 4].
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Vitamin K-Antagonisten: Spezielle Risiken (Atherosklerose, Osteoporose)
Vitamin K Antagonisten blockieren sowohl den Metabolismus von Vitamin K1 als auch K2. Während K1 für die hepatische Synthese von Gerinnungsfaktoren von Bedeutung ist, reduziert K2 unter anderem das Risiko für das Auftreten von Gefäßkalzifikationen. Daher muss ein erhöhtes Atheroskleroserisiko unter jahrelanger VKA Therapie berücksichtigt werden, welches jedoch deutlich niedriger ist als der Nutzen einer therapeutischen Antikoagulation.
Andererseits wurde durch hereditäre GGCX-Genmutationen im Vitamin K-Epoxidreduktase- Multiproteinkomplex (VKOR), die in einigen Familien auftraten nicht nur deutlich, dass die Synthese von Gerinnungsfaktoren vermindert ist, sondern dass die Patienten auch im Phänotyp Hinweise auf eine gestörte Knorpel- und Knochenbildungen aufwiesen [18]. In dem Zusammenhang übereinstimmend sind Berichte französischer Kollegen, dass eine langfristige Therapie mit VKA auch zu einer Akzeleration der Osteoporose [19] bei bestimmten Haplotypen der VKORC1 führt [20]. Allerdings ist hier ungeklärt, inwieweit ein unterschiedlicher Vitamin K1 versus K2 Stoffwechsel eine Rolle spielt. Ggf. sollte unter langjähriger Einnahme von VKA eine Osteoporoseprophylaxe großzügig durchgeführt werden.
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Differenzialtherapeutische Aspekte der Therapie mit Antikoagulanzien
Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern, Therapie und Sekundärprophylaxe nach tiefer Venenthrombose und/oder Lungenembolie sowie mechanischer Herzklappenersatz stellen die häufigsten Indikationen für eine orale Antikoagulation dar.
Patienten mit neu diagnostiziertem nicht-valvulärem Vorhofflimmern und oberhalb des CHA2DS2Vasc Score von 1 sollten nach Möglichkeit dauerhaft mit einem NOAK antikoaguliert werden, in begründeten Ausnahmefällen mit einem VKA (siehe sonstige differenzialtherapeutische Aspekte). Hingegen sind NOAK bei valvulärem Vorhofflimmern, welches als Vorhofflimmern im Rahmen einer Mitralstenose definiert ist, nicht zugelassen; betroffene Patienten sind daher mit VKA zu antikoagulieren. Eine vorbestehende Antikoagulation mit VKA bei Patienten mit Vorhofflimmern kann bei guter INR-Einstellung und Verträglichkeit belassen werden [21].
Auch bei Patienten mit venösen thrombotischen Ereignissen und/oder Lungen-arterienembolie wird heute in der Regel eine Antikoagulation mit einem NOAK durchgeführt [22]. Die Antikoagulationsdauer ist von zahlreichen Faktoren und dem sich daraus ergebenden Rezidivrisiko abhängig. Grundsätzlich wird bei provozierten bzw. getriggerten Ereignissen eine passagere Antikoagulation durchgeführt, während bei spontanen und wiederholten schwerwiegenden Ereignissen eine langfristige Antikoagulation angezeigt ist [22]. Bei Ereignissen mit unklarem Auslöser, atypischen und wiederholten Ereignissen kann eine Thrombophilie-Diagnostik hilfreich sein, um die optimale Antikoagulationsdauer festzulegen. Zu berücksichtigen ist, dass sich in diesem Kontext die Zulassung von NOAK auf tiefe Venenthrombosen der Extremitäten und Lungenembolien beschränkt, während NOAK nicht explizit zur Antikoagulation bei oberflächlichen Venenthrombosen (Thrombophlebitiden) und Muskelvenenthrombosen zugelassen sind. Des Weiteren besteht formal keine Zulassung der NOAK bei venösen Thrombosen anderer Lokalisationen (atypische Thrombosen), etwa Sinusvenenthrombosen, Augenvenenthrombosen und viszeralen Thrombosen wie Pfortader- oder Milzvenenthrombosen. Hingegen besitzen die VKA eine breite Zulassung zur Prophylaxe und Therapie jeglicher thrombotischer Ereignisse. Eine Sondersituation ist die Indikation von VKA beim Hochrisiko-Antiphospholipidsyndrom (APLS), bei dem NOAK sowohl bezüglich des Nutzen als auch der Wirksamkeit unterlegen sind [23]. Noch ungeklärt ist bisher der Stellenwert der NOAK bei Niedrigrisiko-APLS als auch dem in einem deutschen Expertengremium vorgeschlagenem „Intermediate Risk APS“ [24]. Das besagte Gremium hält den Einsatz von NOAK außerhalb der „High-Risk-Konstellation“ zumindest für möglich.
Ungeachtet der Zulassungssituation werden heute NOAK in vielen Fällen gegenüber VKA auch zur Antikoagulation bei nicht-zugelassenen Indikationen bevorzugt. Ausdrücklich besteht keine Indikation für die NOAK zur VTE-Prophylaxe mit Ausnahme nach Hüft- und Knie-TEP, insbesondere da weder Nutzen noch Risiken gegenüber einer konventionellen parenteralen Prophylaxe mit Heparinen oder Fondaparinux belegt sind; dies gilt insbesondere auch für die Thromboseprophylaxe im nicht-operativen Fachgebiet [25].
Bei Patienten mit mechanischem Klappenersatz sind alle verfügbaren NOAK kontraindiziert. Diese Patienten sind lebenslang mit einem VKA zu antikoagulieren, wobei sich der angestrebte INR-Zielbereich an Art und Lokalisation der implantierten Herzklappe und Vorliegen anderer Risikofaktoren orientiert. Diesbezüglich wird auf weiterführende Literatur verwiesen [7].
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Orale Plättchenfunktionshemmung
Orale Plättchenfunktionshemmer (PFH)
Als orale Plättchenfunktionshemmer (PFH) stehen aktuell Acetylsalicylsäure (ASS), die Thienopyridine Clopidogrel und Prasugrel sowie Ticagrelor zur Verfügung. Die häufige Bezeichnung dieser Medikamente als „Thrombozytenaggregationshemmer“ ist sachlich inkorrekt; es handelt sich nicht um Hemmer der Thrombozytenaggregation, vielmehr wird die Aktivierbarkeit der Thrombozyten durch bestimmte Aktivatoren herabgesetzt. Eine tabellarische Übersicht findet sich in [Tabelle 6].
Acetylsalicylsäure (ASS) |
Clopidogrel |
Prasugrel |
Ticagrelor |
|
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Substanzgruppe |
Salicylat |
Thienopyridin |
Cyclopentyltriazolopyrimidin |
|
Wirkungsmechanismus |
Hemmung der Synthese von TXA2 durch COX-1-Hemmung |
irreversible Blockade des thrombozytären ADP-Rezeptors P2Y12 |
reversible Blockade des thrombozytären ADP-Rezeptors P2Y12 |
|
Standarddosierung |
100 mg/d |
75 mg/d |
10 mg/d |
2 x 90 mg/d |
Anwendung |
Monoprophylaxe oder DAPT* |
Monoprophylaxe oder DAPT in Kombination mit ASS |
DAPT in Kombination mit ASS |
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Acetylsalicylsäure (ASS)
Acetylsalicylsäure (ASS), häufig auch im nationalen und internationalen Sprachgebrauch nach dem Handelsnahmen der Bayer AG als Aspirin bezeichnet, ist seit vielen Jahrzehnten im therapeutischen Einsatz. Der antithrombozytäre Effekt beruht auf einer Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase 1 (COX-1) in Thrombozyten, was zu einer verminderten Bildung des plättchenaktivierenden Thromboxan A2 (TXA2) führt. Hierdurch kommt es zu einer verminderten Aktivierbarkeit der Thrombozyten bzw. zu einer Thrombozytenfunktionshemmung [26].
Der thrombozytenfunktionshemmende Effekt von ASS lässt sich bereits bei niedrigen ASS-Dosierungen von 30–50 mg/d nachweisen, während andere ASS-Effekte wie die analgetische und antiphlogistische Wirkung sich erst bei höheren ASS-Dosierungen einstellen. Zur Thrombozytenfunktionshemmung werden üblicherweise ASS-Dosierungen von 100 mg/d eingesetzt, manche Studienerfahrungen bzw. Leitlinien – etwa zum Einsatz von ASS zur Prophylaxe der Präeklampsie bei Schwangeren – empfehlen eine höhere Dosierung von 150 mg/d. Grundsätzlich ist das Ansprechen auf ASS zur Thrombozytenfunktionshemmung interindividuell sehr unterschiedlich, wobei neben einer gestörten Resorption bzw. verminderten Aufnahme von ASS verschiedene Mechanismen beschrieben wurden; bei etwa 30% der Patienten, die ASS zur Prophylaxe einnehmen, findet sich eine verminderte Wirkung. Das Ansprechen auf ASS lässt sich pharmakologisch durch eine Bestimmung des TXA2-Spiegels, der bei effektiver ASS-Wirkung supprimiert ist, nachweisen. In manchen Fällen ist allerdings trotz Suppression von TXA2 keine Hemmung der Plättchenfunktion, erfassbar über die reduzierte Aggregation der Thrombozyten nach Stimulation mit Arachidonsäure in der Aggregometrie nach Born (Licht-Transmissions-Aggregometrie [LTA]) oder in der Impedanz-Aggregometrie, nachweisbar [27] [28]. In diesem Fall kommt es trotz verminderter TXA2-Bildung nicht zur einer Plättchenfunktionshemmung, da der Effekt durch andere Mechanismen überkompensiert wird; in diesem Falle spricht man von einer Pseudoresistenz. Resistenzen gegenüber ASS lassen sich häufig durch eine Dosissteigerung überwinden. Alternativ ist eine Umstellung auf ein anderes Medikament möglich.
ASS wird zur Monoprophylaxe zur Primär- und Sekundärprophylaxe arteriell-thrombotischer Ereignisse eingesetzt. Zudem wird es im Rahmen einer dualen Plättchenfunktionshemmung („dual antiplatelet treatment“ [DAPT]) in Kombination mit den Thienopyridinen Clopidogrel und Prasugrel oder in Kombination mit Ticagrelor eingesetzt. Hierzu wurden kürzlich für unterschiedliche Revaskularisierungsstrategien und die nachfolgende Behandlung aktuelle Empfehlungen veröffentlicht [29].
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Thienopyridine
Thienopyridine blockieren den ADP-Rezeptor P2Y12 der Thrombozyten irreversibel. Heute werden Clopidogrel als Präparat der 2. Generation und Prasugrel als Präparat der 3. Generation eingesetzt; Ticlopidin, Thienopyridin der 1. Generation wird aufgrund des Nebenwirkungspotenzials, insbesondere hämatologischer Nebenwirkungen, heute nicht mehr eingesetzt.
Clopidogrel kann zur Monoprophylaxe oder in Kombination mit ASS zur DAPT eingesetzt werden. Prasugrel ist nur in Kombination mit ASS zur DAPT zugelassen und die Anwendungsdauer ist auf den Zeitraum von einem Jahr beschränkt. Bei Einsatz von Clopidogrel und Prasugrel im Rahmen der DAPT wird initial eine Aufsättigungsdosis verabreicht und dann die Medikation in einer täglichen Erhaltungsdosis fortgeführt. Die Standarddosierung von Clopidogrel beträgt 1 x 75 mg/d, die Standarddosierung von Prasugrel 10 mg/d; im Falle von erhöhter Blutungsrisiken wird eine reduzierte Dosis von 5 mg/d verabreicht.
Die Wirkung von Clopidogrel und Prasugrel ist interindividuell unterschiedlich, wobei insbesondere für das Prodrug Clopidogrel pharmakogenetisch bedingte Cytochrom (CYP) 2D-Varianten zu sogenannten „low metabolizern“ mit eingeschränkter Wirkung führen können. Unter Einnahme von Clopidogrel in Standarddosierung zeigte sich in Studien in ca. 20–30% der Fälle eine eingeschränkte Wirkung im Sinne einer sog. Clopidogrelresistenz; unter Prasugrel – welches nicht als Prodrug gegeben wird – ist die Resistenzrate deutlich geringer. Der Effekt von Prasugrel und Clopidogrel lässt sich aggregometrisch durch Inhibition der ADP-induzierten Plättchenaggregation in der Aggregometrie erfassen. An eine Resistenz ist insbesondere auch dann zu denken, wenn trotz adäquater Durchführung einer DAPT nach Gefäßintervention unerklärlicherweise (erneut) vaskuläre Ereignisse auftreten [30]. Allerdings ist eine kombinierte Resistenz von ASS und Clopidogrel extrem selten [27].
Ticagrelor
Wie die Thienopyridine so blockiert auch Ticagrelor den ADP-Rezeptor P2Y12 der Thrombozyten, allerdings ist diese Blockade anders als bei Thienopyridinen reversibel. Ticagrelor ist zur Therapie beim akuten Koronarsyndrom zugelassen und wird ausschließlich in Kombination mit ASS im Rahmen einer DAPT eingesetzt. Relevante Nebenwirkungen sind das Auftreten von Dyspnoe, häufig selbst limitierend, sowie das Auftreten bradykarder Herzrhythmusstörungen. Gelegentlich kann es zu einer Gynäkomastie kommen. Die Standarddosierung beträgt 2 x 90 mg/d [31].
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Perioperatives Management
Beim perioperativen Management von Plättchenfunktionshemmern ist in besonderer Weise das vaskuläre Risiko von Patienten zu beachten. Gerade eine DAPT wird zumeist bei Patienten mit hohem vaskulärem Risiko, insbesondere auch nach koronarer Stentimplantation durchgeführt. Bei frühem Aussetzen der DAPT besteht in diesem Patientenkollektiv ein erhebliches Risiko für einen Stentverschluss, ein koronares Ereignis sowie einen kardialen Tod. Die Unterbrechung der DAPT zu einem kritischen Zeitraum ist daher nach Möglichkeit unbedingt zu vermeiden. Elektive Eingriffe sind nach Möglichkeit zu verschieben, bis keine DAPT mehr erforderlich ist. Müssen Eingriffe dringlich durchgeführt werden und sind unaufschiebbar, müssen die Eingriffe ggf. unter Inkaufnahme des erhöhten Blutungsrisikos unter laufender DAPT durchgeführt werden. Bei einer Monoprophylaxe mit ASS oder Clopidogrel ist zu entscheiden, ob diese Prophylaxe in der individuellen Situation ausgesetzt werden kann oder beibehalten muss. Hierfür ist stets eine Abstimmung des Operateurs mit den betreuenden Kardiologen oder Angiologen erforderlich. Im Falle eines Aussetzens von Plättchenfunktionshemmern wird das Abklingen der Wirkung von der Zirkulationsdauer der Thrombozyten bestimmt, ein völliges Abklingen des Effektes ist ca. 10 Tage nach Aussetzen der Plättchenfunktionshemmer zu erwarten. Bei Patienten mit koronaren Stents sollte nach Möglichkeit perioperativ die Einnahme von mindestens ASS beibehalten werden, eine Unterbrechung muss durch ein substanzielles Blutungsrisiko begründet werden [32] [33].
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Notfallmanagement
Der Effekt der genannten Plättchenfunktionshemmer, abgesehen von Ticagrelor, ist irreversibel. Der Effekt klingt erst nach 7–10 Tagen ab, wenn die irreversibel gehemmten Thrombozyten durch neu gebildete Thrombozyten ersetzt werden.
Antidota, welche die Plättchenfunktionshemmung unmittelbar aufheben, sind nicht verfügbar. Im Falle von schwerwiegenden Blutungen unter Plättchenfunktionshemmung sind somit zunächst allgemeine Maßnahmen zur Blutungskontrolle durchzuführen, wie lokale Blutstillung und Stabilisierung des Patienten. Eingesetzt werden können Antifibrinolytika wie Tranexamsäure sowie das Vasopressin-Analogon Desmopressin (DDAVP); es handelt sich nicht um eine kausale Intervention, vielmehr um eine allgemeine prohämostatische bzw. hämostyptische Behandlung. Ultima ratio bei schweren Blutungen ist die Gabe von Thrombozytenkonzentraten, wobei berücksichtigt werden muss, dass auch transfundierte Thrombozyten durch die (noch) verfügbaren Plättchenfunktionshemmer inhibiert werden können [32] [33].
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Differenzialtherapie mit Plättchenfunktionshemmern
Grundsätzlich werden Plättchenfunktionshemmer (PFH) zur Monoprophylaxe oder in Form einer DAPT eingesetzt.
Monoprophylaxe
Eine Monoprophylaxe kann entweder mit ASS oder Clopidogrel durchgeführt werden, hingegen sind Prasugrel und Ticagrelor nur zur DAPT in Kombination mit ASS zugelassen. Die Monoprophylaxe kommt zur Prophylaxe arteriell-thrombotischer Ereignisse zum Einsatz, wobei die Primärprophylaxe bei Patienten ohne abgelaufenes Ereignis aber mit ausgeprägtem kardiovaskulärem Risikoprofil sowie die Sekundärprophylaxe bei Patienten mit abgelaufenem arteriell-thrombotischem Ereignis zu unterscheiden sind. Insgesamt wird das Rezidivrisiko für arteriell-thrombotische Ereignisse durch eine Sekundärprophylaxe mit ASS um etwa 20–30% reduziert. Zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern sowie zur Rezidivprophylaxe nach venösen thrombotischen und thromboembolischen Ereignissen ist eine Monoprophylaxe mit Plättchenfunktionshemmer nicht indiziert.
In der CAPRIE-Studie („Clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events“) zeigte sich unter Medikation mit Clopidogrel (75 mg/d) im Vergleich zu ASS (325 mg/d) nach einer Therapiedauer von 1–3 Jahren bei Risikopatienten eine relative Risikoreduktion für den primären kombinierten Endpunkt von Herzinfarkt, Schlaganfall und vaskulärem Tod um 8,7% (Ereignisrate 5,32% unter Clopidogrel vs. 5,83% unter ASS) [34] [35]. Allerdings ergab sich in der Subgruppenanalyse lediglich ein Benefit für Patienten mit symptomatischer peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), wobei die Amputationsraten sich unter Clopidogrel und ASS nicht relevant unterschieden. Für Patientengruppen mit Herzinfarkt oder Schlaganfall ergab sich kein Vorteil durch Einsatz von Clopidogrel anstelle von ASS. Eine Monoprophylaxe wird heute daher zumeist mit ASS durchgeführt; Indikationen für eine Medikation mit Clopidogrel statt ASS können eine symptomatische pAVK oder eine Unverträglichkeit gegenüber ASS, insbesondere Pseudoallergie gegenüber ASS mit asthmatischen Beschwerden, sein. Bei einem vaskulären Ereignis unter Medikation mit ASS kann neben anderen therapeutischen Optionen auch eine Umstellung von ASS auf Clopidogrel erwogen werden.
Unlängst wurde der hohe Nutzen einer Kombination von ASS und Nicht-Vitamin K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) in niedriger Dosierung für Hochrisikopatienten mit arteriosklerotischer Gefäßerkrankung belegt: In der COMPASS-Studie („Cardiovascular Outcomes for People Using Anticoagulation Strategies“) zeigte sich bei Kombination von ASS 100 mg/d mit Rivaroxaban 2 x 2,5 mg täglich eine deutliche Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse, wobei das Risiko für Schlaganfälle (0,5% vs. 0,8%/Jahr) sowie die kardiovaskuläre Sterblichkeit (0,9% vs. 1,2%) signifikant reduziert wurden. Schwerwiegende Blutungen traten zwar unter der Kombinationstherapie auf, allerdings waren tödliche Blutungskomplikationen insgesamt sehr selten (0,09% vs. 0,06%). Somit zeigt sich insgesamt ein überwiegender Nutzen der Kombinationsbehandlung mit Rivaroxaban und ASS bei Risikopatienten mit arteriosklerotischer Gefäßerkrankung [36].
Neben der Prophylaxe arteriell-thrombotischer Ereignisse werden Plättchenfunktionshemmer mit unterschiedlicher Evidenzlage und Empfehlungsgrad auch für andere Indikationen häufig eingesetzt: Hierzu zählt die Prophylaxe einer Präeklampsie bei Risikopatientinnen im Rahmen einer Schwangerschaft (Dosierung in der Regel 150 mg/d, Beginn vor der 16. SSW, Beendigung in der 32. SSW) sowie die Rezidivprophylaxe nach Augenvenenthrombose, wobei dies umstritten und die Datenlage nicht eindeutig ist. Beim Antiphospholipidsyndrom (APLS) wird eine Plättchenfunktionshemmung häufig zusätzlich zu einer oralen Antikoagulation – insbesondere nach Rezidivereignissen – durchgeführt [23]; hierauf wird in einem anderen Beitrag in diesem Heft gesondert eingegangen. Wenngleich hochkarätig publizierte Studien (WARFASA und ASPIRE) eine Reduktion des Rezidivrisikos nach spontanen Venenthrombosen durch ASS gegenüber Placebo gezeigt haben [37], spielt heute eine Plättchenfunktionshemmung – abgesehen von begründeten Einzelfällen – keine Rolle zur Rezidivprophylaxe nach venösen thrombotischen Ereignissen. Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit Plättchenfunktionshemmern, etwa im Rahmen von Langstreckenreisen, ist nicht indiziert. Dennoch sieht die aktuelle S3-Leitlinie zur Prophylaxe von VTEs keine Kontraindikation für ASS 100 mg/d im Rahmen einer VTE-Prophylaxe. Unbestritten liegt jedoch eine höhere Wirksamkeit von prophylaktischem Heparin gegenüber ASS 100 mg/d in der VTE-Prophylaxe vor.
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Duale Plättchenfunktionshemmung (DAPT)
Eine DAPT wird durch Kombination von ASS (100 mg/d) und Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor durchgeführt. Eine DAPT erfolgt bei Hochrisikopatienten für arteriell-thrombotische Ereignisse, insbesondere bei Patienten nach koronarer Stentimplantation, Verschluss eines persistierenden Foramen ovale (PFO) oder nach akutem Koronarsyndrom (ACS) bzw. nach perkutaner Koronarintervention (PCI). Auch Hochrisikopatienten mit arteriosklerotischen Erkrankungen, insbesondere auch peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK), können von einer DAPT profitieren. Zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern sowie zur Rezidivprophylaxe nach venösen thrombotischen und thromboembolischen Ereignissen ist eine DAPT nicht indiziert [29].
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Clopidogrel
Eine DAPT mit Kombination von Clopidogrel (initial einmalig 600 mg, dann 75 mg/d) und ASS ist indiziert nach Implantation eines koronaren Stents bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK), wobei die DAPT nach Implantation eines „Bare-Metal-Stents“ (BMS) über 4 Wochen und nach Implantation eines „Drug-Eluting-Stents“ (DES) in der Regel über einen Zeitraum von 6–12 Monaten durchgeführt wird. Zudem wird Clopidogrel bei Patienten eingesetzt, bei denen eine Kontraindikation für Prasugrel und Ticagrelor besteht. Analog kann diese Form der DAPT auch nach Stentimplantationen in anderer Lokalisation durchgeführt werden, etwa nach Stentimplantation im Bereich der unteren Extremität bei pAVK. Bei Patienten mit NSTEMI, die eine thrombolytische Therapie erhalten, wird eine Behandlung mit Clopidogrel 75 mg/d nach initialer Aufsättigungsdosis von 300 mg empfohlen [38].
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Prasugrel
Prasugrel ist in Kombination mit ASS zur DAPT zugelassen zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS), bei denen eine primäre oder verzögerte Koronarintervention (PCI) durchgeführt wird. In der Zulassungsstudie, TRITON-TIMI 38, zeigte sich eine Überlegenheit von Prasugrel/ASS gegenüber Clopidogrel/ASS in Hinblick auf Reduktion des primären kombinierten Endpunktes von kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Herzinfarkt und nicht-tödlichem Schlaganfall, allerdings traten schwerwiegende Blutungen bei Einsatz von Prasugrel bei Patienten mit einem Alter von über 75 Jahren und/oder einem Körpergewicht von unter 60 kg signifikant häufiger auf als unter Clopidogrel [39] [40]. Bei diesen Patienten wird in der Regel eine Behandlung mit Prasugrel nicht empfohlen; wird diese dennoch durchgeführt, so wird nach einer einmaligen Initialdosis von 60 mg eine reduzierte Erhaltungsdosis von 5 mg/d verabreicht. Bei Patienten mit einem Alter unter 75 Jahren und einem Körpergewicht von über 60 kg waren schwerwiegende Blutungen unter Prasugrel nicht häufiger als unter Clopidogrel; hier wird nach einer einmaligen Aufsättigungsdosis von 60 mg eine tägliche Dosis von 10 mg Prasugrel verabreicht. Bei Patienten mit ACS, die sich einer PCI unterziehen müssen, wird eine DAPT mit Prasugrel und ASS empfohlen, insofern kein hohes Risiko für lebensbedrohliche Blutungen und keine sonstigen Kontraindikationen vorliegen. Eine Kontraindikation für Prasugrel besteht bei abgelaufenem Schlaganfall bzw. einer abgelaufenen transitorisch-ischämischen Attacke (TIA), einer aktiven pathologischen Blutung sowie einer schweren Leberfunktionsstörung [41].
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Ticagrelor
Ticagrelor ist, abgesehen von begründeten Ausnahmefällen in Kombination mit ASS 75–150 mg/d, für die duale Plättchenfunktionshemmung bei akutem Koronarsyndrom (ACS) zugelassen; hierbei wird in der Regel eine einmalige Initialdosis von 180 mg verabreicht, gefolgt von einer Applikation von 2 x 90 mg/d über ein Jahr. Des Weiteren ist eine DAPT mit Ticagrelor für Patienten mit abgelaufenem Myokardinfarkt und hohem Risiko für die Entwicklung eines atherothrombotischen Ereignisses zugelassen; die empfohlene Dosierung beträgt dann 2 x 60 mg/d. Neben dem zu beachtenden Blutungsrisiko stellen Dyspnoe und Bradykardien mögliche relevante Nebenwirkungen von Ticagrelor dar, die zu beachten sind [31]. In der PLATO-Studie („study of platelet inhibition and patient outcomes”) zeigte sich eine Überlegenheit der Medikation mit Ticagrelor gegenüber Clopidogrel im Hinblick auf den primären kombinierten Wirksamkeitsendpunkt von Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod; während schwere Blutungen in beiden Gruppen gleich häufig waren, traten nicht Bypass-bezogene Blutungen unter Ticagrelor häufiger auf [42]. Alle Patienten mit ACS sollten eine DAPT mit ASS und Ticagrelor über einen Zeitraum von einem Jahr erhalten.
Eine suffiziente DAPT trägt ein Blutungsrisiko vergleichbar mit einer VKA-Therapie im INR 2–3. Die aktuellen ESC Empfehlungen hinsichtlich der DPT betonen ausdrücklich eine Orientierung der Behandlung am Blutungsrisiko [43]. In dem Zusammenhang ist bei eintretenden Hinweisen auf Blutungen eine Therapiedeeskalation zu prüfen, ohne dass per se mit einem Wirksamkeitsverlust zu rechnen ist. Die Empfehlungen zur dualen Plättchenfunktionshemmung bei akutem Koronarsyndrom (ACS) oder nach perkutaner Koronarintervention befinden sich ständig im Fluss; diesbezüglich ist auf aktuelle Leitlinien und Empfehlungen zu verweisen [29].
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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25. Juli 2022
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Germany
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