Aktuelle Rheumatologie 2022; 47(03): 182-184
DOI: 10.1055/a-1732-5053
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Axiale Spondyloarthritis: Diagnosewert verschiedener Krankheitszeichen

Poddubnyy D. et al.
Diagnosing axial spondyloarthritis: estimation of the disease probability in patients with a priori different likelihoods of the diagnosis.

Rheumatology 2021;
60: 5098-5104
DOI: 10.1093/rheumatology/keab227.
 

Bei der axialen Spondyloarthritis vergehen zwischen dem Symptombeginn und der Diagnosestellung in der Regel etwa 6 bis 8 Jahre. Dies ist angesichts der Verfügbarkeit effektiver Therapieoptionen, die möglichst früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden sollten, um das Therapieansprechen zu optimieren und strukturelle Wirbelsäulenschäden zu vermeiden, ein inakzeptabel langer Zeitraum. Wie kann die Diagnose beschleunigt werden?


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Diese Fragestellung veranlasste ein Forscherteam von der Berliner Charité zu einer Untersuchung: Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war es, den diagnostischen Wert verschiedener Spondyloarthritis-Zeichen bzw. Kombinationen von Zeichen in Populationen mit unterschiedlicher A-priori-Wahrscheinlichkeit für eine axiale Spondyloarthritis zu klären. Hierzu werteten die Forschenden Daten der OptiRef-Kohorte aus, welche 361 Personen, die seit mindestens 3 Monaten unter chronischen Rückenschmerzen litten und bei Symptombeginn jünger als 45 Jahre alt gewesen waren, umfasste. 181 Personen waren von einer Ärztin oder einem Arzt an die rheumatologische Abteilung der Charité überwiesen worden und erfüllten die Vorgaben eines entsprechenden Überweisungsinstruments (z. B. Vorhandensein inflammatorischer Rückenschmerzen, HLA-B27-Positivität oder Sakroileitis in der Bildgebung). Die übrigen 180 Personen waren dagegen mithilfe eines Online-Screeninginstruments (www.bechterew-check.de) rekrutiert worden. Alle Patientinnen und Patienten stellten sich in der Klinik zu einer umfassenden rheumatologischen Untersuchung vor, die schließlich in der Diagnose oder dem Ausschluss einer axialen Spondyloarthritis resultierte. Nun berechneten die Forschenden für zahlreiche klinische, laborchemische und bildgebende Parameter die Sensitivität, die Spezifität und die positive und negative Likelihoodratio sowie die Nachtestwahrscheinlichkeit im Hinblick auf die Diagnose axiale Spondyloarthritis.

Ergebnisse

Bei 71 (39,2%) der ärztlich überwiesenen und bei 35 (19,4%) der online rekrutierten Personen wurde eine axiale Spondyloarthritis diagnostiziert. Diese Häufigkeiten werteten die Forschenden als Vortestwahrscheinlichkeiten. Der diagnostische Wert der einzelnen Spondyloarthritis-Zeichen variierte erheblich zwischen den beiden Kohorten: Beispielsweise erhöhte die HLA-B27-Positivität die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer axialen Spondyloarthritis in der Online-Screeninggruppe von 35 auf 55% und in der Gruppe der ärztlich überwiesenen Personen von 22 auf 62%. Das Fehlen der HLA-B27-Positivität resultierte dagegen im ärztlich überwiesenen Kollektiv in einer Wahrscheinlichkeitsabnahme von 40 auf 6% und in der Online-Screeninggruppe von 20 auf 10%. Die höchste Spondyloarthritiswahrscheinlichkeit bestand bei Bildgebungsauffälligkeiten (z. B. radiografische Sakroileitis, aktive Sakroileitis in der MRT). Kombinationen der Spondyloarthritis-Zeichen hatten in den beiden Studienkollektiven eine unterschiedliche diagnostische Relevanz. Die beobachteten Differenzen bezüglich des diagnostischen Werts der Parameter in den beiden Gruppen war dabei nur bei einer geringen Zahl positiver Testergebnisse klinisch von Bedeutung: Beispielsweise erhöhte die Symptomkombination aus inflammatorischen Rückenschmerzen und anteriorer Uveitis die Nachtestwahrscheinlichkeit bezüglich der axialen Spondyloarthritis in der Online-Screeninggruppe auf 78% und in der Gruppe der ärztlich überwiesen Personen auf 87%. Die Kombination aus HLA-B27-Positivität, aktiver Sakroileitis in der MRT und inflammatorischen Rückenschmerzen erhöhte die Nachtestwahrscheinlichkeit dagegen in beiden Kollektiven auf etwa 95%.

Fazit

Die Vortestwahrscheinlichkeit für eine axiale Spondyloarthritis hängt vom Überweisungsweg ab, so das Fazit des Autorenteams. Der diagnostische Wert einzelner Spondyloarthritis-Zeichen ist dabei ebenfalls nicht unveränderlich, sondern variiert in Abhängigkeit von den Eigenschaften der Patientengruppe – insbesondere wenn nur wenige Parameter positiv ausfallen. Diese Beobachtungen müssen bei der diagnostischen Abklärung betroffener Personen berücksichtigt werden.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
15 June 2022

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