Schlüsselwörter
Immuntherapie - Hautreaktion - PD-1-Inhibitor - Exanthem
Key words
immunotherapy - skin reaction - PD-1-inhibitor - exanthema
Einleitung
Mit der Zulassung des cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4
(CTLA-4)-Antikörpers Ipilimumab im Jahr 2011 hielt ein neues immunbasiertes
Wirkprinzip Einzug in die Onkologie. Im Verlauf folgten weitere Wirkstoffe wie
Nivolumab und Pembrolizumab, die als programmed cell death protein 1
(PD-1)-blockierende Antikörper ebenfalls wichtige Kontrollpunkte
(Checkpoints) des Immunsystems inhibieren können und eine hocheffektive
Therapie nicht nur des fortgeschrittenen Melanoms, sondern auch weiterer solider
Tumorerkrankungen ermöglichen. Mit der guten Wirksamkeit geht jedoch ein
breites Spektrum an immunvermittelten Nebenwirkungen (irAE) einher, die nicht selten
die Haut betreffen. Eine Übersicht von häufig auftretenden
unerwünschten Arzneimittelwirkungen an der Haut (cutaneous adverse event,
cuAE) zeigt [Tab. 1]. Die Mehrheit der
kutanen Nebenwirkungen verläuft mild (Grad I oder II nach CTCAE –
Common Terminology Criteria für Adverse Events) und führt selten zur
Therapieunterbrechung [1]. Jedoch kann die
Lebensqualität beispielsweise durch begleitenden oder auch allein
bestehenden Juckreiz stark beeinträchtig werden [2]. Die Wahrscheinlichkeit eines cuAE ist bei
allen Immuntherapeutika ähnlich, die Kombinationstherapie mit Ipilimumab und
Nivolumab führt aber häufiger dazu. Die Symptomatik ist
stärker ausgeprägt, tritt früher auf und bleibt
länger bestehen [3]. Die
molekularpathologischen Mechanismen, die den cuAE zugrunde liegen, sind nicht
vollständig bekannt. Es ist davon auszugehen, dass es sich um
T-Zell-getriebene Reaktionen handelt, in denen CD4+- oder
CD8+-Zellen mit Antigenen in der Haut interagieren und
dadurch symptomatische inflammatorische und autoimmunologische Prozesse
auslösen [4].
Tab. 1 Häufige kutane Nebenwirkungen unter
Immun-Checkpoint-Blockade in der Übersicht.
Art der Nebenwirkung
|
Häufigkeit
|
Beginn der NW nach Einleitung
|
Therapie
|
Vitiligo
|
10%
|
3–4 Monate
|
keine
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Blasenbildende Autoimmundermatosen
|
Ca. 1%
|
6–8 Monate
|
Steroide, Doxycyclin, Dapson
|
Pruritus
|
10–25%
|
1–3 Monate
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Antihistaminika, Emollientien, Steroide
|
Makulopapulöse Exantheme
|
15–40%
|
2–6 Wochen
|
Topische Steroide
|
Sarkoidose
|
1–5%
|
|
MTX, Glucocorticoide
|
Lichen planus/lichenoide Dermatitis
|
10–17%
|
3 Monate
|
Topische Steroide, Acitretin, UV-Therapie
|
Stevens-Johnson-Syndrom/toxische epidermale Nekrolyse
|
In Fallberichten
|
5–11 Wochen
|
Steroide, Ciclosporin, Plasmapherese
|
Pruritus
Juckreiz stellt eine der häufigsten cuAE unter Immun-Checkpoint-Inhibition
(ICI) dar [1] - sowohl als Pruritus auf
blander Haut als auch als begleitendes Symptom weiterer cuAE. Er betrifft etwa ein
Viertel der behandelten Patienten unabhängig von der Tumorentität
[5]. Insbesondere unter der Therapie mit
Ipilimumab als Kombinations- oder Monotherapie tritt Juckreiz sehr häufig
auf [5].
Klinisch zeigt sich meist wie in [Abb. 1] ein
wenig spezifisches Bild mit multiplen Kratzexkoriationen. In der Regel sind
Extremitäten und Stamm betroffen, das Gesicht bleibt ausgespart (vgl. [Abb. 1]) [2]. Bei entsprechenden Lokalisationen sollte beispielsweise eine
Skabies-Infestation klinisch ausgeschlossen worden. Lindernd wirken pflegende
Lokalbehandlungen mit rückfettenden Emollientien wie Glycerin oder Harnstoff
sowie ggf. Polidocanol-haltige Externa. Systemisch kann auf nicht sedierende
Antihistaminika zurückgegriffen werden. In Fallberichten war auch Aprepitant
wirksam [6]. Juckreiz kann aber auch anderen
cuAE wie Exanthemen oder – seltener – blasenbildenden Dermatosen
vorausgehen, weshalb regelmäßige Verlaufsbeobachtungen sinnvoll sind
[5].
Abb. 1 Kratzexkoriationen auf unveränderter Haut an
Rücken (a) und Schulter (b) einer Patientin mit
ausgeprägtem Juckreiz nach 8 Gaben Nivolumab 480 mg q4w.
Vitiligo
Da der ICI eine Aktivierung des Immunsystems als Wirkmechanismus zugrunde liegt, ist
das Auftreten von immunvermittelten cuAE zu erwarten. Deshalb gehört auch
die Vitiligo zu den häufigen cuAE der ICI [4]. Sie tritt bei 10% der Melanom-Patienten unter Nivolumab oder
Pembrolizumab auf, seltener unter Ipilimumab [2]; sie ist aber auch bei anderen soliden Tumoren wie dem nicht
kleinzelligen Lungenkarzinom beschrieben [7].
Depigmentierte, helle Areale zeigen sich häufig symmetrisch an
Händen, Armen und Nacken. Ebenso kann die Körperbehaarung betroffen
sein (vgl. [Abb. 2]). Der Depigmentierung
kann eine entzündliche Phase mit Rötung der Haut vorausgehen [8]. Gelegentlich lassen sich auch einzelne
depigmentierte Herde in der Umgebung von kutanen Metastasen beobachten [8]. Im Gegensatz zur spontan auftretenden
Vitiligo finden sich die Läsionen häufig in UV-exponierten Arealen,
ein Köbner-Phänomen fehlt [2]
[9].
Abb. 2 Depigmentierte scharf begrenzte Maculae am Nacken (a)
sowie Poliosis der Wimpern einer Patientin nach 2 Gaben einer
Immunkombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab (b).
In vielen Untersuchungen war das Auftreten einer Vitiligo unter Immuntherapie mit
einem besseren Verlauf der Melanomerkrankung assoziiert [8]
[10];
sowohl das progressionsfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben
waren bei Patienten mit Vitiligo deutlich verlängert. Eine Assoziation der
immunvermittelten Vitiligo mit einem besseren Ansprechen findet sich auch beim
Lungenkarzinom [7]. Ob dies regelhaft auch
für weitere solide Tumor gilt, ist aktuell noch unklar [11].
Eine spezifische Therapie ist nur schwer möglich und in der Regel auch nicht
notwendig, der Leidensdruck ist meist nicht signifikant hoch. Betroffene Patienten
und Patientinnen sollten auf einen konsequenten UV-Lichtschutz insbesondere der
depigmentierten Läsionen hingewiesen werden. Gerade bei adjuvanter
Behandlung müssen Patienten auf die garantierte Persistenz der
Läsionen über die Behandlung hinaus aufgeklärt werden [1]. Der Bedarf an therapeutischen
Interventionen könnte sich jedoch aufgrund ausgeweitetem Indikationsspektrum
der Therapien sowie steigender Diversität des Patientenkollektivs in der
Zukunft erhöhen.
Exantheme
Exanthematische Hautveränderungen gehören ebenfalls zu den sehr
häufigen irAE [12]. Die Bandbreite der
unter Exanthemen zusammengefassten Hautveränderungen ist in der Regel
groß; es sind makulopapulöse, lichenoide, papulosquamöse und
bullöse Exantheme beschrieben [13].
Nicht selten ähneln diese klassischen entzündlichen Dermatosen wie
der Psoriasis oder pityriasiformen Erkrankungen mit exanthematischer
Ausprägung. Die genaue Unterscheidung ist in vielen Studien und
Publikationen unscharf, da der englischsprachige Begriff rash sehr breit und
unspezifisch genutzt und angegeben wird. Verschlechterungen bekannter
dermatologischer Grunderkrankungen sind ebenfalls beschrieben und können
sich exanthematisch darstellen [14].
Die meisten exanthematischen Hautveränderungen unter ICI sind wie die meisten
anderen Arzneimittelexantheme makulopapulös. Sie können bereits nach
einer Gabe, insbesondere bei kombinierter ICI, auftreten (vgl. [Abb. 3]) [13]. Abgesehen von gelegentlichem Juckreiz sind die klinischen Symptome
meist gering ausgeprägt. Es zeigten sich erythematöse Maculae und
Papeln. Gesicht und palmoplantare Areale sind meist nicht betroffen; tritt dies als
Begleitsymptom schwerer systemischer Reaktionen auf, kann eine Beteiligung des
Gesichtes jedoch der Fall sein (siehe unten). Differentialdiagnostisch sollten
andere mögliche Auslöser wie Arzneimittel oder Infektionen
anamnestisch und klinisch ausgeschlossen werden. Zudem sollte auf eine
Schleimhautbeteiligung zur Abgrenzung schwerer bullöser
Arzneimittel-Reaktionen geachtet werden und Patienten auch auf eine Organbeteiligung
hin monitoriert werden [13].
Abb. 3 Maculopapulöses Exanthem an Armen (a) und
Rücken (b) einer Patientin nach der 2. Gabe Nivolumab und
Ipilimumab.
Therapeutisch sind in der Regel topische Glucocorticoide zunächst in
niedriger Potenz sowie hautpflegende Maßnahmen ausreichend, ggf. kann nach
Bedarf die Anwendungspotenz und -frequenz gesteigert werden. Bei zumeist
selbstlimitierendem Verlauf kann auch auf eine Behandlung verzichtet werden.
Systemtherapien wie systemische Glucocorticoide oder Immunomodulatoren sind nur in
Ausnahmefällen oder dann erforderlich, wenn das Exanthem als Begleitsymptom
weiterer irAE auftritt (siehe unten).
Die Fortführung der Immuntherapie ist bei den meisten betroffenen Patienten
möglich. Die Entscheidung hierüber muss jedoch in Zusammenschau des
Schweregrades, der onkologischen Erkrankungssituation und der Begleittherapien
getroffen werden. Nur bei Exanthemen, die in schwere, meist bullöse
Arzneimittelreaktionen wie der TEN (Toxischen epidermalen Nekrolyse)
übergehen, ist eine Fortführung ausgeschlossen [13]
[15].
Lichen planus (mucosae)
Lichenoide Veränderungen unter ICI können die Haut oder auch die
Schleimhäute betreffen. Sie treten in der Regel später auf als
andere Hautveränderungen (vgl. [Tab.
1]) [16]. Etwa
10–17% der behandelten Patienten erfahren eine solche
Nebenwirkung.
Klinisch zeigen sich polygonale, erythematöse Papeln – häufig
an den Füßen oder Händen – (vgl. [Abb. 4]), gelegentlich auch ein
exanthematisches oder hypertrophes Erscheinungsbild, nicht selten begleitet von
starkem Juckreiz [13]
[17]. Bei Schleimhautbefall finden sich erosive
Läsionen an der Gingiva, der Zunge oder bukkal sowie gelegentlich die
typische Wickham-Streifung [17].
Bullöse Varianten sind beschrieben und müssen von bullösen
Arzneimittelreaktionen oder blasenbildenden Dermatosen abgegrenzt werden [13]. Histologisch unterscheidet sich der
idiopathische Lichen planus nicht von den Reaktion unter ICI [13]
[18].
Die Verschlechterung eines vorbestehenden Lichen planus kann wie bei anderen
entzündlichen Dermatosen vorkommen, worüber Patienten insbesondere
bei adjuvanter Behandlung aufgeklärt werden müssen ([Abb. 5]).
Abb. 4 (a, b): Erythematöse, polygonale Papeln
mit leichter Schuppung an den Außenknöchel eines Patienten
unter Immuntherapie mit Nivolumab.
Abb. 5 Flächige Einblutungen und Petechien an Haut (a)
und Schleimhaut (b) einer Patientin bei Thrombozytopenie nach 6 Gaben
einer Immuntherapie mit Nivolumab.
Aufgrund des begleitenden, starken Juckreizes oder bei mucosalen Läsionen
kann die Lebensqualität betroffener Patienten stark beeinträchtigt
sein, so dass eine Behandlung indiziert ist. Hierfür können
zunächst potente topische Steroide – auch unter Okklusion –
und ggf. eine Lichttherapie (PUVA – Psoralen plus UV-A-Licht, Schmalspektrum
UVB-Therapie) als externe Maßnahmen genutzt werden [17]. Systemisch kommen Glucocorticoide oder
Vitamin-A-Säure-Derivate wie Acitretin zum Einsatz [19]. Unter topischer Therapie kann die
Immun-Checkpoint-Inhibition in der Regel fortgesetzt werden. Bei systemischen
Steroiden ist wie bei anderen irAE die Wiederaufnahme der ICI ab einer Dosis von
10 mg am Tag sinnvoll [20].
Sarkoidose
Auch die Sarkoidose gehört zu den T-Zell-mediierten Erkrankungen.
Entsprechend wurden Sarkoidose-ähnliche Hautreaktionen unter Immuntherapie
– in der Regel PD1-Blockade – beobachtet, wenn auch insgesamt
selten. Die Häufigkeit variiert von 1–5% [21]. Interessanterweise wurde das Auftreten bei
adjuvanten Regimen häufiger beobachtet, ein kausaler Zusammenhang konnte
bislang nicht bewiesen werden [22].
Die meisten Patienten zeigen bihilär vergrößerte Lymphknoten,
die in der Bildgebung auffallen, zumeist keine klinische Symptomatik verursachen und
einen Progress/Rezidiv der Tumorerkrankung imitieren können [22]. Kutane Manifestationen können als
granulomatöse Hautreaktionen oder auch Erythema nodosum in Erscheinung
treten [23]
[24]. Nur selten sind weitere Organe wie Knochen oder das zentrale
Nervensystem betroffen [22]
[25].
Falls indiziert, kommen Systemsteroide oder Immunsuppressiva wie Methotrexat
therapeutisch in Betracht. Hautläsionen können topisch steroidal
behandelt werden. Sowohl Hautveränderungen als auch radiologische
Veränderungen zeigen sich nach Beenden der Immuntherapie häufig
reversibel [22]. Trotzdem ist eine
Unterbrechung oder Beendigung der Checkpoint-Inhibition üblicherweise nicht
notwendig.
Die Unterscheidung von Krankheitsprogress/Rezidiv und
Sarkoidose-ähnlichen Veränderungen bei bihilärer
Lymphadenopathie kann schwierig sein. Eine Biopsie der betroffenen Lymphknoten ist
in den allermeisten Fällen nicht notwendig, ggf. ist eine kurzfristige
Verlaufskontrolle sinnvoll [22]
[24].
Bullöse Hautreaktionen
In der letzten Zeit erschien eine Vielzahl an Fallberichten, die das Auftreten von
blasenbildenden Dermatosen, insbesondere eines bullösen Pemphigoids (BP),
unter Immuntherapie beschrieben [26]
[27]
[28].
Im Gegensatz zu häufigen cuAE wie Exanthemen und Vitiligo zählen die
bullösen Dermatosen mit maximal 1% der Fälle zu den seltenen
Erscheinungen [29]. Klinisch zeigen sich meist
pralle Blasen an Stamm und Extremitäten ggf. begleitet von urtikariellen
oder ekzematösen Läsionen. Letztere finden sich
möglicherweise auch als Prodromalstadien eines BP, weshalb bei Patienten,
die über längere Zeit unter starkem Juckreiz ohne Blasen leiden,
diese Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss [26]. Die Durchführung einer indirekten
Immunfluoreszenz-Untersuchung ist für den Patienten unkompliziert
möglich und kann schnell serologisch einen Hinweis auf das Vorliegen einer
blasenbildenden Autoimmundermatose geben. Bestätigung ergibt der Nachweis
einer Basalmembranfluoreszenz in der direkten Immunfluoreszenz [30]
[31].
Hochpotente topische Steroide wie Clobetasolpropionat zeigen häufig ein gutes
Ansprechen. Systemisch kann mit Prednisolon und Doxycyclin oder Dapson behandelt
werden [26]. Nur selten sind weitere
Therapeutika wie Rituximab notwendig [32]. In
Abhängigkeit der onkologischen Grunderkrankung und Ausprägung der
bullösen Dermatose sollte die Immuntherapie unterbrochen werden.
Adäquate Diagnostik und frühzeitige Therapie können ggf.
dazu beitragen, die Rate an Therapieabbrüchen zu vermindern [26]
[29].
Insbesondere bei älteren Patienten ist festzuhalten, dass sich eine in dieser
Altersgruppe häufige Erkrankung wie ein bullöses Pemphigoid auch
unabhängig von der Immuntherapie entwickeln kann. Zudem ist das Auftreten
von blasenbildenden Autoimmundermatosen als Paraneoplasie möglich, was
differentialdiagnostisch zu beachten ist. Hinweise auf besondere molekulare
Vorgänge bei einem durch Immuntherapie induzierten BP ergaben sich durch
Berichte, dass hier anscheinend häufiger IgG-Antikörper spezifisch
für LAD-1 auftreten [30]
[31]. Dies ist Teil der Hemidesmosomen der
epidermalen Junktionszone und Zielmolekül von IgA-Antikörpern bei
der linearen IgA-Dermatose. IgG-Antikörper gegen LAD-1 sind als alleiniger
Auslöser eines BP selten und wurden kürzlich in Assoziation mit der
Immun-Checkpoint-Inhibition beschrieben [30].
Blasenbildung findet sich auch bei Hypersensitivitätsreaktionen wie einem
Steven-Johnson-Syndrom (SJS) bzw. einer toxischen epidermalen Nekrolyse (TEN), die
zu den sehr seltenen, jedoch potenziell lebensbedrohlichen cuAE gehören
[33]. Bisher liegen einzelne Fallberichte
über diese cuAE unter Immuntherapie vor [34]. In einigen Fällen geht einer Epidermolyse ein mildes
Exanthem voraus und führt im Verlauf zur Verschlechterung mit Ausbreitung
und Blasenbildung. Im Vergleich zu klassischen Auslösern eines
SJS/TEN wie Lamotrigin ist die Latenzzeit bei Nivolumab und Pembrolizumab
wahrscheinlich deutlich länger (5 bzw. 11 Wochen) [35], was am ehesten mit der deutlich
längeren Halbwertszeit der Immuntherapeutika zusammenhängt. Aus
diesem Grund ist in Einzelfällen eine Plasmapherese eine therapeutische
Option [34]. Ansonsten erfolgt die Behandlung
in der Regel mit systemischen Glucocorticoiden und symptomatisch. Bei Vorliegen
einer TEN ist die Mortalität hoch. Die Immuntherapie muss beendet werden;
bisher liegen auch keine Fallberichte zur Wiederaufnahme einer ICI nach
SJS/TEN vor [34].
Hautveränderungen als Begleitsymptomatik von weiteren systemischen
Nebenwirkungen
Hautveränderungen als Begleitsymptomatik von weiteren systemischen
Nebenwirkungen
Unter Immuntherapie wurde über eine Vielzahl von verschiedensten
Nebenwirkungen berichten [3]
[14]. Bei einigen irAE kommt es zur
Hautbeteiligung, wie diese Fallberichte veranschaulichen:
Fallbericht 1
Eine 55-jährige Patientin im Melanom Stadium IV mit BRAF-Mutation mit
pulmonalen und lymphonodalen Metastasen erhielt Vemurafenib und Cobimetinib. Bei
Progress unter dieser Therapie erfolgte eine Therapieumstellung auf Nivolumab
1 mg/kg und Ipilimumab 3 mg/kg
Körpergewicht. Hierunter entwickelte sie immunvermittelte Diarrhoen Grad 2
und Erhöhung der Transaminasen (Grad 2 bzw. Grad 3 nach CTCAE), sodass die
Immuntherapie nach 3 Gaben beendet wurde und eine systemisch steroidale Therapie
eingeleitet wurde. Nach Besserung o.g. irHepatitis erhielt sie Nivolumab
480 mg (q4w) als Erhaltungstherapie. Zwei Wochen nach der 6. Gabe stellte
sich die Patientin mit petechialen Hautveränderungen vor. Über
weitere Blutungszeichen wie Blut im Stuhl, Nasen- oder Zahnfleischbluten wurde nicht
berichtet.
Im Differentialblutbild zeigten sich keine Thrombozyten mehr und eine
Immunthrombopenie (ITP) konnte diagnostiziert werden. Auch der Befund einer
Knochenmarkspunktion bestätigte die Diagnose, es ergab sich kein Hinweis auf
eine Neoplasie. Die Patientin erhielt eine Dexamethason-Pulstherapie sowie
anschließend Prednisolon 1 mg/kg Körpergewicht.
Aufgrund ungenügenden Anstiegs der Thrombozyten musste die Therapie auf
intravenöse Immunglobuline (1 g pro kg Körpergewicht an zwei
Tagen) eskaliert werden und schlussendlich wurde auch der
Thrombopoetin-Rezeptor-Agonist Romiplostim eingeleitet. Dies führte zum
Anstieg und im Verlauf zur Normalisierung der Thrombozyten. Die Tumorerkrankung
befindet sich seit 2 Jahren ohne Therapie in partieller Remission.
Im Gegensatz zu klassischen Chemotherapeutika sind hämatologische
Nebenwirkungen durch eine Immuntherapie deutlich weniger häufig beschrieben.
Einzelne Fallberichte über Neutropenien, hämolytische oder
aplastische Anämien sowie Thrombozytopenien wurden bislang
veröffentlicht [36]. Die ITP unter
einer Immun-Checkpoint-Inhibition ist bei Melanom-Patienten, aber auch anderen
Entitäten möglich; der Verlauf ist in der Regel mild [37], jedoch kommen auch Todesfälle vor
[38]. Deswegen erfordern schwere
Verläufe wie in dem o.g. Fall eine komplexe Therapie. Optionen
hierfür stellen Romiplostim und Rituximab dar. Eine Wiederaufnahme der
Immuntherapie kann versucht werden; hierfür sind jedoch engmaschige
Kontrollen erforderlich [37].
Fallbericht 2
Ein 58-jähriger Patient erhielt aufgrund eines Melanoms mit zerebralen,
pulmonalen und lymphonodalen Metastasen eine kombinierte Immuntherapie mit Nivolumab
und Ipilimumab. Nach 4 Gaben stellte er sich mit einer Verschlechterung des
Allgemeinzustandes, Diarrhoen und Erbrechen vor. Laborchemisch zeigten sich deutlich
erhöhte Infektions- und Retentionsparameter. Es wurde zunächst die
Diagnose eines akuten Nierenversagens bei immunvermittelter Nephritis Grad 3 nach
CTCAE gestellt, ein prä- und postrenales Nierenversagen wurde
ausgeschlossen. Eine Therapie mit Methylprednisolon 2 mg/kg
Körpergewicht wurde eingeleitet. Hierunter normalisierten sich die
Retentionswerte. Die Melanom-Erkrankung befand sich in Remission, ein Tumorprogress
konnte bildgebend ausgeschlossen werden [Abb.
6].
Abb. 6 Exanthem an Stamm (a) und im Gesicht (b) im
Rahmen eines Cytokin-Release-Syndroms eines Patienten nach der 4. Gabe
Ipilimumab und Nivolumab.
Im Verlauf entwickelte der Patient Fieber mit bis zu 40,1 °C, im peripheren
Blut war das C-reaktive Protein leicht erhöht bei normwertigem
Procalcitonin. Zudem zeigte sich ein makulopapulöses Exanthem am gesamten
Integument. Eine antiinfektive Systemtherapie mit Ampicillin/Sulbactam
führte zu keiner Besserung der klinischen Beschwerden. Ein Infektfokus
konnte mehrfach nicht gefunden werden, jedoch ergab sich laborchemisch ein deutlich
erhöhter Interleukin (IL)-6-Wert im peripheren Blut (51,4 pg/ml bei
Normwert<7). Ein Cytokin-Release-Syndrom (CRS) wurde diagnostiziert und eine
Therapie mit dem Interleukin-6-Antikörper Tocilizumab 8 mg/kg
Körpergewicht eingeleitet. Bereits nach einer Gabe war der Patient
fieberfrei und das Exanthem rasch in Abheilung.
Das CRS stellt eine seltene, aber schwere inflammatorische Reaktion mit massiver,
systemischer Zytokin-Freisetzung dar [39].
Häufige Symptome sind Fieber, Exantheme, Kopf- und Gliederschmerzen und
Abgeschlagenheit. Veränderungen von Blutbild, Leber- und Nierenwerten sowie
erhöhte Entzündungswerte sind nicht selten [40]. Neben einer Immuntherapie sind
unabhängig von der zugrundliegenden onkologischen Erkrankung Infektionen,
Chemotherapeutika und neuere onkologische Therapien wie chimäre
Antigenrezeptor (CAR)- T-Zellen als Auslöser möglich [41]. Pathophysiologisch findet sich eine
massive T-Zell-Aktivierung oder eine Zelllyse, welche zu einer Zytokin-Freisetzung
führen, wobei IL-6, IL-10 und Interferon-γ eine zentrale Rolle
spielen. Typischerweise erhöhte IL-6-Werte – sie sich auch bei
unserem Patienten fanden – können diagnostisch genutzt werden [41].
Milde Verläufe können symptomatisch mit fiebersenkenden Mitteln und
Antihistaminika behandelt werden. Aufgrund hoher IL-6-Spiegel im Blut von
CRS-Patienten ist Tocilizumab, ein monoklonaler IL-6-Rezeptor-Antikörper,
mehrfach eingesetzt worden und war gut wirksam [42]. Seit 2017 ist Tocilizumab zur Behandlung des CAR-T-Zell-induzierten
schweren oder lebensbedrohlichen CRS EU-weit zugelassen. Ein weiteres
hyperinflammatorisches Syndrom, das abzugrenzen ist, stellt die
hämophagozytische Lymphohistiozytose dar, welche durch die Trias
Splenomegalie, Fieber und Zytopenien gekennzeichnet ist [43]. Typisch ist ein deutlich erhöhter
Ferritin-Spiegel, der mit Werten>10.000 µg/l eine
hohe Spezifität besitzt [44].
Fallbericht 3
Ein 65-jähriger Patient wurde bei neu aufgetretenen intrazerebralen und
pulmonalen Metastasen eines kutanen Melanoms mit einer kombinierten Immuntherapie
mit Ipilimumab und Nivolumab behandelt. Wenige Tage nach der 1. Gabe berichtete er
bei gutem Allgemeinzustand über unspezifische Symptome wie Husten und eine
leicht erhöhte Körpertemperatur bei deutlich erhöhten
Entzündungswerten. Im Verlauf kamen ausgeprägte bitemporale
Kopfschmerzen hinzu, klinisch war die A. temporalis superficialis auf beiden Seiten
deutlich betont (vgl. [Abb. 7]). Die
Entzündungswerte und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) waren weiterhin
erhöht, zudem zeigte sich ein deutlich erhöhter IL-6-Spiegel im
Blut. Bei unzureichender Besserung unter symptomatischer Therapie nahmen wir den
Patienten stationär auf und verbreichten unter der Verdachtsdiagnose eines
CRS Tocilizumab 8 mg/kg. Eine Sonografie der A. temporalis ergab
keinen eindeutigen Hinweis auf das Vorliegen einer Riesenzell-Arteriitis. Zu keiner
Zeit bestanden okuläre oder muskuläre Beschwerden. Nach der 2. Gabe
der Immunkombinationstherapie bestanden weiterhin starke Kopfschmerzen, so dass eine
Biopsie der Temporalgefäße vorgenommen wurde. Histologisch und auch
mittels MRT der Kopfschwarte konnte nun die Diagnose einer Riesenzell-Arteriitis
gesichert werden. Der Patient erhielt hierauf eine systemische Prednisolon-Therapie
mit 80 mg p.o. (entsprechend einer Dosis von 1 mg/kg
Körpergewicht), unter welcher die Symptomatik rasch abklang. Eine
Erhaltungstherapie mit 162 mg Tocilizumab wöchentlich subkutan ist
geplant. Weitere onkologische Therapien stehen aktuell noch aus.
Abb. 7 Prominente A. temporalis superficialis bei
Riesenzell-Arteriitis nach Immunkombinationstherapie.
Rheumatologische Krankheitsbilder als Nebenwirkungen einer Immun-Checkpoint-Blockade
kommen nicht selten vor, jedoch ist das Auftreten einer Riesenzell-Arteriitis nur in
einzelnen Fallberichten beschrieben [45]
[46]. Die Riesenzell-Arteriitis gehört
zu den Großgefäß-Vaskulitiden und tritt häufig
zusammen mit einer Polymyalgia rheumatica auf [47]. Das klinische Erscheinungsbild ist geprägt von Kopfschmerzen
– häufig einseitig – empfindlicher Kopfhaut und gelegentlich
einer Claudicatio masticatoria oder Sehstörungen. Laborchemisch zeigen sich
die Entzündungsparameter, insbesondere die BSG deutlich erhöht.
Typische histologische Befunde sind die Bildung von Granulomen sowie vielkernige
Riesenzellen [48]. Eine Duplex-Sonografie der
Aa. temporales und axillares und der Carotiden sowie ein MRT der Kopfschwarte, ggf.
auch der Aorta stellen die bildgebende Diagnostik der ersten Wahl dar [47]. Zudem sollte eine ophthalmologische
Vorstellung erfolgen. Das prompte Ansprechen auf Glucocorticoide ist diagnostisch
und auch o.g. Patient war hierunter sofort beschwerdefrei. Eine rasche
Therapieeinleitung ist auch aufgrund der Gefahr von visuellen Komplikationen bis hin
zur Erblindung geboten. Als steroidsparende Alternativen kommen Tocilizumab,
Methotrexat oder ggf. Leflunomid in Frage [49].
Schlussfolgerung
Hautreaktionen unter Immuntherapie sind eine häufige Erscheinung, aber in der
Regel von geringer Morbidität und gut zu therapieren [1]. Sie treten unabhängig von Dosierung
und zugrundeliegendem Tumor auf – mit Ausnahme der Vitiligo, die
gehäuft bei Melanom-Patienten vorkommt [4]. Auch die Art der Immun-Checkpoint-Inhibition ist wenig entscheidend
für das Auftreten von cuAE, jedoch bestätigen neuere Untersuchungen
eine bessere (Haut)Verträglichkeit von PD-1-Inhibitoren im Vergleich zu
CTLA-4-Antikörpern [50]. Ein
frühes Erkennen und Einleiten einer entsprechenden Therapie ist nicht nur
für die Lebensqualität der Patienten von Bedeutung, sondern kann
auch dafür Sorge tragen, dass eine adäquate und notwendige
Behandlung der Tumorerkrankung fortgeführt werden kann, ohne eine
Therapiepausierung oder -unterbrechung in Kauf nehmen zu müssen [13]. Eine interdisziplinäre Betreuung
sowie eine frühzeitige dermatologische Vorstellung kann in vielen
Fällen hilfreich sein.