Rofo 2022; 194(01): 104-113
DOI: 10.1055/a-1544-1750
Radiologie und Recht

Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)

 

1. Einleitung

Die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen gehört zu den wesentlichen Merkmalen des Arztberufes. Danach darf sich der Arzt bei der Wahl der richtigen Therapie für seine Patienten allein von medizinischen Gesichtspunkten und individuellen Bedürfnissen des Patienten leiten lassen. Eigene wirtschaftliche Interessen dürfen dabei keine Rolle spielen. Dieser Grundsatz hat berufsrechtlich insbesondere in den §§ 30 bis 33 der Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer (MBO-Ä) bzw. der gleichlautenden Bestimmungen der Landesärztekammern und seit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 22.12.2011[1] auch im Vertragsarztrecht in § 73 Abs. 7 i. V. m. § 128 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Kapitel V (SGB V) seinen Niederschlag gefunden. Nach § 73 Abs. 7 SGB V dürfen Vertragsärzte sich für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial keine Entgelte oder andere Vorteile versprechen oder gewähren lassen, bzw. diese selbst versprechen oder gewähren. Als unzulässige Zuwendungen werden nach § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V auch die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern angesehen, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.


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2. Ärztliche Unabhängigkeit und MVZ

Die Tätigkeit von Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten wird daher in rechtlicher Hinsicht seit jeher aufgrund einer Vielzahl gesetzlicher und untergesetzlicher Regelungen, wie den Berufsordnungen der Heilberufskammern, den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder, den Bundesgesetzen wie der Bundesärzteordnung (BÄO) und dem SGB V, einschließlich der untergesetzlichen Bestimmungen wie der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), den Bundesmantelverträgen (BMV-Ä) und den Abrechnungsbestimmungen (z. B. GOÄ, EBM, HVM) reglementiert. Insbesondere bei dem Abschluss von Verträgen, der Gründung von Gesellschaften oder dem Bezug von Leistungen zwischen diesen Leistungserbringern und mit anderen Anbietern von Gesundheitsleistungen ist die medizinische Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Auch die durch das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 30.05.2016 (BGBl. I, S. 1254) neu eingeführten Straftatbestände der §§ 299a ff. StGB über die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen, die in Ergänzung zu den berufsrechtlichen Vorgaben eine von unlauteren Zuwendungen unbeeinflusste Gesundheitsversorgung zum Ziel haben, richten sich an „Angehörige eines Heilberufs“ und damit an Ärzte, Apotheker und sonstige Heilberufsausübende.

Demgegenüber stellt sich bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) nach § 95 Abs. 1a SGB V aufgrund der unterschiedlichen Beteiligten und Gesellschaftsstrukturen auf der Gründer- und Trägerebene die Frage, ob und in welchem Umfang die auf die ärztliche Unabhängigkeit abzielenden Vorschriften des Berufsrechts auf diese anwendbar sind und ob diese für die Gesellschafter- oder Geschäftsführungsebene Geltung beanspruchen können oder ob und in welchem Umfang die angestellten Ärzte und die ärztlichen Leiter eines MVZ in die Pflicht genommen werden.

Die Rechtsprechung hat zwar bereits entschieden, dass die Regelungen über die Unzulässigkeit der Zuweisung gegen Entgelt und die Verweisung von Patienten an bestimmte Leistungserbringer ohne hinreichenden Grund nach § 31 Abs. 1 und 2 MBO-Ä auch für die in einem MVZ angestellten Ärzte gelten.[2]

Welche Rechtsfolgen jedoch derartige Verstöße gegen das ärztliche Berufsrecht haben, wenn sie in einem MVZ auf der Ebene der kaufmännischen Geschäftsführung der Trägergesellschaft oder von den Gesellschaftern des berechtigten Gründers, z. B. einem Krankenhausträger ohne Beteiligung der angestellten Ärzte in dem MVZ, vorgenommen werden, ist noch nicht hinreichend geklärt. Im Hinblick darauf, dass ein MVZ ebenso wie ein (Vertrags-)Arzt an der vertragsärztlichen und auch der privatärztlichen Patientenversorgung durch freiberufliche oder angestellte Ärzte teilnimmt, sollten dessen Tätigkeiten entsprechend beurteilt und untersagt werden können, wenn sie mit den gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben nicht im Einklang stehen.


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3. Zuweisungsverbote im ärztlichen Berufsrecht

Nach § 31 Abs. 1 MBO-Ä ist es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.

§ 31 Abs. 1 MBO-Ä verbietet die Einräumung jeglicher Vorteile, die für die Zuweisung von Patienten gewährt werden. Sinn der Vorschrift ist, dass der Arzt seine Entscheidung, wohin er einen Patienten zuweist, allein aufgrund von medizinischen Erwägungen trifft, diese also frei von wirtschaftlichen Interessen getroffen werden kann.[3] Ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 MBO-Ä liegt dann nicht vor, wenn die ärztlichen Leistungen durch die kooperierenden Vertragsärzte bzw. das MVZ tatsächlich persönlich und an dem erforderlichen Leistungsort erbracht werden und das Entgelt, welches die Ärzte erhalten, in einem angemessenen Verhältnis zu der erbrachten ärztlichen Leistung steht.[4] Nur in diesem Fall wird das Entgelt nicht für die Zuweisung des Patienten bezahlt, sondern für die Erbringung der ärztlichen Leistung.[5] Um dem Gesichtspunkt der „Angemessenheit“ der Vergütung Rechnung zu tragen und dem Vorwurf der „versteckten“ Zuweisung gegen Entgelt entgegentreten zu können, ist eine Orientierung an der GOÄ und den rechtlich zulässigen Steigerungssätzen sinnvoll.

Das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt nach § 31 Abs. 1 MBO-Ä hat im Zusammenhang mit Vereinbarungen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten über die Erbringung von Krankenhausleistungen bereits mehrfach im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten vor den Zivilgerichten eine Rolle gespielt.

Nach Ansicht des Oberlandesgericht (OLG) Koblenz liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt vor, wenn eine Universitätsklinik niedergelassenen Augenärzten für die vor- und nachstationäre Untersuchung von Patienten, die sich an der Universitätsklinik einer Kataraktoperation unterziehen, die Zahlung einer Zuweiserpauschale in Aussicht stellt. Dabei ließ es das OLG offen, ob die von der Universitätsklinik angekündigte Entgeltzahlung als Honorar für einen erhöhten Aufwand bei dem niedergelassenen Vertragsarzt anzusehen sei. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, so läge gleichwohl ein Vorteil im Sinne eines zusätzlichen Umsatzes bei dem niedergelassenen Arzt vor und es bestünde darüber hinaus die Gefahr, dass das Recht des Patienten, den Arzt frei zu wählen, nicht ausreichend gewahrt bliebe.[6]

Das OLG Schleswig hat in einem Urteil vom 04.11.2003 hervorgehoben, dass die Zahlung von Entgelten an Augenärzte für die postoperative Nachsorge von Katarakt-Patienten regelmäßig nicht für ärztliche Leistungen erfolge, sondern vielmehr ein Entgelt für die Zuweisung als solche darstelle, auch wenn dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klinik und den niedergelassenen Augenärzten zufolge das Entgelt für die postoperative Nachbetreuung gezahlt würde.[7]

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rechtsprechung entsprechende Vereinbarungen zwischen Kliniken und niedergelassenen Vertragsärzten kritisch sieht und entsprechend strenge Anforderungen stellt. Ein Verstoß gegen § 31 MBO-Ä führt zur Nichtigkeit der zugrunde liegenden Kooperationsvereinbarung, da § 31 MBO-Ä ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB ist.[8] Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen § 31 MBO-Ä gleichzeitig einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG begründen und damit wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche auslösen.

§ 31 Abs. 2 MBO-Ä und die entsprechenden Regelungen in den Berufsordnungen der Landesärztekammern verbieten eine Verweisung von Patienten an bestimmte Leistungserbringer, da die sachliche Information im Rahmen der ärztlichen Aufklärung und Beratung sowie die neutrale Darstellung von Vor- und Nachteilen von Angeboten auf dem Gesundheitsmarkt zu den ureigensten ärztlichen Aufgaben gehört.[9]

Verweisen ist die verbale, gegebenenfalls durch andere, die ärztliche Autorität einsetzende, Maßnahmen (Werbeplakate und -broschüren sowie Gutscheine; spezielle Rezeptvordrucke[10]) unterstützte Information des Patienten mit dem Ziel, dadurch seine Auswahl zugunsten eines bestimmten Anbieters oder einer (zertifizierten) Anbietergruppe zu beeinflussen[11]. Dafür genügt es, wenn nicht alle in Betracht kommenden Anbieter[12] bzw. nur eines von mehreren geeigneten Produkten genannt werden. Der Raum der in Betracht kommenden Anbieter ist groß zu bemessen und muss zumindest den Wohn- und Arbeitsort des Patienten, gegebenenfalls aber auch klassische Einkaufsorte, umfassen.[13]

Ein Verweisen liegt z. B. vor, wenn in einem in der Arztpraxis aufgestellten Rechner Rezepte nicht an alle Apotheken weitergeleitet werden können, die Bestellungen über das Internet entgegennehmen.[14] Unzulässig sind darüber hinaus vertragliche Vereinbarungen, Patienten regelmäßig mit Hörgeräten eines Akustikers zu versorgen[15], oder sicherzustellen, dass eine im selben Geschäftshaus ansässige Apotheke durch Verschreibungen des Arztes einen bestimmten Jahresumsatz erzielt[16] oder die Klausel in einem Pachtvertrag, welche den Arzt verpflichtet, dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, dass der Patient das Angebot eines Sanatoriums in möglichst großem Umfang in Anspruch nehmen soll.[17]

Die Verweisung an einen bestimmten Anbieter kann als Ausnahmefall nicht nur aus medizinischen Gründen wie bei der Zusammenarbeit eines Orthopäden mit einem Orthopädietechniker bei handwerklich zu fertigender Ware indiziert sein, wenn ein hinreichender Grund besteht.[18] Der Ausnahmecharakter spricht allerdings gegen den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen jeglicher Art, welche auf eine regelhafte Zuweisung hindeuten. Dass der Arzt an dem empfohlenen Unternehmen beteiligt ist, schließt das Vorliegen eines hinreichenden Grundes nicht aus; andererseits ergibt sich kein hinreichender Grund daraus, dass das Optikergeschäft dem Augenarzt selbst gehört.[19] Gewähren mehrere Mitbewerber gleiche Konditionen, rechtfertigt das Wirtschaftlichkeitsgebot keine Empfehlung eines bestimmten Anbieters.[20] Eine generelle Verweisung an einen Optiker ist z. B. unzulässig.[21] Keine hinreichenden Gründe sind die (abstrakte) Gefahr der Missachtung der ärztlichen Verordnung, in langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit gewonnene gute Erfahrungen, die allgemeine hohe fachliche Kompetenz eines Anbieters oder die Bequemlichkeit eines Versorgungsweges für die Patienten durch räumliche Nähe.[22] Im Ergebnis darf die ärztliche Schlüsselrolle und das ihm entgegengebrachte Vertrauen nicht dazu missbraucht werden, in den Wettbewerb zwischen gleichwertigen Anbietern gesundheitlicher Leistungen einzugreifen oder gar eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen, zumal mit jeder Empfehlung auch ein Druck verbunden sein kann, davon Gebrauch zu machen.[23]

Das Empfehlungsverbot und das Verbot der Verweisung an bestimmte Anbieter für Ärzte in § 31 Abs. 2 MBO-Ä hat eine Parallele in § 11 ApoG.[24] Für Apotheken bestimmt § 11 Abs. 1 ApoG, dass diese mit Ärzten keine Rechtsgeschäfte oder Absprachen treffen dürfen, die eine bevorzugte Lieferung von Arzneimitteln zum Inhalt haben. Das Verbot greift ein, wenn die Verpflichtung des Apothekers dahingeht, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt abzugeben.

§ 11 ApoG regelt das Verhalten von Erlaubnisinhabern sowie deren Apothekenpersonal im Hinblick auf unerlaubte Kooperationen.[25] Sie dürfen mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung von bestimmten Arzneimitteln, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben, § 11 Abs. 1 ApoG. Zu „anderen Personen“, die sich im Sinne der Vorschrift mit der Behandlung von Krankheiten befassen, zählen: Therapeuten, Angehörige medizinischer Assistenzberufe wie Logopäden, Masseure und weitere Berufsgruppen, soweit sie z. B. Verordnungen ausstellen oder Medikamente, Heil- oder Hilfsmittel aus Apotheken beziehen.[26] § 11 ApoG enthält damit nicht nur eine rechtliche Grenze für Kooperationen zwischen Apotheken und MVZ bzw. Ärzten, sondern auch für Kooperationen zwischen Apotheken und dem genannten weiteren Personenkreis. Verboten sind Kooperationen über eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel an das MVZ. Das Verbot erstreckt sich dabei sowohl auf das Sortiment eines einzelnen Herstellers oder mehrerer Hersteller als auch auf einzelne Präparate, deren Darreichungsformen und Packungsgrößen.[27]

Durch § 11 Abs. 1 ApoG soll das Recht des Patienten auf freie Wahl der Apotheke (im System der Gesetzlichen Krankenversicherung: § 31 I 5 SGB V) gewahrt werden.[28] Daher dürfen Patienten nicht gezielt zugeführt werden. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn die Apotheke (Erlaubnisinhaber, sonstiges Apothekenpersonal) oder Ärzte des MVZ mit Patienten Gespräche führen, die darauf abzielen, sie einem bestimmten Apotheker oder dem MVZ zuzuführen. Darüber hinaus dürfen sich Apotheken und Behandlungseinrichtungen nicht darauf verständigen, Verschreibungen bei den Behandlern zu sammeln und dann in einer Apotheke abzugeben. Das MVZ darf keine Rezeptsammelstellen für bestimmte Apotheken einrichten. Ferner darf keine generelle Absprache bestehen, Arzneimittel ohne volle Angabe der Zusammensetzung abzugeben („sine confectione“). Denn dies darf nur ausnahmsweise bei entsprechenden therapeutischen Gründen geschehen.[29] Auch Hol- und Bringdienstvereinbarungen können zu einem Verstoß gegen § 11 ApoG führen.

Eine Befreiung von den Vorgaben des § 11 Abs. 1 ApoG sieht § 11 Abs. 1 Satz 2 ApoG für die Integrierte Versorgung vor. Eine Sonderregelung existiert für die Zubereitung von Zytostatika. Nach § 11 Abs. 2 ApoG darf ein Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke aufgrund einer Absprache anwendungsfertige Zytostatika, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt worden sind, unmittelbar an den Arzt abgeben. § 11 Abs. 4 ApoG enthält eine weitere Ausnahmeregelung bei bedrohlichen Krankheiten. Absprachen sind dann möglich.

Ein Verstoß gegen § 11 ApoG ist nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 ApoG bußgeldbewehrt. Darüber hinaus sind die Verträge nach § 12 ApoG nichtig.


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4. Anwendbarkeit des ärztlichen Berufsrechts auf MVZ

MVZ können nach § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Abs. 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Nach S. 3 ist die Gründung eines MVZ nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform möglich.

Für die rechtliche Einordnung von MVZ sind somit drei Ebenen zu unterscheiden:

  • die Ebene der im MVZ tätigen Leistungserbringer;

  • die Ebene der Leistungserbringer als Gründer eines MVZ;

  • die Ebene der Organisationsformen.[30]

Auf der Ebene der im MVZ tätigen Leistungserbringer besteht kein Unterschied zu einem zugelassenen Vertragsarzt oder einer Berufsausübungsgemeinschaft nach § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV (BAG). Auch in einem MVZ können gemäß § 72 Abs. 1 SGB V ausschließlich zugelassene Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten tätig sein, da Gegenstand die vertragsärztliche Versorgung ist.

Auf der sog. „Gründerebene“ eines MVZ können demgegenüber nach § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V neben Vertragsärzten auch andere Leistungserbringer beteiligt sein. Mit dem „Gründer“ eines MVZ ist der unmittelbare Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft gemeint. Während Gesellschafter einer Arztpraxis oder einer BAG nach § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV nur zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer sein können, also insbesondere zugelassene Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die den Heilberufsgesetzen der Länder unterstehen (vgl. §§ 95 Abs. 1 S. 1, 72 Abs. 1 S. 1 SGB V), ist der Gründerkreis des MVZ erweitert. Gründer können insbesondere auch zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen, anerkannte Praxisnetze und Kommunen sein. Diesen berechtigten Gründern eines MVZ ist gemein, dass sie den Bestimmungen der ärztlichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen Berufsordnungen[31] nicht unmittelbar unterstehen.

Die fehlende unmittelbare oder analoge Anwendbarkeit der Regelungen der ärztlichen Berufsordnungen auf MVZ hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits in einer Entscheidung vom 09.02.2011[32] festgestellt. Danach sind die Bestimmungen der Berufsordnungen schon nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar auf MVZ anwendbar, da sie Vorgaben nur „dem Arzt“ auferlegen und auch keine Vorschrift über eine „entsprechende“ oder „sinngemäße“ Anwendung auf MVZ enthalten. Diese Geltung des Berufsrechts nur für die Person des Arztes entspricht der Ausrichtung der Gesamtregelungen der Berufsordnungen, zumal eine satzungsrechtliche Regelungsbefugnis der Ärztekammern gegenüber Krankenhäusern oder Erbringern von nichtärztlichen Dialyseleistungen nicht besteht:

„[…] Die BO regelt die Rechte und Pflichten der Person des Arztes. Sie ist auf die Regelung der Rechtsverhältnisse aller Ärzte ausgerichtet, gleichgültig, in welchem Rahmen sie tätig sind; sie gilt für jeden Arzt ohne Rücksicht darauf, ob er in Einzelpraxis tätig ist oder ob er in eine gesellschaftsrechtliche oder sonstige Rechtspersönlichkeit eingebunden ist wie z. B. in eine Berufsausübungsgemeinschaft oder in einen Rechtsträger wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder in ein Krankenhaus (so auch die Erläuterung der Neufassung des § 17 <Muster>-Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte in DÄ 2008, A 1019, 1020 unter 1.2: “… die Regelung an die Person anknüpft"). Die BO regelt nicht Rechte und Pflichten von juristischen Personen oder von vertragsarztrechtlich oder berufsrechtlich geschaffenen Institutionen, sondern solche des einzelnen Arztes.“ BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az.: B 6 KA 12/10 R; ZMGR 2011, 175 ff.

Damit macht das BSG deutlich, dass auch die Trägerebene des MVZ nicht unmittelbar Adressat des ärztlichen Berufsrechts ist, d. h. derjenigen Rechtsträger eines MVZ, die als Inhaber der MVZ-Zulassung berechtigt sind, durch den Betrieb eines MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Rechtsträger eines MVZ können nach § 95 Abs. 1a S. 3 SGB V aktuell ausschließlich Personengesellschaften (Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB, Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG), die eingetragene Genossenschaft oder die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine öffentlich-rechtliche Rechtsform (kommunaler Eigenbetrieb) sein.

Diesen Gesellschafts- und Rechtsformen ist gemein, dass auch sie als Rechtssubjekte nicht von dem Wortlaut der ärztlichen Berufsordnungen erfasst werden, da diese sich eindeutig an „Ärztinnen“ und „Ärzte“ richtet. Insofern besteht auch in der juristischen Literatur Einigkeit, dass dem MVZ als juristischer Person, die Qualität eines Normadressaten im Sinne der Berufsordnung fehlt.[33]


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5. Anwendbarkeit des Berufsrechts auf Ärzte im MVZ

Ausgehend von dieser Erkenntnis, dass das ärztliche Berufsrecht in den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder und den Berufsordnungen der Landesärztekammern nicht auf die MVZ als juristische Personen anwendbar ist, stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Bestimmungen für Ärzte in einem MVZ haben.

Wie das BSG unter Bezugnahme auf die Erläuterungen der Bundesärztekammer zur Muster-Berufsordnung deutlich gemacht hat, gelten die Bestimmungen der ärztlichen Berufsordnungen für alle Ärzte „gleichgültig, in welchem Rahmen sie tätig sind“. Sie gelten daher für jeden Arzt ohne Rücksicht darauf, ob er in Einzelpraxis tätig ist oder ob er in eine gesellschaftsrechtliche oder sonstige Rechtspersönlichkeit eingebunden oder im Krankenhaus tätig ist.[34]

Daraus folgt eine unmittelbare Bindung von Ärzten an die Bestimmungen der ärztlichen Berufsordnung, die z. B. in folgenden Rechtsverhältnissen zum MVZ stehen:

  • der Vertragsarzt als Gründer eines MVZ (vgl. § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V),

  • der Vertragsarzt, der in dem MVZ zugleich oder ausschließlich tätig ist (vgl. § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V),

  • der angestellte Arzt in einem MVZ (vgl. § 95 Abs. 2 S. 7i. V. m. Abs. 9 SGB V),

  • der ärztliche Leiter in einem MVZ (vgl. § 95 Abs. 1 S. 3 SGB V),

  • ein Arzt, der als Geschäftsführer einer MVZ GmbH tätig ist.

Die berufsrechtlichen Bestimmungen sind daher auf Ärzte, die als Gründer, Gesellschafter, ärztlicher Leiter, angestellter Arzt oder Geschäftsführer in einer Rechts- oder Vertragsbeziehung zum MVZ stehen, unmittelbar anwendbar.

Das bedeutet, dass der Einfluss des ärztlichen Berufsrechts auf die Gründer- und Trägerebene eines MVZ am intensivsten ausgeprägt ist, wenn sich diese Ebenen vornehmlich in ärztlicher Hand befinden. Dies ist der Fall, wenn z. B. ein oder mehrere niedergelassene Vertragsärzte ein MVZ gründen, in dem wiederum ausschließlich Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte tätig sind. Demgegenüber kann der Einfluss des ärztlichen Berufsrechts deutlich abnehmen, soweit z. B. ein Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Abs. 3 SGB V, der Heilmitterbringer ist, von einem Investor erworben wird und die MVZ Trägergesellschaft in der Rechtsform der GmbH mit angestellten Ärzten betrieben wird.

In einer solchen MVZ-Konstruktion erlangen die Gebote und Verbote der Berufsordnung nur eine mittelbare Bedeutung für den Gründer und die als juristische Person betriebene MVZ-Trägergesellschaft, da diese ihre Tätigkeit und vertraglichen Beziehungen so gestalten müssen, dass die angestellten Ärzte und der ärztliche Leiter ihren Beruf unter Berücksichtigung des ärztlichen Berufsrechts ausüben können. Ärzte dürfen wiederum nach § 2 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä keine Anweisungen beachten, die mit ihren beruflichen Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können.[35] Des Weiteren dürfen sie gemäß § 32 Abs. 4 MBO-Ä hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen.

Die Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts wirken bei diesen Konstellationen, in denen das MVZ durch einen nichtärztlichen Gründer betrieben wird, in erster Linie auf die berufliche Tätigkeit der angestellten Ärzte in dem MVZ ein, da ihnen ein Einfluss auf die wirtschaftlichen Entscheidungen in dem MVZ nicht zusteht. Soweit die wirtschaftlichen Entscheidungen jedoch von dem nichtärztlichen Gründer als Gesellschafter der MVZ Trägergesellschaft getroffen werden, fehlt es an einer Anbindung an die berufsrechtlichen Bestimmungen. Demgegenüber sind niedergelassene und angestellte Ärzte in Arztpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften, aber auch in einem MVZ, auch im Rahmen von wirtschaftlichen Entscheidungen innerhalb des Praxisbetriebes unmittelbar an das ärztliche Berufsrecht gebunden.

Hierzu führt die Bundesärztekammer in ihrer Stellungnahme vom 02.04.2007[36] folgendes aus:

„Patientinnen und Patienten sollen darauf vertrauen können, dass bei allen ärztlichen Entscheidungen die Unabhängigkeit des Arztes gewahrt bleibt (§ 30 Abs. 1 (Muster-)Berufsordnung – MBO). Ärztinnen und Ärzte müssen daher unabhängig und unbeeinflusst von wirtschaftlichen Interessen Dritter ihrer Tätigkeit nachgehen. Die Unabhängigkeit ist in Gefahr, wenn der Arzt von einer bestimmten Behandlungsmethode, Verordnung oder Überweisung einen finanziellen Vorteil hat. Solche Praktiken gefährden das Grundvertrauen der Patienten in die ärztliche Tätigkeit, weil sie Zweifel daran wecken, dass die Behandlung einzig und allein am Wohl der Patienten ausgerichtet ist.“

Im Berufsrecht hat die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit daher einen herausragenden Stellenwert (vgl. § 30 MBO-Ä). Nach den §§ 31 ff. MBO-Ä werden Zuwendungen für das Zuweisen von Patienten oder für das Verordnen von Arznei- oder Heilmitteln untersagt. Zur Wahrung der Unabhängigkeit des Arztes ist auch die grundsätzlich sinnvolle Zusammenarbeit von Ärzten und Industrieunternehmen, z. B. bei der Begutachtung und Prüfung von Arzneimitteln und anderen medizinischen Produkten, unter den Vorbehalt gestellt, dass jeglicher Zuwendung eines Unternehmens an einen Arzt eine äquivalente Gegenleistung des Arztes gegenüberstehen muss.

Obwohl sich daher z. B. § 31 Abs. 1 MBO-Ä, der eine Zuweisung von Patienten gegen Entgelt untersagt, sowohl gegen den Vorteilsempfänger als auch den Vorteilsgewährenden richtet, ergibt sich daher aus dem auf Ärzte beschränkten persönlichen Anwendungsbereich, dass sich die Bestimmung der Berufsordnung nicht stets auch gegen andere Leistungserbringer, wie z. B. ein Krankenhaus oder einen Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen richtet.[37] Vereinbart daher ein nichtärztlicher Träger eines MVZ mit einem Arzneimittelhersteller eine Kooperation, die gegen die §§ 31, 32 MBO-Ä verstößt, kommen deren Bestimmungen dennoch nicht zur unmittelbaren Anwendung und die in dem MVZ angestellten Ärzte werden von der Zusammenarbeit unter Umständen persönlich nicht berührt.

Allerdings darf der Rechtsträger des MVZ das berufswidrige Verhalten seiner Ärzte nicht dulden. Der Bundesgerichtshof (BGH)[38] sieht bereits in der Duldung eines berufswidrigen Verhaltens eines Arztes einen Wettbewerbsverstoß, welchen die juristische Person, d. h. der nichtärztliche Träger des MVZ, gegen sich gelten lassen muss. Insofern ist die juristische Person bereits unter dem Blickwinkel des „Störers“ im Sinne des § 1 UWG a. F. zu sehen.


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6. Einfluss des Berufsrechts auf Gesellschaftsformen des MVZ

Die Bindungen des ärztlichen Berufsrechts im Bereich der Gründungsanforderungen von MVZ und Berufsausübungsgemeinschaften in der vertragsärztlichen Versorgung ist seit der Einführung der MVZ durch das GMG zum 01.01.2004 streitig. In einzelnen Bundesländern wie Bayern[39] und Sachsen[40] enthielten die Heilberufsgesetze zum Zeitpunkt der Einführung der gesetzlichen Regelung in § 95 Abs. 1 SGB V ein entsprechendes Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt. In diesen Bundesländern war es grundsätzlich nicht zulässig, eine ärztliche Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts zu führen. Damit verstieß § 95 Abs. 1 SGB V in einzelnen Bundesländern unter Umständen gegen die Vorgaben der Heilberufs- und Kammergesetze.

Gegenwärtig bestimmen die meisten Berufsordnungen, dass Ärzte auch in der Form der juristischen Person des Privatrechts ärztlich tätig sein dürfen (vgl. § 23a MBO-Ä). Die Tätigkeit ist jedoch nur erlaubt, wenn die Ärzte deutliche Einschränkungen in der Gesellschaftsstruktur und den Gesellschafterrechten akzeptieren, wenn sie ihre Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH ausüben möchten. Einzelne Landesärztekammern haben die Regelung zudem nicht eingeführt.[41]

Die Regelung in § 23a MBO-Ä und in den Berufsordnungen der übrigen Landesärztekammern zu den sog. Ärztegesellschaften hat folgenden Wortlaut:

„(1) Ärztinnen und Ärzte können auch in der Form der juristischen Person des Privatrechts ärztlich tätig sein. Gesellschafter einer Ärztegesellschaft können nur Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige der in § 23b Absatz 1 Satz 1 genannten Berufe sein. Sie müssen in der Gesellschaft beruflich tätig sein. Gewährleistet sein muss zudem, dass

  • die Gesellschaft verantwortlich von einer Ärztin oder einem Arzt geführt wird; Geschäftsführer müssen mehrheitlich Ärztinnen und Ärzte sein,

  • die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte Ärztinnen und Ärzten zustehen,

  • Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sind,

  • eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für jede/jeden in der Gesellschaft tätige Ärztin/tätigen Arzt besteht.

(2) Der Name der Ärztegesellschaft des Privatrechts darf nur die Namen der in der Gesellschaft tätigen ärztlichen Gesellschafter enthalten. Unbeschadet des Namens der Gesellschaft können die Namen und Arztbezeichnungen aller ärztlichen Gesellschafter und der angestellten Ärztinnen und Ärzte angezeigt werden.“

Diese berufsrechtlichen Kooperationsvorgaben für die sog. Ärztegesellschaft kollidieren mit den gesetzlichen Vorgaben für MVZ nach § 95 Abs. 1a SGB V, da ein MVZ auch von Ärzten in der Rechtsform der juristischen Person geführt werden kann, ohne dass sie dort selbst ärztlich tätig sind. Darüber hinaus erlauben die gesetzlichen Vorgaben, dass MVZ Trägergesellschaften z. B. gemeinsam von Vertragsärzten und Krankenhäusern gegründet werden, auch wenn die Mehrheit der Gesellschaftsanteile dem Krankenhaus zustehen. Das bedeutet, dass die gesetzlichen Bestimmungen für MVZ Abweichungen von den Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts auch für Vertragsärzte zulassen.

Das BSG[42] hat nun die Auffassung vertreten, dass Vertragsärzte, die ein MVZ in der Rechtsform der GmbH gründen und dort gleichzeitig als niedergelassene Ärzte tätig sein wollen (sog. „Freiberufler-MVZ-GmbH“), in Ausprägung der in § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV enthaltenen Vorgaben für die Berufsausübung („persönlich in freier Praxis“) in Abgrenzung zu einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb der Gesellschaft ein Mindestmaß an Selbstständigkeit inne haben müssen. Anhaltspunkte für die Ausgestaltung der Freiberuflichkeit in dieser Konstellation ergeben sich nach Ansicht des BSG aus § 23a MBO-Ä. Auch wenn das BSG nicht alle Merkmale des § 23a MBO-Ä zur Erfüllung des § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV voraussetzt, müssen Vertragsärzte, die in der Gesellschaft beruflich tätig sind, voraussichtlich auch Gesellschafter der MVZ Betriebsgesellschaft sein. Auf deren Geschicke müssen sie – individualvertraglich eingeräumt – Einfluss nehmen können. Die Gesellschaft muss zudem verantwortlich von einem Arzt geführt werden; gegebenenfalls müssen die Vertragsärzte auch die Mehrheit der Geschäftsführer stellen.

Wendet man diese Grundsätze auf die Gründung von MVZ an, wird z.B. eine gemeinsame Gründung einer MVZ Trägergesellschaft von Vertragsärzten und Krankenhäusern dahingehend beschränkt, dass Vertragsärzten in der Gesellschaft ein größerer gesellschaftsrechtlicher Einfluss als dem Krankenhaus eingeräumt werden muss.

Die Entscheidung des BSG macht deutlich, dass die Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts nicht nur im Bereich der ärztlichen Berufsausübung (vgl. §§ 17 ff. MBO-Ä), sondern auch zur Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit bei der Zusammenarbeit mit Dritten (vgl. §§ 30 ff. MBO-Ä) in den Konstellationen, in denen Vertragsärzte als Gründer bzw. (Mit-)Gesellschafter einer MVZ Trägergesellschaft beteiligt sind, unmittelbar auf die Ausgestaltung der Vertrags- und Gesellschaftsstrukturen einwirken können. Sind demgegenüber ausschließlich nichtärztliche Leistungserbringer, wie Krankenhäuser und Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen als Gründer an der MVZ Trägergesellschaft beteiligt, haben die Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts einen deutlich geringeren Einfluss auf die Ausgestaltung der internen und externen MVZ Strukturen.

Dies beruht auch auf der Tatsache, dass die Regelung des § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV, wonach der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit „persönlich in freier Praxis“ auszuüben hat, auf MVZ nur dann anwendbar ist, wenn ein Vertragsarzt als Gesellschafter beteiligt ist. Zwar ließe sich vertreten, dass der Begriff des „Vertragsarztes“ über die Bestimmungen in § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V und § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV auch das MVZ umfasst, jedoch können die Anforderungen, die das BSG an die Freiberuflichkeit stellt, auf ein MVZ nicht übertragen werden.[43]


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7. Beschränkungen für MVZ nach den §§ 73 Abs. 7, 128 SGB V

Die Feststellung, dass das ärztliche Berufsrecht im Rahmen von MVZ Trägerstrukturen, an denen Vertragsärzte als Gründer nicht beteiligt sind, nicht unmittelbar anwendbar ist, führt zur der Frage, ob Regelungen im SGB V existieren, die mit den Regelungen der Berufsordnung vergleichbar sind. Dies gilt insbesondere für den Bereich der wirtschaftlichen Betätigung von MVZ, bei der die für Ärzte unmittelbar Anwendung findenden Vorschriften der §§ 30 ff. MBO-Ä verhindern sollen, dass eine entgeltliche Patientenzuweisung stattfindet und dass auf die ärztliche Behandlungstätigkeit im Sinne einer Steigerung des Absatzes eigener Produkte Einfluss genommen wird.

Durch das GKV-VStG vom 22.12.2011[44] wurde in § 73 Abs. 7 SGB V geregelt, dass eine gesetzlich nicht vorgesehene Zuweisung von Patientinnen und Patienten gegen Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile einen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten darstellt.[45] Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.“

Nach der Gesetzesbegründung orientiert sich die Vorschrift an den entsprechenden berufsrechtlichen Regelungen, insbesondere § 31 MBO-Ä:

„Das in der Neufassung des § 31 Absatz 1 der Musterberufsordnung zusätzlich enthaltene Verbot der Verordnung oder des Bezuges von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten gegen Entgelt ist Gegenstand des § 128 SGB V. […] Als sonstige wirtschaftliche Vorteile gelten auch die in § 128 Absatz 2 Satz 3 genannte unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie von Einkünften aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen können.“

Der Verweis auf § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V definiert zudem den wirtschaftlichen Vorteil, der im Rahmen einer unzulässigen Verordnung oder den Bezug von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten gegen Entgelt nach § 73 Abs. 7 SGB V erlangt werden kann.

Es existiert bisher keine Rechtsprechung, ob diese Regelung ausschließlich auf Vertragsärzte anwendbar ist oder über § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V auch auf MVZ Anwendung findet. Da auch die Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass sich die Regelung ebenso wie das ärztliche Berufsrecht an Vertragsärzte richtet, wäre es denkbar, dass die Trägerebene des MVZ nicht unmittelbar Adressat des § 73 Abs. 7 SGB V ist, d. h. die juristische Person nach § 95 Abs. 1a S. 1, 2. Hs. SGB V, die Inhaber der MVZ-Zulassung ist.

§ 72 Abs. 1 S. 2 SGB V bestimmt allerdings, dass soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren gelten, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine Anwendung auf MVZ würde dazu führen, dass ein unzulässiges Zuweisungsverhalten einer MVZ Trägergesellschaft, z. B. durch deren Geschäftsleitung gegen § 73 Abs. 7 SGB V verstoßen würde. Die Vorschrift hätte dann einen ähnlichen Charakter wie z. B. § 31a des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW), der eine Zuweisung gegen Entgelt durch Krankenhäuser ausdrücklich verbietet:

„(1) Krankenhäusern und ihren Trägern ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile zu gewähren, zu versprechen, sich gewähren oder versprechen zu lassen.“

Die Vorschrift soll ergänzend zu anderen Vorschriften in NRW die begrenzten Möglichkeiten der bisherigen aufsichtsrechtlichen Befugnisse im Krankenhausrecht ergänzen.

Sofern die Vorschrift des § 73 Abs. 7 SGB V eine vergleichbare Funktion wie § 31a KHGG NRW erfüllen und auf die Träger von MVZ bzw. deren Gesellschafter Anwendung finden soll, ist jedoch Folgendes zu beachten. Zwar werden Verstöße gegen das Zuweisungsverbot als Verstöße gegen vertragsärztliche Pflichten i. S. d. § 81 Abs. 5 SGB V angesehen, die disziplinarisch geahndet werden.[46] Allerdings sind weder „das MVZ“ noch seine Rechtsträger, im Gegensatz zu den angestellten Ärzten eines MVZ[47], Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), so dass eine Disziplinargewalt der KVen und damit ein Einwirken auf deren Verhalten über § 81 Abs. 5 SGB V ausscheidet. Insofern käme letztlich erst eine Entziehung der MVZ-Zulassung in Betracht, wenn ein gröblicher Pflichtverstoß vorliegt, der den Pflichtenkreis des MVZ als solchen betrifft.[48]

Ein Verstoß gegen das Verbot der Zuweisung von Patienten gegen Entgelt stellt auch einen Verstoß gegen Vorschriften über formale und inhaltliche Voraussetzungen der Leistungsabrechnung dar, der nach § 106 d SGB V zur Abrechnungsprüfung und Honorarkorrektur führt. Das Versprechen und Gewähren einer Gegenleistung für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial an einen Laborarzt begründet nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) Celle-Bremen die Rechtswidrigkeit der Abrechnung des Laborarztes und berechtigt daher zur Honorarkorrektur mit Rückforderung.[49]

Voraussetzung für eine Zulassungsentziehung oder eine Honorarkorrektur wäre indes, dass ein Verstoß gegen das in § 73 Abs. 7 SGB V normierte Verbot der Zuweisung gegen Entgelt in den Pflichtenkreis der MVZ Trägergesellschaft fällt. Das BSG hat in der Entscheidung vom 21.03.2012 Hinweise zu der Aufteilung der Verantwortlichkeiten im MVZ gegeben, die darauf hindeuten, dass dies der Fall ist:

„Für die organisatorischen Abläufe, insbesondere den Einsatz der Ärzte und für die Korrektheit der Abrechnung, ist das MVZ selbst verantwortlich, während die Verantwortung für die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten in medizinischer Hinsicht in erster Linie dem einzelnen behandelnden Arzt obliegt; dieser muss dafür berufs- und haftungsrechtlich einstehen; zusätzlich unterliegt er der Disziplinargewalt der KÄV (§ 95 Abs 3 Satz 2 iVm § 81 Abs 5 SGB V). Status und Behandlungsdurchführung sind indessen nicht in der Weise trennbar, dass das MVZ generell nicht für die Fehler einzelner dort tätiger Ärzte verantwortlich wäre. So ist ein MVZ nicht vor der Pflicht zur Erstattung solchen Honorars geschützt, das es für Leistungen erhalten hat, die ein dort tätiger Arzt – entgegen seinen Angaben gegenüber dem MVZ – tatsächlich nicht erbracht hat. Vielmehr sind die Pflichtenkreise "des" MVZ und derjenigen der dort tätigen Ärzte miteinander verzahnt. Dementsprechend müssen die Anwendungsbereiche der Entziehung der MVZ-Zulassung und vertragsarztrechtlicher Disziplinarmaßnahmen wie auch berufsrechtlicher Sanktionen aufeinander abgestimmt werden. Die Möglichkeit einer Zulassungsentziehung gegenüber einem MVZ muss zielgenau bestimmt werden. Nur wenn klar ist, welche Pflichten spezifisch das MVZ als Träger der Zulassung treffen, lässt sich beurteilen, wann eine Verletzung dieser Pflichten gröblich ist.“[50]

Das BSG führt aus, dass die zentrale Verantwortung für die korrekte Organisation der Behandlung und die Leistungsabrechnung bei dem MVZ liegt. Diese Pflichten stünden nicht wie beim Vertragsarzt neben der Aufgabe der Patientenbehandlung. Diese Ausführungen des BSG sprechen dafür, dass auch MVZ Träger der Vorschrift des § 73 Abs. 7 SGB V unterfallen.


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8. Gesellschaftsrechtliche Beteiligung von MVZ an Unternehmen von Anbietern gesundheitlicher Leistungen

Soweit man eine Anwendung des § 73 Abs. 7 SGB V auf MVZ und deren Trägergesellschaften bejaht, wird man auch über die Übertragung der Vorgaben in § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V nachdenken müssen, wonach als unzulässige Zuwendungen auch

„Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen“

anzusehen sind. Die gesetzliche Regelung beruht auf mehreren gerichtlichen Entscheidungen, wonach als Vorteile im Sinne des § 31 MBO-Ä auch Gewinne oder sonstige Einnahmen aus einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung sein können.[51] Entscheidend sei, ob die Verweisung der Patienten kausal für den dem Arzt zufließenden finanziellen Vorteil ist.

Bei einer Übertragung der Grundsätze auf ein MVZ, wäre eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung eines MVZ Gründers, z. B. eines Krankenhauses an einem Unternehmen, das Arzneimittel oder Hilfsmittel herstellt bzw. vertreibt, dann unzulässig, wenn die angestellten Ärzte in den MVZ diese Leistungen aufgrund ihrer Fachrichtung verordnen würden und dieses Verordnungsverhalten sich maßgeblich auf den Umsatz dieses Unternehmens auswirken würde, an dem der Gesellschafter der MVZ Trägergesellschaft beteiligt ist. Nach den obigen Ausführungen der Rechtsprechung und der Regelung in § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V würde die Zulässigkeit einer solchen Beteiligung insbesondere davon abhängen, ob der Bezug von Arzneimitteln oder Hilfsmitteln gerade dieses Unternehmens, an welchem der MVZ Gesellschafter selbst beteiligt ist, den Umsatz des Unternehmens der Art steigert, dass von einer maßgeblichen Kausalität zwischen dem eigenen Verhalten des MVZ und dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ausgegangen werden kann.


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9. Gesellschaftsrechtliche Beteiligung Dritter auf der Gründerebene von MVZ

Für Ärzte ist anerkannt, dass die unmittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung oder die mittelbare Umsatz- oder Gewinnbeteiligung von Dritten, insbesondere die Beteiligung von Nichtärzten, an einer Arztpraxis oder einer Berufsausübungsgemeinschaft unzulässig sind, weil sie die Unabhängigkeit des Arztes in seiner fachlichen Entscheidung und auch in der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes gefährden.[52] Nach dem ärztlichen Berufsrecht ist die heilkundliche Tätigkeit allein am Wohl des Patienten auszurichten. Dies erfordert eine unbeeinflusste und nach ethischen Grundsätzen und Humanität orientierte Leistungserbringung unter Zurückstellung des eigenen Gewinnstrebens. Zwar bedingt die Beteiligung Dritter nicht zwingend eine direkte Einflussnahme auf ärztliche Entscheidung und damit den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit[53], sodass der Arzt – dem Anschein nach – weisungsfrei ist. Eine derartige Sichtweise wird aber im Regelfall nur theoretischer Natur sein, da nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, dass ein Dritter (Investor) nicht versuchen wird, auf die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis und damit in der Konsequenz auch auf die ärztlichen Entscheidungen Einfluss zu nehmen[54]. Dementsprechend sieht § 23a Abs. 1 S. 3 lit. c MBO-Ä ein Verbot der Beteiligung Dritter am Gewinn einer Ärztegesellschaft vor. Andererseits gewährt § 18 Abs. 2a MBO-Ä die Möglichkeit der Bildung von Berufsausübungsgemeinschaften unter Beteiligung eines MVZ, sodass auf diesem Umweg die Beteiligung Dritter am wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht wird.

Als problematisch sind auch Gebrauchsüberlassungen durch Dritte, insbesondere berufsfremder Personen im Wege von Umsatz- oder Gewinnbeteiligungen anzusehen.[55] Vertragsgestaltungen deren Ziel es ist, Dritte (Einzelpersonen oder Gesellschaften) mittelbar durch eine gewinnorientierte Miete oder Pacht am Gewinn des Arztes aus der ärztlichen Berufstätigkeit zu beteiligen, sind unzulässig, weil sie die Unabhängigkeit des Arztes in seiner fachlichen Entscheidung und insbesondere in der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes gefährden.[56] Dies gilt insbesondere dann, wenn eine gänzliche oder überwiegende Gewinnabschöpfung durch den Dritten unter Auszahlung eines fest vorgesehenen Gewinnanteils oder eines Fixums erfolgt.[57]

Demgegenüber sind Einschränkungen auf der Gesellschafterebene von berechtigten Gründern eines MVZ, z. B. eines Krankenhauses oder eines Erbringers nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V, nicht vorgesehen. Zwar wurde in der Vergangenheit unter den Begriffen des „Missbrauchs der Gründungsberechtigung“[58] oder der „Umgehungsstrategien“[59] diskutiert, ob die Beteiligung von Investoren oder anderen nicht gründungsberechtigten natürlichen oder juristischen Personen an einem berechtigten Gründer eines MVZ zulässig ist.[60]

Diese Erwägungen dürften für Vertragsärzte als MVZ-Gründer ihre Berechtigung haben, da für sie weiterhin die Vorgaben in § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV Anwendung finden. Die Anforderungen hat das BSG für Vertragsärzte präzisiert, die weiterhin als Vertragsärzte zugelassen und mit diesen Zulassungen in einem als juristische Person organisierten MVZ tägig sein wollten.[61]

Für Krankenhäuser oder Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen, die als berechtigte Gründer eines MVZ nach § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V auftreten, sind Forderungen nach einer Einschränkung des Gesellschafterkreises auf berechtigte MVZ Gründer dagegen nicht (mehr) haltbar.

Bei Krankenhäusern beruht dies auch darauf, dass ein zugelassenes Krankenhaus nach §§ 107, 108 SGB V, anders als ein Vertragsarzt, immer selbst eine juristische Person und damit ein Rechtsträger ist, so dass die rechtliche Eigenschaft „zugelassenes Krankenhaus“ grundsätzlich vollkommen unabhängig von der inneren gesellschaftsrechtlichen Struktur ist. Insoweit kann man, mit Verweis auf eine dann mögliche Benachteiligung von privaten Plankrankenhäusern (Schutz der Trägervielfalt § 1 Abs. 2 KHG) und dem Rechtsstaatsprinzip, Überlegungen zum Missbrauch der Gründungsberechtigung gänzlich ablehnen.[62] Ebenso könnte man auf die gesellschaftsrechtliche Selbstständigkeit unter der Einschränkung auf ein bloßes Scheingeschäft abstellen.[63]

Das Gesetz schweigt zu der näheren Ausgestaltung der Beteiligungsverhältnisse bei MVZ-Gründern. Für die Gründung des MVZ kommt es nach dem Wortlaut des § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V allein auf die Gründereigenschaft als solche an. Insbesondere seit dem Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vom 06.05.2019[64] ist zudem deutlich geworden, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, die Gesellschafterstruktur für Krankenhäuser als berechtigte Gründer von MVZ vorzugeben. Diese Auffassung vertritt mittlerweile auch das BSG, welches in einer Entscheidung vom 30.09.2020[65] hierzu Folgendes ausgeführt hat:

„Ob und inwieweit solche Investoren, zu denen die Gesellschafterin der beiden beigeladenen MVZ gehört, an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirken können, entscheidet der Gesetzgeber. Dieser hat sich mit dem TSVG dafür entschieden, im vertragszahnärztlichen Bereich Einschränkungen zu normieren (vgl § 95 Abs 1b SGB V), für den ärztlichen Bereich aber davon abgesehen. Gestaltungsspielräume der Rechtsprechung sind insoweit nicht eröffnet.“

Letztlich dürften Einschränkungen der Gründerebene auf das MVZ daher im Wesentlichen über die vertragliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft, wie sie in den §§ 45 ff. GmbHG vorgegeben werden und unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs erfolgen.[66]

Da abweichend von den Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts auf der Gründerebene eines MVZ die Gesellschafterstellung auch von Dritten wahrgenommen werden kann, stellt sich die Frage, wie z. B. die gesellschaftsrechtliche Beteiligung pharmazeutischer Unternehmer, Apotheken, pharmazeutischer Großhändler, Heil- und Hilfsmittelerbringer und Anbieter von Gesundheitsleistungen zu beurteilen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn z. B. ein pharmazeutischer Großhändler über seine Gesellschafterstellung in einem Krankenhaus den Bezug von Arzneimitteln gegenüber den MVZ Trägergesellschaften und damit das Verordnungsverhalten der angestellten Ärzte einseitig steuern würde. Im radiologischen Bereich wäre der Fall denkbar, dass ein pharmazeutischer Unternehmer oder Großhändler als Gesellschafter eines Krankenhauses die darunter befindlichen MVZ GmbHs mit Kontrastmitteln zu besonderen Einkaufskonditionen versorgt.

Betrachtet man § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V wird deutlich, dass Hilfsmittelerbringer keine „Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern“ erzielen dürfen, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- und Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen. Durch die entsprechende Anwendung der Norm über § 128 Abs. 6 SGB V u. a. auf pharmazeutische Unternehmen, Apotheken und pharmazeutische Großhändler wird deutlich, dass auch diesen Leistungserbringern die mittelbare Beteiligung an den Einnahmen untersagt ist, die durch das Verordnungsverhalten von Vertragsärzten bestimmt wird.[67]

Soweit davon auszugehen ist[68], dass für MVZ diese Verbote gleichsam über §§ 73 Abs. 7, 128 Abs. 2 S. 3 SGB V unmittelbare Anwendung finden, bestünde eine Möglichkeit gegen die gesellschafts-rechtliche Beteiligung eines Leistungserbringers an dem Gründer eines MVZ vorzugehen.

Angesprochen wird diese Frage in einer Entscheidung des BGH vom 19.08.2020 über die Strafbarkeit eines Apothekers wegen der mangelnden Gründereigenschaft in einer MVZ GmbH, in der das Gericht auch einen Betrug nach § 263 StGB angenommen hat, weil der Apotheker nicht lediglich an der MVZ GmbH gesellschaftsrechtlich beteiligt war, sondern dies insbesondere auch „zur Erschließung neuer Absatzquellen für die von ihm hergestellten hochpreisigen Medikamente erfolgt ist, um so unmittelbar Einfluss auf die Verordnung dieser Medikamente ausüben zu können“:

„In § 7 Abs. 1 AVV ist es Apothekern untersagt, Vertragsärzte zulasten der Ersatzkassen zugunsten von bestimmten Apotheken zu beeinflussen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Apotheker selbst als Geschäftsführer der Ärztegesellschaft tätig ist. Hiergegen hat der Angeklagte Z. verstoßen, indem er durch seine Handlungsbevollmächtigten den im medizinischen Versorgungszentrum tätigen Ärzten ausdrückliche Weisung gab, Patienten dazu zu bewegen, Zytostatika über die von ihm betriebene Apotheke zu beziehen. Ein Apotheker hat aber bei einer unter Verstoß gegen die bundeseinheitlich vereinbarten Abgabevorschriften zustande gekommenen Abgabe vertragsärztlich verordneter Arzneimittel selbst dann keinen Anspruch auf Vergütung, wenn sich die Arzneimittelabgabe später als sachgerecht erweist (vgl. BSGE 106, 303 Rn. 32 mwN). Der Angeklagte Z. hat mit der Einreichung der Abrechnung mithin bewusst wahrheitswidrig erklärt, einen tatsächlich bestehenden Vergütungsanspruch geltend zu machen.“[69]

Der Unterschied bestand in diesem Fall allerdings darin, dass der Apotheker an der Trägergesellschaft des MVZ beteiligt war. Ob diese Bewertung auch dann durchgreifen würde, wenn die Beteiligung auf der Ebene des gründungsberechtigten Krankenhauses erfolgt wäre, ist dagegen nicht abschließend entschieden.


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10. Ergebnis

Im Ergebnis ist einerseits festzuhalten, dass die Vorschriften des ärztlichen Berufsrechts, wie die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder, auf MVZ keine unmittelbare Anwendung finden, sondern ausschließlich mittelbar über die Vertragsärzte, die als Gründer auftreten oder selbst in dem MVZ tätig sind. Ferner gelten die Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts für die angestellten Ärzte und den ärztlichen Leiter des MVZ. Gerade in den Fällen, in denen es um die wirtschaftliche Betätigung des MVZ geht, führt diese eingeschränkte Anwendbarkeit des ärztlichen Berufsrechts jedoch zu Unsicherheiten darüber, ob die Unabhängigkeit der ärztlichen Berufsausübung, wie diese z. B. in den §§ 30 ff. MBO-Ä für Ärzte vorgegeben wird, auch für MVZ gewährleistet ist.

Eigene Verstöße eines Rechtsträgers eines MVZ gegen Vorschriften der ärztlichen Unabhängigkeit, wie nach den §§ 30 ff. MBO-Ä, können daher auf der Grundlage des Berufsrechts nicht geahndet werden. Es stellt sich demgegenüber die Frage, ob die vergleichbare Vorschrift des § 72 Abs. 7 SGB V, der es Vertragsärzten untersagt, sich für die Zuweisung von Versicherten ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile im Sinne des § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V versprechen oder gewähren zu lassen, auch auf Rechtsträger von MVZ Anwendung findet. Eine Rechtslücke besteht insoweit, als das MVZ und der Rechtsträger nicht Mitglied der KV sind und Verstöße gegen § 72 Abs. 7 SGB V gegenüber dem MVZ daher disziplinarisch nicht geahndet werden können.

Es wäre aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit daher zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der nächsten Gesundheitsreform die Anwendbarkeit der Korruptionsvorschriften in den §§ 72 Abs. 7, 128 Abs. 2 SGB V auf MVZ sowie deren Rechtsträger und Gründer, ähnlich wie in § 31a KHGG NRW, ausdrücklich vorschreiben würde.

Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwälte Wigge
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1 BGBl. I, S. 2983.


2 LG Schweinfurt 25.10.2013, Az.: 5 HK O 57/12.


3 Ratzel/Lippert/Prütting, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, 2018, § 31 Rn. 1.


4 BGH, Urteil vom 15.11.2001, Az.: I ZR 275/99 = MedR 2002, 256.


5 Makoski, MedR 2009, 376 f.


6 OLG Koblenz, Urteil vom 20.05.2003, Az.: 4 U 1532/02, MedR 2003, 580 f.


7 OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.11.2003, Az.: 6 U 17/03, MedR 2004, 270 f.


8 BGH, Urteil vom 22.01.1986, Az.: VIII ZR 10/85, NJW 1986, 2360; BGH, Urteil vom 22.06.1989, Az.: I ZR 120/87, MedR 1990, 77.


9 vgl. BGH MedR 2015, 729, 732


10 OLG Hamm BeckRS 2007, 65 499.


11 OLG Koblenz WRP 2008, 145, 146; LG München I MedR 2008, 507; OLG Düsseldorf WRP 2009, 652, 657; aA Buchner/König ZGMR 2005, 335, 339; weiter auch LG Osnabrück MedR 2006, 660, 661.


12 BGH MedR 2011, 500, 503; Buchner/König ZGMR 2005, 335, 340.


13 OLG Schleswig ZMGR 2013, 201, 203; Spickhoff/Scholz, 2018, MBO-Ä 1997 § 31 Rn. 15.


14 LG Osnabrück MedR 2006, 660, 661; BÄK DÄBl. 2004, A-1607, 1609.


15 BGH NJW 2000, 2745, 2747.


16 OLG Frankfurt, NJW 2000, 1797, 1798.


17 BayObLG MedR 2001, 206, 207; Spickhoff/Scholz, 2018, MBO-Ä 1997 § 31 Rn. 15.


18 BGH MedR 2011, 500, 503; BGH NJW 1981, 2007, 2008.


19 BGH MedR 2011, 500, 505.


20 OLG Düsseldorf WRP 652, 657; Spickhoff/Scholz, 2018, MBO-Ä 1997 § 31 Rn. 15.


21 BGH MedR 2011, 158, 160.


22 BGH MedR 2009, 728, 730; 2011, 500, 503 f.; OLG Schleswig ZMGR 2013, 201, 204.


23 OLG Stuttgart MedR 1997, 175, 176; OLG Düsseldorf MedR 2009, 664, 667; Spickhoff/Scholz, 2018, MBO-Ä 1997 § 31 Rn. 15.


24 vgl. Sieper in: Spickhoff, Medizinrecht, 2018. § 11 ApoG, Rn. 1.


25 Prütting, Apothekenvorschriften Nordrhein-Westfalen, Kommentar zum ApoG, § 11 Rn. 1, Stand: 2007.


26 Prütting, Apothekenvorschriften Nordrhein-Westfalen, Kommentar zum ApoG, § 11 Rn. 1.


27 vgl. Schiedermair, Pieck, Apothekengesetz, 1981, Kom. § 10, Rn. 9.


28 LG Düsseldorf, Urt. v. 23.12.2015, Az.: 14c O 121/14.


29 Zu diesem Abschnitt insgesamt: Prütting, Apothekenvorschriften Nordrhein-Westfalen, Kommentar zum ApoG, § 11 Rn. 4 ff.


30 Vgl. Rademacker, in KassKomm, Stand Juli 2021, § 95 Rn. 93.


31 Wir gehen nachfolgend ausschließlich auf die ärztlichen Berufsordnungen der Landesärztekammern und nicht gesondert auf die Berufsordnungen der Zahnärztekammern und Psychotherapeutenkammern ein, für die jedoch hinsichtlich der Anwendbarkeit auf MVZ die gleichen Grundsätze gelten.


32 BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az.: B 6 KA 12/10 R; ZMGR 2011, 175.


33 Vgl. Schmidt, Grenzen finanzieller Einflussnahme auf ärztliche Entscheidungen bei der Kooperation von Ärzten mit anderen Leistungserbringern in der Gesundheitswirtschaft, Diss. Berlin 2014, S. 139 m.w.N.


34 BSG, Urteil vom 09.02.2011, Az.: B 6 KA 12/10 R; ZMGR 2011, 175 ff.


35 Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 140.


36 Bundesärztekammer, Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit Umgang mit der Ökonomisierung des Gesundheitswesens Hinweise und Erläuterungen, DÄBl. vom 01.06.2007, A 1607.


37 Vgl. Schmidt, a. a. O., S. 140.


38 BGH, Urteil vom 14.04.1994, Az.: I ZR 12/92, MedR 1995, 113; Landesberufungsgericht beim OVG RPf., Urteil vom 27.04.1994, Az.: LBGH A 12 498/93, NJW 1995, 1633 = MedR 1995, 125.


39 Vgl. Art. 18 Abs. 1 S. 2 Heilberufe-Kammergesetz Bayern.


40 Vgl. Art. 16 Abs. 4 Heilberufekammergesetz Sachsen.


41 z. B. Berufsordnungen der Ärztekammer Nordrhein und der Bayerischen Landesärztekammer.


42 BSG, Urteil vom 29.11.2017, Az.: B 6 KA 31/16 R = ZMGR 2018, 187


43 Sodan/Schmitt, MVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung, S. 85.; Pflugmacher in: MVZ als Strafbarkeitsrisiko, in: Aktuelle Entwicklungen im Medizinstrafrecht 2020, 119, 122.


44 BGBl. I, S. 2983.


45 Vgl. Gesetzentwurf zum GKV-VStG, BT-Drucksache 17/6906, S. 56.


46 Vgl. Matthäus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., 2021, § 73 SGB V Rn. 163


47 Vgl. § 77 Abs. 3 S. 1 SGB V.


48 BSG, Urteil vom 21.03.2012, Az.: B 6 KA 22/11 R = MedR 2013, 66.


49 Vgl. Matthäus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., 2021, § 73 SGB V Rn. 164


50 BSG, Urteil vom 21.03.2012, Az.: B 6 KA 22/11 R = MedR 2013, 66.


51 BGH, Urteil vom 13.01.2011, Az.: I ZR 111/08; Landesberufsgerichts für Heilberufe Münster, Urteil vom 06.07.2011, Az.: 6 t A 1816/09.T; OLG Stuttgart, Urteil vom 10.05.2007, Az.: 2 U 176/06.


52 Burghardt/Dahm MedR 1999, 485 (491); BGH DStR 1995, 1722 m. Anm. Goette.


53 Daher die Zulässigkeit der Beteiligung bejahend Reiter GesR 2005, 6, 11.


54 Ebenfalls krit. Gummert/Meier MedR 2007, 75, 76.


55 Vgl. hierzu Ratzel/Lippert/Prütting, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte, 2018, S. 33; Hess in KassKomm, Stand September 2016, § 95 Rn. 51.


56 Vgl. Burghardt/Dahm, MedR 1999, 485 (491); BGH, DStR 1995, 1722 m. Anm. Goette.


57 BGHZ 75, 217 = 90 % des ärztlichen Gewinns; OLG München NJW-RR 1998, 1441; BayObLG MedR 2001, 206, 209.


58 Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2018, Rn. 869.


59 Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 17 Rn. 32 f.


60 Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2018, Rn. 869; Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 2018, § 17 Rn. 32 f.


61 BSG, Urt. v. 29.11.2017, Az.: B 6 KA 31/16 R – „Freiberufler-MVZ“.


62 Ladurner, Ärzte-ZV, § 95 SGB V Rn. 57, 64.


63 wohl zustimmend Bördner KrV 2019, 236, 237.


64 BGBl. I, 2019, 646.


65 Az.: B 6 KA 18/19 R.


66 vgl. Pflugmacher, a. a. O., 122.


67 vgl. Ratzel, Lippert, Prütting, a. a. O., 490.


68 Vgl. oben Ziffer 6.


69 BGH, Urt. vom 19.08.2020, Az.: 5 StR 558/19.



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Article published online:
15 December 2021

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