Nervenheilkunde 2022; 41(09): 617
DOI: 10.1055/a-1824-7897
Gesellschaftsnachrichten

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Tom Bschor
,
Anja M. Bauer
,
Burkhard Voß
 

Der besondere Fall

An dieser Stelle möchte die Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie erneut einen besonderen Fall vorstellen – dieses Mal von Dr. Burkhard Voß, niedergelassener Neurologe und Psychiater in Krefeld. BGPN-Mitglieder sind herzlich eingeladen, eigene kurzgefasste Fälle einzusenden (info@bgpn.de). Die schriftliche Zustimmung des Patienten muss vorliegen oder die Fälle müssen so verändert werden, dass ein Rückschluss auf die Identität unmöglich ist.


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Infektion als Ursache von Depression … oder demenzieller Entwicklung?

Ich berichte über einen Patienten, der wegen Depressionen schon seit Jahren bei mir in Behandlung war. Parallel lief eine ambulante Gesprächstherapie. Seine Psychotherapeutin teilte mir mit, dass er immer depressiver werde. Zur Frage einer Optimierung der antidepressiven Medikation stellte sich der Patient erneut bei mir vor. Im psychopathologischen Befund dominierten eine traurige Verstimmung sowie Freud- und Interessenlosigkeit. Darüber hinaus wirkte er ungepflegt bis leicht verwahrlost und war formalgedanklich verlangsamt und umständlich. Auch kam er neuerdings in Begleitung seiner Lebensgefährtin. Auf jede Frage reagierte er mit einem hilfesuchenden Blick zu ihr. Eine Symptomatik, die in der zweiten Lebenshälfte häufig mit einer Demenz assoziiert ist. Handelte es sich bei dem 48-jährigen Patienten um eine depressive Pseudodemenz oder um eine demenzielle Entwicklung mit begleitender depressiver Symptomatik?

Im Rahmen einer viereinhalbmonatigen tagesklinischen Abklärung in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie wurde von einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen. Aufgrund einer Gangunsicherheit erfolgte 3 Wochen später eine weitere Abklärung in einer Klinik für Neurologie. Eine cMRT ergab lediglich eine leicht über die Altersnorm hinausgehende Hirnatrophie. Ebenso unauffällig waren die evozierten Potenziale. 2 Monate später erfolgte eine weitere stationäre neurologische Abklärung. Neurologisch dominierten eine psychomotorische Verlangsamung sowie ein ataktisches Gangbild. Im DemTect wurden 3 Punkte erreicht, und es bestand der Verdacht auf eine demenzielle Entwicklung. Erhöht waren der Liquor-Eiweißgehalt mit 94,1 mg/dl, die Zellzahl mit 71/3, IgG mit 20,2 mg/dl sowie Albumin mit 45 mg/dl. Das Screening auf Antikörper gegen Treponema pallidum (TPPA) war sowohl im Liquor als auch im Serum positiv. Die Frage, ob die vorauslaufende depressive Symptomatik wirklich eine eigenständige affektive Erkrankung war oder rückblickend vielleicht als unspezifische Symptomatik der Infektion einzuordnen ist, wird sich wahrscheinlich nicht klären lassen. Neurosyphilis, die wahrscheinlich über mehrere Jahrzehnte häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des Nervensystems mit unterschiedlichen Symptomen, kennen Neurologen und Psychiater aus eigener Erfahrung kaum noch. Durch Penicillin konnte eine komplette und dauerhafte Remission der Gangunsicherheit, der demenziellen und depressiven Symptomatik erreicht werden.

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Dr. Burkhard Voß, Krefeld. Quelle: ©Voß

Kleiner medizinhistorischer Exkurs: Das erste Auftreten der Syphilis in Europa lässt sich mit dem Jahr 1495 ziemlich genau datieren, 3 Jahre nachdem Kolumbus Amerika entdeckte. Genauso wie Europäer Grippe und Pocken nach Amerika brachten, könnten sie sich von den amerikanischen Ureinwohnern mit Syphilis infiziert haben. Tatsächlich sind syphilitische Knochenschäden in amerikanischen Gräbern vor Kolumbus gefunden worden.

Dr. Burkhard Voß, Krefeld

SOMMERFEST DER BGPN

Die BGPN veranstaltet in diesem Jahr zum ersten Mal ein Sommerfest. Nach der langen Zeit der Pandemie möchten wir unsere Mitglieder wieder stärker zusammenführen. Daher laden wir unsere Mitglieder recht herzlich am 16.9.2022 ab 18 Uhr im Mauersegler im Prenzlauer Berg zur (Spät)-Sommerfeier ein! Wenn Sie BGPN-Mitglied sind und teilnehmen möchten, können Sie sich unter folgendem Link eintragen: https://doodle.com/meeting/participate/id/dwj9AVwb

VERANSTALTUNGSHINWEIS

Symposium „Aggravation und Simulation in der neurol.-psychiatr. Begutachtung“, 14.9.2022, Berlin. Infos und Anmeldung: www.institut-sbf.de/fortbildung


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IMPRESSUM

Prof. Dr. Tom Bschor
Redaktion: Dr. Anja M. Bauer
Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.
Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie
Heubnerweg 2, 14059 Berlin
Email: info@bgpn.de   

Publication History

Article published online:
02 September 2022

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Dr. Burkhard Voß, Krefeld. Quelle: ©Voß