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DOI: 10.1055/a-1351-9646
BHK: Pflegen kann (nicht) jeder?! – Berufliches Selbstverständnis in der Pflege
Professionell, qualitätsbewusst und akademisiert – so stelle sich die moderne Pflege heute dar: So begründete bereits 2006 Marie-Luise Müller, die damalige Vorsitzende des Deutschen Pflegerats, ihre Forderungen nach einer gesellschaftlichen Aufwertung des Berufsbilds der Pflege (Hibbeler 2006, S. 380). 15 Jahre und eine Pandemie später sind Pflegende zwar gesellschaftlich in aller Munde, sie wurden als systemrelevante Heldinnen beklatscht und die Politik dankte ihnen mit (fragwürdigen) Bonuszahlungen, doch eine tatsächliche Veränderung, Anerkennung und reale Wertschätzung des Berufsbilds Pflege scheint unverändert in weiter Ferne zu liegen. Gründe für diesen „Stillstand“ gibt es viele, eine der Ursachen liegt jedoch in der Berufsgruppe selbst verankert, und zwar im gelebten beruflichen Selbstverständnis der Pflegenden.
Berufliches Selbstverständnis beschreibt das Bild, das jemand von seinem Beruf und seiner eigenen Rolle in diesem Beruf hat, beispielsweise „was es heißt, eine Pflegende zu sein“. Dieses Bild besteht zum einen aus der Verinnerlichung von Fachwissen, Fähigkeiten, Einstellungen und ethischen Standards, zum anderen auch aus dem Zugehörigkeitsgefühl und dem kollektiven Bewusstsein, Teil einer Berufsgruppe zu sein (Huber 2017, S. 122).
Mit Blick auf die Geschichte ist auch heute noch das pflegerische Selbstverständnis beziehungsweise kollektive Bewusstsein der Berufsgruppe Pflege unverändert geprägt von den christlichen Wurzeln der Selbstlosigkeit, Aufopferung und Demut, den Zuschreibungen der Pflege als „Beruf(ung) der Frauen“ und dem Bild der Pflege als „Assistentin des Arztes“. Emanzipationsbewegungen hin zu einer selbstbewussten Profession, die den eigenständigen Kern des Pflegerischen erkennt und nach außen transportiert sowie über Selbstverwaltung und Handlungsautonomie verfügt, finden zwar seit einigen Jahren breiten Zuspruch, dennoch führen die Diskussionen im pflegerischen Praxisalltag noch zu wenig Veränderungen.
Aktuelle Studien (Kühme 2019, Flaiz 2018, Gerlach 2013) zeigen, dass die berufliche Pflege in Deutschland zum großen Teil ein Selbstverständnis zeigt, das geprägt ist von Passivität, Fremdbestimmung, persönlich-naivem Wissen und einer Handlungsorientierung auf einen reibungslosen Ablauf. Dieses verinnerlichte Selbstverständnis wird kritiklos auch an die Auszubildenden in der Pflege „weitergegeben“ und hemmt dadurch Veränderungs- und Professionalisierungspotenziale. Die Pflegeakademikerinnen befinden sich immer noch in einer Ambivalenz zwischen Tradition und Moderne – jedoch mit einem Gestaltungswillen, um die Rahmenbedingungen und das gesellschaftliche Ansehen der Pflege zu verbessern.
Um zukünftig ein professionelles pflegerisches Selbstverständnis zu etablieren, sollten (neben dringend veränderten Rahmenbedingungen) WIR ALS PFLEGENDE vor allem Berufsstolz und Mut entwickeln und der Öffentlichkeit zeigen, dass Pflege über eine eigenständige therapeutische Antwort im Umgang mit Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Behinderung und Sterben verfügt (Wettreck 2001, S. 210). Stolz ist gerade in Deutschland ein eher negativ konnotierter Begriff, wurde doch in der Vergangenheit zu viel Unheil unter dem Deckmantel von Ehre und Stolz angerichtet. Aber Stolz ist eine Emotion und ein Indikator für eine gefühlsmäßige Verbindung, und ich persönlich glaube, dass die Pflege als Berufsgruppe in der Zukunft genau diesen emotionalen Zusammenhalt braucht, um sich auf den Weg zu einem neuen Selbstbewusstsein zu machen (vgl. auch Quernheim, Zegelin 2020).
Stefanie Zang, Pflegeexpertin APN (Advance Practice Nursing) (M. Sc.), Dipl. Pflegewirtin (FH), Kinderkrankenschwester, Fachreferentin Pflege des BHK e. V.
Die Literaturliste kann beim BHK e. V. angefordert werden.
Redaktion BHK-Mitteilung: Corinne Ruser
Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e. V.
Hospitalstraße 12,
01097 Dresden
Tel: 0351/65289235
Fax: 0351/65289236
Verantwortlich für den Inhalt zeichnet der Vorstand des BHK e. V.,
i. A. Corinne Ruser
Publication History
Article published online:
01 April 2021
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Georg Thieme Verlag KG
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