Aktuelle Dermatologie 2021; 47(03): 79
DOI: 10.1055/a-1342-3155
Editorial

Makro- und Mikrokosmos der Haut

Macro- and Microcosm of the Skin
M. Tronnier
 
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    Prof. Dr. med. Michael Tronnier

    Auf die Frage, was uns Dermatologen an unserem Fach fasziniert, ist meist zu hören, ob Berufseinsteiger oder „alter Hase“, dass wir Dermatologen unsere Medizin ganz wesentlich nur mit unseren erkennenden Augen betreiben können. Dermatologie ist Morphologie. Dabei erkennen wir primär keine Diagnosen, sondern Reaktionsmuster an bzw. auf der Haut. Form, Farbe, Verteilung von Hautveränderungen und deren zeitliche Verläufe ergeben eine schier unendliche Vielzahl klinischer Erscheinungsbilder, die wir dann hoffentlich oft und erfolgreich einer Diagnose zuordnen können.

    So vielfältig wie die Makroskopie der Haut ist auch die Mikroskopie der Haut, zugegeben, müssen wir hier dem bloßen Auge etwas nachhelfen. Auch hier beschreiben wir Muster. Dabei können definierte Muster zu pathogenetisch gänzlich unterschiedlichen Diagnosen führen. So lässt sich bspw. eine Akantholyse in neoplastischen (Plattenepithelkarzinom), infektiösen (Zoster), genetisch determinierten (M. Darier), autoimmunologischen/entzündlichen (Pemphigus/M. Grover) Prozessen oder auch in scheinbar normaler Haut (inzidentelle Akantholyse) finden. Auf der anderen Seite zeigen definierte Diagnosen wie die Psoriasis in ihren Erkrankungsformen und im Verlauf („Life of lesion“) sehr unterschiedliche histologische Muster. Wir Dermatologen sind in der außerordentlich komfortablen Situation, die Informationen der Makroskopie mit denen der Mikroskopie in einer klinisch-pathologischen Korrelation zusammenzuführen. Diese Verschmelzung macht uns nicht nur diagnostisch besser, sondern hilft auch elementar beim Verständnis pathogenetischer Prozesse bis hin zur Planung therapeutischer Interventionen.

    Wie nahezu in allen Disziplinen in der Medizin verändert sich auch die Diagnostik der Mikromorphologie der Haut. Die Elektronenmikroskopie, die uns ab Mitte des letzten Jahrhunderts bahnbrechende Informationen zu zahlreichen Erkrankungen hat liefern können, ist als aufwendige Methode weitgehend durch immunologische, immunhistologische und molekulare Techniken verdrängt. Aber der Einzug neuer Verfahren und Techniken wie zuletzt die Molekularpathologie oder „künstliche Intelligenz“ mit automatisierter Mustererkennung soll uns Dermatohistopathologen keine Existenzängste bereiten. Basis der mikroskopischen Untersuchung ist und bleibt die klassische H&E-Histologie. Auch wenn wir komplexere Techniken nicht immer selbst vorhalten können, sind diese über Kooperationsmodelle als Ergänzung der elementaren histologischen Untersuchung bei speziellen Fragestellungen immer erreichbar und helfen uns zu einer größeren diagnostischen Genauigkeit – im Sinne unserer Patienten. Diese Chance sollten wir wahrnehmen.

    Die Dermatohistopathologie ist integraler Bestandteil unseres Faches. Unser aller Aufgabe muss im Sinne unseres Faches sein, an unseren jeweiligen Standorten die Dermatohistopathologie auch in Zukunft weiter zu leben und zu lehren. Für Weiterbildungsassistenten sollte der Zugang zur Dermatohistopathologie offen sein und die Mitarbeiter motiviert werden, eine dermatohistopathologische Zusatzweiterbildung zu absolvieren. Ein Besuch der Tagungen unserer deutschen Fachgesellschaft (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Histologie) kann dabei – wenn die Kongresse wieder stattfinden dürfen – den nötigen Appetit machen.

    Und noch zuletzt: Die Histopathologie der Haut ist nicht nur wichtig für unser Fach, die tägliche Arbeit am Mikroskop bereitet auch viel Spaß!


    Ihr

    Michael Tronnier, Hildesheim


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    Interessenkonflikt

    Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. Michael Tronnier
    Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
    Helios Klinikum Hildesheim
    Senator-Braun-Allee 33
    31135 Hildesheim
    Deutschland   

    Publication History

    Article published online:
    10 March 2021

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    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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    Prof. Dr. med. Michael Tronnier