CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2021; 146(02): e11-e20
DOI: 10.1055/a-1275-3792
Originalarbeit

Stress, Copingstrategien und gesundheitsbezogene Lebensqualität während der Corona-Pandemie im April 2020 in Deutschland

Stress, coping strategies and health-related quality of life during the corona pandemic in April 2020 in Germany
Elke Peters
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck
,
Joachim Hübner
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck
,
Alexander Katalinic
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck
2   Institut für Krebsepidemiologie e. V., Universität zu Lübeck, Lübeck
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Internationale Studien zeigen, dass Pandemien und Quarantäne zu einem signifikant erhöhten Stressniveau und psychischen Erkrankungen bei Betroffenen führen können. Untersucht wurden die Stressbelastung und Lebensqualität in ausgewählten Bevölkerungsgruppen in der Frühphase des Lockdowns der Corona-Pandemie. Vorgestellt werden Assoziationen von Copingstrategien mit wahrgenommener Stressbelastung und Assoziationen von Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität als ein Aspekt des Wohlbefindens.

Methodik Es wurden Daten der ersten Befragungswelle der CoPa-Studie ausgewertet, die mittels Online-Befragung erhoben wurden. Gruppenunterschiede hinsichtlich Stress und Lebensqualität wurden mittels Chi-Quadrat-Tests bzw. T-Tests explorativ geprüft. Assoziationen von Copingstrategien mit Stress und von Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurden mit linearen Regressionsanalysen berechnet.

Ergebnisse Unter den 5315 Teilnehmenden zeigten Personen mit gefährdeter psychischer Gesundheit und Personen, die nicht in die Öffentlichkeit gingen, signifikant häufiger als andere Teilnehmende Anzeichen für Depressionen, Angststörungen und Stress. Personen mit Kindern bis 12 Jahren zeigten signifikant höhere Stresswerte als andere, ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität war vergleichbar. Wahrgenommene soziale Unterstützung und Selbstwirksamkeit erwiesen sich als Ressourcen für die Stressbelastung. Humor, körperliche Aktivitäten, gesunde Ernährung, die Beibehaltung von Tagesroutinen und die Verfolgung von konkreten Zielen waren positiv mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert.

Diskussion Personen mit gefährdeter psychischer Gesundheit benötigen in Zeiten mit reduzierten Kontaktmöglichkeiten therapeutische Angebote. Ausgewählte Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens scheinen wirksam zu sein und sollten empfohlen werden.


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Abstract

Introduction International studies indicate that pandemics and quarantine can lead to significantly increased stress levels and mental illness in those affected. Stress levels and quality of life in selected population groups in the early phase of the lockdown of the corona pandemic were examined. Associations of coping strategies with perceived stress levels and associations of activities to increase well-being with health-related quality of life as an aspect of well-being are presented.

Methods Data from the first survey wave of the CoPa study were evaluated, which were collected via online survey. Group differences regarding stress and quality of life were explorative tested by means of Chi-square tests and T-tests. Associations of coping strategies with stress and of activities to increase well-being with health-related quality of life were calculated using linear regression analysis.

Results Among the 5315 participants, persons at risk of mental health and those who did not go out in public showed signs of depression, anxiety disorders and stress significantly more often than other participants. Persons with children under 12 years of age showed significantly higher stress levels than others and their health-related quality of life was comparable. Perceived social support and self-efficacy proved to be resources for stress. Humor, physical activity, healthy eating, maintaining daily routines and pursuing specific goals were positively associated with health-related quality of life.

Discussion Persons with mental health risks need therapeutic services in times of reduced contact. Selected measures to increase well-being appear to be effective and should be recommended.


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Einleitung

Am 28. April 2020 überstieg die weltweite Zahl der gemeldeten Infektionen an Corona-SARS-CoV-2 nach Angaben des Center for Systems Science and Engineering (CSSE) der Johns Hopkins University die 3-Millionen-Grenze. Über 217 000 COVID-bezogene Todesfälle waren registriert. Die WHO hatte bereits im Januar 2020 den Ausbruch einer Atemwegserkrankung mit einem neuartigen Coronavirus als gesundheitliche Notlage von internationalem Ausmaß eingestuft. Auch in Deutschland stieg die Fallzahl ab Ende Februar stark an. In der Folge wurden weitreichende staatliche Maßnahmen eingeleitet, welche die Ausbereitung des Virus eingrenzen und verlangsamen sollten, um die Gesundheit der Menschen zu schützen und die Kapazitäten des deutschen Gesundheitssystems nicht zu überlasten (nachfolgend auch „Lockdown“). Während das Deutsche Psychotherapeuten Netzwerk vor den psychischen Auswirkungen der Corona-Krise insbesondere für psychisch Erkrankte, einsam Alleinlebende, Senioren, Familien und Kinder warnte [1], sahen Experten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf für die Mehrheit der Menschen keine größere Gefahr für die Psyche. Sie betonten, dass die Mehrheit gesund ist und rieten, den gewohnten Tagesablauf beizubehalten und den Tag zu strukturieren und Ängste, depressive Gefühle oder Schlaflosigkeit während des Lockdowns nicht zu pathologisieren. Auch sie sehen Handlungsbedarfe, wenn Angst übertrieben oder irrational werde [2]. Systematische wissenschaftliche Erkenntnisse zu den physischen und psychischen Auswirkungen von kontaktreduzierenden Maßnahmen liegen für Deutschland bislang kaum vor. In der Vergangenheit wurde in internationalen Studien gezeigt, dass Epidemien zu einem signifikant erhöhten Stressniveau in der Bevölkerung führen [3]. Beständige Aktivierung durch chronischen Stress führt zu einer allostatischen Last, die das Risiko für viele Erkrankungen erhöht [4] [5]. Die Auslösung von Stressreaktionen setzt dabei nicht zwingend die bewusste Wahrnehmung von Stress und die prinzipielle Bewältigungsarbeit voraus. Ein Lancet Rapid Review kommt zu dem Schluss, dass psychische Auswirkungen von Quarantäne weitreichend, erheblich und langlebig sein können. Bei unerlässlicher Quarantäne sind u. a. deren Gründe und Dauer klar zu kommunizieren und die Grundversorgung zu gewährleisten [6]. Das internationale Rote Kreuz nennt in einem Bericht zahlreiche Angst-Reaktionen auf eine Pandemie [7]. Experten haben eine Reihe an Empfehlungen zur Primär- und Sekundärprävention von Ängsten und Stress im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in der Allgemeinbevölkerung veröffentlicht [8].

In der vorliegenden Publikation werden erste Ergebnisse einer Befragung während der Zeit des Lockdowns zu psychosozialen Belastungen der Corona-Pandemie (CoPa-Studie) vorgestellt. Beschrieben werden Unterschiede psychischer Belastungen zwischen ausgewählten Bevölkerungsgruppen sowie Assoziationen von Copingstrategien mit wahrgenommener Stressbelastung und Assoziationen von Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität als ein Aspekt des Wohlbefindens.


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Methoden

Die CoPa-Studie wurde kurz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie als prospektive Kohortenstudie geplant. Da 88 % der Bevölkerung das Internet nutzen [9], erschien eine gute Erreichbarkeit weiter Teile der Bevölkerung mit einer Online-Befragung möglich. Die Link-Verteilung erfolgte über soziale Medien. Einziges Ausschlusskriterium war ein Alter unter 16 Jahren.

Die Studienteilnahme war bei 1-maliger Teilnahme anonym möglich. Bei Bereitschaft der wiederholten Teilnahme für Längsschnittuntersuchungen wurde die E-Mail-Adresse erfragt. Die Datenerhebung, -speicherung und -auswertung erfolgten unter Einhaltung der EU-DSGVO und den Grundsätzen der guten epidemiologischen Praxis.

Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität zu Lübeck zustimmend bewertet (AZ 20–118).

Für die hier vorgestellten Auswertungen wurden Daten der Erstbefragung vom 7.–24. April 2020 verwendet. Mit Ausnahme der Freitextfelder war es nicht möglich, Eingabefelder zu überspringen, sodass einzelne fehlende Werte nicht auftraten. Um eine systematische Datenselektion z. B. durch Abbrüche zu vermeiden, wurden in den Analysen nur Personen berücksichtigt, die den Fragebogen beendet haben.

Erhebungsinstrumente

Endpunkte

Globale gesundheitsbezogene Lebensqualität aus dem EORTc-QLQ30

Die globale gesundheitsbezogene Lebensqualität als ein Endpunkt wurde mit den beiden 7-stufigen Skalen (von „sehr schlecht“ bis „ausgezeichnet“) zur allgemeinen Gesundheitswahrnehmung und zur Lebensqualität aus dem EORTC QLQ-C30 (Version 3, Zeitfenster 1 Woche) erfasst [15]. Die Werte beider Fragen wurden auf einen Wertebereich von 0–100 transformiert. Höhere Werte repräsentieren eine bessere globale gesundheitsbezogene Lebensqualität.


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Stress- und Coping-Inventar (SCI)

Das SCI ist ein validiertes Instrument u. a. zur Ermittlung der aktuell wahrgenommenen Stressbelastung und von Copingstrategien [11]. Erfasst wurde die Stressbelastung mit 22 Items für die Lebensbereiche Finanzen, Wohnen, Arbeits-/Ausbildungsplatz, Partner, Gesundheit und persönliche Erwartungen (7-stufigen Likert-Skalen). Die für die Stressbelastung berechneten Summenwerte reichten von 22–144 Punkte, höhere Werte stehen für eine höhere Stressbelastung.


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Potenzielle Einflussvariablen

Die explorative Auswahl potenzieller Einflussvariablen erfolgte aufgrund von bekannten Risikofaktoren für Stress und Wohlbefinden.


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Copingstrategien (aus SCI)

Als Copingstrategien wurden, jeweils mit 4 Items, positives Denken, aktive Stressbewältigung, Halt im Glauben und erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum (4-stufige Likert-Skalen von „trifft gar nicht zu“ bis „trifft genau zu“) erfasst. Bei der Berechnung der einzelnen Skalensummenwerte wurde ein inverses Item umgepolt [11]. Für die Skalen der Copingstrategien resultierten Werte von 4–16.


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Oslo-3-Social-Support-Scale (OSS-3)

Soziale Unterstützung wurde mit der validierten OSS-3 erhoben, ein gebräuchliches Inventar zur Messung der wahrgenommenen sozialen Unterstützung [12] [13]. Die 3 Items der OSS-3 erfassen die Anzahl nahestehender Menschen bei ernsthaften Problemen (1–4 Punkte), die Menge des Interesses und der Anteilnahme anderer Personen (1–5 Punkte) sowie die Einfachheit, in der Nachbarschaft praktische Hilfe bei Bedarf zu erlangen (1–5 Punkte). Die Items werden nach entsprechender Polung zu einem Summenwert zusammengefasst (3–14 Punkte) und können anschließend als geringe (3–8), mittlere (9–11) oder starke soziale Unterstützung (12–14) kategorisiert werden.


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Patient Health Questionnaire for Depression and Anxiety (PHQ-4)

Der PHQ-4 ist ein validierter ultrakurzer Fragebogen zur Selbstberichterstattung, der sich aus einer 2-Item-Skala für Depressionen (PHQ-2) und einer 2-Item-Skala für Angstzustände (GAD-2) zusammensetzt. Berechnet werden jeweils Summenwerte (0–6 Punkte). Skalenwerte ab 3 weisen auf eine Depression bzw. Angststörung hin [10].


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Allgemeine Selbstwirksamkeit Kurzskala (ASKU)

Die ASKU ist ein validiertes ökonomisches Instrument mit 3 Items (5-stufige Liket-Skala von „nie“ bis „immer“) zur Erfassung individueller Kompetenzerwartungen, mit Schwierigkeiten und Hindernissen im täglichen Leben umgehen zu können. Berechnet wird der Skalenmittelwert, der zwischen 1 und 5 variiert [14].


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Aktivitäten

Neben den vorstehenden validierten Fragebögen kamen Fragen zum Einsatz, die in Anlehnung an die Empfehlungen zu Aktivitäten zum Erhalt des Wohlbefindens in Isolation der WHO [16], der Inter-Agency-Standing Committee (IASC) [17] und des Internationalen Roten Kreuzes (IFRC) [3] (5-stufige Likert-Skala von „nie“ bis „immer“) und zum Abstandsgebot entwickelt wurden. Sie beziehen sich auf spezielle Handlungsweisen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (Antwortoptionen: zutreffend/nicht zutreffend).


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Kontextfaktoren

Als soziodemografische Merkmale wurden Alter, Geschlecht, Personen im Haushalt, Wohnort (Hamburg oder Schleswig-Holstein versus andere Regionen in Deutschland), höchster Schul- und höchster Berufsabschluss, Erwerbstätigkeit im März 2020 und Erwerbssituation zum Befragungszeitpunkt erfasst. Schulabschlüsse wurden zusammengefasst in hoch (Hochschulreife (Abitur, EOS)) versus kein/niedriger/mittlerer Schulabschluss (noch Schüler, Schule beendet ohne Abschluss, Volks-/Hauptschulabschluss (Abschluss 8. oder 9. Klasse), Mittlere Reife, Realschulabschluss bzw. POS (Abschluss 10. Klasse), Fachhochschulreife oder anderen Schulabschluss). Berufsabschlüsse wurden zusammengefasst in hoch (Abschluss einer Ingenieurschule, Fach- oder Hochschulabschluss/Universität) versus kein/niedriger/mittlerer Berufsabschluss ((noch) keinen Berufsabschluss, beruflich-betriebliche Anlernzeit mit Abschlusszeugnis, aber keine Lehre, Teilfacharbeiterabschluss, Lehre (berufliche Ausbildung), Fachschule (auch Meister-/Technikerschule)).


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Statistische Analysen

Kennwerte der Stichprobe wurden mit deskriptiven Verfahren berechnet. Quantitative Daten werden mittels Mittelwerten und Standardabweichungen, qualitative Daten mit absoluten und relativen Häufigkeiten abgebildet. Unterschiede zwischen den Gruppen wurden mittels Chi-Quadrat-Tests bzw. T-Tests explorativ geprüft. Die Analysen fanden unter Berücksichtigung der berechneten Skalenwerte statt. Einzelitems wurden gemäß ihrem jeweiligen Wertebereich berücksichtigt. Es fand keine weitere Transformation der Werte statt.

Ein signifikanter Unterschied wurde bei einem p-Wert < 0,05 angenommen.

Cronbachs Alpha wurde berechnet, um die innere Konsistenz von Multi-Item-Skalen zu beurteilen. Als Effektschätzer wurden nichtstandardisierte und standardisierte Koeffizienten mit dazugehörigen 95 %-Konfidenzintervallen ermittelt. Zur Beurteilung der Güte der linearen Regressionsmodelle wurden korrigierte R-Quadrate berechnet.

Zur Ermittlung der Assoziationen von Copingstrategien mit der wahrgenommenen Stressbelastung während der Corona-Pandemie wurden multiple lineare Regressionsanalysen mit blockweiser Eingabe durchgeführt. Mittels Korrelationen nach Pearson und Varianzinflationsfaktoren (VIF) wurde auf Multikollinearität geprüft.

In Modell 1 wurde in einem ersten Schritt der Einfluss sozialer Unterstützung auf die Stressbelastung ohne weitere Einflussvariablen berechnet (Modell 1.1). Danach erfolgte eine Adjustierung für weitere Copingstrategien (Modell 1.2) und personenbezogene Parameter (Modell 1.3). Mit einer zweiten multiplen linearen Regressionsanalyse wurde der Frage nach den Assoziationen von Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität als ein Aspekt des Wohlbefindens nachgegangen. Dabei wurde in einem ersten Schritt ohne weitere Einflussvariablen gerechnet (Modell 2.1), in einem zweiten erfolgte eine Adjustierung für personenbezogene Parameter (Modell 2.2).

Die Daten wurden mit dem Statistikprogramm SPSS 22.0 ausgewertet.


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Ergebnisse

Im Zeitraum vom 7.4.2020 bis 24.4.2020 riefen 6307 Personen die CoPa-Online-Befragung auf. 5315 (84,3 %) willigten in die Studienteilnahme ein und füllten den Fragebogen im Mittel in 14 Minuten komplett aus. Bei 16,3 % war die Befragung abgebrochen. Das mittlere Alter betrug 43,2 (SD = 15,0) Jahre. Von den im März 2020 3881 (73,0 %) in Voll-, Teilzeit oder nur stundenweise erwerbstätigen Personen waren zum Befragungszeitpunkt 1847 (47,6 %) an ihrem gewohnten Arbeitsplatz erwerbstätig, 1368 (35,2 %) befanden sich ganz oder teilweise im Homeoffice. 268 (5,0 %) Personen gingen gar nicht mehr in die Öffentlichkeit. 2180 (40,9 %) Teilnehmende nahmen eine starke soziale Unterstützung wahr, 2388 (44,8 %) eine mittlere und 757 (14,2 %) eine geringe. Weitere Charakteristiken sind der [Tab. 1] zu entnehmen.

Tab. 1

Soziodemografische und beschreibende Angaben der Teilnehmenden mit vollständigem Datensatz (n = 5315).

Altersgruppen nach Geschlecht, n (%)

weiblich

männlich

divers

gesamt

16–20 Jahre

 142

(3,8)

  52

(3,3)

 3

(23,1)

 197

(3,7)

21–40 Jahre

1609

(43,4)

 616

(38,5)

 5

(38,5)

2230

(42,0)

41–60 Jahre

1530

(41,3)

 625

(39,1)

 4

(30,8)

2159

(40,6)

≥ 61 Jahre

 423

(11,4)

 305

(19,1)

 1

(7,7)

 729

(13,7)

gesamt

3704

(100)

1598

(100)

13

(100)

5315

(100)

Variable

Ausprägung

MW (SD) bzw. n (%)

n = 5315

in Schleswig-Holstein oder Hamburg wohnhaft, n (%)

4395

(82,7)

höchster Schulabschluss (nach Deck), n (%)

kein/niedriger/mittlerer

2023

(38,0)

hoch

3302

(62,0)

höchster Berufsabschluss (nach Deck), n (%)

kein/niedriger/mittlerer

 828

(53,1)

hoch

2497

(46,9)

Personen im Haushalt, n (%)

1 Person

1123

(21,1)

2 Person

2147

(40,1)

≥ 3 Personen

2045

(38,5)

Personen mit Kindern (< 12 Jahre) im Haushalt

ja

1141

(21,5)

Erwerbstätigkeit im März 2020, n (%)

Vollzeit (≥ 35 h)

2272

(42,7)

Teilzeit/stundenweise

1609

(30,2)

anders/keine

1444

(27,1)

jemals Depression als ärztliche Diagnose, n (%)

ja

1183

(22,3)

PHQ2 ≥ 3 (Hinweis für Major-Depression), n (%)

ja

 775

(14,6)

jemals andere psychische Erkrankungen (Angstzustände, Psychosen etc.) als ärztliche Diagnose, n (%)

ja

 724

(13,6)

GAD2 ≥ 3 (Hinweis für Angststörung), n (%)

ja

 649

(12,2)

gesundheitsbezogene Lebensqualität, MW (SD)

(0–100)

  68,8

(18,2)

wahrgenommene soziale Unterstützung, MW (SD)

(3–14)

  10,8

(2,1)

Stressbelastung gesamt, MW (SD)

(22–144)

  41,3

(16,8)

allgemeine Selbstwirksamkeit Kurzskala (ASKU), MW (SD)

(1–5)

   4,1

(0,6)

* MW = Mittelwert; SD = Standardabweichung.

** Abweichungen von 100 % rundungsbedingt.

Aktivitäten zum Erhalt des Wohlbefindens

Frauen gaben signifikant häufiger als Männer Aktivitäten zum Erhalt des Wohlbefindens in den letzten 2 Wochen an ([Tab. 2]). Keine signifikanten Unterschiede zeigten sich bei „kognitives Aktivbleiben“ (p = 0,450) und bei „Informieren aus zuverlässigen Quellen“ (p = 0,149). Frauen unterstützten darüber hinaus signifikant häufiger als Männer andere Personen aktiv und/oder emotional (p < 0,001).

Tab. 2

Aktivitäten zum Erhalt des Wohlbefindens in Isolation (nach Empfehlungen der WHO, IASC und IFRC).

Variable

Frauen

n = 3704 (69,8 %)

Männer

n = 1598 (30,2 %)

gesamt[*]

n = 5315 (100 %)[**]

körperliche Aktivitäten

nie

 478

(12,9)

250

(15,6)

 732

(13,8)

selten

 621

(16,8)

359

(22,5)

 981

(18,5)

gelegentlich

 981

(26,5)

434

(27,2)

1419

(26,7)

oft

1092

(29,5)

392

(24,5)

1488

(28,0)

immer

 532

(14,3)

163

(10,2)

 695

(13,1)

kognitiv aktiv bleiben

nie

 192

(5,2)

 75

(4,7)

 267

(5,0)

selten

 396

(10,7)

174

(10,9)

 570

(10,7)

gelegentlich

 864

(23,3)

406

(25,4)

1271

(23,9)

oft

1487

(40,1)

635

(39,7)

2129

(40,1)

immer

 765

(20,7)

308

(19,3)

1078

(20,3)

Entspannungsübungen

nie

1655

(44,7)

849

(53,1)

2509

(47,2)

selten

 808

(21,8)

376

(23,5)

1186

(22,3)

gelegentlich

 744

(20,1)

246

(15,4)

 994

(18,7)

oft

 371

(10,0)

101

(6,3)

 472

(8,9)

immer

 126

(3,4)

 26

(1,6)

 154

(2,9)

gesunde Ernährung

nie

  19

(0,5)

 25

(1,6)

  45

(0,8)

selten

 163

(4,4)

119

(7,4)

 283

(5,3)

gelegentlich

 794

(21,4)

546

(34,2)

1344

(25,3)

oft

2023

(54,6)

711

(44,5)

2740

(51,6)

immer

 705

(19,0)

197

(12,3)

 903

(17,0)

Lesen von Büchern und Magazinen

nie

 221

(6,0)

152

(9,5)

 376

(7,1)

selten

 483

(13,0)

319

(20,0)

 803

(15,1)

gelegentlich

 882

(23,8)

452

(28,3)

1336

(25,1)

oft

1293

(34,9)

441

(27,6)

1737

(32,7)

immer

 825

(22,3)

234

(14,6)

1063

(20,0)

Informieren bei zuverlässigen Quellen

nie

  71

1,9)

 30

(1,9)

 103

(1,9)

selten

 200

(5,4)

 98

(6,1)

 299

(5,6)

gelegentlich

 713

(19,2)

317

(19,8)

1032

(19,4)

oft

1512

(40,8)

687

(43,0)

2203

(41,4)

immer

1208

(32,6)

466

(29,2)

1678

(31,6)

Routinen so weit wie möglich aufrechterhalten

nie

  26

(0,7)

 23

(1,4)

  52

(1,0)

selten

 148

(4,0)

 84

(5,3)

 233

(4,4)

gelegentlich

 387

(10,4)

199

(12,5)

 588

(11,1)

oft

1600

(43,2)

747

(46,7)

2352

(44,3)

immer

1543

(41,7)

545

(34,1)

2090

(39,3)

konkrete Ideen zur Beschäftigung haben

nie

  95

(2,6)

 96

(6,0)

 192

(3,6)

selten

 225

(6,1)

171

(10,7)

 397

(7,5)

gelegentlich

 656

(17,7)

388

(24,3)

1048

(19,7)

oft

1387

(37,4)

527

(33,0)

1916

(36,0)

immer

1341

(36,2)

416

(26,0)

1762

(33,2)

Humor behalten und lachen

nie

  16

(0,4)

  7

(0,4)

  24

(0,5)

selten

 178

(4,8)

 67

(4,2)

 246

(4,6)

gelegentlich

 550

(14,8)

204

(12,8)

 757

(14,2)

oft

1502

(40,6)

561

(35,1)

2065

(38,9)

immer

1458

(39,4)

759

(47,5)

2223

(41,8)

mit anderen kommunizieren

nie

   5

(0,1)

  4

(0,3)

   9

(0,2)

selten

  59

(1,6)

 47

(2,9)

 107

(2,0)

gelegentlich

 358

(9,7)

228

(14,3)

 589

(11,1)

oft

1491

(40,3)

673

(42,1)

2169

(40,8)

immer

1791

(48,4)

646

(40,4)

2441

(45,9)

* inkl. Geschlecht divers (n = 13).


** Abweichungen von 100 % rundungsbedingt.



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Psychische Belastungen, Stressbelastungen und gesundheitsbezogene Lebensqualität

Personen, bei denen jemals eine Depression durch einen Arzt oder Ärztin diagnostiziert worden war, äußerten aktuell signifikant häufiger Anzeichen für eine Depression als andere Teilnehmende (32,9 % versus 9,3 %; p < 0,001). Auch Personen mit anderen jemals ärztlich diagnostizierten psychischen Erkrankungen gaben aktuell signifikant häufiger Anzeichen für generalisierte Angststörungen an (35,4 % versus 8,5 %; p < 0,001). Im Mittel berichteten Personen mit Depressionen in der Vorgeschichte über eine signifikant größere Stressbelastung (M = 50,0 (SD = 15,2) versus M = 38,9 (SD = 19,1); p < 0,001). Auch ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität unterschied sich im Mittel signifikant zu ihren Ungunsten (M = 59,8 (SD = 20,4) versus M = 71,3 (SD = 16,7); p < 0,001). Ähnliches galt für Personen mit anderen psychischen Erkrankungen in der Vorgeschichte (Stressbelastung M = 51,8 (SD = 19,0) versus M = 39,7 (SD = 15,8); p < 0,001; gesundheitsbezogene Lebensqualität (M = 58,6 (SD = 20,1) versus M = 70,4 (SD = 17,4); p < 0,001)).

Personen die gar nicht mehr in die Öffentlichkeit gingen, gaben im Vergleich zu anderen Personen signifikant häufiger Anzeichen für eine Depression (22,8 % versus 14,1 %; p < 0,001) oder eine generalisierte Angststörungen (23,1 % versus 11,6 %; p < 0,001), höhere Stresswerte (M = 48,0 (SD = 21,4) versus M = 41,0 (SD = 16,4); p < 0,001) und eine signifikant geringere gesundheitsbezogene Lebensqualität (M = 64,6 (SD = 22,3) versus M = 70,0 (SD = 18,0); p < 0,001) an.

Während Personen mit Kindern bis 12 Jahren signifikant höhere Stresswerte (M = 44,2 (SD = 18,1)) als andere Personen (M = 40,6 (SD = 16,3)) angaben (p < 0,001), unterschied sich ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität nicht signifikant (M = 68,2 (SD = 18,2) versus M = 68,9 (SD = 18,2); p = 0,268).

Personen ab 65 Jahre (n = 434) äußerten signifikant niedrigere Stresswerte (M = 32,3 (SD = 12,7) versus M = 42,1 (SD = 16,9); p < 0,001) und eine bessere gesundheitsbezogene Lebensqualität (M = 71,9 (SD = 17,8) versus M = 68,5 (SD = 18,2); p < 0,001).

Personen, die im März 2020 einer Erwerbstätigkeit oder stundenweisen Erwerbstätigkeit nachgingen und während der letzten 2 Wochen an ihrem gewohnten Arbeitsplatz und/oder im Homeoffice waren, äußerten eine geringere Stressbelastung als alle anderen (M = 39,6 (SD = 15,5) versus M = 44,0 (SD = 18,3); p < 0,001) und eine höhere gesundheitsbezogene Lebensqualität (M = 70,0 (SD = 17,2) versus M = 66,9 (SD = 19,5); p < 0,001).


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Soziale Unterstützung und andere Copingstrategien als potenzielle Einflussvariablen für wahrgenommene Stressbelastung

Je mehr soziale Unterstützung berichtet wurde, umso geringer war in allen 3 Modellen die Gesamtstressbelastung ([Tab. 3]). Bei ausschließlicher Berücksichtigung von sozialer Unterstützung (Modell 1.1) war der Effekt am stärksten. Nach Adjustierung für weitere Copingstrategien (Modell 1.2) reduzierte sich der Effekt und noch weiter nach zusätzlicher Aufnahme personenbezogener Parameter in die Modellberechnung (Modell 1.3).

Tab. 3

Ergebnisse der linearen Regression zu Assoziationen von Copingstrategien und wahrgenommener Stressbelastung.

Modell 1.1

Modell 1.2

Modell 1.3

potenzielle Einflussvariablen

b

95 %-KI

B

b

95 %-KI

B

b

95 %-KI

B

soziale Unterstützung (3–14)

–2,34

(–2,54; –2,14)

–0,30

–1,66

(–1,86; –1,45)

–0,21

–1,27

(–1,47; -1,07)

–0,16

positives Denken (4–16)

–1,51

(–1,70; –1,32)

–0,22

–0,64

(–0,84; –0,45)

–0,09

aktive Bewältigung (4–16)

–0,95

(–1,15; –0,76)

–0,13

–0,73

(–0,92; –0,54)

–0,09

Halt im Glauben (4–16)

0,48

(0,32; 0,63)

0,08

0,49

(0,34; 0,64)

0,08

erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum (4–16)

0,62

(0,46; 0,78)

0,10

0,60

(0,45; 0,75)

0,08

Selbstwirksamkeit (1–5)

–4,20

(–4,94; –3,46)

–0,15

Geschlecht weiblich

1,93

(1,07; 2,80)

0,05

Alter in Jahren (16–87)

–0,17

(–0,20; –0,14)

–0,15

Schulabschluss hoch

–1,64

(–2,48; –0,81)

–0,05

Kinder < 12 Jahre im Haushalt

3,30

(2,35; 4,25)

0,08

jemals Depression als ärztliche Diagnose

4,73

(3,66; 5,79)

0,12

jemals andere psychische Erkrankungen (Angstzustände, Psychosen etc.) als ärztliche Diagnose

3,91

(2,64; 5,17)

0,08

Erwerbstätige, die am gewohnten Arbeitsplatz und/oder im Homeoffice waren

–2,77

(–3,58; –1,97)

–0,08

korrigiertes R-Quadrat

0,089

0,173

0,267

b = nichtstandardisierter Koeffizient; KI = Konfidenzintervall; B = standardisierter Koeffizient.

Alle in [Tab. 3] gezeigten Ergebnisse sind hochsignifikant (p < 0,001). Die nichtstandardisierten Koeffizienten b geben den Einfluss der potenziellen Einflussvariablen auf die Stressbelastung wieder: Eine Erhöhung der sozialen Unterstützung um 1 führt zu einer Abnahme um 2,34 (Modell 1.1) der Stressbelastung. Um die Stärke des Einflusses von potenziellen Einflussvariablen mit unterschiedlichen Wertebereichen miteinander vergleichen zu können, ist zusätzlich der standardisierte Koeffizient B angegeben. Selbstwirksamkeit (B = –0,15), soziale Unterstützung (B = –0,16) und Alter (B = –0,15) sind danach im Modell 3 die 3 potenziellen Einflussvariablen, welche die Varianz der Stressbelastung am meisten erklären. Anders als diese 3 potenziellen Einflussvariablen zeigt eine Depression in der Vorgeschichte einen gleichsinnigen Zusammenhang mit der Stressbelastung.


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Empfohlene Aktivitäten für das Wohlbefinden als potenzielle Einflussvariablen für gesundheitsbezogene Lebensqualität

Vier der empfohlenen Aktivitäten zum Erhalt des Wohlbefindens zeigten eine hochsignifikante positive Assoziation mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Modell 2.1), die auch nach Adjustierung für personenbezogene Einflussvariablen im Modell 2.2 erhalten blieb („Humor behalten“, „gesunde Ernährung“, „körperliche Aktivitäten“, „konkrete Ziele/Beschäftigungen verfolgen“) ([Tab. 4]). „Entspannungsübungen“ waren signifikant negativ und „Informieren aus zuverlässigen Quellen“ war nicht signifikant negativ mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert.

Tab. 4

Ergebnisse der linearen Regression zu Assoziationen von Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens in Isolation und gesundheitsbezogener Lebensqualität.

Modell 2.1

Modell 2.2

potenzielle Einflussvariablen

b

(95 %-KI)

B

p

b

(95 %-KI)

B

p

körperliche Aktivitäten (1–5)

1,90

(1,54; 2,27)

0,13

***

1,47

(1,10; 1,83)

0,10

***

kognitive Aktivitäten (1–5)

0,14

(–0,28; 0,56)

0,01

n. s.

0,01

(–0,40; 0,43)

0,00

n. s.

gesunde Ernährung (1–5)

2,31

(1,73; 2,89)

0,10

***

1,64

(1,07; 2,20)

0,07

***

Entspannungsübungen (1–5)

–1,29

(–1,69; –0,90)

–0,08

***

–0,82

(–1,21; –0,43)

–0,07

***

Bücher und Magazine lesen (1–5)

0,38

(–0,02; 0,77)

0,02

n. s.

0,29

(–0,11;0,68)

0,02

n. s.

Informieren bei zuverlässigen Quellen (1–5)

–0,13

(–0,59; 0,33)

–0,01

n. s.

–0,38

(–0,83; 0,06)

–0,02

n. s.

Routinen aufrechterhalten (1–5)

1,36

(0,83; 1,90)

0,06

***

0,64

(0,14; 1,17)

0,03

**

konkrete Ziele/Beschäftigungen verfolgen (1–5)

0,83

(0,39; 1,27)

0,05

***

0,80

(0,37; 1,23)

0,05

***

Humor behalten und lachen (1–5)

8,15

(7,59; 8,71)

0,39

***

6,38

(5,82; 6,95)

0,31

***

Kommunizieren (z. B. zu Hause, über Telefon, elektronische Medien, Briefe) (1–5)

1,27

(0,63; 1,92)

0,05

***

0,51

(–0,12; 1,15)

0,02

n. s.

Selbstwirksamkeit (1–5)

5,22

(4,47; 5,97)

0,18

***

Geschlecht, weiblich

–1,25

(–2,18; –0,32)

–0,03

***

Alter (16–87)

0,01

(–0,02; 0,04)

0,01

n. s.

Schulabschluss, hoch

0,30

(–0,59; 1,20)

0,01

n. s.

Kinder ≤ 12 Jahre im Haushalt

0,21

–0,79; 1,20)

0,01

n. s.

jemals Depression als ärztliche Diagnose

–3,28

–4,20; –2,18)

–0,08

***

jemals andere psychische Erkrankungen (Angstzustände, Psychosen etc.) als ärztliche Diagnose

–2,90

(–4,21; –1,60)

–0,06

***

Erwerbstätige, die am gewohnten Arbeitsplatz und/oder im Homeoffice waren

0,69

(–0,15; 1,53)

0,02

n. s.

soziale Unterstützung (3–14)

0,79

(0,57; 1,00)

0,09

***

korrigiertes R-Quadrat

0,278

0,338

b = nichtstandardisierter Koeffizient; KI = Konfidenzintervall; B = standardisierter Koeffizient.

Den größten Einfluss auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität haben nach den standardisierten Koeffizienten in absteigender Reihenfolge in Modell 2.2 „Humor behalten“, Selbstwirksamkeit, körperliche Aktivitäten und soziale Unterstützung. Für diese Prädiktoren zeigte sich eine positive Korrelation zu der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Dabei kommt dem Humor die mit Abstand größte Erklärungskraft zu.


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Statistische Prüfungen

Die Prüfung der internen Konsistenz aller in den Modellen verwendeten Skalen ergab zufriedenstellende Werte (OSS-3 α = 0,62; positives Denken α = 0,75; aktive Bewältigung α = 0,75; Halt im Glauben, Alkohol- und Zigarettenkonsum α = 0,70; Selbstwirksamkeit α = 0,86; Gesamtstress α = 0,84; gesundheitsbezogene Lebensqualität α = 0,59). Auch lag keine Multikollinearität vor.


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Diskussion

Die vorliegende explorative Studie gibt einen Überblick über psychische Belastungen, über Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens und über Copingstrategien kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie bei Teilnehmenden der CoPa-Online-Befragung und in ausgewählten Untergruppen während der Phase des Lockdowns.

Im Vergleich zu einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung (DEBRA-Studie) aus dem Jahr 2019 weisen mehr Teilnehmende der CoPa-Befragung Anzeichen für eine Depression (14,6 % versus 3,3 %) bzw. für eine Angststörung (12,2 % versus 5,1 %) gemessen mit dem PHQ-4 auf [18]. Assoziationen von Quarantänemaßnahmen im Zusammenhang mit verwandten Coronavirus-Erkrankungen (SARS, MERS) und dem Auftreten von psychischen Erkrankungen konnten bereits in anderen internationalen Studien gezeigt werden [19] [20]. In der kanadischen Studie weisen unter Quarantäne gestellte Personen, die an einer webbasierten Umfrage teilnahmen, zu 28,9 % Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) und zu 31,2 % Symptome einer Depression auf [19]. Im Vergleich zur Bevölkerung litten in einer südkoreanischen Studie doppelt so viele Menschen, die aufgrund des Kontakts mit MERS-Patienten 2 Wochen lang isoliert, aber nicht selbst erkrankt waren, während der Isolation an Angstsymptomen [20]. In die CoPa-Studie eingeschlossene Personen berichteten nur in der Minderheit davon, gar nicht mehr in die Öffentlichkeit zu gehen. Aber auch sie weisen signifikant häufiger Anzeichen für Depressionen und Angststörungen auf. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die Corona-Pandemie und die Maßnahmen des Lockdowns Folgen haben, die den Wirkungen einer Quarantäne qualitativ ähnlich sind, aber eine geringere Prävalenz haben.

Die Studienergebnisse legen nahe, dass kontaktreduzierende Maßnahmen als präventive Maßnahme zur Ausbreitung des Coronavirus in der Studienpopulation bei bestimmten vulnerablen Gruppen mit einer erhöhten Stressbelastung und Anzeichen für Depressionen und Angststörungen einhergehen. Der Mittelwert für die Stressbelastung in der CoPa-Kohorte liegt – anders als erwartet – leicht unter dem Referenzwert [11], wobei Personen mit psychischen Diagnosen, Personen, die nicht in die Öffentlichkeit gehen, und Personen mit Kindern bis 12 Jahren eine deutlich höhere Stressbelastung aufweisen. Letztgenannte unterscheiden sich jedoch nicht in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Für die geringere Stressbelastung und vergleichsweise gute gesundheitsbezogene Lebensqualität sowohl in der Gesamtkohorte als auch bei den Erwerbstätigen und den über 65-Jährigen könnte ein Selektionsbias verantwortlich sein. Aus der Literatur ist bekannt, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität, anders als vorgefunden, negativ mit dem Alter und, wie vorgefunden, positiv mit dem Erwerbsstatus sowie dem Sozialstatus korreliert und Männer bessere Lebensqualitätswerte angeben als Frauen [21].

Insgesamt schätzten die Teilnehmenden ihre Selbstwirksamkeit, trotz Corona-Pandemie, vergleichbar zu Referenzdaten ein [14]. Diese generalisierte Selbstwirksamkeit erwies sich in unserer Analyse als positive Einflussvariable für die gesundheitsbezogene Lebensqualität und bestätigt damit die schon von Schwarzer beschriebene Funktion der Selbstwirksamkeit als persönliche Bewältigungsressource [22].

Als weitere Ressource für Stressbewältigung und gesundheitsbezogene Lebensqualität erwies sich soziale Unterstützung. Der Anteil derjenigen mit starker sozialer Unterstützung war im Vergleich zur Gesundheitsberichterstattung größer [23]. Dies ist vereinbar mit der Vermutung, dass das mit dem Lockdown verbundene „physical distancing“ nicht notwendigerweise zu einem „social distancing“ führt. Soziale Unterstützung durch Angehörige kann posttraumatische Stressreaktionen mildern und längerfristig adaptive Anpassungen ermöglichen [24]. Auch für die Bewältigung von Stress und Krankheit ist soziale Unterstützung ein bekannter Faktor [25].

In den Modellberechnungen sind neben der wahrgenommenen sozialen Unterstützung als eine Copingstrategie „positives Denken“ und „aktive Bewältigung“ negativ mit hoher Stressbelastung assoziiert. Erwartungsgemäß sind „Alkohol- und Zigarettenkonsum“ und überraschend „Halt im Glauben“ positiv mit der Stressbelastung assoziiert. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Menschen, die Schwierigkeiten mit der Stressregulation haben, für spirituelle Angebote empfänglicher sind als stressresistente Personen.

Von den Aktivitäten, die zum Erhalt des Wohlbefindens von der WHO empfohlen werden, scheinen bei Adjustierung für personenbezogene Variablen Humor, körperliche Aktivitäten und gesundes Essen günstig.

Limitationen

Die übliche Methode zur Generierung einer repräsentativen Kohorte über das Ziehen von Teilnehmern aus den Einwohnermelderegistern war in der verfügbaren kurzen Zeit nicht realisierbar. Mit der Online-Befragung ist es gelungen, innerhalb weniger Tage eine große, wenn auch nicht repräsentative Stichprobe der deutschen Wohnbevölkerung zu generieren. Aufgrund der fehlenden Repräsentativität ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse, trotz Adjustierung auf bekannte Einflussgrößen in den Modellrechnungen, limitiert. Die gefundenen Effekte könnten aufgrund der Selektion der Befragungsteilnehmenden eher unterschätzt sein, Teilnehmende waren besser gebildet, eher erwerbstätig, eher weiblich und jünger. Laut Statistischem Bundesamt lag der Anteil der über 60-Jährigen 2019 beispielsweise bei 31,7 % der deutschen Wohnbevölkerung ab 16 Jahre, 50,7 % sind weiblich [26] [27]. Der Fragebogen wurde nur in deutscher Sprache und nicht für Personen mit geringer Lesefähigkeit dargeboten. Möglicherweise wurden damit, wie in vielen Befragungen, besonders vulnerable Personenkreise nicht ausreichend erreicht. 16,7 % der Personen brachen die Befragung vorzeitig ab. Leider liegen uns keine Gründe für einen vorzeitigen Abbruch (z. B. technische Probleme oder Länge der Befragung) vor. Auch können wir keine Aussagen darüber treffen, inwiefern sich diese Personen von Teilnehmenden, die den Fragebogen beendet haben, unterschieden, da sozidemografische Angaben erst am Ende der Befragung erhoben wurden.

Um Überschneidungen ähnlicher Fragen in den verwendeten standardisierten Instrumenten zu vermeiden und die Teilnahmeakzeptanz in Bezug auf die Befragungsdauer zu verbessern, wurden nur 2 Fragen zur Einschätzung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität als ein wichtiger Aspekt des Wohlbefindens genutzt. Kritisch anzumerken ist auch, dass der PHQ-4 als ein geeignetes Screening-Instrument für Anzeichen von Depression und Angststörung gilt, jedoch nicht ausreichend ist, um diese Diagnosen zu bestätigen. In der Literatur gefundene Vergleichsstudien in Bezug auf Assoziationen von Quarantäne und psychischen Erkrankungen hinsichtlich untersuchter Studienpopulationen und verwendeter Messinstrumente sind heterogen und lassen sich möglicherweise nicht für die breitere Öffentlichkeit verallgemeinern. Der direkte Vergleich der Ergebnismessungen über Studien hinweg ist schwierig [6].

Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf Querschnittsdaten, d. h. Aussagen über Kausalitäten, intraindividuelle Veränderungen und Entwicklungsverläufe sind nicht möglich. Die eher moderate Varianzaufklärung in den berechneten Modellen legt darüber hinaus den Schluss nahe, dass es weitere relevante Einflussfaktoren gibt. Eine interne oder externe Validierung der Modelle wurde nicht vorgenommen.


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Fazit

Der Großteil der Befragten zeigte keine oder nur wenige Beeinträchtigungen in der beobachteten Zeitspanne. Unter Berücksichtigung soziodemografischer und anderer Merkmale in den Modellberechnungen konnten zum Teil positive Assoziationen von empfohlenen Aktivitäten zur Steigerung des Wohlbefindens und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gezeigt werden. Personen mit psychischen Erkrankungen in der Vorgeschichte, Personen die gar nicht in die Öffentlichkeit gehen und Personen mit Kindern bis 12 Jahre benötigen Unterstützung in Bezug auf Stressbewältigung in Zeiten der Corona-Pandemie.

Kernaussagen
  • Die Studienergebnisse lassen vermuten, dass breitenwirksame Maßnahmen des Lockdowns Folgen für die psychische Gesundheit vieler Menschen haben, die den Wirkungen einer individuellen Quarantäne qualitativ ähnlich sind.

  • Personen mit Kindern bis 12 Jahre zeigen signifikant höhere Stresswerte als andere; ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität unterschied sich nicht.

  • Personen, die gar nicht in die Öffentlichkeit gehen, zeigen signifikant höhere Stresswerte und eine signifikant geringere gesundheitsbezogene Lebensqualität.

  • Wahrgenommene soziale Unterstützung und Selbstwirksamkeit sind Ressourcen für die Stressbelastung während des Lockdowns.

  • Humor, körperliche Aktivitäten, gesunde Ernährung, die Aufrechterhaltung von Tagesroutinen und die Verfolgung von konkreten Zielen sind geeignete Aktivitäten zur Förderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in kontaktreduzierten Zeiten.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Die Initiatoren der CoPa-Befragung danken allen Studienteilnehmenden für die Beantwortung des Studienfragebogens und die Weiterleitung des Befragung-Links.


Korrespondenzadresse

Elke Peters
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie
Ratzeburger Allee 160
23562 Lübeck
Deutschland   

Publication History

Article published online:
01 December 2020

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