ergopraxis 2021; 14(09): 38-40
DOI: 10.1055/a-1420-5621
Perspektiven

Toller Einsatz Aller Mitarbeitenden – Teamarbeit

Lisa Holtmeier
 

Auch wenn die Arbeit der einzelnen Therapeut*innen in einer Praxis eher nebeneinander als miteinander stattfindet, ist Teamarbeit auch dort ein wichtiger Faktor, damit die Praxis erfolgreich ist. Die Kommunikation untereinander und welche Rollen im Team vertreten sind, sind dabei zentrale Faktoren.


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Jeder Ihrer Mitarbeitenden hat besondere Fähigkeiten und Talente. Wenn Sie es schaffen, dass sich jede*r Einzelne als wichtiges Teammitglied fühlt, beflügelt das alle zu Höchstleistung, Selbstverwirklichung, Motivation und Gesundheit.

„Entscheidend ist nicht, wer im Team zusammenarbeitet, sondern wie zu- sammengearbeitet wird.“ (Rework. In: Goller u. Laufer 2018) Das ergab eine Studie aus dem Jahr 2016. Diese Studie wurde im Google-Konzern durchgefuhrt. Die Hypothese lautete, dass Hochleistungsteams wie die von Google vor allem so erfolgreich sein würden, weil die Teams entsprechend ihrer Persönlichkeiten und Charaktere zusammengesetzt wurden.

Wie zusammengearbeitet wird, ist der entscheidende Erfolgsfaktor. Das Wie wird maßgeblich durch die Rahmenbedingungen und die Kommunikation gestaltet. Laut der Studie gibt es fünf Voraussetzungen für erfolgreiche Teamarbeit, die hier der Reihe nach vorgestellt werden.

1. Psychologische Sicherheit

Erst wenn die Mitarbeitenden sich sicher fühlen und nicht ständig negative Konsequenzen befürchten müssen, sind sie bereit, Eigenverantwortung zu übernehmen. Auch in therapeutischen Praxen sind die Themen Eigenverantwortlichkeit und Fehlerfreundlichkeit sehr relevant. Viele Mitarbeitende haben Angst Fehler zu machen, weshalb sie vermeiden eigene Entscheidungen zu treffen. Deshalb richten sie sich mit samtlichen Fragen an die Führungsperson. Oftmals handelt es sich um „unechte“ Fragen. Die Fragen dienen nur dazu, um sich abzusichern. Viele Führungskräfte werden durch die Vielzahl von Fragen im Arbeitsalltag sehr belastet und kommen nur selten in einen richtigen „Arbeits-flow“. Das belastet zudem oft die Beziehung zwischen Führungsperson und Mitarbeitendem. Ein erster Schritt in Richtung Eigenverantwortlichkeit ist, dass die Mitarbeitenden ihre Fragen nur noch mit entsprechenden Lösungsideen präsentieren sollen. Das ermöglicht ihnen einen Perspektivwechsel, sie erleben Selbstwirksamkeit und werden zunehmend eigenverantwortlicher. Viele Fragen erubrigen sich dann schon im Voraus und gelangen gar nicht erst zur Fuhrungsperson. Das ist sowohl fur die Mitarbeitenden motivierend, weil sie Erfolgserlebnisse feiern dürfen, und auch für die Führungsperson, weil sie deutliche Entlastung erfährt. Wichtig: Legen Sie als Führungsperson einen Rahmen fest, in dem Entscheidungen getroffen werden durfen. Das gibt Sicherheit für Sie und Ihre Mitarbeitenden.

Wer eine Frage stellt, soil gleich eine Losungsidee prasentieren, das fordert die Eigenverantwortung.


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2. Zuverlassigkeit

Jeder muss sich auf die anderen Teammitglieder verlassen können, damit ein System, in unserem Fall zum Beispiel eine Praxis, funktionieren kann. Teamsitzungen bilden däfur eine sehr gute Grundlage. In dieser Zeit können Absprachen getroffen, Rollen und Zuständigkeiten kommuniziert werden. Einer der grölSten Faktoren für Unzufriedenheit in therapeutischen Teams sind ineffektive Teamsitzungen. Teamsitzungen sind ößft nicht oder nur mangelhaft vorbereitet und haben keine feste Agenda. Das ist der Grund, weshalb viele Teambesprechungen nicht zielführend sind.

Eine Teamsitzungsagenda konnte beispielsweise wie folgt aussehen:

  • Organisatorische Neuigkeiten (Was muss organisiert werden?)

  • Ergebnisse & Erfolge (Zeit für Wertschätzung & Motivation! Teile dein Highlight der Woche.)

  • Anstehende Aufgaben & Ereignisse (Was steht bis zur nächsten Teamsitzung an? Wer kümmert sich um was bis wann?)

  • Themen der Woche (Was ist diese Woche besonders relevant für uns?)

  • Teamrelevante Fragen & Gedanken

Tipp: Damit Sie als Führungsperson eine Teamsitzung gut organisieren und strukturieren können, ist es sehr hilfreich, wenn Sie die Themen und Anliegen der Teammitglieder schon kennen. Däfur können Sie eine Liste in den Teamraum hängen, auf der alle Themen fur die nächste Teamsitzung gesammelt werden. So können sich alle darauf einstellen, was sie erwartet, und die Zeit wird nicht überzogen, weil plötzlich noch ein Anliegen kommuniziert wird.


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Struktur und Klarheit

Klar kommunizierte Verantwortungsbereiche ermöglichen Klarheit und Struktur. Wer kümmert sich um was? Wer übernimmt wofür Verantwortung? Was sind meine Aufgaben? Was wird von mir erwartet? Woher bekomme ich Unterstützung?

Organisierte Abläufe, Aufgabenverteilungen und Möglichkeiten für Absprachen sind die Grundlage für ein funktionierendes System. Nicht eindeutig kommunizierte Verantwortungsbereiche fuhren irgendwann dazu, dass die Aufgabe entweder gar nicht erledigt wird oder es an einem Teammitglied hängen bleibt. Beide Varianten sind höchst problematisch. Eine transparente Kommunikation gibt sehr viel Sicherheit und ermöglicht zudem ein reibungsloseres Einarbeiten neuer Kolleg*innen.

Was bedeutet Klarheit und Struktur im Praxisablauf und in der Teamkommunikation? Stellen Sie doch gern mal in der nächsten Teamsitzung diese Frage und sammeln Sie alle Antworten. Halten Sie diese am besten schriftlich fest. Anschließend wissen Sie, wie Sie sich als Team organisieren können.


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Auswirkung der Arbeit

Was Hochleistungsteams antreibt, ist die Sinnhaftigkeit. Die Sinnhaftigkeit führt zu einer hohen intrinsischen Motivation, und genau diese wird benotigt, um leistungsfähig zu sein. Das wissenschaftliche Institut der AOK (kurz: WIdO) hat in seinem Fehlzeiten-Report aus dem Jahr 2018 herausgefunden, dass Menschen, die ihre Arbeit als sinnstiftend erleben, seltener krank werden. Sinnhaftigkeit wirkt sich auf die Gesundheit aus. Dienst nach Vorschrift ist somit weder gesundheitsfördernd, noch lässt es Menschen zu Höchstleistungen aufleben.

Was wollen Sie zusammen mit Ihrem Team in der Praxis erreichen? Was ist die gemeinsame Vision? Diese Perspektive verlieren viele Menschen, die therapeutisch tätig sind, aus den Augen. Insbesondere in therapeutischen Praxen ist richtige Teamarbeit nicht so präsent. Alle Therapeut*innen behandeln ihre Patient*innen. Ab und zu sieht man sich im Teamraum, an der Anmeldung oder wenn Therapiematerial geholt wird. Umso wichtiger ist es, eine gemeinsame Vision zu haben.


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Bedeutung der Arbeit

Jeder Mitarbeitende sollte ein persönliches Ziel mit seiner Arbeit verfolgen. Das kann ein finanzielles Ziel sein, um sich einen privaten Wunsch zu ermöglichen, oder der Ehrgeiz, eine bestimmte berufliche Qualification zu erreichen. Merke: Ziele sind nicht nur fur die Patient*innen wichtig, sondern auch für die Therapeut*innen.

Welche persönlichen Ziele verfolgen Ihre Mitarbeitenden? Sind diese allen bekannt?

Teamfördernd ist es vor allem dann, wenn sich alle Beteiligten über ihre Ziele austauschen. Es lohnt sich, sich dafur Zeit zu nehmen.


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Wie kommuniziert das Team?

In therapeutischen Teams gibt es besondere Herausforderungen. Die Teammitglieder haben gemeinsame Projekte, bei denen sie tatsächlich als Team zusammenarbeiten. Bei der alltäglichen Arbeit allerdings arbeiten alle eher nebeneinander. Zudem gibt es nur wenig Mög-lichkeiten sich abzusprechen. Eine Kollegin fährt Hausbesuche, die andere Kollegin hat dienstags immer frei und der Kollege ist gerade in einer Behandlung. Viele Teams versuchen diese Herausforderung mit anderen Kommunikationswegenzu kompensieren. Das Problem: Es gibt meistens mannigfache Kommunikationswege,die genutzt werden. Die Praxis-WhatsApp-Gruppe, das Kommunikationsbuch in der Anmeldung, kleine bunte Klebezettel,das Kommunikationstool der Praxissoftware, per Mail oder telefonisch. Da sind Kommunikationsschwierigkeitenund der Untergang von Informationen programmiert.

Einigen Sie sich auf einen Kommunikationsweg. Besprechen Sie im Team, wie die Kommunikation gewährleistet werden soll. Gerade in therapeutischen Praxen ist es wichtig und herausfordernd zugleich, ein Informationsund Kommunikationssystem aufzubauen. Nehmen Sie sich dafür Zeit oder suchen Siesich externe Unterstützung.


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Wer hat welche Rolle im Team?

Es kommt in therapeutischen Teams häufiger zu Missverständnissen, weil die gemeinsame Erfahrung fehlt. Außerdem neigen die meisten Menschen dazu, von sich auf andere zu schließen. Somit entsteht schnell Verwunderung über das Verhalten anderer. Aus diesem Grund nutze ich gern die Zeit in Teamsitzungen, um mit den therapeutischen Teams über Teamrollen zu sprechen. Mir ist es ein Anliegen, dass die Teams herausfinden, welche Rollen im Team vertreten sind und wie diese Rollen kommunizieren und sich verhalten. Das hat schon zu manchen Aha-Erlebnissen geführt. Die Teamrollen nach Belbin bieten dafür eine hervorragende Grundlage. Belbin geht davon aus, dass es drei Kategorien gibt und jeder Kategorie drei verschiedene Rollen zugeordnet werden können. Demnach gibt es handlungsorientierte, wissensorientierte und kommunikationsorientierte Rollen. Grundsatzlich ist davon auszugehen, dass wir alle drei Kategorien in uns tragen, sie allerdings unterschiedlich stark ausgepragt sind.

Stellen Sie sich eine Teamsitzungssituation vor. Die Menschen aus der handlungsorientierten Kategorie wollen die Dinge aus der Besprechung sofort umsetzen. Für sie ist es kaum auszuhalten, dass noch weiter über ein Thema gesprochen wird, wenn man doch schon handeln könnte. Die Wissensorientierten werden ganz nervös, wenn die Handlungsorientierten schon aktiv werden wollen. Den Wissensorientierten wäre es viel lieber, wenn sie noch Hintergrundinformationen zu dem Thema bekommen könnten. Für die Kommunikationsorientierten ist es wichtig, dass ein Konsens gefunden wird und man in Ruhe über alles redet. Sie scätzen den Austausch untereinander und versuchen zwischen den Handlungs- und Wissensorientierten zu vermitteln.

Wenn Sie sich jetzt noch vorstellen, dass jede Kategorie in drei Rollen aufgeteilt wird, ist das Chaos perfekt. Viele Teams finden die Vorstellung der Rollen sehr amüsant und verstehen endlich, wieso die Kolleg*innen so unterschiedlich reagieren. (Die Beschreibung der neun Rollen würde für diesen Artikel allerdings den Rahmen sprengen.)


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Vom Ich zum Wir

Damit TEAM nicht weiter fur „Toll, ein anderer macht's“ steht, sondern sich zu „Toller Einsatz aller Mitarbeitenden“ entwickelt, ist vor allem Kommunikation, Struktur und Geduld gefordert. Es lohnt sich, Zeit fur die Teamentwicklung zu investieren. Die Kommunikation lauft reibungsloser und die Teammitglieder sind motivierter, gesunder und eigenverantwortlicher. Davon profitiert naturlich auch die Praxis als Unternehmen. Es ist nicht nur wichtig, dass jede*r Therapeut*in fur sich wachst, sondern das Wachstum des ganzen Teams ist unabdingbar, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Schaffen Sie zusammen Gemeinsamkeit und Verbundenheit! Zugehorigkeit in einem echten Team beflugelt jeden Einzelnen zu Hochstleistung, Selbstverwirklichung, Motivation und Gesundheit. Wahre Teamarbeit bedeutet gegenseitiges Empowerment. Vom Ich zum Wir! Ich wunsche Ihnen von Herzen viel Erfolg und Freude auf diesem Weg.

Lisa Holtmaier


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Eric Jörg Walther

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin (BSc.), Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoach und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten. Zum Thema Teamrollen gibt sie unter bit.ly/3Bs5b2B einen einstündigen Onlinekurs.

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. September 2021

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Jeder Ihrer Mitarbeitenden hat besondere Fähigkeiten und Talente. Wenn Sie es schaffen, dass sich jede*r Einzelne als wichtiges Teammitglied fühlt, beflügelt das alle zu Höchstleistung, Selbstverwirklichung, Motivation und Gesundheit.