physiopraxis 2021; 19(10): 58-60
DOI: 10.1055/a-1542-3306
Perspektiven

Was hätten Sie denn gern? – Betriebliche Sozialleistungen

Anna von Eisenhart Rothe
 

Kleine Freuden können die Zufriedenheit und Motivation Ihrer Mitarbeitenden deutlich steigern. Als Praxisinhaber*in haben Sie viele Möglichkeiten, über das Gehalt hinaus Ihre Wertschätzung auszudrücken.


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Ob Ventilator im Sommer und Obstkorb für alle, Tankgutschein oder individuell vereinbarter Darlehensvertrag – betriebliche Sozialleistungen motivieren Ihre Mitarbeitenden und tragen entscheidend zu Ihrer Attraktivität als Arbeitgeber*in bei.© S. Schaaf/Thieme

Warum sollten Sie Ihren Angestellten mehr zukommen lassen, als Sie unbedingt müssen? Ganz einfach: Damit sie bleiben, wenn es das ist, was Sie wollen! Wir haben Vollbeschäftigung in der Therapeutenwelt. Wir haben Fachkräftemangel und Nachwuchssorgen in unserer Branche. Wir haben massive Probleme, Stellen zu besetzen. Und wir können – anders als viele andere Branchen – unsere Mitarbeitenden bisher nicht durch Roboter, Technologie und Digitalisierung ersetzen (aber Vorsicht, die Pflege forscht, entwickelt und testet bereits massiv in diese Richtung).

Ein Minimum an Bezahlung führt logischerweise über kurz oder lang zu einem Minimum an Engagement. Motivation, Fehlzeiten, Patientenkommunikation, Betriebsklima, Bereitschaft zu Überstunden und Verlässlichkeit sind nur ein paar Faktoren, die der Minimierung der Vergütung irgendwann und irgendwie wie ein Schatten folgen. Was immer sichtbar leidet, ist Ihre Arbeitgeberattraktivität.

Da die Mitarbeitenden unterschiedlich sind, reagiert die eine früher und der andere später, die einen lauter und die anderen lautlos mit einer der oben genannten Verhaltensänderungen. Ein uraltes Sprichwort sagt: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“, was eher die Wertschätzung und die zwischenmenschliche Ebene gegenüber Mitarbeiten-den ausdrückt. Betriebswirtschaftlich formuliert bedeutet es, dass Mitarbeitende sehr wohl gedanklich eine Kosten-Nutzen-Analyse für ihren Einsatz für Praxis oder Klinik und das, was sie dafür erhalten, anstellen – eine absolut ökonomische, wichtige und sinnvolle Betrachtungsweise.

Sie als Praxisinhaber*in sind im Dilemma. Ihre Gewinnspanne ist gedeckelt, denn auch wenn Sie – mal angenommen – unternehmerisch alles richtig machen, haben Sie eine feste Gewinngröße, die bei gleichbleibender Anzahl von Arbeitsstunden und therapeutischen Abrechnungsposten, Vollauslastung, optimaler Kostenstruktur und gleichbleibenden Räumlichkeiten nicht mehr steigerbar ist. Sie müssen folglich entscheiden, wie viel Sie bereit sind, von Ihrem Gewinn zusätzlich zum bestehenden Gehalt in Ihre Mitarbeitenden zu investieren. Hier müssen Sie die gleichen Investitionsentscheidungskriterien heranziehen wie bei allen anderen Investitionen auch:

  • Was ist Ihr Ziel? Was wollen Sie erreichen?

  • Lohnt sich diese Investition?

  • Wenn Sie es nicht tun, was passiert, wenn es Ihre Konkurrenz tut?

  • Was könnte sich mittel- und langfristig verschlechtern, wenn Sie sich dagegen entscheiden?

Das Schöne im Bereich der betrieblichen Sozialleistungen ist, dass Sie unterschiedliche Gestaltungsfreiheit haben, um zielgerichtet Schwerpunkte in Ihrer Unternehmensführung und in Ihrer individuellen Personalstrategie setzen zu können. Grundsätzlich unterliegen Sie gesetzlichen, tarif- und arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Der Bereich der freiwilligen betrieblichen Sozialleistungen ist davon ausgenommen, daher der Name. Generell gilt, dass Abweichungen zugunsten Ihrer Angestellten auf allen genannten vier Ebenen immer möglich sind. Sehr wichtig dabei ist, dass Sie das über das bestehende Gehalt hinaus vereinbaren und nicht kurzerhand Gehalt umwandeln – mit einer Ausnahme: die Entgeltumwandlung zur privaten Altersvorsorge.

Betriebliche Sozial-leistungen zeigen die individuelle Personalstrategie.

Entgeltumwandlung

Die Entgeltumwandlung ist eine spezifische, staatlich geförderte Form der betrieblichen Altersvorsorge, auf die gemäß § 1a BetrAVG jeder Arbeitnehmende einen gesetzlichen Rechtsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber hat. Jeder kann einen Teil seines vereinbarten Brutto-Arbeitsentgelts für die betriebliche Altersversorgung zu verwenden. Sie als Arbeitgeber müssen 15 Prozent auf den ausgewählten Betrag „drauflegen“, weil Sie sich durch die Umwandlung die etwa 50-prozentigen Arbeitgeberanteile aller vier Sozialversicherungsbeiträge um den Anteil des verminderten Bruttogehalts sparen. Richtig eingeordnet ist dies also keine Sozialleistung des Arbeitgebers, sondern ein wichtiges Beispiel für einen Gesetzesanspruch. Aus Arbeitnehmersicht ist dies eine sehr interessante Variante der Altersvorsorge, denn viele andere private Altersvorsorgemodelle werden aus dem Nettolohn bezahlt. Versicherungsunternehmen helfen Ihnen bei der Umsetzung.

Gegenüber Ihren Mitarbeitenden besteht eine Informationspflicht: Sie müssen Sie regelmäßig schriftlich über die gesetzliche Möglichkeit der Entgeltumwandlung aufklären.


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Verbuchung freiwilliger sozialer Leistungen

Als Unternehmer können Sie freiwillige soziale Leistungen als Betriebsausgabe verbuchen, da eine betriebliche Veranlassung vorliegt. Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen sind generell steuer- und abgabenfrei, da hierbei das betriebliche Interesse im Vordergrund steht und die Mitarbeitenden keinen finanziellen Vorteil erlangen. Beispiele hierfür sind die inzwischen durch die Corona-Pandemie vielerorts notwendig gewordenen mobilen Klimaanlagen, Ventilatoren oder Luftaustauschgeräte. Auch Duschräume für Mitarbeitende, die inzwischen vermehrt mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, Kühlschränke, kostenloses Wasser, Kaffee, Kekse, unbelegte Backwaren oder der wöchentliche Obstkorb gehören dazu.


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Darlehen

Die Gewähr von Darlehen (zinslos oder unter dem marktüblichen Zinssatz, maximale Höhe 2600 Euro) erspart Ihren Beschäftigten den oft mühsamen Gang zu Banken, um einen kleinen Kredit beispielsweise für eine ungeplante notwendige Anschaffung zu erhalten, und ist eine gute Soforthilfe bei stressigen, belastenden finanziellen Engpässen. Dazu ein Rechenbeispiel: Bei einem Darlehensbetrag von 2000 Euro und einer Rückzahlungsvereinbarung von 20 Raten zahlt der Mitarbeitende monatlich je 100 Euro, die direkt bei der Gehaltsabrechnung abgezogen werden. Diese freiwillige Sozialleistung setzt ein enges Vertrauensverhältnis mit Verschwiegenheit für beide Seiten voraus und hat einen hohen Bindungscharakter.

Wenn Sie sich entscheiden, freiwillige soziale Leistungen zu gewähren, dürfen Sie diese nicht willkürlich verteilen, sondern müssen sich an den Gleichbehandlungsgrundsatz halten, das heißt in diesem Fall, Sie dürften dann einzelne Angestellte nicht von der Möglichkeit eines Darlehens ausschließen.

Was Sie aber dürfen, ist die Sozialleistungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen und diese etwa von der Dauer der Betriebszugehörigkeit (zum Beispiel Beginn der monatlichen Einzahlung für eine betriebliche Altersversorgung erst nach Bestehen der Probezeit) abhängig zu machen.

Für freiwillige soziale Leistungen gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz.


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Nettolohnoptimierung

Besonders interessant könnte für Sie die sogenannte Nettolohnoptimierung sein. Dahinter verbirgt sich, dass Sie Ihren Mitarbeitenden 2021 maximal 44 Euro in Form von Gutscheinen und Geldkarten monatlich steuer- und abgabenfrei zukommen lassen können. Die bekannteste Variante ist der Tankgutschein. Ihr Vorteil dabei ist, dass auch Sie sich Ihren hälftigen Arbeitgeberanteil von jeweils etwa 50 Prozent zu den Sozialversicherungsbeiträgen sparen. Bei Ihren Mitarbeitenden kommt der volle Betrag an – daher Nettolohnoptimierung.

Würden Sie stattdessen eine Brutto-Gehaltserhöhung in derselben Höhe umsetzten, müssten Sie auf die Gehaltserhöhung höhere Abgaben an die Sozialversicherungen entrichten und Ihr Mitarbeiter würde darauf auch Steuern und Sozialversicherungsabgaben bezahlen müssen – dann würden davon je nach Einkommen nur noch etwa 25 bis 30 Euro netto übrigbleiben, was vielleicht sogar noch zur Folge hat, dass die gut gemeinte Gehaltserhöhung eher Frustration auslöst.

Im Internet finden Sie Anbieter zum Thema Nettolohnoptimierung, die sich gezielt darauf spezialisiert haben. Ab 2022 steigt die Freigrenze für Sachbezüge auf 50 Euro, und auch die Nutzungsbedingungen für Geldkarten werden 2022 verschärft. Achten Sie daher genau darauf, dass Sie heute schon geltendes Recht für 2022 beachten.


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Unterschied zwischen Sach- und Geldleistungen

Wichtig ist zudem, dass 44 Euro eine monatliche Freigrenze ist. Dabei werden alle Sachzuwendungen dieser Art zusammengerechnet. Wird dieser Betrag auch nur um einen Cent überschritten, müssen Sie und Ihre Mitarbeitenden für die gesamte Zuwendung Lohnsteuer und Sozialversicherung abführen. Nicht ausgeschöpfte Beträge dürfen nicht auf den nächsten Monat übertragen werden.

Unterschieden werden jedoch beispielsweise einmal jährliche Geldleistungen wie sogenannte Erholungsbeihilfen bis 600 Euro bei Krankheit und für sonstige Unglücksfälle nach überstandener schwerer Krankheit, Betreuungskosten für nicht schulpflichtige Kinder zum Beispiel in Kitas und Kindergärten und Kosten für „Tageseltern“ oder auch Einmalzahlungen von maximal 60 Euro zum Geburtstag.

Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen sind steuer- und abgabefrei.


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Verpflegungszuschüsse

Sie können sich – je nach Infrastruktur rund um Ihre Praxis und Ihren verfolgten Zielen – auch für Essensgutscheine in den umliegenden Imbissen, Bäckereien oder Supermärkten entscheiden. 2021 gilt für ein Mittag- oder Abendessen 3,47 Euro, für ein Frühstück 1,83 Euro. Laut Angaben eines Restaurantscheck-Anbieters kann ein Unternehmen mit einem Verpflegungszuschuss den Nettolohn um bis zu 1445 Euro pro Mitarbeitenden und Jahr in Form einer sogenannten digitalen Essensmarke per App erhöhen – siehe Nettolohnoptimierung. Eines Ihrer unternehmerischen Ziele könnte ja lauten: „Der Mensch ist, was er isst“, und Sie könnten bestimmte Essensoptionen gezielt auswählen.


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Corona-Sonderbonus

Noch bis zum 31. März 2022 gilt, dass Sie den sogenannten Corona-Sonderbonus in Höhe von maximal 1.500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei an Ihre Mitarbeitenden auszahlen dürfen, was eine besondere Dankesgeste in besonderen Zeiten bedeutet, denn Ihre Therapeuten waren einem erhöhten Infektionsrisiko und der massiven Mehrbelastung durch die FFP2-Masken ausgesetzt.


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Jobtickets

Jobtickets dürfen Sie generell als steuerfreien Zuschuss an Ihre Mitarbeitenden für die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz zur Verfügung stellen – unabhängig davon, ob das Ticket ein Einzel- oder Mehrfachfahrschein, eine Bahncard 25, 50 oder 100 oder eine Monats- oder Jahreskarte ist. Sie können die Fahrausweise verbilligt oder kostenlos abgeben, alternativ einen Zuschuss leisten. Allerdings mindert der steuerfreie Zuschuss die beim Mitarbeitenden abzugsfähige Entfernungspauschale zum Arbeitsplatz und zurück im Lohnsteuerjahresausgleich.


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Krankenzusatzversicherung

Gerade in unseren therapeutischen Berufsgruppen erleben wir fast täglich die eklatanten Unterschiede, über welchen Krankenversicherungs- oder Pflegeversicherungsschutz unsere Patient*innen verfügen. Als Arbeitgeber können Sie auch hier Ihre Mitarbeitenden finanziell unterstützen, indem Sie eine Krankenzusatzversicherung (max. 44 Euro/Monat) übernehmen, die Extraleistungen im Krankenhaus oder beim Zahnersatz abdeckt.

Egal, wofür Sie sich entscheiden – es ist immer eine sinnvolle Investition in die Zukunft Ihrer Praxis!

Grundsatz beachten

Differenzierung erlaubt

Gleiches müssen Sie gleich behandeln, Unterschiede dürfen Sie machen, wenn es einen sachlichen Differenzierungsgrund gibt. Zum Beispiel bei den Fahrtkosten: Alle, die mehr als 20 Kilometer Anfahrt zum Arbeitsplatz haben, erhalten einen Tankgutschein, wer weniger als 20 Kilometern Anfahrtsweg hat, erhält nichts.


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Autorin

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Anna von Eisenhart Rothe ist Physiotherapeutin B. Sc., Ökonomin mit Schwerpunkt Master Human Ressources und Wirtschaftsmediatorin. Sie lehrt in diversen Masterstudiengängen Personal, Controlling, Management und Marketing und ist Personalleiterin in einem Inklusionsunternehmen.

Publication History

Article published online:
18 October 2021

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Ob Ventilator im Sommer und Obstkorb für alle, Tankgutschein oder individuell vereinbarter Darlehensvertrag – betriebliche Sozialleistungen motivieren Ihre Mitarbeitenden und tragen entscheidend zu Ihrer Attraktivität als Arbeitgeber*in bei.© S. Schaaf/Thieme