CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2021; 146(01): e1-e9
DOI: 10.1055/a-1286-0212
Originalarbeit

Die frühe Phase der COVID-19-Pandemie in Bayern

The early phase of the COVID-19 pandemic in Bavaria, Germany
Matthias Wjst
1   Institut für Lungenbiologie (iLBD), Helmholtz-Zentrum München, German Research Center for Environmental Health (GmbH), München-Neuherberg
2   Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie, Klinikum rechts der Isar, München
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Hintergrund Der Effekt von NPIs („nicht pharmakologische Interventionen“) beim Ausbruch von Epidemien ist unbestritten, sowohl bei historischen Ausbrüchen wie auch bei der aktuellen COVID-19-Pandemie. NPIs umfassen Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Hygienevorschriften, die in abgestuften Schritten der aktuellen Lage angepasst werden. Die Auswirkung von NPIs wurde allerdings bisher kaum quantitativ untersucht.

Methoden Aus den offiziellen Fallzahlen des Robert-Koch-Instituts in Berlin sowie Presse- und Twitter-Nachrichten wird eine Rekonstruktion der Frühphase der COVID-19-Pandemie 2020 in Bayern versucht.

Ergebnisse Die ersten COVID-19-Fälle in Deutschland traten bereits Ende Januar in München auf. Während die Primärfälle erfolgreich durch Isolierung und Quarantäne eingegrenzt werden konnten, stellte sich die eigentliche Frühphase der COVID-19-Pandemie ab Ende Februar in 3 Phasen dar, bestehend aus den Winter-/Faschingsferien, den Starkbierfesten in der Folgewoche sowie den Wahlen am 15.03.2020. Der Notstand ab 16.03.2020 markiert das Ende der frühen Ausbreitung. Aus der Analyse der Fallzahlen ergibt sich ein weitgehend zusammenhängendes Bild, auch wenn viele epidemiologische Parameter noch fehlen. Die Ausbreitung begann in den Ferien und ging danach in ein exponentielles Wachstum über. Signifikant mehr Fälle wurden sowohl durch die Starkbierfeste, aber auch durch die bayerische Kommunalwahl registriert, jeweils im Vergleich zu Landkreisen mit der gleichen Prävalenz ohne Exposition. Bayern erreichte damit einen Spitzenplatz der Bundesländer, der sich auch durch restriktive Containment-Maßnahmen in den folgenden Wochen nicht mehr rückgängig machen lässt.

Folgerung Um wirksam zu sein, müssen NPIs frühzeitig, möglichst vor Beginn der exponentiellen Ausbreitung, durchgeführt werden.


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Abstract

Introduction The effect of non pharmacological interventions (NPIs) during an epidemic disease outbreak is well accepted dating back to historical events. NPIs involve numerous measurements like hygiene rules or contact restriction that are applied during given situations, while so far only limited quantitative data exist to rate the overall effectiveness.

Methods Using the official counts of Robert Koch Institute in Berlin/Germany, press reports and Twitter messages, the early phase of the current COVID-19/Sars-CoV2 in Bavaria is being reconstructed.

Results The first cases have been observed in Munich by the end of January 2020. While the initial outbreak could be sufficiently covered using isolation and quarantine measurements, the consecutive early spreading falls into three phases, starting with winter school holidays at the end of February, a number of beer festivals in the following week, and general elections on March, 15. The disaster plan on March, 16 indicates the end of the early phase. Using the official case counts, a rather coherent picture evolves although representative epidemiological studies are still missing. The epidemic started with a few cases during the winter holidays, increased exponentially afterwards including significant more cases by beer festivals and another significant excess of cases following the election that occurred in Bavaria only. Compared to other German countries, Bavaria reached the highest prevalence which could not be reversed by even the most restrictive containment measurements.

Conclusion To be effective, NPIs need to applied early, if possible even before the beginning of the exponential phase.


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Hintergrund

Der Effekt von NPIs („nicht pharmakologische Interventionen“) bei Ausbruch einer Epidemie ist unbestritten, sowohl bei historischen Ausbrüchen [1] wie auch bei der aktuellen COVID-19-/Sars-CoV-2-Krankheitswelle [2]. NPIs umfassen eine Vielzahl von Maßnahmen, die in abgestuften Schritten der aktuellen Lage angepasst werden: Reisebeschränkungen, Flughafen- und Grenzschließungen, Absage von öffentlichen Veranstaltungen, Schulschließungen, Schließungen von Läden und Gaststätten, Anordnung von individuellen Quarantäne- und Hygienemaßnahmen wie Mund-Nasen-Schutz, Händewaschen und Abstandswahrung.

Obwohl NPIs die wichtigsten „Erste Hilfe“-Maßnahmen bei Krisen globalen Ausmaßes sind, sind die Richtlinien dazu weit in der Literatur verstreut. Das mag praktische Gründe haben, da mit der Infektiösität der Erreger, den regionalen und saisonalen Unterschieden, aber auch der Empfindlichkeit und Mortalität der einzelnen Bevölkerungsgruppen jede Epidemie anders verläuft [3] [4] [5] [6]. Die Nomenklatur von NPIs ist zudem nicht standardisiert, und obwohl NPIs in nahezu allen mathematischen Simulationsmodellen verwendet werden, fehlt eine verlässliche empirische Datenbasis, sodass in Krisensituationen mehr aus „Common Sense“-Überlegungen als auf einer fundierten wissenschaftlichen Basis entschieden werden muss.

Durch die unterschiedlichen Vorgehensweisen in Bayern und den übrigen Bundesländern ist es möglich, den Effekt von NPIs bzw. unterlassenen NPIs genauer im Zeitverlauf zu untersuchen. Im konkreten Fall betrifft dies Festveranstaltungen sowie die Abhaltung von Wahlen.


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Methoden

Am 10.02.2020 wurde eine prospektive Materialsammlung von Zeitungsberichten, Pressekonferenzen, Newslettern, Reportagen und Twitter-Nachrichten begonnen. In einer Online-Datenbank wurde täglich die Entwicklung in den einzelnen Landkreisen dokumentiert und ergänzt durch demografische Details. Am 20.04.2020 wurde die Beobachtung beendet und basierend auf den offiziellen Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden die tagesaktuellen Fall- und Todesfallmeldungen getrennt nach Bundesländern addiert und Zeitverläufe miteinander verglichen [7]. Die Wahlbeteiligung in den Landkreisen wurde von www.kommunalwahl2020.bayern.de/downloads.html bezogen, GPS-Daten für die regionalen Landkreise von public.opendatasoft.com, Daten zur Kirchenzugehörigkeit von www.statistikdaten.bayern.de/genesis/online/data, sonstige Landkreisangaben von www.genesis.destatis.de/genesis/online. Die Starkbierfeste in Bayern wurden über eine regionale Google-Abfrage identifiziert, alle Links verfolgt und redundante Angaben entfernt, wobei 100 Feste eindeutig mit Datum und Ortsangabe lokalisiert werden konnten. Über eine automatisierte Abfrage wurde jedem Ort eine Geoposition zugeordnet und offensichtlich falsche Zuordnungen korrigiert. Orte außerhalb, aber noch in Nähe der bayrischen Landesgrenze gelegen wurden in dem Datensatz belassen.

Die Datenstruktur des Robert-Koch-Instituts (RKI) änderte sich mehrfach im Beobachtungszeitraum, teilweise waren die Zeitstempel der Aktualisierung nicht plausibel, auch war die Datendokumentation unvollständig. Für die vorhandene Auswertung, mit Ausnahme von [Abb. 1], wurde die Variable „Refdatum“ benutzt, die das Erkrankungsdatum bezeichnet bzw. das Meldedatum, wenn das Erkrankungsdatum nicht bekannt war. Negative Fallzahlen wurden gelöscht, da eine Zuordnung als Korrektur eines früheren Eintrags nicht möglich war.

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Abb. 1 Datum des ersten Auftretens („Meldedatum“) von COVID-19-Fällen in den ersten 30 bayerischen Landkreisen. Die Pandemie in Bayern beginnt mit den „Webasto“-Fällen [12] am 27.01.2020. Der Primärfall ist ein Mann aus dem Landkreis Landsberg, der sich in Stockdorf (Landkreis Starnberg) bei einer chinesischen Kollegin infizierte. Die eigentliche Frühphase beginnt am 27.02.2020 am Ende der Winterferien mit einem Dermatologen aus Erlangen, der in München Kontakt zu einem italienischen Kollegen hatte (RKI-Datenstand 20.04.2020). Die Angaben auf der LGL-Webseite widersprechen zum Teil RKI Angaben beziehungsweise Pressemitteilungen. a) Inzidenz der ersten Fälle, dargestellt auf der Zeitachse. b) Inzidenz der ersten Fälle, dargestellt auf der Karte von Bayern. Gefüllte Kreise markieren Orte mit Bierfesten, offene Kreise Orte mit abgesagten Festen. Zeichnung: BITmap, Mannheim.

Die Anzahl der durchgeführten Tests, auf denen die Meldung beruht, wurde durch das RKI nur summarisch für den Untersuchungszeitraum veröffentlicht. Pro Tag wurden durchgeführt:

  • in KW10 (bis 8.03.) 7115 Tests,

  • in KW11 (bis 16.03.) 31 010 und

  • in KW 12 (bis 24.03.) 64 725 Tests.

Die Empfehlung, nur bei Symptomen und Aufenthalt in einem Risikogebiet oder nach Kontakt zu einer Person mit nachgewiesener Erkrankung zu testen, änderte sich nicht während des Beobachtungszeitraums. Die Anzahl positiver PCR-Tests stieg von ca. 1 % am 1.03.2020, über 4 % am 8.03.2020 zu 9 % aller getesteten Proben am 16.03.2020 und belegt den realen Anstieg der Infektionen, der sich allein aus einer Zunahme der Fallmeldungen nicht ergeben würde.

Fallzahlen wurden als Quantil-Quantil-Diagramme in den einzelnen bayerischen Landkreisen am 8.03.2020 und am 15.03.2020 jeweils gegen die Fallzahlen 8 Tage später aufgetragen. Das Zeitintervall von 8 Tagen wurde gewählt, um die vermutete Inkubationszeit und Meldeverzögerungen abzubilden. Lokale polynominale Regressionsgleichungen („loess smoother“) wurden separat für die bayerischen Landkreise sowie für die restlichen der insgesamt 412 deutschen Landkreise/kreisfreien Städte aufgestellt. Aus der Differenz der in Bayern beobachteten zu den in den übrigen deutschen Bundesländern beobachteten Schätzern wurde der Exzess an Fällen berechnet.

Für den jeweiligen Anstieg der Infektionszahlen wurden Bruchpunkte („breakpoints“) berechnet [8], die strukturelle Änderungen der Regressionskoeffizienten in longitudinalen Daten aufzeigen können.

Die Reproduktionszahl R [9] wurde separat für einzelne Landkreise in Bayern, das Bundesland sowie die übrigen deutschen Bundesländer als Rt nach der Methode von Wallinga und Teunis [10] geschätzt. Die Basisreproduktionszahl R 0 gibt die erwartete Zahl von sekundären Fällen an, die durch einen typischen Primärfall entsteht. Im Verlauf der Epidemie ist es jedoch sinnvoller, die effektiven Rt-Werte zu betrachten. Rt ist typischerweise niedriger als R 0, da unter dem Einfluss von Kontrollmaßnahmen R sinkt. Bei R-Werten über 1 steigt die Inzidenz, bei Werten unter 1 sinkt sie. Erschwert wird die Interpretation durch die Tatsache, dass spätere R-Werte auf mehr PCR-Tests beruhen.

Ausgewertet wurde primär grafikbasiert [11]. Die benutzte Software war R Version 3.6.3., da für R Version 4 noch keine aktualisierten Grafik-Bibliotheken zur Verfügung standen. Da die gesamte Auswertung eine Sekundäranalyse öffentlich zugänglicher Daten war, wurde kein Ethikvotum der zuständigen Kammer eingeholt. Das Auswertungsskript ist bei dem Autor auf Anfrage erhältlich.


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Ergebnisse

Die ersten COVID-19-Fälle in Deutschland traten bereits Ende Januar in München auf ([Abb. 1]). Während eine weitere Ausbreitung durch Isolation der infizierten Personen sowie Quarantänemaßnahmen bei den Kontakten verhindert werden konnte [12], lässt sich die eigentliche Frühphase der COVID-19-Pandemie in 3 Phasen einteilen. Mit Erklärung des Katastrophenfalls am 16.03.2020 war in Bayern die Frühphase beendet ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Zeitverlauf der COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner. Exponentieller Anstieg in Bayern wie auch in allen anderen Bundesländern. Ab dem 15.03.2020 liegt Bayern allerdings deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Semilogarithmische Darstellung. Bruchpunkte des Anstiegs in Bayern liegen am 8.03.2020 und am 19.03.2020, in den übrigen Bundesländern am 10.03.2020 und am 20.03.2020 (RKI-Datenstand 20.04.2020).

Die Winterferien in der letzten Februarwoche in Bayern mit Einschluss von Rosenmontag, Faschingsdienstag und Aschermittwoch markieren den ersten Teil der Frühphase. In Bayern finden nur wenig Faschingsumzüge im Vergleich zu anderen Bundesländern statt. Bevorzugte Freizeitaktivität ist eher ein Winterurlaub in den Alpen, wobei Österreich und Italien vielfach als Infektionsquelle beschrieben wurden [13]. Die Herkunft der Infektion in dieser Phase ist den Gesundheitsämtern bekannt, wird aber aus Datenschutzgründen nicht öffentlich gemacht.

In der folgenden Phase, vorwiegend am Wochenende 7.03./8.03.2020, fanden in Bayern viele Starkbierfeste statt. Die Starkbierzeit in Bayern beginnt gewöhnlich am Aschermittwoch, oft verbunden mit politischen Kundgebungen, und endet an Ostern. Das Starkbier wurde historisch während der Fastenzeit von Mönchen gebraut und sollte die Fastenzeit erträglicher machen. Das bekannteste Starkbierfest findet in München am Nockherberg statt, wurde allerdings in diesem Jahr abgesagt. Viele Feste finden sich in den großen Hopfenanbaugebieten in Oberbayern bzw. Mittelfranken, aber auch den Gebieten mit Sommergersteanbau in Ober- und Unterfranken [14]. Ein Verbot der Feste stand in vielen Orten im Raum, zum Teil erlaubten sie aber die Gesundheitsämter, so etwa in Mitterteich am 7.03.2020, wo die lokale Brauerei ihr Bier als „ultimativen Schutz" gegen Corona vermarktete und zur „Massen-Schluckimpfung" einlud. In anderen Landkreisen wie Rosenheim wurden Warnungen des Gesundheitsamtes ausgesprochen, aber von den Landratsämtern ignoriert. Starkbierfeste werden von Kommunen, Gastwirten und Vereinen ausgetragen, sind vielfach aber von politischen Parteien verantwortet im Rahmen des laufenden Wahlkampfes. Von 100 identifizierten Festen im Zeitraum bis 15.03.2020 wurden 20 abgesagt, 33 fanden an dem Wochenende 7.03./8.03.2020 statt. Ein Versammlungsverbot wurde in Bayern erst am 11.03.2020 ausgesprochen, galt allerdings nur für Großveranstaltungen ab 1000 Teilnehmern. Lokalpolitiker widersprachen dem nachträglichen Vorwurf, die Bevölkerung einer Gefahr ausgesetzt zu haben, mit dem Argument, dass sehr oft Menschen erkrankt seien, die nicht auf den Bierfesten waren. Mit dem hohen Anteil asymptomatisch infizierter Personen [15] erscheint das Argument aber wenig stichhaltig.

Der Erzbischof von München und Freising ging in einem Dekret vom 13.03.2020 über das Verbot von Veranstaltungen ab 1000 Teilnehmern hinaus und sagte alle Gottesdienste ab; der evangelische Landesbischof folgte dem Beschluss am 16.03.2020, nachdem die bayerische Landesregierung den Katastrophenfall mit Veranstaltungsverboten und Betriebsuntersagungen ausgerufen hatte.

Bei der Kommunalwahl am 15.03.2020 wurden in allen Kommunen des Freistaats Bayern Gemeinde- und Landkreisvertretungen sowie in vielen Gemeinden und Landkreisen Bürgermeister und Landräte gewählt. Insgesamt wurden in 64 von 71 Landkreisen, 24 von 25 kreisfreien Städten und über 2000 Gemeinden Bayerns rund 39 500 Mandate besetzt. Die Kommunalvertretungen werden in einem komplizierten Wahlverfahren durchgeführt, für das die Wähler mehrere Minuten brauchen. In vielen Wahllokalen wurden bereits Hygienemaßnahmen getroffen, zum Teil standen Desinfektionsmittel und Handschuhe zur Verfügung. Flächendeckende Angaben zur Häufigkeit der Briefwahl liegen nicht vor, Tageszeitungen berichteten aber von einem Rekordanteil an Briefwählern. Viele Wahllokale zogen in größere Gebäude um; in München wurden in 6 Hallen der Messe München die Briefwahlzettel an großen Tischen mit bis zu 12 Wahlhelferinnen und Wahlhelfern ausgezählt. Die Nachwahlen fanden wegen der zunehmenden Fallzahlen dann nur noch als Briefwahl statt.

Die Frühphase war durch Diskussionen in der Öffentlichkeit geprägt, in der sich führende Virologen weder über die Gefährlichkeit noch über notwendige Maßnahmen einig waren. Das Robert-Koch-Institut (RKI) erklärte noch im Januar, dass die Ansteckungsgefahr gering sei. Die Gesundheitsämter verfolgten die Einzelfälle wie vorgeschrieben nach BayIfSG, waren aber verständlicherweise von der personellen Besetzung her dem starken Anstieg ([Abb. 2]) nicht gewachsen. Die Datenübertragung zwischen Behörden und Laboren erfolgte zudem vielfach noch per Fax, was Verzögerungen, aber auch Berichtigungen erklärt.

Die Auswirkung der Starkbierfeste ist in [Abb. 3] zu sehen. Es kam in den bayerischen Landkreisen, die bisher nur wenig Fälle hatten, zu einem erhöhten Anstieg im Vergleich zu den anderen Bundesländern mit der gleichen Ausgangslage, wenn man mit der Prävalenz 8 Tage nach den Festen vergleicht. [Abb. 4] zeigt den signifikanten Anstieg mit Zahl der Bierfeste in einem Landkreis. Ein einzelnes „Superspreader Event“, das Starkbierfest in Mitterteich, ist in [Abb. 5] dargestellt. Hier stieg die Zahl der Infektionen im Anschluss an das Fest stärker an als in irgendeinem anderen Landkreis. Stellt man ein lineares Regressionsmodell auf, um den Anstieg 8 Tage nach den Bierfesten zu beschreiben, so liegt der für den Ausgangswert korrigierte Effekt bei 8,5 zusätzlichen Fällen/100 000 Einwohner (p = 0,0002). Bezogen auf Bayern mit 13,08 Mio. Einwohnern und dem häufigen Vorkommen der Bierfeste (wobei sich Besucher auch nicht an Landkreisgrenzen gehalten haben) sind damit knapp 1200 zusätzliche Fälle auf die Bierfeste zurückzuführen. Da diese Fälle in den Bereich des frühen exponentiellen Wachstums fallen, ist der kumulative Effekt am Höhepunkt der Pandemie sicher noch deutlich höher und erklärt zusammen mit der bayerischen Kommunalwahl die hohe Prävalenz von COVID-19-Fällen in Bayern.

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Abb. 3 COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner in den Landkreisen am 8.03.2020 (hauptsächliches Datum der Starkbierfeste) verglichen mit den Fallzahlen 8 Tage später. Lokale polynomiale Regression mit 95 %-Konfidenzintervall. In den bayerischen Landkreisen mit eher geringen Fallzahlen ist ein erhöhter Anstieg nachweisbar. Orte mit Bierfesten sind mit einer größeren Punktgröße gezeichnet (RKI-Datenstand 20.04.2020), einige Extremwerte liegen außerhalb des Anzeigebereiches.
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Abb. 4 COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner. Landkreise in Bayern am 16.03.2020 in Abhängigkeit von der Zahl der Starkbierfeste in den jeweiligen Landkreisen (RKI-Datenstand 20.04.2020). Die Landkreise mit einem Bierfest haben am 16.03.2020 signifikant mehr Fälle (p = 0,045), ebenso die Landkreise mit 2 Bierfesten (p = 0,00006).
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Abb. 5 Kumulative COVID-19-Fälle in den bayrischen Landkreisen. Das Datum der Bierfeste ist mit einem Punkt markiert. Der Oberpfälzer Landkreis Tirschenreuth mit dem Ort Mitterteich (blaue Linie) dient als Beispiel für ein „Superspreader Event“ (RKI-Datenstand 20.04.2020).

Die Auswirkung der Wahlen ist in [Abb. 6] zu sehen. Es kam in allen bayerischen Landkreisen unabhängig von der zuvor bestehenden Fallzahl 8 Tage später zu einem signifikant erhöhten Anstieg im Vergleich zu Landkreisen mit der gleichen Ausgangslage, aber ohne Wahlen. Legt man aber hier, wie auch im Abschnitt zuvor, den Effekt aus einem linearen Regressionsmodell zugrunde, so ergeben sich hier 27,0 Fälle/100 000 Einwohner (p = 2*10–16). Dies entspricht bayernweit mit 13,08 Mio. Einwohnern über 3700 zusätzlichen Fällen. Für die Wahlbeteiligung selbst lässt sich kein signifikanter Effekt ausmachen ([Abb. 7]), allerdings unterschied sich die Wahlbeteiligung auch nicht allzu sehr zwischen den Landkreisen und kann durch den jeweiligen Anteil von Urnen- und Briefwahl verzerrt sein.

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Abb. 6 COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner. Landkreise am 15.03.2020 (Kommunalwahl) verglichen mit den Fallzahlen 8 Tage später. Lokale polynomiale Regression mit 95 %-Konfidenzintervall. Über alle bayerischen Landkreise ist ein signifikant höherer Anstieg nachweisbar (RKI-Datenstand 20.04.2020). Extremwerte außerhalb des Anzeigebereiches.
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Abb. 7 Wahlbeteiligung der Bayernwahl in den Landkreisen und COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner am 23.03.2020 in Terzilen nach Wahlbeteiligung. Ein signifikanter Zusammenhang mit der Wahlbeteiligung ist nicht nachweisbar (RKI-Datenstand 20.04.2020). Extremwerte außerhalb des Anzeigebereiches, die Unterschiede zwischen den Gruppen sind nicht signifikant.

Für die Häufigkeit der Kirchenzugehörigkeit in den Landkreisen lässt sich keine Abhängigkeit zu der Infektionsrate nachweisen. Allerdings ist mit noch weiteren bisher nicht diskutierten Einflussfaktoren zu rechnen. Wie bereits erwähnt, fand im Landkreis Tirschenreuth nicht nur ein Starkbierfest und eine Zoigl-Wirtschaft statt, hier haben sich auch fast doppelt so viele Frauen wie Männer im Alter zwischen 35 und 59 Jahren infiziert, was allerdings nicht in dem Rehmet-Bericht der RKI-Kommission erwähnt wird [16]. Eine Recherche bei RKI, LGL und dem zuständigen Gesundheitsamt blieb ergebnislos; Tagungen der Landfrauenvereine scheiden von der Chronologie aus, ebenso ist die Infektion über einen Damenfriseur unwahrscheinlich, da eine Ausgangsbeschränkung verhängt wurde. Eine Frauenarztpraxis scheint als Infektionsquelle damit am ehesten in Betracht zu kommen.

Betrachtet man den Verlauf des R-Wertes im Zeitverlauf getrennt für Bayern ([Abb. 8]) und das übrige Deutschland, ist die Ansteckungsrate am höchsten während der Winterferien, betrifft hier aber nur einzelne Fälle. R erreicht ein zweites Maximum während der Zeit der Starkbierfeste. An dem Wahlsonntag selbst gibt es nur einen geringfügigen Peak, durch den aber, da die Pandemie hier schon weit fortgeschritten war, viele neue Fälle induziert wurden. Nach Ausrufung des Notstandes in Bayern sank R wieder unter 1.

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Abb. 8 Verlauf des Rt-Wertes getrennt für Bayern und die übrigen Bundesländer. Die Ansteckungsrate ist hoch während der Winterferien, betrifft hier allerdings nur wenige Fälle. Rt erreicht ein zweites Maximum in Bayern zur Zeit der Starkbierfeste, was sich in der Prävalenz aber erst 8 Tage später niederschlägt. An dem Wahlsonntag zeigt sich bereits ein abfallender Trend von Rt, da die Bevölkerung bereits auf die vielen Pressemitteilungen einer erhöhten Ansteckungsgefahr reagierte. Da Rt aber noch über 1 liegt, resultieren dennoch aus der Wahl viele neue Fälle. Rt sinkt bereits vor Ausrufung des Notstandes in Bayern am 16.03.2020, vermutlich durch die bereits stark reduzierte Mobilität, und sinkt gegen Ende März erstmal wieder unter 1 (RKI-Datenstand 20.04.2020).

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Diskussion

Aus der Beschreibung ergibt sich ein erstes zusammenhängendes Bild der Frühphase der COVID-19-Pandemie in Bayern. Die Pandemie beginnt in Oberbayern mit den Winterferien, geht danach in ein exponentielles Wachstum über mit zusätzlichen Fällen durch die Starkbierfestzeit und die Kommunalwahl. Durch beide Ereignisse erreicht Bayern einen Spitzenplatz aller Bundesländer, der sich auch durch restriktive Folgemaßnahmen nicht mehr rückgängig machen lässt. Obwohl die zusätzlichen Fallzahlen von 1200 bzw. 3700 gering erscheinen angesichts der weltweiten Entwicklung, liegt Bayern am 24.04.2020 mit vergleichbarer Einwohnerzahl von Baden-Württemberg (11,07 Mio. Einwohner) bei über 10 000 zusätzlichen Fällen und 400 zusätzlichen Todesfällen. Die auffälligen Termine am 8.03.2020 und 15.03.2020 lassen sich nicht nur durch die bekannten Ereignisse, sondern auch durch die statistischen Unterschiede zwischen Bayern und den übrigen Bundesländern an den Bruchpunkten begründen.

Bei der Betrachtungsweise spielen sicher noch weitere, bisher nicht diskutierte Einflussfaktoren eine Rolle. Meteorologische oder wetterbedingte Differenzen zwischen Bayern und den übrigen Bundesländern waren allerdings nicht nachzuweisen. Ohne eine sonstige plausible Erklärung der Ursache des starken Anstiegs in Bayern sind mit Bierfesten und Wahl aber einige der Bradford-Hill-Kriterien erfüllt. Während Effektstärke, Reproduzierbarkeit, Experiment und Gradient nicht sicher beurteilbar sind, sprechen Plausibilität, Spezifität, Kohärenz, Analogie und Chronologie für einen kausalen Zusammenhang. Von der Größenordnung erscheinen die Ergebnisse ebenso plausibel. Eine ebenfalls aus der aktuellen Pandemie in China stammende Schätzung [17] kommt zu dem Schluss, dass ohne NPIs 67-mal mehr Fälle aufgetreten wäre. Ein Cochrane Review [18] ist zurückhaltender, aber nimmt auch an, dass unter NPI nur ca. die Hälfte der Fälle auftreten. Die wohl umfassendste aktuelle Studie über 20 Länder [19] findet für die Absage von Veranstaltungen eine Reduktion von 33 % der Inzidenz. Für die USA wurde geschätzt [20], dass mit einem nur um 2 Wochen vorverlegten Lockdown 83 % der Fälle hätten vermieden werden können.

Dass sich die Testkapazität vorwiegend in Bayern während der Frühphase verbessert hat und somit eine größere Fallzunahme vortäuscht, lässt sich nicht endgültig ausschließen. Die Situation war auch in Bayern sicherlich wie in anderen Bundesländern durch die anfänglich fehlende PCR-Testkapazität geprägt, aber ein starker selektiver Anstieg der Kapazität ist bisher nicht bekannt. Nach vielen Einzelberichten waren COVID-19-Erkrankte über ihren Status oft im Ungewissen. Dazu kam die zu Beginn verbreitete Fehleinschätzung, dass Patienten erst ab oder allenfalls kurz vor Symptombeginn ansteckend seien. Retrospektiv würden wahrscheinlich auch viele andere Nationen strategisch anders reagieren, vor allem die Länder, die wie England, Holland oder Schweden auf „Herdenimmunität“ gesetzt hatten in Unkenntnis der epidemiologischen, klinischen, aber auch der molekularbiologischen Eigenheiten der aktuellen Pandemie [21] [22].

Unerwartet passiv blieben die epidemiologischen Institute und Verbände, die eigentlich NPI-Maßnahmen vorschlagen und begleiten sollten. Vorschläge zu einer bayernweiten Haushaltsstudie über zufällig ausgewählte Haus- und Kinderarztpraxen (in Ausweitung des bestehenden Influenza-Surveillance-Registers) wurden nicht verfolgt. In München wurde im März eine Studie angekündigt – „KoCo19" –, allerdings gibt es Ende September keine Ergebnisse. Nationale Vorschläge einer epidemiologischen Taskforce wurden nicht aufgegriffen, ebenso wenig wie ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Epidemiologische Positionspapiere beschränkten sich auf mathematische Modellierungen, die es von anderen Arbeitsgruppen längst gab [23]. Vielfach wurde deshalb die Kritik geäußert, es gleiche einem „Blindflug“, wenn NPI ohne begleitende Evaluierung durchgeführt werden, zumal NPIs mit hohen ökonomischen wie psychosozialen Kosten verbunden sind [24] [25]. Die Fixierung auf die Fallzahlen, genauer gesagt auf positive PCR-Tests, verhinderte offensichtlich repräsentative epidemiologische Studien in der Frühphase [26]. Es ist unklar, ob andere Coronaviren einen Schutz oder ein Risiko darstellen, ob sich Kinder bei gleicher Exposition weniger anstecken oder warum ältere Männer häufiger an der Infektion versterben. Es fehlen in Deutschland flächendeckende Sequenzanalysen des Virus, die Trajectories (Flugbahnen) nachweisen könnten [27]. Dazu wird kritisiert, dass es den vorhandenen Biobanken nicht möglich war, molekulare Daten im Zusammenhang mit COVID-19 auszuwerten [28].

Mangels valider epidemiologischer Daten kann daher im Augenblick auch nur ein vorläufiger Zwischenstand der frühen Phase der COVID-19-Pandemie in Bayern gegeben werden. Es wird vermutlich noch Änderungen an den Registerdaten der Gesundheitsämter geben. Es ist zu hoffen, dass zusätzliche Protokolldaten der Gesundheitsämter und damit auch eine test- und nicht nur fallbasierte Forschung möglich gemacht werden; es werden hoffentlich wiederholte Studien in repräsentativen Populationen sowie detaillierte Cluster-/Outbreak-Studien folgen, welche eine Bewertung der bundesweit angeordneten NPIs erlauben.

Abzusehen ist aber jetzt schon der hohe Stellenwert von NPIs ebenso die Tatsache, dass NPIs frühzeitig, am besten vor Beginn der exponentiellen Phase, eingesetzt werden müssen, um wirksam zu sein. Eine qualifizierte epidemiologische Begleitforschung erscheint zudem unverzichtbar, um der Politik rationale Entscheidungen zu ermöglichen und damit die Bevölkerung von den notwendigen Maßnahmen zu überzeugen.

Kernaussagen
  • Während die COVID-19-Primärfälle in München erfolgreich isoliert werden konnten, verlief die folgende Frühphase der COVID-19-Pandemie in Bayern in 3 aufeinanderfolgenden Stadien.

  • Sie beginnt in Oberbayern mit den Winterferien, gefolgt von einem exponentiellen Wachstum mit zusätzlichen Fällen durch die Starkbierfeste und durch die bayerische Kommunalwahl.

  • NPIs („nicht pharmakologische Interventionen“) wie Anordnung von Hygienemaßnahmen oder Kontaktbeschränkungen müssen frühzeitig durchgeführt werden, um wirksam zu sein.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Mein Dank gilt vielen Kolleg:innen für Diskussionen während des Lockdowns in Bayern: Tobias Stöger, Matt Perkins, Thibaut Joubert, Peter Morfeld, Jan Eckelt, Linus Grabenhenrich, Josef Cyrys, Melanie Waldenberger, Cristian Patarro, Andreas Schneider, Georg Wilhelm Bornkamm, Arndt von Eschwege, Andrea Fuss, Katharina Katz, Luisa Hommerich, Destatis Helpdesk, Esri Deutschland Corona Taskforce Team. Sigrid Dold danke ich für Hinweise und Revision des Manuskriptes, Jarosław Flis lieferte die Anregung zu dem Q-Q-Plot.

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Matthias Wjst
Institut für Lungenbiologie (iLBD)
Helmholtz-Zentrum München, German Research Center for Environmental Health (GmbH)
Ingolstädter Landstr. 1
85764 München-Neuherberg
Germany   
eMail: m@wjst.de

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
27. November 2020

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Datum des ersten Auftretens („Meldedatum“) von COVID-19-Fällen in den ersten 30 bayerischen Landkreisen. Die Pandemie in Bayern beginnt mit den „Webasto“-Fällen [12] am 27.01.2020. Der Primärfall ist ein Mann aus dem Landkreis Landsberg, der sich in Stockdorf (Landkreis Starnberg) bei einer chinesischen Kollegin infizierte. Die eigentliche Frühphase beginnt am 27.02.2020 am Ende der Winterferien mit einem Dermatologen aus Erlangen, der in München Kontakt zu einem italienischen Kollegen hatte (RKI-Datenstand 20.04.2020). Die Angaben auf der LGL-Webseite widersprechen zum Teil RKI Angaben beziehungsweise Pressemitteilungen. a) Inzidenz der ersten Fälle, dargestellt auf der Zeitachse. b) Inzidenz der ersten Fälle, dargestellt auf der Karte von Bayern. Gefüllte Kreise markieren Orte mit Bierfesten, offene Kreise Orte mit abgesagten Festen. Zeichnung: BITmap, Mannheim.
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Abb. 2 Zeitverlauf der COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner. Exponentieller Anstieg in Bayern wie auch in allen anderen Bundesländern. Ab dem 15.03.2020 liegt Bayern allerdings deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Semilogarithmische Darstellung. Bruchpunkte des Anstiegs in Bayern liegen am 8.03.2020 und am 19.03.2020, in den übrigen Bundesländern am 10.03.2020 und am 20.03.2020 (RKI-Datenstand 20.04.2020).
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Abb. 3 COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner in den Landkreisen am 8.03.2020 (hauptsächliches Datum der Starkbierfeste) verglichen mit den Fallzahlen 8 Tage später. Lokale polynomiale Regression mit 95 %-Konfidenzintervall. In den bayerischen Landkreisen mit eher geringen Fallzahlen ist ein erhöhter Anstieg nachweisbar. Orte mit Bierfesten sind mit einer größeren Punktgröße gezeichnet (RKI-Datenstand 20.04.2020), einige Extremwerte liegen außerhalb des Anzeigebereiches.
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Abb. 4 COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner. Landkreise in Bayern am 16.03.2020 in Abhängigkeit von der Zahl der Starkbierfeste in den jeweiligen Landkreisen (RKI-Datenstand 20.04.2020). Die Landkreise mit einem Bierfest haben am 16.03.2020 signifikant mehr Fälle (p = 0,045), ebenso die Landkreise mit 2 Bierfesten (p = 0,00006).
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Abb. 5 Kumulative COVID-19-Fälle in den bayrischen Landkreisen. Das Datum der Bierfeste ist mit einem Punkt markiert. Der Oberpfälzer Landkreis Tirschenreuth mit dem Ort Mitterteich (blaue Linie) dient als Beispiel für ein „Superspreader Event“ (RKI-Datenstand 20.04.2020).
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Abb. 6 COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner. Landkreise am 15.03.2020 (Kommunalwahl) verglichen mit den Fallzahlen 8 Tage später. Lokale polynomiale Regression mit 95 %-Konfidenzintervall. Über alle bayerischen Landkreise ist ein signifikant höherer Anstieg nachweisbar (RKI-Datenstand 20.04.2020). Extremwerte außerhalb des Anzeigebereiches.
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Abb. 7 Wahlbeteiligung der Bayernwahl in den Landkreisen und COVID-19-Fälle pro 100 000 Einwohner am 23.03.2020 in Terzilen nach Wahlbeteiligung. Ein signifikanter Zusammenhang mit der Wahlbeteiligung ist nicht nachweisbar (RKI-Datenstand 20.04.2020). Extremwerte außerhalb des Anzeigebereiches, die Unterschiede zwischen den Gruppen sind nicht signifikant.
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Abb. 8 Verlauf des Rt-Wertes getrennt für Bayern und die übrigen Bundesländer. Die Ansteckungsrate ist hoch während der Winterferien, betrifft hier allerdings nur wenige Fälle. Rt erreicht ein zweites Maximum in Bayern zur Zeit der Starkbierfeste, was sich in der Prävalenz aber erst 8 Tage später niederschlägt. An dem Wahlsonntag zeigt sich bereits ein abfallender Trend von Rt, da die Bevölkerung bereits auf die vielen Pressemitteilungen einer erhöhten Ansteckungsgefahr reagierte. Da Rt aber noch über 1 liegt, resultieren dennoch aus der Wahl viele neue Fälle. Rt sinkt bereits vor Ausrufung des Notstandes in Bayern am 16.03.2020, vermutlich durch die bereits stark reduzierte Mobilität, und sinkt gegen Ende März erstmal wieder unter 1 (RKI-Datenstand 20.04.2020).