Aktuelle Rheumatologie 2020; 45(06): 506-507
DOI: 10.1055/a-1265-3937
Für Sie notiert

Biosimilar-Umstellung: Gesprächstechnik beeinflusst Bereitschaft der Patienten

Gasteiger C. et al.
Effects of Message Framing on Patients' Perceptions and Willingness to Change to a Biosimilar in a Hypothetical Drug Switch.

Arthritis Care Res (Hoboken) 2020;
72 (9): 1323-1330
DOI: 10.1002/acr.24012.
 

Viele Patienten mit rheumatischen Erkrankungen stehen der Umstellung von einem Biologikum auf ein Biosimilar kritisch gegenüber und viele behandelnde Ärzte sind unsicher, wie sie die Akzeptanz der Betroffenen erhöhen können. Ein Team neuseeländischer Forscher hat nun untersucht, welche Gesprächstechniken bei den Patienten eine positive Einstellung gegenüber dem Präparatewechsel hervorrufen.


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Ihre Hypothese: Positivformulierungen steigern die Akzeptanz der Biosimilar-Umstellung besser als Negativformulierungen und die Verwendung von Analogien verbessert das Verständnis der Patienten und ihre Bereitschaft zum Präparatewechsel zusätzlich. An der vierarmigen randomisierten Studie nahmen 96 erwachsene Patienten (Durchschnittsalter 54 Jahre, 69% Frauen) teil, welche aufgrund einer rheumatischen Erkrankung mit einem Original-Biopharmazeutikum behandelt wurden. Alle Probanden bekamen eine Videoaufnahme vorgeführt, in welcher ein Arzt die Umstellung auf ein Biosimilar erklärte, wobei 4 verschiedene Erklärungstechniken zum Einsatz kamen: In einer Aufnahme – 24 Patienten bekamen diese zu sehen – verwendete der erklärende Arzt bevorzugt positive Formulierungen (Betonung der Ähnlichkeiten zwischen dem Original- und dem Nachahmerprodukt) und eine positive Körpersprache, in einer zweiten Aufnahme (n=24) dagegen Negativformulierungen, welche sich auf die Unterschieden zwischen den Präparaten konzentrierten. Mittels Körpersprache und Tonfall deutete der Arzt hier zudem an, dass Unsicherheiten bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit des Therapiewechsels bestünden. Weitere 24 Patienten erhielten das positive Erklärvideo plus ein Video, in welchem der Arzt eine Analogie zur Verdeutlichung nutzte: Die Verwendung einer günstigeren Hefe beim Brotbacken führt zum selben Ergebnis, geht aber mit geringeren Kosten einher. Die übrigen 24 Patienten sahen das Video mit Negativformulierungen plus das Video mit der Hefe-Analogie. Nach dem Anschauen der Aufnahmen befragten die Wissenschaftler die Probanden, wie verständlich und überzeugend die Erklärung war, als wie wichtig sie eine Diskussion über Biosimilars empfanden, ob sie bereit wären, ihre Medikation auf ein Biosimilar umzustellen und welche Einstellung sie gegenüber Biosimilars hatten (erwartete Nebenwirkungen, Effektivität, Sicherheit).

Ergebnisse

67% der Patienten, welche das positive Erklärvideo (mit oder ohne Analogie-Erklärung) geschaut hatten, aber nur 46% der Patienten, welche das negative Erklärvideo (mit oder ohne Analogie-Erklärung) geschaut hatten, signalisierten eine Bereitschaft zum Präparatewechsel (Odds Ratio 2,36; 95% KI 1,04–5,40). Die Hinzunahme einer Analogie-Erklärung erhöhte hingegen weder die Bereitschaft der Betroffenen zur Umstellung auf ein Biosimilar noch verbesserte sie die Verständlichkeit der Erklärung. Diejenigen Patienten, welche das positive Video geschaut hatten, hielten im Vergleich zu den Patienten der Negativformulierung-Gruppe das Biosimilar ferner für signifikant effektiver. Bezüglich der Nebenwirkungs- und Sicherheitserwartung, den Bedenken und der Angst vor dem Präparatewechsel unterschieden sich die beiden Gruppen jedoch nicht. Die Positivformulierungen wurden im Vergleich zu den Negativformulierungen von den Patienten als signifikant überzeugender empfunden.

Fazit

Die Bereitschaft zum Wechsel von einem Original-Biopharmazeutikum auf ein Biosimilar wird stark durch die Gesprächstechnik beeinflusst, so die Forscher: Positivformulierungen wirken überzeugender und steigern die Wahrnehmung des Biosimilars als effektive Behandlungsalternative. Die Nutzung von Analogien hat dagegen keine zusätzlichen positiven Effekte. Insgesamt haben die Betroffenen einen starken Informationsbedarf. Diesem muss das ärztliche Gespräch gerecht werden, meinen die Autoren.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Publication History

Article published online:
04 December 2020

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